Aktenzeichen 12 ZB 16.2386
Leitsatz
1 Ein Fachrichtungswechsel im Rahmen eines Masterstudienganges ist nur dann förderungsunschädlich, wenn er aus einem unabweisbaren Grund nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG erfolgt (§ 7 Abs. 1a S. 2 BAföG). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Das Vorliegen eines unabweisbaren Grunds für einen Fachrichtungswechsel setzt voraus, dass es dem Studenten aus subjektiven, in seiner Person liegenden oder aber objektiven Gründen unmöglich ist, das Studium in der gewählten Fachrichtung fortzuführen. Ihm muss im Ergebnis keine Möglichkeit der Wahl zwischen einer Fortsetzung der begonnenen Ausbildung und einem Wechsel der Fachrichtung bleiben (vgl. VGH München BeckRS 2015, 53752). (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Führt ein Student zur Begründung des Abbruchs seiner bisherigen Ausbildung an, die Perspektive, noch jahrelang studieren zu müssen, habe ihn entmutigt, sodass er sich nunmehr für eine Berufsausbildung entschieden habe, lässt dies nicht den Schluss zu, dass es ihm aus subjektiven oder objektiven Gründen unmöglich geworden wäre, sein Studium fortzusetzen (vgl. BVerwG BeckRS 1981, 30435303). (red. LS Clemens Kurzidem)
4 § 7 Abs. 2 BAföG regelt allein die Förderung einer weiteren Ausbildung nach berufsqualifizierendem Abschluss der Erstausbildung iSd § 7 Abs. 1 BAföG, wozu ggf. auch eine privilegierte Ausbildung nach § 7 Abs. 1a BAföG rechnet. Wird bei Absolvierung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG diese abgebrochen oder erneut die Fachrichtung gewechselt, müssen für die Förderung der anderen weiteren Ausbildung sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG als auch des § 7 Abs. 3 BAföG vorliegen. (red. LS Clemens Kurzidem)
Verfahrensgang
W 3 K 15.1196 2016-10-13 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für einen Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Gründe
1. Der Antrag der Klägerin, ihr für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13. Oktober 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO). Die Beiordnung eines Bevollmächtigten nach § 121 Abs. 2 ZPO kommt deshalb ebenfalls nicht in Betracht.
2. Eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung nicht zu erwarten.
Solche ernstlichen Zweifel bestehen etwa dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerwG v. 26.3.2007, BayVBl 2007, 624 und vom 23.6.2000, NVwZ 2000, 1363) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (so BVerwG v. 10.3.2004 DVBl 2004, 838). Das ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag dargelegt hat (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
2.1. Zwar hat die Klägerin ihren Prozesskostenhilfeantrag nicht sachlich begründet; im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist jedoch unter Zugrundelegung der erstinstanzlich vorgebrachten Argumente von Amts wegen eine Prüfung vorzunehmen (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., Rn. 30 zu § 166).
2.2. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Verpflichtung des Beklagten, ihr Ausbildungsförderung für den Besuch der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht hat mit Recht einen Anspruch der Klägerin auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz verneint. Es hat bei seiner Entscheidung zutreffend maßgeblich darauf abgestellt, dass die Klägerin nach dem Wechsel vom Studium an der Universität Jena an die Berufsfachschule keinen Förderanspruch nach § 7 Abs. 3 BAföG hat. Nach dieser Vorschrift hat ein Ausbildungsabbruch oder Fachrichtungswechsel in aller Regel die Einstellung der Förderung aufgrund des Verbrauchs des Förderungsanspruchs für eine Erstausbildung zur Folge, es sei denn, er erfolgt aus einem wichtigen Grund (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 BAföG) oder aus einem unabweisbaren Grund (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend das zunächst aufgenommene Masterstudium (Slawistik) als Erstausbildung gemäß § 7 Abs. 1a BAföG erachtet. Ein Fachrichtungswechsel im Rahmen eines Masterstudienganges ist indes nur dann förderungsunschädlich, wenn er aus einem unabweisbaren Grund nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BAföG erfolgt (§ 7 Abs. 1a S. 2 BAföG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Annahme eines unabweisbaren Grundes für einen Fachrichtungswechsel voraus, dass es dem Studenten aus subjektiven, in seiner Person liegenden oder aber objektiven Gründen unmöglich ist, das Studium in der gewählten Fachrichtung fortzuführen. Ihm muss im Ergebnis keine Möglichkeit der Wahl zwischen einer Fortsetzung der begonnenen Ausbildung und einem Wechsel der Fachrichtung bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 5 C 6.03 – BVerwGE 120, 149 Rn. 8 ff.; BayVGH, B.v.14.10.2015 – 12 C 14.2417 -, juris). Die Anforderungen an das Vorliegen eines unabweisbaren Grundes erweisen sich damit strenger als diejenigen an einen wichtigen Grund nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG ebenso wie an einen schwerwiegenden Grund für die Überschreitung der Förderungshöchstdauer nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG (vgl. Humborg in Rothe/Blanke, Ausbildungsförderungsgesetz, § 7 Rn. 43).
2.3. Bereits in dem Wechsel vom Masterstudium Slawistik zum Studiengang Lehramt am Gymnasium (Russisch, Deutsch) liegt ein förderungsschädlicher Fachrichtungswechsel, da die Klägerin mit ihrer Einlassung, sie habe sich inhaltlich etwas anderes vorgestellt, ersichtlich keinen unabweisbaren Grund darlegt. Jedenfalls aber mit dem endgültigen Abbruch des Hochschulstudiums ist der Förderanspruch für eine Erstausbildung verbraucht, da unabweisbare Gründe auch insoweit nicht vorliegen, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist. Der Einwand der Klägerin, die Perspektive, noch jahrelang studieren zu müssen, habe sie entmutigt, so dass sie sich für eine Berufsausbildung entschieden habe, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass es der Klägerin aus subjektiven oder aus objektiven Gründen unmöglich geworden wäre, ihr Studium fortzusetzen (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.1981, Az. 5 C 36/79 in BVerwGE 62, 174).
An das Vorliegen eines unabweisbaren Grunds sind – wie bereits erwähnt – strenge Anforderungen zu stellen, damit die Privilegierung gegenüber solchen Auszubildenden, die einen „wichtigen Grund“ für sich in Anspruch nehmen können, aber bei einem Fachrichtungswechsel nach Beginn des vierten Fachsemesters jedweden Förderungsanspruch verlieren, gerechtfertigt ist. Ein Grund für einen Fachrichtungswechsel ist deshalb nur dann unabweisbar, wenn er die Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung zulässt und er die Fortführung der bisherigen Ausbildung objektiv und subjektiv unmöglich macht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 19.2.2004 Az. 5 C 6/03 in BVerwGE 120, 149). Im Zuge der an das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG angelehnten Interessenabwägung gilt es zu berücksichtigen, dass den Studenten die vom Gesetz vorausgesetzte Obliegenheit zur verantwortungsbewussten, vorausschauenden und umsichtigen Planung sowie zur zügigen und zielstrebigen Durchführung der Ausbildung trifft (Stein Weg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl., § 7 Rn. 134). Dieser Obliegenheit hat die Klägerin nicht genügt, indem sie sich nicht frühzeitig über die konkrete Dauer des Lehramtsstudiums und insbesondere im Hinblick auf den Umfang der Anrechnung des bereits in Usbekistan absolvierten achtsemestrigen Bachelorstudiums informiert hat.
2.4. Bereits aus diesem Grund steht der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung zum Besuch der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Bischofsheim nicht zu, so dass es auf die Frage, ob die Klägerin mit dem Bachelorabschluss in Usbekistan bereits einen berufsqualifizierenden Ausbildungsabschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG erlangt hat, entscheidungserheblich nicht ankommt. Auch das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf maßgeblich nicht abgestellt, sondern diese Frage letztlich dahinstehen lassen, da bereits im Hinblick auf den Fachrichtungswechsel kein Förderanspruch besteht.
2.5. Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Härtevorschrift des § 7 Abs. 2 S. 2 BAföG berufen, wonach für eine weitere Ausbildung Ausbildungsförderung geleistet werden kann, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls dies erfordern. Die Regelung betrifft Fälle, in denen eine weitere Ausbildung nicht die Voraussetzungen von § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG erfüllt, aber aus anderen Gründen erforderlich ist, insbesondere wenn sich ein Auszubildender eine bereits berufsqualifizierend abgeschlossene Ausbildung nicht mehr zunutze machen kann (Stein Weg in Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 7, Rn. 103). Dem entspricht die Regelung inTz. 7.2.23 VwV, wonach besondere Umstände dann vorliegen, wenn ein unabweisbarer Grund iSd § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BAföG der Ausübung des Berufes entgegensteht, zu dem die frühere Ausbildung qualifiziert hat oder von dem in Tz 7.2.22 b BAföG-VwV angesprochenen Personenkreis mangels objektiver Verwertbarkeit eines im Herkunftsland erworbenen Berufsabschlusses eine weitere Ausbildung im Inland benötigt wird (Stein Weg in Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 7 Rn. 103 u. 104).
Auch wenn man der Auffassung der Klägerin, ihre Position als Mutter eines deutschen Staatsangehörigen entspreche der Situation des in Tz. 7.2.22 b BAföG-Verwaltungsvorschrift explizit genannten Personenkreises, folgen wollte (vgl. hierzu OVG Hamburg, B. v. 04.06.2015 – 4 Bs 47/15, BeckRS 2015, 47674), trifft indes ihre Schlussfolgerung, dass dann der Studienfachwechsel bzw. Abbruch unerheblich wäre, nicht zu. § 7 Abs. 2 BAföG regelt allein die weitere Ausbildung nach berufsqualifizierendem Abschluss der Erstausbildung iSd § 7 Abs. 1 BAföG, wozu ggf. auch die privilegierte Ausbildung nach § 7 Abs. 1a BAföG zählt. Wird jedoch eine weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, müssen für die Förderung der anderen weiteren Ausbildung sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG als auch des § 7 Abs. 3 BAföG vorliegen (Stein Weg in Ramsauer/ Stallbaum, a.a.O., § 7 Rn. 64). Diese sind vorliegend indes nicht gegeben. Die Klägerin hat – wie bereits ausgeführt – ihr Hochschulstudium nicht aus unabweisbarem Grund abgebrochen.
Im Übrigen lässt der Akteninhalt auch nicht erwarten, dass die Berufung wegen eines der weiteren Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO zuzulassen wäre.
3. Eine Kostenentscheidung ist vorliegend nicht veranlasst, weil das Prozesskostenhilfeverfahren gerichtsgebührenfrei ist und dem Gegner entstandene Kosten gemäß § 166 VwGO, § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).