Arbeitsrecht

Fehlerhafte Gewährung einer Ausgleichszulage

Aktenzeichen  AN 1 K 16.02529

Datum:
13.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG BayBesG Art. 15 Abs. 2, Art. 21, Art. 52
BGB BGB § 812, § 818 Abs. 3, Abs. 4, § 819

 

Leitsatz

1 Bei einer geringfügigen Überzahlung der Dienst- bzw. Versorgungsbezüge, die nicht mehr als 10% der an sich zustehenden Bezüge beträgt, kann ein offenbarer Wegfall der Bereicherung unterstellt werden. (Rn. 116) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Regelungen der Art. 21 und 52 BayBG gehören nicht zu den Rechtsnormen, deren Kenntnis von jedem Beamten erwartet werden kann. (Rn. 133) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist von einem ausschließlichen Verschulden des Beklagten an der Überzahlung auszugehen, ist es ermessensfehlerhaft, nur einen Abschlag von 30% vom Rückforderungsbetrag zu gewähren, wie er beim Vorliegen eines untergeordneten Verschuldens des Beamten angemessen ist.  (Rn. 129 – 131) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle …, Bezügestelle Besoldung, vom 17.10.2016 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 24.11.2016 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle …, Bezügestelle Besoldung, vom 17. Oktober 2016 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 24. November 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Dem Beklagten steht der auf Art. 15 Abs. 2 BayBesG gestützte Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.614,08 EUR nicht zu, da sich die Klägerin auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann (nachfolgend unter I.).
Der Bescheid vom 17. Oktober 2016 erweist sich zudem auch deshalb als rechtswidrig, da die Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG ermessensfehlerhaft getroffen worden ist (nachfolgend unter II.).
I.
Nach Art. 15 Abs. 2 BayBesG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Besoldung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden.
Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beklagten, dass die Klägerin nach ihrer Beförderung zur Polizeiinspektorin (BesGr. A 9) im Zeitraum vom 1. November 2013 bis 30. November 2015 eine Überzahlung in der Besoldung in Höhe von 2.305,83 EUR erhalten hat.
Die Klägerin hatte seit dem 1. September 2012 nach ihrer Verwendung als Polizeihauptsekretärin als Folge ihrer Polizeidienstunfähigkeit keinen Anspruch auf weitere Gewährung einer Zulage für besondere Berufsgruppen nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG.
In dieser Konstellation wird die durch den Wegfall der Zulage bewirkte Reduzierung der Besoldungshöhe zur Rechtsstandswahrung durch monatliche Zahlungen auf der Grundlage des Art. 21 BayBesG ausgeglichen. Art. 21 Abs. 1 Satz 3 BayBesG nennt ausdrücklich den Wegfall einer Zulage für besondere Berufsgruppen im Falle der Übertragung einer anderen Funktion als einen Anwendungsfall der Rechtsnorm (vgl. für den Eintritt der Polizeidienstunfähigkeit ausdrücklich Ziffer 21.2.1 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten – BayVwVBes).
Der Klägerin wurde jedoch fehlerhaft für den Wegfall der Zulage nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG bis einschließlich November 2015 eine Ausgleichszulage gemäß Art. 52 BayBesG gewährt. Art. 52 BayBesG ist jedoch ausschließlich auf den Wegfall von Stellenzulagen nach Art. 51 BayBesG anwendbar (Schwegmann/Summer/Leihkauff, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Rn. 21 zu Art. 52 BayBesG).
Der Klägerin hätte deshalb richtigerweise ab dem 1. November 2013 eine monatliche Ausgleichszahlung nach Art. 21 BayBesG gewährt werden müssen. Der Anspruch nach Art. 21 BayBesG, welcher – wie bereits ausgeführt – der Rechtsstandswahrung dient, ist jedoch zum 31. Oktober 2013 erloschen, da der Klägerin mit der zum 1. November 2013 erfolgten Beförderung in die Besoldungsgruppe A 9, die einen erstmaligen Anspruch auf Gewährung der Strukturzulage nach Art. 33 BayBesG zur Folge hatte, eine Besoldung zustand, die in der Höhe den im Rahmen der Rechtsstandswahrung im Vollzug des Art. 21 BayBesG maßgeblichen Betrag überstieg (vgl. Ziffer 21.3.1 BayVwVBes; Schwegmann/Summer/Leihkauff, a.a.O., Rn. 37 f. zu Art. 21 BayBesG).
Dies ergibt sich aus folgender Vergleichsberechnung zum 1. November 2013:
Grundgehalt A 8: 2.369,53 EUR + Ausgleichszahlung nach Art. 21 BayBesG: 135,24 EUR = 2.504,77 EUR;
Grundgehalt A 9: 2.496,03 EUR + Strukturzulage nach Art. 33 BayBesG: 81,19 EUR = 2.577,22 EUR.
Aus der fehlerhaften Gewährung einer Ausgleichszulage nach Art. 52 BayBesG hat sich in der Summe eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 2.305,83 EUR ergeben.
Fehler bei der (letzten) Berechnung des Rückforderungsbetrages im streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Oktober 2016 sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.
Dem Beklagten steht deshalb dem Grunde nach ein Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBesG i.V.m. §§ 812 ff. BGB zu.
Die Klägerin kann sich jedoch auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 818 Abs. 3 BGB).
Nach § 818 Abs. 3 BGB i.V.m. Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBesG entfällt die Verpflichtung zur Herausgabe des rechtswidrig Erlangten, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Hierauf kann sich jedoch gemäß § 819 Abs. 1 BGB derjenige nicht berufen, der den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung kennt oder später erfährt. Dieser Maßstab der sog. Bösgläubigkeit des Empfängers wird im Beamtenverhältnis durch Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG verschärft. Danach ist ein Berufen auf den Wegfall der Bereicherung auch dann nicht möglich, wenn der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin der Zahlung ihn hätte erkennen können.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Klägerin dem Rückforderungsanspruch des Beklagten die Entreicherungseinrede nach § 818 Abs. 3 BGB wegen Verbrauchs der zugeflossenen Mittel entgegenhalten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 10.10.1961 – VI C 25.60, BVerwGE 13, 107; U.v. 30.8.1962 – II C 90.60, BVerwGE 15, 15 und juris) ist die Frage des Wegfalls der Bereicherung nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Erwägungen zu beantworten und richtet sich nach dem Vergleich des Vermögenstandes beim Empfang der Leistungen und im Zeitpunkt der Rückforderung. Dabei kommt es nicht auf den Stand des gesamten Vermögens an, vielmehr sind nur die Vermögensveränderungen zu berücksichtigen, die mit dem die Grundlage des Bereicherungsanspruchs bildenden Tatbestand ursächlich zusammenhängen. Ergibt ein solcher Vergleich einen Vermögenzuwachs, so liegt eine Bereicherung vor; anderenfalls fehlt sie. In Rechtslehre und Rechtsprechung ist deshalb im Ergebnis anerkannt, dass eine Bereicherung weggefallen ist, wenn der Empfänger im Hinblick auf den vermeintlichen Vermögenszuwachs Aufwendungen gemacht hat, die nicht zu einer Vermehrung seines Vermögens oder zu einer Verminderung seiner Verbindlichkeiten geführt haben. Diese Art des Wegfalls der Bereicherung kommt nicht nur bei Aufwendungen, die außerhalb des Rahmens der sonstigen Lebensgewohnheiten liegen (sog. Luxusausgaben), sondern auch dann in Betracht, wenn die zuviel gezahlten Beträge zu einer verhältnismäßig geringfügigen Verbesserung der allgemeinen Lebenshaltung aufgewendet werden.
Bei Überzahlungen im Beamtenrecht ist nach dem Zweck und Wesen des Beamtengehalts als eine Unterhaltsrente die Verwendung einer Überzahlung für eine bessere Lebenshaltung des Beamten und seiner Familie als Wegfall der Bereicherung anzusehen. Dies stützt sich im Wesentlichen auf den allgemeinen Erfahrungssatz, dass Beamte und Versorgungsempfänger ihre Bezüge regelmäßig zur Bestreitung des standesgemäßen Unterhalts für sich und ihre Familie verwenden und daher auch bei einer Überzahlung nicht mehr bereichert sind. Ein Wegfall der Bereicherung ist daher auch dann anzunehmen, wenn der Beamte die zu viel gezahlten Bezüge zur Verbesserung seiner allgemeinen Lebenshaltung verwendet hat, ohne dass von reinen Luxusausgaben die Rede sein kann.
Dem folgend bestimmt auch Ziffer 15.2.7.2 Satz 4 BayVwVBes ausdrücklich, dass ein Wegfall der Bereicherung anzunehmen ist, wenn die Empfänger glaubhaft machen, dass sie die zuviel gezahlten Bezüge im Rahmen ihrer Lebensführung verbraucht haben.
Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Lebenshaltung der Beamten sich regelmäßig nach dem ihnen zur Verfügung stehenden Gehalt richtet und dass infolgedessen mit der Erhöhung des Gehalts auch die Ausgaben steigen; dies gilt insbesondere für die Beamten der unteren und mittleren Besoldungsgruppen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann deshalb bei geringfügigen Überzahlungen von Dienst- bzw. Versorgungsbezügen, die nicht mehr als 10% der an sich zustehenden Bezüge betragen, ein offenbarer Wegfall der Bereicherung unterstellt werden, weil es sich insoweit um Verwendungen für den allgemeinen Lebensunterhalt des Beamten handelt (BVerwG, a.a.O.).
An diese Rechtsprechung anknüpfend enthält Ziffer 15.2.7.1 BayVwVBes ein Regelung, wonach unabhängig von der absoluten Besoldungshöhe ohne nähere Prüfung der Wegfall der Bereicherung unterstellt werden kann, wenn die im jeweiligen Monat zu viel gezahlten Bezüge 10 v.H. des insgesamt zustehenden Betrags, höchstens 150 EUR, nicht übersteigen; dies gilt auch dann, wenn in einem Monat Nachzahlungen erfolgen. Insgesamt darf der Gesamtbetrag der zu viel gezahlten Bezüge 1000 EUR nicht übersteigen.
Vorliegend haben die im Zeitraum vom 1. November 2013 bis 30. November 2015 (vor diesem Zeitraum ist es trotz der fehlerhaften Anwendung des Art. 52 BayBesG im Ergebnis zu keinen Überzahlungen gekommen) geleisteten Überzahlungen monatlich zwischen 75,97 EUR und 126,63 EUR gelegen, wobei der letztgenannte Betrag nur die Monate November 2013 und Dezember 2013 betrifft. Ab dem 1. Januar 2014 betrug die monatliche Überzahlung maximal 101,30 EUR.
In der Rechtsprechung wird aufgrund des Anscheinsbeweises davon ausgegangen, dass bei der Überzahlung von Besoldung in geringem Umfang überzahlte Beträge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht werden (BayVGH, U.v. 23.1.2014 – 7 B 13.860, juris Rn. 22 m.w.N.). Darauf beruht auch die bereits zitierte Ziffer 15.2.7.1 BayVwVBes, wonach ein Wegfall der Bereicherung, der die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge ausschließt, unterstellt wird, wenn im jeweiligen Monat zu viel gezahlte Bezüge 10% des insgesamt zustehenden Betrags, höchstens 150 EUR, nicht überschreiten. Für den Verbrauch der Überzahlung für die eigene Lebenshaltung spricht der Beweis des ersten Anscheins, wenn es sich um laufende Einkünfte handelt, die dem Bestreiten des Lebensunterhalts dienen, und bei niedrigen oder allenfalls mittleren Einkommen die Überzahlung so gering ist, dass sie sinnvoller Weise nicht gespart wird oder sonst der Vermögensbildung dient (Schwab in Münchner Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2013, § 818 Rn. 179 ff.).
Es kann vorliegend ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Klägerin als ledige Beamtin der 2. QE in der Besoldungsgruppe A 9, die nach der Steuerklasse I veranlagt wird, die Überzahlungen für den allgemeinen Lebensunterhalt verbraucht hat und nicht mehr bereichert ist. Insofern ist der Klägerin auch zugutezuhalten, dass sich infolge ihrer Beförderung zur Polizeiinspektorin auch ihr grundsätzlicher Lebensstandard erhöht hat und es deshalb nachvollziehbar ist, dass sie den jeweiligen monatlichen Überzahlungsbetrag im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht hat, ohne dass in ihrem Vermögen noch ein Gegenwert vorhanden sein muss oder zwingend davon auszugehen ist, dass sie anderweitig Aufwendungen erspart hätte, die wiederum jetzt noch in ihrem Vermögen vorhanden sein müssten (vgl. VG Würzburg, U.v. 22.9.2016 – W 1 K 15.1236, juris Rn. 33).
Vorliegend ist auch zu bedenken, dass angesichts des derzeitigen Zinsniveaus für Spar- und Tagesgeldguthaben von überwiegend deutlich weniger als 0,5% im Jahr auch nicht davon auszugehen ist, dass geringfügige Überzahlungen von – wie vorliegend maximal 126,63 EUR im Monat – sinnvollerweise durch die Klägerin gespart worden sind.
Gesichtspunkte, die den Anscheinsbeweis der Entreicherung erschüttern könnten (vgl. zu den Voraussetzungen: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Rn. 71 zu § 108), sind nicht ersichtlich und auch von dem Beklagten nicht vorgetragen worden.
Da der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass die monatlichen geringfügigen Überzahlungen dem Bestreiten des Lebensunterhaltes gedient haben, ist es auch unerheblich, dass die Überzahlungen in der Summe den in 15.2.7.1 BayVwVBes genannten Höchstbetrag von 1000 EUR überschreiten. Die in einer Verwaltungsvorschrift getroffene Regelung bindet das Verwaltungsgericht nicht.
Der Einwand der Entreicherung ist vorliegend auch nicht nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, da die Klägerin nicht nach diesen Vorschriften verschärft haftet.
Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei Empfang der Leistung oder erfährt er ihn später, ist er zur Herausgabe verpflichtet, ohne sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen zu können (§§ 819 Abs. 1, 819 Abs. 4 und 3 BGB). Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes steht es nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG im Fall der Rückforderung überzahlter Besoldung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin ihn hätte erkennen müssen.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin gewusst hat, dass ihr zur Rechtsstandswahrung nicht eine Ausgleichszulage nach Art. 52 BayBesG, sondern eine Zahlung nach Art. 21 BayBesG, und diese auch nur bis zum 31. Oktober 2013, hätte gewährt werden dürfen. Die Bezügemitteilungen, die die Klägerin für den hier relevanten Zeitraum vom 1. September 2012 bis 30. November 2015 erhalten hat, enthalten keine Erläuterungen zu den Voraussetzungen der Gewährung einer Ausgleichszulage nach Art. 52 BayBesG.
Von einer positiven Kenntnis der Überzahlung geht auch der Beklagte nicht aus.
Die Überzahlung war für die Klägerin auch nicht offensichtlich i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG. Ein Mangel ist dann offensichtlich, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, U.v. 28.6.1990 – 6 C 41.88, juris Rn. 16; U.v. 28.2.1985 – 2 C 31.82, juris Rn. 21) oder wenn er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen (BVerwG, U.v. 9.5.2006 – 2 C 12.05, juris Rn. 13; bestätigt durch BVerfG, B.v. 12.9.2007 – 2 BvR 1413/06, juris).
Letztlich ist das Fehlen des Rechtsgrundes für die Zahlung dann offensichtlich, wenn dies für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist. Zu den Sorgfaltspflichten eines Beamten gehört es aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht auch, die Bezügemitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen (BVerwG, U.v. 28.2.1985, a.a.O.; U.v. 25.11.1982 – 2 C 14.81, juris Rn. 22 m.w.N.).
Offensichtlichkeit i.S. von Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG liegt vor, wenn dem Beamten aufgrund seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Bezügemitteilungen fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist dagegen, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10, NVwZ-RR 2012, 930, juris Rn. 17).
Gemessen an diesen Maßstäben konnte die Klägerin die Überzahlungen weder durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung erkennen, noch hat sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen.
Hiervon geht im Übrigen auch der Beklagte aus.
Wie bereits ausgeführt, kam es durch die Übertragung des Amtes einer Polizeihauptsekretärin an die Klägerin zum 1. September 2012 zum Wegfall der Zulage nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG, die durch die (fehlerhafte) Gewährung der Ausgleichszulage nach Art. 52 BayBesG kompensiert werden sollte. Für die Klägerin als juristische Laiin war es nicht erkennbar, dass stattdessen eine Ausgleichszahlung nach Art. 21 BayBesG in gleicher Höhe hätte erfolgen müssen. Die Regelungen der Art. 21 und 52 BayBesG gehören nicht zu den Rechtnormen, deren Kenntnis von jedem Beamten erwartet werden kann. Für die Klägerin bestand auch kein Anlass zur Nachfrage, da sich die Höhe der bisher gewährten Zulage zum 1. September 2012 (126,63 EUR) nicht geändert hatte, sondern lediglich Art. 52 BayBesG als neue Rechtsgrundlage genannt wurde. Der Klägerin mussten sich deshalb keine Zweifel aufdrängen, die im Übrigen nach der zitierten Rechtsprechung auch nicht die Bößgläubigkeit der Klägerin zur Folge gehabt hätte. Entsprechendes galt auch für den Zeitraum nach der Beförderung der Klägerin zum 1. November 2013. Auch hier bestand keine Veranlassung der Klägerin, nachzufragen, ob ihr weiterhin eine Ausgleichszulage nach Art. 52 BayBesG zustünde, da die sie nach wie vor nicht im Polizeivollzugsdienst eingesetzt war und deshalb weiterhin von der Zulässigkeit der Gewährung eines Ausgleichs für den Wegfall der Zulage nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG ausgehen durfte.
Es verbleibt deshalb dabei, dass sich die Klägerin auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann.
II.
Ohne dass es noch entscheidungserheblich wäre, wird darauf hingewiesen, dass sich der Rückforderungsbescheid auch deshalb als rechtswidrig erweist, da die von der Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG ermessensfehlerhaft ist (§ 114 VwGO).
Nach dieser Bestimmung kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt eine Billigkeitsentscheidung nach Art. 12 Abs. 2 Satz 3 BayBesG, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10; U.v. 27.1.1994 – 2 C 19.92, BVerwGE 95, 94; U.v. 25.11.1982 – 2 C 14.81, BVerwGE 66, 251 und U.v. 21.9.1989 – 2 C 68.86, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 15 sowie B.v. 11.2.1983 – 6 B 61.82, Buchholz 238.41 § 49 SVG Nr. 3).
Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach Art. 12 Abs. 2 Satz 3 BayBesG einzubeziehen (BVerwG, a.a.O.).
Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der Beamte entreichert, kann sich aber auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen. Dann muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30% des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrages in Betracht kommen.
Der Beklagte hat in Vollzug der Ziffer 15.2.11.6 BayVwVBes einen Abschlag vom Rückforderungsbetrag in Höhe von 30 v.H. gewährt und eine weitergehenden Nachlass mit der Begründung abgelehnt, es liege kein besonderer Ausnahmefall im Sinne der Ziffer 15.2.11.6 BayVwVBes vor. Hierbei hat der Beklagte jedoch nicht berücksichtigt, dass ein Absehen von der Rückforderung in Höhe von 30% im Falle eines überwiegenden Verschuldens der Behörde an der Überzahlung angemessen ist, also bei Vorliegen eines untergeordneten Mitverschuldens des Beamten. Vorliegend trifft die Klägerin jedoch kein Mitverschulden an der Überzahlung, so dass sich die Annahme des Beklagten, ein Absehen von der Rückforderung sei nur im Umfang von 30 v.H. möglich, wie im Falle eines nur überwiegenden Verschuldens der Behörde, als ermessensfehlerhaft darstellt.
Die Rechtsfehlerhaftigkeit einer Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 BayBesG zur Folge (BVerwG, U.v. 26.4.2012, a.a.O., m.w.N.).
Dass die Beklagte im gerichtlichen Verfahren ihre Ermessenserwägungen unter Hinweis auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 26. April 2012, a.a.O., ergänzt hat (§ 114 Satz 2 VwGO), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch die im gerichtlichen Verfahren mitgeteilten Ermessenserwägungen genügen nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG, weil sie nicht berücksichtigen, dass von einem ausschließlichen Verschulden des Beklagten an der Überzahlung auszugehen ist und deshalb dem Aspekt des behördlichen Verschuldens an der Überzahlung nicht das ihm zukommende Gewicht beimessen wird.
Der Klage war deshalb stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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