Arbeitsrecht

Festsetzung von Widwenversorgung

Aktenzeichen  B 5 K 17.623

Datum:
7.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 44910
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 5 Abs. 3, § 17, § 54
VwGO § 42 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Auslegung oder Umdeutung anwaltlich gestellter Sachanträge kommt grds. nicht in Betracht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 54 BeamtVG beruht auf dem Gedanken der Einheit der öffentlichen Kassen und will eine „Überversorgung“ desjenigen, der Anspruch auf mehr als nur eine Versorgung (Alterssicherung) hat, vermeiden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann mit Einverständnis der Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2. Die erhobene Anfechtungsklage gegen die Witwenversorgung ist bereits unzulässig. Darüber hinaus wäre die Klage auch in der Sache ohne Erfolg. Die die Aufhebung der Ruhensregelung betreffende Klage ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation – Deutsche Bundespost – vom 22. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
a. Die Anfechtungsklage gegen die Festsetzung der Hinterbliebenenversorgung ist bereits unzulässig, da die Anfechtungsklage unstatthaft ist. Vorliegend wurde eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erhoben. Die Klägerin ließ durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 2. August 2017 Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2017 in Form des Widerspruchsbescheides erheben. Der Prozessbevollmächtigte beantragte, „die Bescheide der Beklagten vom 22. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2017 werden aufgehoben.“ Aus dem Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergibt sich jedoch, dass die Klägerin eine Neufestsetzung der Hinterbliebenenversorgung in Form des Witwengeldes unter Berücksichtigung der Besoldungsgruppe A 12 begehrt. Das auf Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerichtete Begehren ist jedoch nicht mit der Anfechtungsklage, sondern allein mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zu erreichen.
Eine entsprechende Auslegung des gestellten Antrages scheidet ebenso wie eine eventuelle Umdeutung aus. Zwar ist das Gericht grundsätzlich nicht an den Wortlaut der Anträge gebunden, sondern nur an das erkennbare Klageziel; von einem Rechtsanwalt ist aber zu erwarten, dass dieser die Klageziele in zutreffender Weise in seinen Anträgen wiedergibt, sodass eine gerichtliche Bevormundung durch Auslegung oder Umdeutung anwaltlicher Anträge grundsätzlich zu unterbleiben hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 88 Rn. 3). Es ist davon auszugehen, dass ein Anwalt nach sorgfältiger Sachprüfung den für das entsprechende Klageziel seiner Mandantschaft passenden Antrag stellt; alles andere würde nicht für eine ordnungsgemäße Ausführung des anwaltlichen Mandates sprechen.
Auch ist nicht ersichtlich, dass der Fall einer bloßen Falschbezeichnung (vgl. statt vieler: BayVGH, B. v. 18.01.2017 – 1 ZB 16.2474) gegeben wäre. Die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit eines Klageantrages und damit dessen Erfolglosigkeit sprechen gerade bei einer anwaltlichen Vertretung nicht dafür, dass der Antrag nur falsch bezeichnet worden wäre (s.o.).
b. Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, ist darauf hinzuweisen, dass die Klage auch dann keinen Erfolg gehabt hätte, wenn sie als Verpflichtungsklage erhoben worden wäre.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2016 wurde die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin unter Beachtung des § 5 Abs. 3 BeamtVG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Nach §§ 16 Nr. 3, 19 BeamtVG erhält die Witwe eines Beamten auf Lebenszeit, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BeamtVG erfüllt hat, Witwengeld. Das Witwengeld beträgt gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 55 vom Hundert des Ruhegehalts, das der Verstorbene erhalten hat oder hätte erhalten können, wenn er am Todestag in den Ruhestand getreten wäre. Die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge sind dabei in § 5 Abs. 1 BeamtVG geregelt. Ist ein Beamter aus einem Amt in den Ruhestand getreten, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn oder das keiner Laufbahn angehört, und hat er die Dienstbezüge dieses oder eines mindestens gleichwertigen Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht mindestens zwei Jahre erhalten, so sind ruhegehaltfähig nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes (§ 5 Abs. 3 BeamtVG). Grund dieser Regelung ist, dass sich der Beamte die Versorgung aus seinem letzten Amt durch eine bestimmte Dauer der Dienstleistung in diesem Amt erdienen muss (Wittmer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 123. AL. Sept. 2016, § 5 BeamtVG Rn. 14, 149). Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. Mai 2015 das Amt eines Technischen Postamtsrats bei der Deutschen Telekom AG übertragen und dieser in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 t eingewiesen. Bei der Berechnung der Zweijahresfrist endet im Fall des Todes die zu berücksichtigende Zeit mit dem Todestag. Die Zeit nach dem Todestag, für die die vorausgezahlten Dienstbezüge den Erben gemäß § 3 Abs. 5 BBesG belassen werden (§ 17 BeamtVG), bleibt außer Betracht (Wittmer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 123. AL. Sept. 2016, § 5 BeamtVG Rn. 170). Zum Todestag am … 2017 war die zweijährige Wartezeit nach § 5 Abs. 3 BeamtVG daher noch nicht erfüllt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beamte die Bezüge für den 24. Monat aufgrund der Bezügezahlung im Voraus bereits für den kompletten Monat und damit zwei Jahre „erhalten“ hatte. „Erhalten“ meint dabei das Bestehen des Anspruchs auf Dienstbezüge (Wittmer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 123. AL. Sept. 2016, § 5 BeamtVG Rn. 168). Der Anspruch auf die im Voraus gezahlten Bezüge des Sterbemonats bestand jedoch nur bis zum Todestag. Dies verdeutlicht die Regelung des § 17 BeamtVG. § 17 BeamtVG ist erforderlich, da andernfalls die Erben mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet wären.
Darüber hinaus ist gegen die Berechnung der Höhe nach unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 11 Stufe 8 nichts eingewandt worden. Fehler bei der Berechnung sind auch sonst nicht ersichtlich.
3. Die Klage gegen die Ruhensregelung ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der die Ruhensregelung betreffende angefochtene Bescheid der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation – Deutsche Bundespost – vom 22. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Das Zusammentreffen mehrerer Versorgungsbezüge regelt § 54 BeamtVG. Danach ruhen Versorgungsbezüge jedenfalls teilweise, wenn bestimmte weitere Versorgungsbezüge hinzutreten. § 54 Abs. 4 BeamtVG befasst sich mit dem Zusammentreffen einer bereits bezogenen eigenen Versorgung („ein Ruhestandsbeamter“) mit einem Anspruch auf Witwengeld oder einer ähnlichen Versorgung. Nach der Höchstgrenzenregelung des § 54 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erhält die Klägerin neben dem Witwengeld ihr eigenes Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 BeamtVG nur bis zum Erreichen der in § 54 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 sowie Sätze 3 und 5 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze ausgezahlt. Diese Höchstgrenze ist der Betrag, den die Versorgungsbezüge (Witwengeld und Ruhegehalt) der Klägerin insgesamt nicht überschreiten dürfen. Um dies zu erreichen, wird das Ruhegehalt der Klägerin teilweise zum Ruhen gebracht. Während § 54 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG eine Höchstbetragsregelung darstellt, dürfen nach § 54 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG die Gesamtbezüge nicht hinter dem eigenen Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 BeamtVG sowie eines Betrages von 20 v.H. des neuen Versorgungsbezugs zurückbleiben. Dadurch wird das Ruhen des eigenen Ruhegehalts der Klägerin auf einen verfassungsrechtlich gebotenen Mindestbetrag begrenzt.
§ 54 BeamtVG beruht auf dem Gedanken der Einheit der öffentlichen Kassen und will (wie die nachfolgenden Ruhensvorschriften der §§ 55 und 56 BeamtVG) eine „Überversorgung“ desjenigen, der Anspruch auf mehr als nur eine Versorgung (Alterssicherung) hat, vermeiden (vgl. BVerfG, B.v. 11.10.1977 – 2 BvR 407/76 – BVerfGE 46, 97, 107). Dieser soll nicht besser stehen als ein „Nur-Beamter“ mit der höchstmöglichen der beiden aufeinander anzurechnenden Versorgungen (BVerwG, U.v. 24.11.2011 – 2 C 39/10).
Der Klägerin steht neben ihrem eigenen Ruhegehalt als Witwe des verstorbenen Beamten gemäß §§ 19 und 20 BeamtVG Witwengeld zu. Die Mindestbelassungsregelung des § 54 Abs. 3 BeamtVG begrenzt die nach § 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG durchzuführende Ruhensberechnung. Sie greift in den Fällen ein, in denen es nach der Höchstbetragsregelung dazu käme, dass die Witwe oder der Witwer ansonsten höchstens noch die eigene oder sogar weniger als die eigene Versorgung ausgezahlt bekäme. Sie greift aber auch bereits in den Fällen ein, in denen der Höchstbetrag der Versorgung des Verstorbenen um weniger als 20 v.H. niedriger als die eigene Versorgung ist. Die Regelung gewährleistet zunächst den betragsmäßigen Erhalt des eigenen Ruhegehalts. Dieses eigene Ruhegehalt ist durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt, weil der Versorgungsberechtigte es „erdient“ hat (stRspr, vgl. BVerfG, U.v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99 – BVerfGE 105, 73, 115; U.v. 27.9. 2005 – 2 BvR 1387/02 – BVerfGE 114, 258, 298; BVerwG, U.v. 17.12.2008 – 2 C 26.07 – BVerwGE 133, 25 Rn. 11). Zugleich gewährleistet die Mindestbelassungsregelung, dass auch dieser Gruppe von Versorgungsempfängern grundsätzlich ein Rest des vom Ehegatten erdienten Versorgungsanspruchs erhalten bleibt (vgl. BVerfG, B.v. 11.10.1977 – 2 BvR 407/76 – BVerfGE 46, 97 ff.).
Da die Klägerin – nach der unbestrittenen Angabe der Beklagten – selbst Versorgungsempfängerin der Deutschen Telekom AG ist, ist die Ruhensregelung nach § 54 BeamtVG zwingend vorzunehmen. Hinsichtlich der Berechnung und der Höhe des berechneten Ruhensbetrages sind Fehler weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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