Aktenzeichen AN 1 K 17.00194
BayLlbG Art. 16 Abs. 2, Art. 17a
GG Art. 33 Abs. 2
BayPersVG Art. 46 Abs. 3 S. 5
Leitsatz
1 Das in Art. 46 Abs. 3 S. 5 BayPersVG normierte spezielle Benachteiligungsverbot ist im Lichte des allgemeinen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbots des Art. 8 BayPersVG zu sehen und kann nicht dazu führen, dass freigestellte Beamte bei einem notwendigerweise fiktiven Vergleich mit ihren nicht freigestellten Kollegen der gleichen Besoldungsgruppe in der Spitzengruppe dieser Beamten einzuordnen sind. (Rn. 129) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Entscheidung des Beklagten, im Rahmen der fiktiven Laufbahnnachzeichnung die Beamtinnen und Beamten aus der Vergleichsgruppe auszuschließen, die zu den jeweiligen Beurteilungsstichtagen in die 4. Qualifikationsebene (QE) aufgestiegen waren, kann rechtlich nicht beanstandet werden. (Rn. 131) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 3. November 2015 erfolgte fiktive Beurteilungsfortschreibung für die Beurteilungsstichtage 31. Mai 2012 und 31. Mai 2015, welche nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (vgl. Kathke, Dienstrecht Bayern I, Rn. 41 zu Art. 17a LlbG), sowie der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 21. Februar 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Erstellung einer erneuten fiktiven Beurteilungsfortschreibung für die beiden genannten Beurteilungsstichtage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Nach Art. 17a Abs. 2, Abs. 1 LlbG ist die dienstliche Beurteilung bei einer Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat, ausgehend von der letzten periodischen Beurteilung, unter Berücksichtigung des seinerzeit angelegten Maßstabs und der durchschnittlichen Entwicklung vergleichbarer Beamter und Beamtinnen fiktiv fortzuschreiben. Art. 8 BayPVG sieht vor, dass die Freistellung eines Personalratsmitglieds vom Dienst nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen darf. Das Benachteiligungsverbot soll sicherstellen, dass die Mitglieder des Personalrats ihre Tätigkeit unabhängig wahrnehmen können. Darüber hinaus soll es verhindern, dass Bedienstete von einer Mitarbeit im Personalrat, insbesondere von einer Freistellung vom Dienst, aus Sorge um ihre beruflichen Perspektiven Abstand nehmen (Faber in Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, 43. Update 08/17, Art. 8 Rn. 17 ff.).
Der Dienstherr muss den freigestellten Personalratsmitgliedern deshalb diejenige berufliche Entwicklung ermöglichen, die sie ohne Freistellung voraussichtlich genommen hätten. Die Freistellung darf die Chancen, sich in einem Auswahlverfahren um ein höheres Amt nach Art. 33 Abs. 2 GG durchzusetzen, nicht verbessern, aber auch nicht beeinträchtigen (BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 2 B 11/14, juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 25.1.2016 – 3 CE 15.2014, juris Rn. 23; B.v. 24.5.2017 – 3 CE 17.465, juris Rn. 24; Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Dezember 2016, Art. 17a LlbG Rn. 9).
Um diese gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, muss der Dienstherr eine Prognose darüber erstellen, wie der berufliche Werdegang ohne die Freistellung verlaufen wäre. Dies wiederum hängt von der voraussichtlichen Entwicklung der dienstlichen Leistungen ab (sog. fiktive Nachzeichnung der Laufbahn).
Der Dienstherr hat einen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Methode und des Verfahrens zur Erstellung dieser Prognose. Das Regelungskonzept für die fiktive Nachzeichnung ist geeignet, eine Benachteiligung zu vermeiden, wenn seine Anwendung zu nachvollziehbaren, weil durch Tatsachen fundierten Aussagen über die fiktive Leistungsentwicklung und den sich daraus ergebenden Werdegang führt (BVerwG, U.v. 30.6.2014 – 2 B 11/14, juris Rn. 13; U.v. 16.12.2010 – 2 C 11.09, BayVBl. 2011, 508; BayVGH, B.v. 25.1.2016, a.a.O. Rn. 24 ff.; B.v. 24.5.2017, a.a.O., juris Rn. 25).
Die fiktive Fortschreibung fingiert nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Leistung, sie unterstellt auch eine Fortentwicklung der Leistungen des Beamten entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamter (BVerwG, U.v. 16.12.2010 – 2 C 11.09, juris Rn. 9). Die Bildung einer solchen Vergleichsgruppe stellt deshalb ein geeignetes Mittel zur fiktiven Nachzeichnung dar (BVerwG, B.v. 21.7.2016 – 1 WB 8.16, juris Rn. 36; B.v. 11.12.2014 – 1 WB 6.13, juris Rn. 35, BayVGH, B.v. 24.5.2017, a.a.O. Rn. 26). Der Dienstherr darf eine Gruppe aus Personen zusammenstellen, deren beruflicher Werdegang und Leistungsbild mit denjenigen des freigestellten Personalratsmitglieds vergleichbar sind.
Entscheidet sich der Dienstherr für die fiktive Nachzeichnung durch Bildung einer Vergleichsgruppe, muss er sicherstellen, dass sowohl die generellen Kriterien für die Gruppenbildung als auch deren personelle Zusammensetzung im Einzelfall dem gesetzlichen Benachteiligungsverbot Rechnung tragen. Von der Zusammensetzung der konkreten Vergleichsgruppe hängt entscheidend ab, wie groß die Chancen des freigestellten Personalratsmitglieds sind, aufgrund der Vergleichsbetrachtung mit den anderen Gruppenmitgliedern befördert zu werden. Daher darf der Dienstherr die Vergleichsgruppe nicht so zusammenstellen, dass eine Beförderung des freigestellten Personalratsmitglieds unabhängig von dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang der anderen Gruppenmitglieder ausgeschlossen ist (BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 2 B 11.14, juris Rn. 14, 15; BayVGH, B.v. 25.1.2016, a.a.O.; B.v. 24.5.2017, a.a.O.).
Hiervon ausgehend ist die durch den Dienstherrn auf der Grundlage der im IMS vom 20. September 2015 (IC3-0384-26) hierzu geregelten Verwaltungsvorschriften gebildete Vergleichsgruppe rechtlich nicht zu beanstanden. Ausgehend von einem Gesamturteil von 15 Punkten in der letzten periodischen Beurteilung des Klägers zum Stichtag 31. Mai 2009 hat der Dienstherr die Vergleichsgruppe aus solchen Beamten gebildet, die zum selben Stichtag im gleichen Statusamt (BesGr. A12) derselben Fachlaufbahn ebenfalls mit 15 Punkten bewertet worden sind. Diese umfasste 127 Beamtinnen und Beamte. Zum Stichtag der ersten fiktiven Beurteilungsfortschreibung am 31. Mai 2012 bestand die Vergleichsgruppe nach Ausscheiden von 14 Beamtinnen und Beamten aus der Vergleichsgruppe noch aus 113 Beamtinnen und Beamten, die im Gesamturteil im Durchschnitt mit einem Wert von 13,04 Punkten beurteilt wurden.
Zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2015 reduzierte sich die Größe der Vergleichsgruppe auf 107 Beamtinnen und Beamte, die im Gesamturteil mit durchschnittlich 13,45 Punkten beurteilt wurden. (Ab-)Gerundet ergibt dies für den Kläger für beide Beurteilungsstichtage jeweils ein Gesamturteil von 13 Punkten (Nr. 2 Unterpunkt 3, IMS v. 20.9.2015).
Zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2015 wurde der Abweichung des ermittelten Durchschnittswertes zum vergebenen Gesamturteil (+ 0,45 Punkte) bei der Beurteilungsnachzeichnung entsprechend Ziffer 2. des IMS vom 20. September 2015 durch eine Anhebung der Bewertung von zwei der fünf doppelt bewerteten Einzelmerkmalen auf 14 Punkte Rechnung getragen.
Für den vorhergehenden Beurteilungsstichtag 31. Mai 2012 war eine Bewertung der genannten fünf Einzelmerkmale in der fiktiven Beurteilungsnachzeichnung nicht mehr geboten, da weder bei der Entscheidung über die Zuerkennung der Eignung für die modulare Qualifizierung noch bei einer Auswahlentscheidung über die Vergabe eines Beförderungsdienstposten der Bewertung der Einzelmerkmale zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2012 noch rechtlich relevante Bedeutung zukommt (vgl. Ziffer 1.3 des Konzepts zur Ausgestaltung der modularen Qualifizierung für Ämter ab der 4. Qualifikationsebene gemäß §§ 61 ff. der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz – FachV-Pol/VS -vom 3.8.2011 sowie Ziffer 6.1.2 der Beförderungsrichtlinien für die Beamten und Beamtinnen der Bayerischen Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz – BefRPolVS – vom 12.10.2015).
Dies steht im Einklang mit den Vorgaben aus Art. 16 Abs. 2 LlbG zur Durchführung einer Binnendifferenzierung bei der inhaltlichen Auswertung dienstlicher Beurteilungen in Verfahren zur Übertragung höherwertiger Dienstposten und der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung. Der Dienstherr war schon vor Inkrafttreten des Art. 16 Abs. 2 LlbG zum 1. Januar 2013 nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, vorrangig vor einem Rückgriff auf ältere (nicht unmittelbar den aktuellen Qualifikationsstand widerspiegelnde) Beurteilungen, den weiteren Inhalt der maßgeblichen aktuellen Beurteilungen daraufhin zu würdigen, ob sich aus ihm Anhaltspunkte für einen Qualifikationsvorsprung eines der Bewerber gewinnen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2011 – 2 C 19/10, juris Rn. 17; nachfolgend: B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5/12, juris Rn. 26; B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – juris Rn. 46/48; B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1/14, juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 15.4.2016 – 3 BV 14.2101, juris; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Nov. 2015, Art. 16 LlbG Rn. 32).
Davon ausgehend kann der Rückgriff auf eine vorausgehende Beurteilung nach Vergleich der Gesamturteile der aktuellen Beurteilungen und nachfolgend ggf. erforderlicher Binnendifferenzierung erst in einem dritten Schritt erfolgen. Diese kann als weitere Erkenntnisquelle berücksichtigt werden, um – mit Blick auf den aktuellen Leistungsvergleich, nicht aber im Hinblick auf die (überholte) Feststellung eines früheren Leistungsstands – die Kontinuität des Leistungsbilds der Bewerber einzuschätzen oder Rückschlüsse über den aktuellen Leistungsstand der Bewerber und deren künftige Entwicklung zu ziehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2015 – 3 CE 15.2044, juris Rn. 42; vgl. auch HessVGH, B.v. 6.5.2015 – 1 B 2043/14 – juris Rn. 12).
Der Kläger vermag mit seinen Einwendungen gegen die streitgegenständliche fiktive Beurteilungsfortschreibung vom 3. November 2015, insbesondere gegen die Bildung der Vergleichsgruppe, nicht durchzudringen.
Das Verfahren zur Verwirklichung des Grundsatzes des Benachteiligungsverbotes, insbesondere im Hinblick auf fehlende dienstliche Beurteilungen, unterliegt der Organisationsfreiheit des Dienstherrn. Dabei darf dieser im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens in typisierender Weise vorgehen und den Verwaltungsaufwand zur Ermittlung einer fiktiven Laufbahnentwicklung in praktikablen Grenzen halten sowie die Erörterung von Personalangelegenheiten anderer Beamter auf das unvermeidliche Maß beschränken (BVerwG, U.v. 10.4.1997 – 2 C 38/95, juris Rn. 28; VGH BW, B.v. 4.7.2008 – 4 S 519/08, Rn. 3; OVG RP, B.v. 20.8.2012 – 2 B 10673/12, juris Rn. 14). Es obliegt deshalb grundsätzlich der Entscheidung des Dienstherrn, welchen Personenkreis er vergleichend berücksichtigt (VGH BW, B.v. 4.7.2008 – 4 S 519/08, Rn. 3).
Das hier gewählte Vorgehen des Beklagten bewegt sich im zulässigen Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums hinsichtlich der Wahl der Methode und des Verfahrens zur Erstellung der fiktiven Laufbahnnachzeichnung (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2017, a.a.O.; VG Augsburg, U.v. 6.7.2017 – Au 2 K 17.168, juris Rn. 20; VG München, U.v. 26.9.2017 – M 5 K 17.1229; BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 2 B 11.14, a.a.O.).
Der Beklagte war nicht verpflichtet, (noch) homogenere Vergleichsgruppen zu bilden. Derartige Vorgaben lassen sich dem Gesetz (Art. 17a LlbG, Art. 8 BayPVG) nicht entnehmen. Art. 17a Abs. 2 LlbG verlangt die Fortschreibung der „letzten dienstlichen Beurteilung gemäß Abs. 1“, d.h. es sind der seinerzeit angelegte Maßstab und die durchschnittliche Entwicklung vergleichbarer Beamten und Beamtinnen zu berücksichtigten.
Diesen Anforderungen wird die der fiktiven Laufbahnnachzeichnung zugrunde gelegte Vergleichsgruppe gerecht. Diese besteht ausschließlich aus Beamtinnen und Beamten, die wie der Kläger zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2009 in derselben BesGr. A12 ein Gesamturteil von 15 Punkten erreicht haben. Da der Altersdurchschnitt der Beamtinnen und Beamten aus der Vergleichsgruppe, die mit ursprünglich 127 Beamtinnen und Beamten hinreichend groß ist, nur ca. zwei Jahre höher als das Alter des Klägers liegt, durfte der Beklagte davon ausgehen, dass die bisherige berufliche Entwicklung des genannten Personenkreises bis zum Stichtag 31. Mai 2009 (Bildung der Vergleichsgruppe) in etwa vergleichbar ist. Gerade im Hinblick darauf, bei einem großen Personalkörper den Verwaltungsaufwand zur Ermittlung einer fiktiven Laufbahnentwicklung in praktikablen Grenzen zu halten, bestand keine Verpflichtung, die periodischen dienstlichen Beurteilungen der Mitglieder der Vergleichsgruppe zum Stichtag 31. Mai 2009 weiter auszudifferenzieren oder die bisherige berufliche Entwicklung nachzuzeichnen, um kleinere Vergleichsgruppen bilden zu können. Ansonsten bestünde auch die Gefahr, dass die Vergleichsgruppe zu klein wird und gegen das Begünstigungsverbot verstoßen wird (VG München, U.v. 26.9.2017, a.a.O.; BayVGH, B.v. 24.5.2017, a.a.O., juris Rn. 29). Der Einschätzungsspielraum bei der Wahl der Methode der fiktiven Laufbahnnachzeichnung zwingt nicht dazu, die Vorgehensweise zu wählen, die sich für den freigestellten Beamten als jeweils günstigste erweist (BayVGH, B.v. 24.5.2017, a.a.O., juris Rn. 34). Eine solche Meistbegünstigung wäre unzulässig (vgl. VG München, U.v. 26.9.2017, a.a.O.).
Das für freigestellte Personalratsmitglieder geltende Benachteiligungsverbot garantiert keinen optimalen Werdegang, wie es nur wenigen Beamten aufgrund ihrer besonderen Leistungen oder dank günstiger Umstände zuteil wird. Das in Art. 46 Abs. 3 S. 5 BayPersVG normierte spezielle Benachteiligungsverbot ist im Lichte des allgemeinen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbots des Art. 8 BayPersVG zu sehen und kann nicht dazu führen, dass freigestellte Beamte bei einem notwendigerweise fiktiven Vergleich mit ihren nicht freigestellten Kollegen der gleichen Besoldungsgruppe in der Spitzengruppe dieser Beamten einzuordnen sind. Da ihre Personalratstätigkeit nicht beurteilt werden darf und ihre früheren dienstlichen Leistungen – jedenfalls bei längerer Freistellung – nicht (mehr) beurteilt werden können, führt das Benachteiligung- und Begünstigungsverbot zwangsläufig zu einer Einordnung dieser Beamten im Durchschnittsbereich (BayVGH, U.v. 14.3.1985 – Nr. 3 B 84 A.2865, ZBR 1985, 232; Ballerstedt/ Schleicher/Faber, a.a.O., Rn. 111 l zu Art. 46).
Das von dem Beklagten im IMS vom 20. September 2015 gewählte Modell zur Umrechnung der Gesamturteile bei Beurteilungen aus unterschiedlichen Besoldungsämtern, die im Rahmen der weiteren beruflichen Entwicklung der Mitglieder der Vergleichsgruppe notwendig werden können (Erhöhung bzw. Verminderung des Gesamturteils um jeweils zwei Punkte), unterliegt ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Nach einer Beförderung ist ein Beamter hinsichtlich seiner fachlichen Leistung, der Eignung und Befähigung an den höheren Anforderungen zu messen, die sich im Vergleich zu den anderen Beamten des jeweiligen Amtes im statusrechtlichen Sinn ergeben. Das Anlegen dieses höheren Maßstabs führt regelmäßig dazu, dass die Beurteilung im neuen Amt schlechter ausfällt. Bei einem Leistungsvergleich zwischen zwei Beamten, deren Besoldungsamt um eine Stufe voneinander abweicht (z.B. A12 und A13), hat es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht beanstandet, wenn der Dienstherr bei einer Differenz des Gesamturteils von zwei Punkten zugunsten des im niedrigeren Besoldungsamt beurteilten Beamten (z.B. 15 Punkte in der BesGr. A12 im Vergleich zu 13 Punkten in der BesGr. A13) von einem Leistungsgleichstand der Bewerber ausgeht (BayVGH, B.v. 23.10.2009 – 3 CE 09.2011, juris). Ein entsprechendes Vorgehen im Rahmen einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung hält sich deshalb innerhalb des dem Beklagten eröffneten Ermessensspielraums.
Ebenso kann die Entscheidung des Beklagten, im Rahmen der fiktiven Laufbahnnachzeichnung die Beamtinnen und Beamten aus der Vergleichsgruppe auszuschließen, die zu den Beurteilungsstichtagen 31. Mai 2012 und 31. Mai 2015 in die 4. Qualifikationsebene (QE) aufgestiegen waren, rechtlich nicht beanstandet werden.
Die von dem Beklagten hierzu angegebenen Gründe sind sachgerecht. Die Anforderungen an Beamtinnen und Beamte der 4. QE liegen deutlich höher als diejenigen, die an Beamtinnen und Beamte der 3. QE gestellt werden. Dies wird besonders deutlich in den ersten dienstlichen Beurteilungen, die die betroffenen Beamtinnen und Beamten nach dem Aufstieg in die 4. QE in ihrer ersten nachfolgenden periodischen Beurteilung zum Stichtag 31. Mai 2013 erhalten haben. Alle acht Beamtinnen und Beamten hatten wie der Kläger zum Stichtag 31. Mai 2009 in der 3. QE in der BesGr. A12 noch ein Gesamturteil von 15 Punkten erhalten. In der 4. QE wurden sie in der BesGr. A13 zum Stichtag 31. Mai 2013 viermal mit einem Gesamturteil von 9 Punkten und viermal mit einem Gesamturteil von 10 Punkten beurteilt. Eine Umrechnung dieser Gesamturteile unter Berücksichtigung der geringeren Anforderungen in der 3. QE ist nicht sachgerecht möglich.
Entscheidend für die Zulässigkeit des Ausschlusses der genannten Beamtinnen und Beamten aus der Vergleichsgruppe ist jedoch, dass diese in der 4. QE zu einem anderen Stichtag (ein Jahr später, also 31.5.2013 statt 31.5.2012 etc.) als die Beamtinnen und Beamten der 3. QE periodisch dienstlich beurteilt werden.
Würde man die Beamtinnen und Beamten der 4. QE in der Vergleichsgruppe belassen, könnte die fiktive Laufbahnnachzeichnung nach Art. 17a LlbG der Beamtinnen und Beamten der 3. QE nicht zum gleichen Stichtag wie die periodischen dienstlichen Beurteilungen der sonstigen Beamtinnen und Beamten der 3. QE erfolgen.
Dies wäre rechtlich jedoch nicht zulässig.
Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs. 4 GG) durch Beamte bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen „Klärung einer Wettbewerbssituation“ zu. Dies verlangt größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten (BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 2 C 41/00, BayVBl 2002, 373). Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten führen. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen.
Bei der Festlegung, welchen Zeitraum die Regelbeurteilung erfasst, ist vorrangig zu berücksichtigen, dass die Regelbeurteilung ihr Ziel nur dann optimal erreichen kann, wenn die für die Vergleichbarkeit maßgeblichen äußeren Kriterien so weit wie irgend möglich eingehalten werden. Höchstmögliche Vergleichbarkeit wird grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht (BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 2 C 41/00, a.a.O.). Der gemeinsame Stichtag dient vorrangig dazu, durch Fixierung auf einen bestimmten Zeitpunkt Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit herzustellen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums soll gewährleisten, dass die Beurteilung für alle Beamten gleichmäßig die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfasst (BVerwG, U.v. 18.7.2001 – 2 C 41/00, a.a.O.).
Diesem Gesichtspunkt hat der Beklagte durch die entsprechende Ausgestaltung der fiktiven Laufbahnnachzeichnung im IMS vom 20. September 2015 sachgerecht Rechnung getragen.
Die Kammer teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts München im Urteil vom 26. September 2017 – M 5 K 17.1229, dass für den Beklagten keine Verpflichtung bestand, anstelle des arithmetischen Mittelwertes der Gesamturteile der Beamtinnen und Beamten aus der Vergleichsgruppe eine andere Berechnungsmethode (Median bzw. Zentralwert) zur Fortschreibung der Leistungsentwicklung heranzuziehen.
Der Beklagte kommt mit der angewandten Berechnungsmethode der gesetzlichen Vorgabe des Art. 17a Abs. 1 LlbG, die „durchschnittliche Entwicklung“ vorzuschreiben, im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative in rechtlich nicht zu beanstanden der Art und Weise nach. Durch die Gestaltung der fiktiven Laufbahnnachzeichnung wird eine hinreichend große Vergleichsgruppe gewährleistet, die es ermöglicht, die durchschnittliche Entwicklung der in der Gruppe befindlichen Beamtinnen und Beamten nachzuzeichnen (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2017 – 3 CE 17.465). Eine Beförderung des Klägers wird durch dieses Vergleichssystem gerade nicht ausgeschlossen. Die fehlende Benachteiligung des Klägers im Rahmen der fiktiven Laufbahnnachzeichnung dokumentiert sich insbesondere auch darin, dass ihm mit Schreiben des Beklagten vom 6. März 2017 die Eignung zur modularen Qualifizierung zuerkannt worden ist.
Der Kläger hat auch keinen Rechtsanspruch darauf, dass gemäß Ziffer 3. des IMS vom 20. September 2015 („Sonderfälle“) von der ermittelten durchschnittlichen Entwicklung der Vergleichsgruppe zu seinen Gunsten abgewichen wird. Voraussetzung für die Annahme eines Sonderfalls im Sinne des genannten IMS wäre, dass für den Kläger vor der Freistellung eine weit überdurchschnittliche Leistungsentwicklung festzustellen wäre und diese nicht bereits bei der Bildung der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden konnte.
Mit dieser Sonderregelung soll beispielsweise der Fall erfasst werden, dass die betroffene Beamtin/der Betroffene Beamte vor der Freistellung einen Spitzenwert in der Beurteilung erhalten hat, dem die Bildung der Vergleichsgruppe wegen einer zum Erreichen der Mindestgröße der Vergleichsgruppe erforderlichen Einbeziehung schlechter beurteilter Beamtinnen und Beamten nicht gerecht würde.
Es ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass die Vergabe eines Gesamturteils von 15 Punkten zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2009 bei einer erst zum 1. September 2008 erfolgten Beförderung in das Amt eines Polizeihauptkommissars (BesGr. A12) als eher ungewöhnlich anzusehen ist, da der Kläger im vorhergehenden Beurteilungszeitraum vom 1. September 2003 bis 31. Mai 2006 im Amt eines Kriminalhauptkommissars (BesGr. A11) nur ein Gesamturteil von 13 Punkten erhalten hatte.
Eine Einzelfallbetrachtung war gleichwohl nicht erforderlich, da mit 127 Beamtinnen und Beamten, die in der BesGr. A12 zum Beurteilungsstichtag 31. Mai 2009 wie der Kläger ein Gesamturteil von 15 Punkten erhalten hatten, eine ausreichend große Vergleichsgruppe bestand, und die Einbeziehung schlechter beurteilter Beamtinnen und Beamte zum Erreichen der Mindestgröße der Vergleichsgruppe gerade nicht erforderlich war. In dieser Fallkonstellation ist es aber – wie oben bereits ausgeführt – nicht erforderlich, für jeden Beamten der Vergleichsgruppe zu prüfen, ob im Hinblick auf die früheren periodischen Beurteilungen vor dem Beurteilungsstichtag 31. Mai 2009 eine vom Durchschnitt abweichende Leistungsentwicklung vorhanden war. Ein derartiges Vorgehen wäre – jedenfalls in einem großen Personalkörper, wie er in der bayerischen Polizei besteht – mit einem unverhältnismäßigen und damit rechtlich nicht gebotenen Verwaltungsaufwand verbunden.
Nicht entscheidungserheblich ist, ob der Beklagte durch Bekanntmachung vom 8. September 2017, AllMBl 2017, S. 355, mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr – ohne Beamtinnen und Beamte der Bayerischen Polizei – eine von dem IMS vom 20.9.2015 für den Bereich der Bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz abweichende Regelung für die Bildung der Vergleichsgruppe treffen konnte, die vorsieht, dass im Falle einer Beförderung nach der letzten Beurteilung die Vergleichsgruppe auf die Beamtinnen und Beamten beschränkt wird, die im entsprechenden Beurteilungszeitraum ebenfalls befördert wurden.
Denn diese unterschiedlichen Regelungen für (u.a.) freigestellte Personalratsmitglieder innerhalb des Geschäftsbereichs des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr kommt erst ab dem 1. Oktober 2017 zum Tragen.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Da für insgesamt 48 Beamtinnen und Beamte auf der Grundlage des IMS vom 20. September 2015 eine fiktive Laufbahnnachzeichnung erfolgt ist, von denen 38 Widerspruch eingelegt haben, kommt der Frage, ob das von dem Beklagten gewählte System der fiktiven Laufbahnnachzeichnung mit dem personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot zu vereinbaren ist, grundsätzliche Bedeutung zu. Bisher liegt insbesondere keine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage vor, ob die besonders leistungsstarken Beamten in der Vergleichsgruppe, die nachfolgend in die 4. QE aufgestiegen sind, aus der Vergleichsgruppe und damit der fiktiven Laufbahnnachzeichnung herausgenommen werden dürfen.