Aktenzeichen BayAGH III-4-1/17
Leitsatz
1 Ein Verfahren hat dann einen Bezug zum Vergaberecht, wenn Rechtsfragen aus den in § 14o genannten Teilbereichen des Vergaberechts Gegenstand der Fallbearbeitung waren. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein solcher Bezug zum Vergaberecht ist nicht bereits dann gegeben, wenn Vorschriften des Vergaberechts kraft privatschriftlicher Vereinbarung Bau-, Lieferungs- oder Dienstleistungsverträgen zwischen Privaten bzw. deren Anbahnung zugrunde gelegt wurden. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage i.S.d. §§ 112 c BRAO, 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§ 112 c BRAO i.V.m. § 74 Abs. 2 VwGO).
Ein Vorverfahren war nicht erforderlich, § 15 BayAGVwGO.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Weder sind der Beklagten Verfahrensfehler unterlaufen noch hat der Kläger einen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis, die Bezeichnung „Fachanwalt für Vergaberecht“ zu führen, da ihm der Nachweis der hierfür erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Vergaberechts nicht gelungen ist.
1) Der streitgegenständliche Bescheid wurde nicht unter Missachtung wesentlicher Verfahrensvorschriften erlassen. Dem Kläger wurde – auch im Hinblick auf § 24 FAO – hinreichend rechtliches Gehör gewährt.
Mit Schreiben des Berichterstatters des Fachprüfungsausschusses vom 27.07.2017 war dem Kläger im Hinblick auf alle bis dahin gemeldeten Fälle mitgeteilt worden, welche Bedenken bestehen und Gelegenheit zur Stellungnahme, der Vorlage von Arbeitsproben sowie der Nachmeldung anderer bzw. zusätzlicher Fälle bis zum 26.08.2016 gegeben worden. Hiervon hat der Kläger Gebrauch gemacht. Er hat die ersten 12 Fälle aus der Liste der außergerichtlichen Verfahren durch 13 neue Fälle ersetzt und im Übrigen Arbeitsproben vorgelegt. Die 12 ausgetauschten außergerichtlichen Fälle hat der Fachprüfungsausschuss sodann auch anerkannt und die übrigen Fälle an Hand der Arbeitsproben nochmals überprüft. Da keine Mindergewichtungen erfolgt sind, bestand keine Verpflichtung der Beklagten, das Prüfungsergebnis des Berichterstatters und des Ausschusses dem Kläger nochmals zur Stellungnahme zuzuleiten. Eine solche generelle über den Sonderfall des § 24 Abs. 4 Satz 1 FAO hinausgehende Verpflichtung besteht nicht (Hartung/Scharmer Kommentar zur BORA/FAO 6. Aufl. § 24 Rn. 22) und kann folglich auch nicht über § 24 Abs. 2 Satz 3 FAO mit der dortigen Verweisung auf Absatz 4 hergeleitet werden. Mit dem generellen Angebot, weitere Informationen zur Verfügung zu stellen kann der Kläger die Beklagte nicht zur Gewährung weiterer Stellungnahmefristen verpflichten.
Letztlich kann die Entscheidung dieser Frage dahinstehen, da ein unterbliebener Hinweis jedenfalls nicht entscheidungserheblich geworden ist. Eigenem Vortrag zufolge wäre der Kläger im Oktober 2016 nur in der Lage gewesen die mit der Klageeinreichung nachgemeldeten 10 außergerichtlichen Fälle vorzulegen. Ihm war es aber bereits nicht möglich, die Bearbeitung der erforderlichen Mindestanzahl gerichtlicher Verfahren bzw. Nachprüfungsverfahren nachzuweisen, so dass es auf die Anzahl der anerkennungsfähigen außergerichtlichen Verfahren im Ergebnis nicht ankommt. Hierzu wird auf die nachstehenden Ausführungen unter 2) b) verwiesen. Weitere gerichtliche Verfahren wurden vom Kläger zu keinem Zeitpunkt – auch nicht mit der Klage – nachgemeldet.
2) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis, die Bezeichnung „Fachanwalt für Vergaberecht“ zu führen, da ihm der Nachweis der hierfür erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Vergaberechts nicht gelungen ist. Hierfür ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 lit. v. FAO erforderlich, dass der Bewerber innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Antragstellung 40 Fälle aus dem Bereich des § 14 o FAO, davon mindestens 5 gerichtliche Verfahren oder Nachprüfungsverfahren persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat. Dies ist für keinen der hier in Betracht kommenden Referenzzeiträume der Fall.
Bezogen auf die ursprüngliche Antragstellung vom 16.06.2016, eingegangen am 21.06.2016, erstreckt sich der Referenzzeitraum auf die Zeit vom 21.06.2013 bis zum 20.06.2016 (hierzu s.u. a)).
Soweit der Kläger mit Schreiben vom 13.08.2016 Fälle nachgemeldet bzw. ersetzt hat, kann sich der dreijährige Nachweiszeitraum zu seinen Gunsten verschieben. In diesem Fall wird der Zeitpunkt der letzten Nachmeldung als Zeitpunkt der letzten Antragsstellung bewertet, so dass sich der Referenzzeitraum dann auf die Zeit vom 14.08.2013 bis zum 13.08.2016 erstreckt (hierzu s.u. b)).
Soweit der Kläger mit der Klage weitere 10 Fälle nachmeldet, würde dies zur Einführung eines dritten Referenzzeitraumes über die Zeitspanne vom 19.01.2014 bis zum 18.01.2017 führen (hierzu s.u. c)).
a) Für den ersten Referenzzeitraum hat der Kläger 36 außergerichtliche Fälle und 7 Fälle als gerichtliche Verfahren oder Nachprüfungsverfahren, mithin insgesamt 43 Fälle gemeldet. Mit Schriftsatz vom 13.08.2016 hat er die außergerichtlichen Fälle 1–9, 11, 13 und 20, also 12 Fälle zurückgezogen. Dem Vortrag der Beklagten, dass eine inhaltliche Bearbeitung dieser Fälle innerhalb des dreijährigen Referenzzeitraumes nicht festgestellt werden konnte, ist der Kläger nicht entgegen getreten. Anderes ergibt sich auch nicht aus den Akten. Damit stehen für den ersten Referenzzeitraum nur insgesamt 31 verwertbare Fälle zur Verfügung. Die Mindestzahl gemäß § 5 Abs. 1 lit. V FAO ist nicht erreicht.
b) Für den zweiten Referenzzeitraum hat der Kläger 13 außergerichtliche Fälle nachgemeldet und aus der ursprünglichen Liste 24 außergerichtliche Fälle sowie die 7 gerichtlichen Fälle für seinen Antrag aufrechterhalten, so dass insgesamt 44 Fälle zu bewerten sind.
aa) Von den gemeldeten 7 gerichtlichen Fällen hat die Beklagte die Fälle 1, 2, 4 und 6 nicht anerkannt, so dass das Quorum von 5 erforderlichen Fällen (§ 5 Abs. 1 lit. v. FAO) nicht erreicht wurde. Diese Wertung ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger rügt, dass die Fälle 2, 4 und 6 zu Unrecht nicht gewertet worden seien; die Beklagte habe den Bezug zum Vergaberecht verkannt bzw. zu strenge Maßstäbe angelegt.
Dies ist nicht der Fall.
Ein Bezug zum Vergaberecht liegt grundsätzlich vor, wenn Rechtsfragen aus den in § 14 o FAO genannten Teilbereichen des Vergaberechts Gegenstand der Fallbearbeitung waren (Hartung/Scharmer Kommentar zur BORA/FAO 6. Aufl. § 14 o Rn. 6). Überschneidungen mit Rechtsgebieten aus dem Bereich Bau- und Architekten recht gemäß § 14 e Nr. 3 FAO, insbesondere im Kernbereich der VOB/A, sind dabei möglich und wurden von der Satzungsversammlung durchaus gesehen und in Kauf genommen (Hartung/Scharmer a.a.O. Rn. 3). Diese auf Rechtsgebiete bezogenen Überschneidungsmöglichkeiten erfordern eine möglichst stringente Abgrenzung zwischen den einzelnen Fachanwaltsgebieten und den jeweils erforderlichen speziellen Kenntnisse. Für eine solche Abgrenzung ist auf die systematische Einordnung des Vergaberechts zurückzugreifen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist unter Vergaberecht die Gesamtheit der Normen zu verstehen, die ein Träger öffentlicher Verwaltung bei der Beschaffung von sachlichen Mitteln und Leistungen, die er zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt, zu beachten hat (BVerfG Beschluss vom 13.06.2006, 1 BvR 1160/03, TZ. 2 nach juris; so auch Kulartz/Marx/Portz/Prieß Kommentar zur VOB/A 2. Aufl., Einleitung Rn. 1 m.w.Nw.). Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe liegt, anders als der Kläger meint, ein Vergaberechtsbezug i.S.d. § 14 o FAO nicht bereits dann vor, wenn Vorschriften des Vergaberechts kraft privatschriftlicher Vereinbarung Bau-, Lieferungs- oder Dienstleistungsverträgen zwischen Privaten bzw. deren Anbahnung zugrunde gelegt wurden. Vielmehr ist zur Vermeidung allzu großer Überschneidungen mit anderen Fachanwaltsgebieten, insbesondere dem Fachanwalt für Bau-Architektenrecht, der Bezug zur öffentlichen Hand erforderlich. Bestätigung findet diese Rechtsauffassung auch in den Regelungen des § 14 o Nr. 3 FAO, die sich mit den Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung befassen und damit insbesondere die vorzulegenden gerichtlichen Verfahren betreffen. Die in § 14 o Nr. 3 a) und b) genannten Verfahren betreffen ausschließlich die öffentliche Auftragsvergabe. Da der „sonstige Rechtsschutz vor Zivilgerichten“ gemäß § 14 o Nr. 3 c) im Zusammenhang genannt wird mit dem „sonstigen Rechtsschutz vor Verwaltungsgerichten im Zusammenhang mit Vergabeverfahren“, kann dies nicht Einfallstor für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten auf der Grundlage privatschriftlich vereinbarten Vergaberechts sein. Vielmehr muss auch insoweit bei Wertung der Vorschrift im Gesamtzusammenhang der Bezug zum öffentlichen Auftraggeber vorhanden sein. Andernfalls wäre auch nicht nachvollziehbar, dass die Satzungsversammlung lediglich 5 gerichtliche Fälle bzw. Nachprüfungsverfahren zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen als ausreichend angesehen hat.
Einen solchen Bezug zu einem Vergabeverfahren lassen die gerichtlichen Fälle 2, 4 und 6 – wie die Beklagte zu Recht festgestellt hat – nicht erkennen:
• Gegenstand des Falles 2 ist ein von der Klagepartei behaupteter Provisionsanspruch gegen die Beklagtenseite. Dieser wird darauf gestützt, dass der Kläger durch Gespräche mit den Verantwortlichen der ausschreibenden Stadt R… erreicht haben will, dass die Beklagte im Vorfeld der Ausschreibung den Auftrag zur Vorbereitung der Ausschreibung, insbesondere zur Erstellung der Leistungsbeschreibung, erhielt. Einem der Beklagten verbundenen Unternehmen soll als Bieter auf Grund hieraus resultierender interner Kenntnisse der Beklagte hinsichtlich einzelner Leistungspositionen bei der Leistungsbeschreibung ein spekulatives Angebot möglich gewesen sein, welches zum Zuschlag beim Vertrag über die Erneuerung einer Heizungs- und Lüftungsanlage im ausgeschriebenen Projekt geführt habe. Für diesen Zuschlag begehrt der Kläger Provision. Die Beklagte hat den Anspruch zurückgewiesen, da keine Vermittlungstätigkeit vorliege und jeder Mitverursachungsbeitrag des Klägers am Zuschlag fehle.
Dieser erfolge bei einer öffentlichen Submission ohne weitere Angebotsverhandlungen alleine nach Auswertung der Bieterangebote.
Ein hinreichender Bezug zum Vergaberecht ist nicht ersichtlich. Zwar steht ein Vergabeverfahren im Hintergrund. Jedoch beruht der klägerische Anspruch nicht hierauf, sondern allein auf der Frage, ob zwischen den Parteien eine Provisionsabrede zustande gekommen ist und ein klägerisches Verhalten kausal für den Zuschlag geworden ist. Allein der Umstand, dass die Kausalität u.a. mit dem Argument bestritten wurde, dass die klägerseits behauptete Einflussnahme auf eine öffentliche Ausschreibung und deren Ergebnis nicht möglich bzw. andernfalls vergaberechtswidrig gewesen wäre, reicht nicht aus, relevante Besonderheiten des Vergabeverfahrens inmitten zu sehen.
• Gleiches gilt für die Fälle 4 und 6. Ihnen ist gemeinsam, dass nach bereits abgeschlossenem Bauvertrag, an dem jeweils kein öffentlicher Auftraggeber beteiligt war, die zentrale Frage des Rechtsstreits ist, welche Leistung im Leistungsverzeichnis beschrieben und deshalb vom Auftragnehmer geschuldet ist. Auch wenn insoweit § 7 VOB/A zur Ermittlung der geschuldeten Leistung herangezogen werden mag, führt dies nicht zur Prüfung von Besonderheiten im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach der VOB/A. Vielmehr wird lediglich eine Vorschrift des Vergaberechts zur Auslegung eines Bauvertrages herangezogen, der außerhalb eines Vergabeverfahrens zustande gekommen ist. Unbehelflich ist der Verweis des Klägers auf die „Kammerschleusen-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs (AZ: VII ZR 59/95) als Vergaberechtsfall. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Der in der „Kammerschleusen-Entscheidung“ streitgegenständliche Vertrag kam aufgrund einer Ausschreibung nach der VOB/A zustande. Streitig war dort, ob die konkret gewählte Ausschreibungsmethode mit § 9 Nr. 1 und 2 VOB/A vereinbar war und zu Unklarheiten im Leistungsumfang geführt hat. Hier stand somit eine Besonderheit des Vergabeverfahrens inmitten.
Damit konnte der Kläger lediglich die Bearbeitung von drei berücksichtigungsfähigen gerichtlichen Verfahren oder Nachprüfungsverfahren i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 lit. v. FAO nachweisen, nämlich die Fälle 3, 5 und 7 seiner Liste. Ungeachtet weiteren Vorbringens scheitert bereits daran der Nachweis der besonderen praktischen Erfahrung.
bb) Damit bedarf keiner Entscheidung mehr, ob und welche der vom Kläger im zweiten Referenzzeitraum gemeldeten 37 außergerichtlichen Fälle als Vergaberechtsfälle anzuerkennen sind.
c) Gleiches gilt für die mit der Klageschrift nachgemeldeten Fälle, da ausschließlich außergerichtliche Fälle vorgelegt wurden.
Keiner Entscheidung bedarf damit auch die Frage, ob durch die Vorlage dieser 10 Fälle mit der Klageschrift ein dritter Referenzzeitraum über die Zeitspanne vom 19.01.2014 bis zum 18.01.2017 eröffnet werden konnte und dieser Umstand als eine Klageänderung gemäß § 91 VwGO (vgl. Anwaltsgerichtshof München vom 13.07.2011, BayAGH I-9/10) zu behandeln wäre.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 GKG. Auf den Beschluss vom 19.01.2017 wird Bezug genommen.
Die Berufung war nicht nach § 124 VwGO, 112 c I BRAO zuzulassen. Weder weist die Sache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung; Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der Rechtsprechung geklärt. Auch ein Fall der Divergenz nach § 124 II S. 4 VwGO liegt nicht vor.