Aktenzeichen M 19 M 17.48447
Leitsatz
Der Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 S. 1 RVG in Höhe von 5.000 Euro ist unbillig, wenn beantragtes Ziel des Klageverfahrens (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung des Asylverfahrens war. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. September 2017 im Verfahren M 19 K 17.40695 wird geändert.
Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten / der Urkundsbeamtin des Gerichts übertragen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Das Verwaltungsgericht München hat im Rahmen einer Untätigkeitsklage mit Urteil vom 1. September 2017 – M 19 K 17.40695 – die damalige Beklagte (jetzt: Antragstellerin im Erinnerungsverfahren) verpflichtet, über den Asylantrag des damaligen Klägers (jetzt: Antragsgegner im Erinnerungsverfahren) vom 26. September 2014 binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils zu entscheiden. Dabei wurden der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 6. September 2017 beantragte der Antragsgegner, die entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 413,90 Euro festzusetzen (ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 5.000 Euro).
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. September 2017 setzte die Kostenbeamtin des Verwaltungsgerichts München ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 5.000 Euro die notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners auf insgesamt 413,90 Euro fest.
Am 6. Oktober 2017 hat die Antragstellerin hiergegen die Entscheidung des Gerichts beantragt. Streitgegenstand der Untätigkeitsklage sei allein die Verpflichtung der Antragstellerin zur Entscheidung über den Asylantrag gewesen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts von 5.000 Euro sei daher unbillig. Das Klageziel sei weder von der Bedeutung noch vom Aufwand vergleichbar mit einer Sachentscheidung durch das Gericht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Kostenerinnerung (§ 165 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 151 VwGO) ist zulässig und begründet.
Der für die Kostenfestsetzung zugrunde zu legende Gegenstandswert wird abweichend vom Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. September 2017 auf 2.500 Euro festgesetzt.
In gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz erfolgt die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren im Kostenerstattungsverfahren auf der Grundlage des Gegenstandswerts (§ 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), § 2 i.V.m. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG § 13 RVG i.V.m. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG). Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG beträgt der Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz 5.000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2.500 Euro.
Das Gericht kann allerdings nach § 30 Abs. 2 RVG einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls „unbillig“ ist. Im vorliegenden Fall sieht das Gericht den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG in Höhe von 5.000 Euro für unbillig an, weil beantragtes Ziel des Klageverfahrens (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung des Asylverfahrens war. Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für den Kläger noch vom Aufwand für den Klägerbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-) Entscheidung durch das Gericht. Während eine Klage auf Sachentscheidung grundsätzlich noch weiteren Sachvortrag ermöglicht und gegebenenfalls auch erfordert, fällt der Aufwand für den Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall deutlich geringer aus. Dass eine derartige Fallkonstellation von der grundsätzlichen Gleichbehandlung hinsichtlich der Streitwertfestsetzung der verschiedenen möglichen Verfahren nach dem AsylG von der Neufassung des § 30 Abs. 1 RVG erfasst sein sollte, ergibt sich auch nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG), BT-Drucksache 17/11471, S. 269). Diese zielte auf eine einheitliche Behandlung der verschiedenen Verfahren, die verschiedene Ansprüche zum Gegenstand hatten, wie Klagen auf Asylanerkennung, gegen Abschiebungsandrohungen und Abschiebungsanordnungen oder auch gegen die Durchsetzung einer Ausreisepflicht. All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie – anders als vorliegend – eine materielle Anspruchsprüfung zum Gegenstand haben. Für eine Untätigkeitsklage, die auf eine reine Verbescheidung gerichtet ist, erachtet das Gericht einen Gegenstandswert in Höhe von 2.500 Euro für angemessen.
Das Gericht überträgt die infolge dieser Entscheidung erforderliche Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses dem Urkundsbeamten / der Urkundsbeamtin gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 573 Abs. 1 Satz 3 und § 572 Abs. 3 Zivilprozessordnung (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – NVwZ-RR 2004, 309, juris Rn. 20 m.w.N.).
Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Erinnerungsverfahren nach § 164 VwGO ist unabhängig von der in § 83b AsylG vorgeschriebenen Gerichtskostenfreiheit (vgl. hierzu OVG NRW, B.v. 16.10.2014 – 11 B 789/14.A – NVwZ-RR 2015, 359, juris Rn. 26) gerichtsgebührenfrei (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i.V.m. Anlage 1 Kostenverzeichnis).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).