Arbeitsrecht

Gegenstandswert einer Klage gegen die Zustimmung des Integrationsamts zur ordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Aktenzeichen  12 C 18.1823

Datum:
11.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3388
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 23 Abs. 1, Abs. 3, § 33
GKG § 42, § 52

 

Leitsatz

1 Mittelbare Auswirkungen einer gerichtlichen Entscheidung, wie sie sich hier aus der Zustimmung des Integrationsamts zu einer ordentlichen Kündigung für den Bestand des Arbeitsverhältnisses ergeben können, sind bei der Bemessung des Gegenstandswerts regelmäßig nicht zu berücksichtigen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Prüfungsumfang im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines Schwerbehinderten unterscheidet sich wesentlich von demjenigen, der im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu beachten ist (Anschluss an BayVGH BeckRS 2005, 17252). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 15 K 17.2287 2018-07-13 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Der Bevollmächtigte des Klägers wendet sich gegen die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 5.000,- € im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2018 im Hinblick auf die Klage seines Mandanten gegen die Zustimmung des Integrationsamts zur ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Er verfolgt mit seiner Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts weiter. Die Landesanwaltschaft Bayern ist der Beschwerde entgegengetreten und erachtet ihrerseits die Festsetzung in Höhe des Auffangstreitwerts von 5.000,- € für rechtmäßig.
2. Der Senat geht zugunsten des Klägerbevollmächtigten davon aus, dass er die Streitwertbeschwerde, mit der er eine Heraufsetzung des Gegenstandswerts anstrebt, im eigenen Namen eingelegt hat, um im Erfolgsfall von seinem Mandaten eine höhere Vergütung liquidieren zu können (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 14 C 13.1209 – BeckRS 2014, 50159). Einer Beschwerde des Klägers selbst fehlte vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis.
2.1 Die Beschwerde wurde nach § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG fristgemäß erhoben. Ob darüber hinaus auch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG gegeben ist, wonach der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € übersteigen muss, lässt sich aufgrund des Beschwerdevorbringens, das den angestrebten Gegenstandswert nicht beziffert, nicht beurteilen, kann jedoch vorliegend dahinstehen, da sich die Beschwerde jedenfalls als unbegründet erweist.
2.2 Das Verwaltungsgericht hat den Gegenstandwert im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei mit 5.000,- € bemessen.
2.2.1 Ausgangspunkt der Gegenstandswertfestsetzung bildet § 33 Abs. 1 RVG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG (vgl. zur Gegenstandswertfestsetzung in nach § 188 VwGO gerichtskostenfreien Verfahren OVG Lüneburg, B.v. 30.5.2018 – 10 OA 194/18 – BeckRS 2018, 10698 Rn. 2). Nach letzterer Bestimmung richtet sich der Gegenstandswert in Verfahren, in denen die Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben werden, in entsprechender Anwendung der Wertvorschriften des Kostengesetzes, wenn für das Verfahren keine Gerichtsgebühr oder eine Festgebühr bestimmt ist. Demgegenüber scheidet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und der Landesanwaltschaft die Anwendung von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG für die Gegenstandswertbestimmung (vgl. zur gegenteiligen Auffassung VGH Kassel, B.v. 5.6.2013 – 10 E 849/13 – BeckRS 2013, 54876) aus. Zugleich ist für die Bestimmung des Gegenstandswerts auch nicht auf § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 99 Abs. 2 GNotKG abzustellen.
2.2.2 Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Beantragt hat der Kläger im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht München, den Bescheid des Integrationsamts vom 20. April 2017 aufzuheben und den Antrag der A. GmbH auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses abzulehnen. Demzufolge ist ausschließlich die Zustimmung des Integrationsamts zur ordentlichen Kündigung des Klägers Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens, nicht hingegen der Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst, das seinerseits Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits des Klägers bildet. Mittelbare Auswirkungen einer gerichtlichen Entscheidung, wie sie sich im vorliegenden Fall aus der Zustimmung des Integrationsamts zur ordentlichen Kündigung des Klägers für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses ergeben können, sind bei der Bemessung des Gegenstandswerts regelmäßig nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung Toussaint in BeckOK Kostenrecht, § 52 GKG Rn. 9).
Demzufolge kommt es im vorliegenden Fall auch nicht darauf an, dass § 52 Abs. 6 GKG für Verfahren, die das Bestehen, Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses zum Gegenstand haben, als Streitwert regelmäßig die Jahresbezüge vorsieht. Dies gilt gleichermaßen für § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, wonach in arbeitsgerichtlichen Verfahren, die das Bestehen, Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses betreffen, als Streitwert höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend ist. Ferner scheidet auch ein Rückgriff auf § 99 Abs. 2 GNotKG aus. Denn verfahrensgegenständlich ist bei einem Streit über die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gerade nicht der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als solches oder seine Kündigung, sondern nur die Zulässigkeit der Kündigung als öffentlich-rechtliche Vorfrage.
Bei der Zulassung der Kündigung steht die Frage im Vordergrund, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen der Schwerbehinderung und dem im Antrag bezeichneten Kündigungsgrund besteht. Der Zweck des besonderen Kündigungsschutzes stellt sich als Ausdruck öffentlich-rechtlicher Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Staat und zugleich als im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bestehender privatrechtlicher Treue- und Fürsorgepflicht gegenüber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer dar, die letzterem ein subjektiv einklagbares Recht verleiht. Diese dem Kündigungsschutz zugrunde liegende Verpflichtung lässt die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Frage, ob eine ausgesprochene Kündigung Wirksamkeit erlangt, unberührt. Aus diesem Grund unterscheidet sich der Prüfungsumfang im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines Schwerbehinderten wesentlich von demjenigen, der im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu beachten ist (so BayVGH, B.v. 16.9.2005 – 9 C 05.1972 – BeckRS 2005, 17252 Rn. 10). Demzufolge verbietet es sich, für die Bemessung des Gegenstandswerts die für Streitigkeiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses geltenden Regelungen zur Anwendung zu bringen.
Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 16.12.1992 – 5 C 39.89 – BeckRS 1992, 31230900, hierauf aufbauend BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 12 C 10.1026 – BeckRS 2010, 50504; OVG Schleswig, B.v. 11.2.2014 – 3 O 45/12 – BeckRS 2014, 47448), dass angesichts der spezifischen Rechtsschutzsituation eines gekündigten, schwerbehinderten Arbeitnehmers, der sowohl gegen die Kündigung arbeitsrechtrechtlich vorgehen, wie auch vor dem Verwaltungsgericht die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung anfechten muss, es bei einer Bemessung des Gegenstandswerts für die verwaltungsgerichtliche Streitigkeit nach der Höhe des vierteljährlichen Arbeitsentgelts letztlich zu einer Verdoppelung der Kosten des Rechtsstreits käme, sodass es das dem Gericht zustehende Ermessen bei der Festsetzung des Gegenstandswerts gebiete, auf den Regelstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG abzustellen. Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers nichts Durchgreifendes vorgetragen.
Schließlich schlägt Ziffer 39.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai und 1. Juni 2012 sowie am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen für Streitigkeiten über die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die Festsetzung des Auffangstreitwerts, d.h. von 5.000,- €, vor. Folgt das Verwaltungsgericht im Rahmen der Gegenstandswertfestsetzung den Vorschlägen des Streitwertkatalogs, erweist sich dies nach den Vorgaben des § 52 Abs. 1 GKG regelmäßig als pflichtgemäße Ermessensausübung (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 14 C 13.1209 – BeckRS 2014, 50159 Rn. 4). Denn die Empfehlungen des Streitwertkatalogs, denen zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und einer weitest möglichen Gleichbehandlung besonderes Gewicht zukommen (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 – BeckRS 2015, 54083, Rn. 4), bieten zur Höhe eines angemessenen Streit- bzw. Gegenstandswerts eine zulässige Orientierungshilfe (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2018 – 8 C 18.285 – BeckRS 2018, 4336).
Die Gegenstandswertfestsetzung in Höhe von 5.000,- € im verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 13. Juli 2018 ist daher nicht zu beanstanden. Die Beschwerde war folglich als unbegründet zurückzuweisen.
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es aus Anlass einer Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts nicht, da dieses Verfahren nach § 33 Abs. 9 Satz 1 RVG gerichtsgebührenfrei ist und nach § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG Kosten nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.

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