Arbeitsrecht

Gesellschaftsvertrag und gesellschaftsrechtliche Bestimmungen regeln den Umfang der Weisungsgebundenheit eines Gesellschafter-Geschäftsführers

Aktenzeichen  S 1 R 5031/16

Datum:
27.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV SGB IV § 7 Abs. 1
GmbHG GmbHG § 37

 

Leitsatz

1 Der Geschäftsführer einer GmbH, der weisungsgebunden für die Gesellschaft gegen Entgelt tätig wird, ist idR als abhängig Beschäftigter anzusehen. Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn durch eine Beteiligung an der Gesellschaft und entsprechende gesellschaftsrechtliche Abreden die grds. bestehende Weisungsgebundenheit aufgehoben wird. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Geschäftsführer, der weder über einen beherrschenden Anteil am Gesellschaftskapital noch über eine Sperrminorität verfügt, kann sich auch nicht darauf berufen, aufgrund seiner etwa durch besonderes Fachwissen, besondere Erfahrung oder besondere Kundenkontakte ergebenden faktischen Stellung auf die Geschicke der Gesellschaft beherrschenden Einfluss auszuüben und somit “Kopf und Seele” des Unternehmens zu sein (ebenso BSG BeckRS 2015, 73497). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3 Im Gesellschaftsrecht gilt der Grundsatz der Publizität der Organisationsverfassung. Im Rechtsverkehr kann demnach nur entscheidend sein, was notariell beschlossen und im Handelsregister eingetragen wurde. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Streitgegenständlich ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der A. vom 01.01. 2013 bis 30.03.2016. In dieser Zeit bestand nach Überzeugung der Kammer Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, da der Beigeladene aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV stand. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26.08.2015 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 22.04.2016 sowie des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2016 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Gesetzlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert“ sein.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R m.w.N.).
3. Diese allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit sind auch auf die Beurteilung der rechtlichen Stellung des Geschäftsführers einer GmbH anzuwenden.
Der Geschäftsführer einer GmbH, der weisungsgebunden für die Gesellschaft gegen Entgelt tätig wird, ist in der Regel als abhängig Beschäftigter anzusehen. Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn durch eine Beteiligung an der Gesellschaft und entsprechende gesellschaftsrechtliche Abreden die grundsätzlich bestehende Weisungsgebundenheit aufgehoben wird.
Das Bundessozialgericht hat für derartige Fälle den Grundsatz aufgestellt, dass der Umfang der Kapitalbeteiligung und der sich daraus ergebende Einfluss auf die Gesellschaft wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit ist (BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R; Urteil vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R).
4. Entscheidend für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses sind somit der Umfang der Weisungsgebundenheit und die Beteiligung des Beigeladenen an der Gesellschaft.
Was die Frage der Weisungsgebundenheit angeht, so ergibt sich grundsätzlich aus den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen und dem Gesellschaftsvertrag ein Recht der Gesellschafterversammlung, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen.
Ferner bestimmt § 37 GmbH-Gesetz, dass die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit nichts anderes bestimmt ist, durch die Beschlüsse der Gesellschaft festgesetzt sind.
Vorliegend enthält dementsprechend der Gesellschafter-Geschäftsführervertrag die ausdrückliche Bestimmung, dass Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen sind (§ 1 Ziff.2). Der Geschäftsführervertrag ist – selbst ohne wichtigen Grund – zum Ende eines jeden Geschäftsjahres kündbar. Außerdem ist der Geschäftsführer nach Maßgabe der Geschäftsordnung in seiner rechtlichen Handlungsfreiheit für bestimmte Geschäfte/Handlungen weiter eingeschränkt.
Ob die Gesellschafterversammlung von ihren Befugnissen Gebrauch macht, spielt insoweit keine Rolle; entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein die Rechtsmacht.
Dass der Gesellschafter-Geschäftsführervertrag weitere Regelungen enthält, die typisch sind für abhängige Beschäftigungsverhältnisse (festes monatliches Entgelt, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall), sei nur am Rande erwähnt.
5. Ein Geschäftsführer, der weder über einen beherrschenden Anteil am Gesellschaftskapital noch über eine Sperrminorität verfügt, kann sich auch nicht darauf berufen, aufgrund seiner etwa durch besonderes Fachwissen, besondere Erfahrung oder besondere Kundenkontakte ergebenden faktischen Stellung auf die Geschicke der Gesellschaft beherrschenden Einfluss auszuüben und somit „Kopf und Seele“ des Unternehmens zu sein. Eine solche Abhängigkeit der Statusfeststellung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbarem Verhalten der Beteiligten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG, Urteil vom 29.07.2015, B 12 KR 23/12 R).
6. In Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte zu Recht das Vorliegen einer abhängigen, dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung in dem hier streitigen Zeitraum festgestellt. Etwas anderes ergibt sich weder aus dem Umstand, dass nach den Angaben der Klägerin beabsichtigt war, die Notwendigkeit einer einheitlichen Beschlussfassung festzuschreiben und dies nur aus notariellem Versehen unterblieben sei noch aus der Bürgschaftsübernahme.
Im Gesellschaftsrecht gilt der Grundsatz der Publizität der Organisationsverfassung. Im Rechtsverkehr kann demnach nur entscheidend sein, was notariell beschlossen und im Handelsregister eingetragen wurde.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Übernahme einer Bürgschaft für die statusrechtliche Bewertung einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb nur von geringer Bedeutung.
Die Klage war daher abzuweisen.
Im Übrigen verweist die Kammer auf die zutreffende Begründung im Widerspruchsbescheid vom 04.07.2016; von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen (§ 136 Abs. 3 SGG).
7. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1VwGO und entspricht der Entscheidung in der Hauptsache.
8. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1,2 GKG.
Vorliegend war im Statusfeststellungsverfahren lediglich streitig, ob der Beigeladene eine versicherungspflichtige Beschäftigung für die Klägerin ausübte; Sozialversicherungsbeiträge in bestimmter Höhe sind noch nicht festgesetzt. Demnach war der Auffangstreitwert von 5.000 Euro heranzuziehen (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 17.07.2014, L 11 R 2546/14 B).

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