Aktenzeichen 13 W 115/17
Leitsatz
1. Die Entscheidung des Landgerichts über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe war aufzuheben, weil nicht der gesetzliche Richter über die Gewährung oder Versagung der Prozesskostenhilfe entschieden hat. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und das Hauptsacheverfahren sind im Sinne des § 119 Abs. 1 ZPO als jeweils eigene Rechtszüge anzusehen, so dass für das Klageverfahren das Gericht der Hauptsache über die Gewährung von Prozesskostenhilfe entscheiden muss. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
11 O 17926/16 2016-11-29 Bes LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 13.12.2016 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 29.11.2016 (Az. 11 O 17926/16) aufgehoben.
2. Über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das zuständige Gericht der Hauptsache zu entscheiden.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Hauptsacheverfahren erster Instanz.
Gegen den Beschwerdeführer erging am 26.10.2016 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts München I, mit der ihm untersagt wurde, das Anwesen der Antragstellerin in der … in München zu betreten.
Mit Schriftsatz vom 15.11.2016 beantragte der Beschwerdeführer, der Antragstellerin gem. § 926 ZPO aufzugeben, in dieser Sache innerhalb einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben. Dieser Beschluss erging antragsgemäß am 24.11.2016. Das Landgericht setzte der Antragstellerin eine Frist bis zum 22.12.2016.
Zudem beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.11.2016 die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren. Diesen Antrag lehnte das Landgericht mit Beschluss vom 29.11.2016 ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Antragsteller (der Prozesskostenhilfe) einen allgemeinen Unterhaltsanspruch gegen seine erwerbstätige Ehefrau habe und ihm außerdem der Anspruch gem. § 1360 a Abs.4 BGB gegen seine Ehefrau zustehe, ihm die notwendigen Prozesskosten vorzuschießen. Weder habe er die Höhe deren Einkünfte mitteilen wollen, noch dargetan, dass ein Vorschuss der Prozesskosten durch die Ehefrau unbillig wäre.
Mit Schriftsatz vom 13.12.2016, eingegangen am 15.12.2016, übermittelte der Prozessbevollmächtigte des PKH- Antragstellers die Verdienstbescheinigung der Ehefrau und bat, zu berücksichtigen, dass von deren Einkommen der gesamte Haushalt finanziert werden müsse. Sodann bat der PKH-Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.01.2017, eingegangen am 13.01.2017, angesichts der Darlegung des Nettoverdienstes „den Beschluss vom 06.12.2016“ aufzuheben. Das Landgericht behandelte diesen letzten Schriftsatz als Beschwerde gegen den PKH-Beschluss vom 29.11.2016. Dieser half es mit Beschluss vom 16.01.2017 nicht ab. Die Beschwerde sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Sie sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben worden sei. Unbegründet sei sie, weil der Beschwerdeführer nicht bedürftig im Sinne des Gesetzes sei. Dies ergebe sich aus der Höhe des Nettoverdienstes der Ehefrau. Außerdem stünde dem Beschwerdeführer der gesetzliche Vorschussanspruch gem. § 1360 a Abs.4 BGB gegen seine Ehegattin zu.
Ebenfalls am 16.01.2017 verfügte das Landgericht die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Beschwerde. Dort gingen sie am 19.01.2017 ein und wurden am 20.01.2017 in das Beschwerderegister eingetragen.
II. 1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 29.11.2016 war auf die sofortige Beschwerde aufzuheben, weil nicht das zuständige Gericht über die Gewährung der Prozesskostenhilfe entschieden hat.
a) Anders als das Landgericht meint, ist die sofortige Beschwerde nicht schon deshalb unzulässig, weil die gesetzliche Einlegungsfrist von einem Monat gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht eingehalten wurde. Das Landgericht hat verkannt, dass bereits der Schriftsatz vom 13.12.2016 als Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe anzusehen war. Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass von einem Rechtsanwalt erwartet werden kann, Rechtsmittel als solche zu bezeichnen und es nicht dem Gericht zu überlassen, zu erforschen, was das Ziel bzw. der Gegenstand eines anwaltlichen Schriftsatzes sein könnte. Dies muss schon deshalb erwartet werden, um derartige Missverständnisse wie hier auszuschließen. In der Tat ist der Schriftsatz vom 13.12.2016 auslegungsbedürftig. Allerdings ergibt die Auslegung, dass unter Vorlage der Verdienstbescheinigung eine Änderung des ablehnenden PKH-Beschlusses begehrt wird. Somit kann das Schreiben als Beschwerde ausgelegt werden. Dieses Schreiben ging am 15.12.2016 bei Gericht ein. Die einmonatige Notfrist gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO wurde daher gewahrt.
b) Die Ausführungen des Landgerichts zur mangelnden Bedürftigkeit des Beschwerdeführers begegnen hingegen keinen rechtlichen Bedenken, sondern sind zutreffend. Jedoch ist die Entscheidung des Landgerichts deswegen aufzuheben, weil nicht der gesetzliche Richter über die Gewährung oder Versagung der Prozesskostenhilfe entschieden hat.
Gem. § 119 Abs. 1 ZPO erfolgt die Bewilligung der PKH „für jeden Rechtszug besonders“. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und das Hauptsacheverfahren sind in diesem Sinne als jeweils eigene Rechtszüge anzusehen (vgl. Zöller – Geimer, 30. Aufl., § 119 Rn. 4). Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren beantragt. Darüber muss aber das Gericht entscheiden, welches für die Hauptsache zuständig ist (vgl. Zöller – Geimer, 30. Aufl., § 120 Rn.7). Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist abgeschlossen (es sei denn, die einstweilige Verfügung wird noch aufgehoben, weil nicht fristgemäß Klage erhoben wird). Sollte Klage erhoben werden, wäre dieses ein eigenständiges Verfahren, welches vom Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes völlig unabhängig ist.
Zwar ist es denkbar – eine entsprechende Regelung im Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts vorausgesetzt -, dass für die Entscheidung über die Klage ebenfalls die 11. Zivilkammer und dort wiederum gem. § 348 ZPO die Einzelrichterin zuständig ist, die bereits über die einstweilige Verfügung entschieden hat. Denkbar ist allerdings auch, dass die Kammer die Hauptsache gem. § 348 Abs.3 ZPO zur Entscheidung übernimmt. Für die hier zu treffende Beschwerdeentscheidung ist aber ohnehin nur die formale Betrachtungsweise entscheidend:
Über die Prozesskostenhilfe hat das Gericht der Hauptsache zu entscheiden. Dieses ist das Gericht, welches für die Entscheidung über die Klage zuständig ist.
Zudem ist über die Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren ohnehin erst dann zu entscheiden, wenn ein solches anhängig ist. Überdies stellt sich die Frage, wie das Gericht des (abgeschlossenen) einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Hauptsacheverfahrens gem. § 114 Abs.1 ZPO prüfen wollte, wenn weder Klageschrift noch Klageerwiderung vorliegen. Dies hat allerdings offenbar auch der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers bei der Antragstellung übersehen.
2. Für den Fall, dass Klage erhoben wird (oder schon erhoben wurde, was sich aus den Akten nicht ergibt) und der Beschwerdeführer weiterhin der Meinung sein sollte, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen, müsste ein entsprechender Antrag somit erneut im Hauptsacheverfahren gestellt werden.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, vgl. § 127 Abs.4 ZPO.
IV. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war nicht zuzulassen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gem. § 574 Abs. 1 Satz Nr. 2, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich.