Arbeitsrecht

Gleichbehandlung – beurlaubte Beamte – Abfindung

Aktenzeichen  1 AZR 781/14

Datum:
8.12.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:081215.U.1AZR781.14.0
Normen:
§ 112 Abs 5 S 2 Nr 2 BetrVG
§ 75 Abs 1 BetrVG
§ 4 PostPersRG
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Karlsruhe, 19. November 2013, Az: 2 Ca 199/13, Teilurteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 29. August 2014, Az: 12 Sa 26/14, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. August 2014 – 12 Sa 26/14 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
2
Der Kläger war zunächst als Beamter bei der Deutschen Bundespost eingesetzt. Nach deren Privatisierung nimmt die Deutsche Telekom AG (DT AG) die Dienstherreneigenschaft für die ihr zugewiesenen Beamten der ehemaligen Deutschen Bundespost wahr. Die DT AG beurlaubte den Kläger unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit als Arbeitnehmer, ua. für die Vivento Technical Services GmbH. Bei dieser Gesellschaft waren neben Arbeitnehmern, die – wie der Kläger – in einem Beamtenverhältnis standen, weitere Arbeitnehmer tätig, die zuvor im Rahmen von Arbeitsverhältnissen bei Konzerngesellschaften der Deutschen Telekom AG beschäftigt wurden.
3
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (NSN S) erwarb zum 1. Januar 2008 den Geschäftsbetrieb der Vivento Technical Services GmbH. Die mit dieser bestehenden Arbeitsverhältnisse gingen auf die NSN S über, die mit zuletzt rd. 950 Mitarbeitern, darunter ca. 190 beurlaubten Beamten der DT AG, an 16 Standorten in Deutschland Dienstleistungen auf dem Telekommunikationssektor erbrachte.
4
Die NSN S und deren Betriebsrat schlossen am 29. April 2013 einen Sozialplan über die beabsichtigte Betriebsschließung (SP 2013) ab. In diesem heißt es:
        
„Präambel
        
(1)     
Infolge der Betriebsstilllegung, die im Interessenausgleich vom 29.04.2013 beschrieben ist, entsteht die Notwendigkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Nachteile auszugleichen bzw. abzumildern, die den Mitarbeitern entstehen.
        
(2)     
Die Betriebsparteien möchten durch diesen Sozialplan insbesondere die Bedingungen dafür schaffen, dass die von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter der NSN S bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den Mitarbeitern nach Maßgabe dieses Sozialplans neben der Zahlung von Abfindungen auch der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.
        
(3)     
Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierenden wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur Deutschen Telekom AG Nachteile entstehen können, z. B. durch ein geringeres Entgelt oder einen Ortswechsel. Beurlaubte Beamte erleiden jedoch typischerweise wesentlich geringere wirtschaftliche Nachteile als diejenigen ohne Beamtenstatus, da sie normalerweise weder von Arbeitslosigkeit bedroht sind noch ihr Rückkehranspruch zur Deutschen Telekom AG bzw. ihr erworbener Besitzstand bestritten wird.
        
1.      
Geltungsbereich
        
1.1     
Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter von NSN S an allen Standorten in der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie von personellen Maßnahmen infolge der Betriebsstilllegung gemäß des Interessenausgleichs betroffen sind oder betroffen sein werden.
        
1.2     
Dieser Sozialplan gilt nicht für
        
        
…     
        
        
        
▪       
beurlaubte Beamte.
        
        
…“    
        
5
In Nr. 2 SP 2013 waren Transfermaßnahmen und die Einrichtung einer Transfergesellschaft geregelt. Die Sozialplanabfindung (Nr. 3 SP 2013) bemisst sich nach den Faktoren Betriebszugehörigkeit, monatliches Bruttofixgehalt sowie dem Faktor 0,5.
6
Die NSN S kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2013. In den Betrieben der NSN S wurde seit dem Jahr 2010 unter den Arbeitnehmern das Bestehen von möglichen „Rückkehransprüchen“ zu Unternehmen des DT AG-Konzerns diskutiert. Grundlage für solche Überlegungen war ua. eine möglicherweise fehlende formwirksame Beendigung der vormaligen Arbeitsverhältnisse zur DT AG oder einer ihrer Konzerngesellschaften. Die Durchsicht der Personalakten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer durch die NSN S ergab, dass in knapp 130 Fällen kein Nachweis über die formgerechte Beendigung eines zuvor mit einer konzernzugehörigen Gesellschaft begründeten Arbeitsverhältnisses enthalten war. Bis zum Abschluss des SP 2013 hatten vier Arbeitnehmer der NSN S rechtskräftig das Fortbestehen ihrer Arbeitsverhältnisse erstritten. Die DT AG hatte sich bis zum Abschluss der Sozialplanverhandlungen weder gegenüber der NSN S noch gegenüber Arbeitnehmern ohne Beamtenstatus zu deren Weiterbeschäftigung bereit erklärt. Erst nach Abschluss des Sozialplans kam es unter gewerkschaftlicher Beteiligung zu Gesprächen über eine kollektive Regelung zur Fortsetzung von Arbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmern der NSN S.
7
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der vollständige Ausschluss von beurlaubten Beamten aus dem Geltungsbereich des SP 2013 sei nicht gerechtfertigt. Unter den vom Sozialplan erfassten Arbeitnehmern seien ehemalige Tarifangestellte aus dem Konzerngesellschaften der DT AG, deren Arbeitsverhältnis zu diesen mangels einer formwirksamen Aufhebung fortbestehe. Diese Arbeitnehmer verfügten wie die beurlaubten Beamten ebenfalls über ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zur DT AG oder ihren konzernangehörigen Gesellschaften.
8
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 57.439,53 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 1. Januar 2014 zu zahlen.
9
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageabweisungsantrag einen auf Feststellung der Nichtigkeit des SP 2013 gerichteten Hilfsantrag angekündigt.

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