Aktenzeichen AN 4 K 17.00537
VwGO § 86
IHKG § 3 Abs. 2
IHKG § 3 Abs. 3
Leitsatz
1 Gegen die allein an die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer anknüpfende Mindestbeitragspflicht bestehen auch dann keine rechtlichen Bedenken, wenn tatsächlich keine Leistungen in Anspruch genommen werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Den Industrie- und Handelskammern kommt bei der Aufstellung ihrer Wirtschaftssatzungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der lediglich durch höherrangige Rechtsnormen beschränkt wird (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 41705). Insbesondere sind die Kammern durch den Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung nicht daran gehindert, Rücklagen zu bilden, statt sich zu versichern. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Über die Klage konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO aufgrund übereinstimmender Erklärung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 24. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin kann mit ihren sehr allgemein gehaltenen Argumenten nicht durchdringen. Die grundlegende Zulässigkeit der Zwangsmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden in den Industrie- und Handelskammern ist hinreichend geklärt (vgl. Ziffer 2.). Konkrete Zweifel an dem der Beitragserhebung zugrundeliegenden Wirtschaftsplan 2017, insbesondere mit Blick auf die Rücklagenbildung, wurden nicht hinreichend substantiiert (vgl. Ziffer 3.)
1. Das klägerische Begehren ist dahingehend zu verstehen (§ 88 VwGO), dass sich die Klägerin gegen die Beitragsfestsetzung aus dem Bescheid vom 24. Februar 2017 für das Jahr 2017 in Höhe von 120,00 EUR wendet. In der Klageschrift wird ausdrücklich auf diesen Bescheid und auf den geschuldeten Betrag Bezug genommen.
Eine weitergehende Klageerhebung, mit Blick auf die endgültige Festsetzung für 2015, konnte dem nicht entnommen werden. Einer Rückforderung müsste aufgrund zu erwartender entgegenstehender Bestandskraft ohnehin ein Verwaltungsverfahren vorausgehen. Das gleiche gilt für die im Schreiben vom 18. November 2017 erwähnte Rückforderung der letzten zehn Jahre insgesamt.
2. Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu Beiträgen durch die Beklagte ist § 3 Abs. 2, Abs. 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) i.V.m. der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2017. Demnach werden die Kosten der Errichtung und die Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß der Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 S. 1 IHKG). Die Kammerzugehörigkeit ergibt sich aus § 2 Abs. 1 IHKG. Danach ist die Klägerin als juristische Person des privaten Rechts (§ 1 AktG), die im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhält und dem Grunde nach zur Gewerbesteuer veranlagt wird, Kammerzugehörige bei der Beklagten. Nach Maßgabe von Ziffer II 2.2 a) der von der Beklagten übersendeten Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2017 ist für die Klägerin als einer im Handelsregister eingetragenen IHK-Zugehörigen mindestens ein Beitrag in Höhe von 120,00 EUR festzusetzen.
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer ist hinreichend, auch höchstrichterlich, geklärt. Insoweit wird insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12; BVerfG, B.v. 7.12.2001, 1 BvR 1806/98; U.v. 19.12.1962, Az. 1BvR 541/57, BVerfGE 15, 235; U.v. 18.12.1974, Az. 1 BvR 430/65 und 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281) verwiesen.
Unabhängig davon sieht auch das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B.: VG Ansbach U.v. 4.2.2010, Az. AN 4 K 09.00157 sowie U.v. 10.11.2015, AN 4 K 14.01227) keinen Hinweis auf verfassungsrechtliche Bedenken. Die Industrie- und Handelskammern nehmen insbesondere als Interessenvertretung Aufgaben für alle Gewerbetreibenden war. Dementsprechend ist die Mitgliedschaft aller Gewerbetreibenden, aus sämtlichen Branchen und Betriebsgrößen, nötig. Ebenfalls keine grundlegenden Bedenken bestehen hinsichtlich des Umstandes, dass eine Mindestbeitragspflicht bereits an die Mitgliedschaft angeknüpft wird, ohne dass tatsächlich auch Leistungen in Anspruch genommen werden. Hierzu hat die Klage, auch unter Berücksichtigung der in Vorlage gebrachten Anlagen, keine neuen Erkenntnisse gebracht, weshalb an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten wird. Soweit politische Fragen aufgeworfen wurden, etwa ob Prüfungen nicht auch durch die Berufsschulen abgenommen werden könnten, ob die IHK einen aufgeblähten Apparat unterhält oder ob die IHK nicht besser kontrolliert werden sollte, ist auf eine politische Betätigung in und außerhalb der entsprechenden IHK-Gremien zu verweisen.
3. Für das Gericht ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass die Beklagte unzulässige Rücklagen gebildet hat. Der klägerische Vortrag bleibt insoweit vage und unsubstantiiert. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die dort bemängelte Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit (BVerwG, U.v. 9.12.2015, 10 C 6/15 – juris) hat die Beklagte dargelegt, dass sie ihre Rücklagen auf Grundlage eines Risikomanagements sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bildet und wie sie das tut. Auf Basis des klägerischen Vorbringens sind keine grundlegenden Bedenken an der Rücklagenbildung erkennbar. Dabei kann offen bleiben, ob die Begrifflichkeiten betriebswirtschaftswissenschaftlich korrekt verwendet worden sind. Die Beklagte hat das von ihr als solches bezeichnete Risikomanagement konzeptionell dargestellt. Es steht außer Frage, dass Risiken entstehen können. Soweit behauptet wird, es handele sich um einen Deckmantel zur unzulässigen Beitragserhebung, fehlt es an konkreten Anhaltspunkten. Das gilt auch unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingebrachten Unterlagen.
Auf die Möglichkeit sich zu versichern muss die Beklagte sich nicht verweisen lassen. Die Beklagte hat bei der Aufstellung ihrer Wirtschaftssatzung einen weiten Gestaltungsspielraum im Rahmen der konkret zu beachtenden Rechtsnormen (BVerwG, U.v. 9.12.2015, 10 C 6/15 – juris Rn. 16). Auch aus der Pflicht zur Aufstellung des Wirtschaftsplans nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG) ergibt sich nichts anderes. Es gibt keine allgemeingültige Erkenntnis, dass es sparsamer ist, sich zu versichern, statt Rücklagen zu bilden.
Ein Anhaltspunkt für die Bildung unberechtigter Rücklagen bei der Beklagten ergibt sich auch nicht aus Bezugnahme auf die Rechtsprechung anderer Gerichte. Diese ist nur eingeschränkt übertragbar, da sie sich auf Wirtschaftssatzungen anderer Kammern und damit auf andere Grundlagen für die angefochtenen Bescheide beziehen. Die Beklagte ist die zuständige Industrie- und Handelskammer lediglich für den Bezirk … Vergleichbare Fehler, wie die in den vorgelegten Unterlagen erwähnten Entscheidungen, sind vorliegend schon nicht vorgetragen.
Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 VwGO) besteht vorliegend nicht. Das Maß der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung bestimmt sich nach der Substanz des Vorbringens der Beteiligten (BVerwG, U.v. 2.8.2001, 7 C 2/01 – juris Rn. 19). Die verwaltungsgerichtliche Amtsermittlungspflicht geht nicht soweit, dass pauschalen Verdachtsäußerungen nachgegangen werden muss (vgl. etwa BVerwG B.v. 24.9.2012, 5 B 30/12 – juris Rn. 9 zum Thema der Beweisermittlungsanträge). Dem steht auch nicht die Aussagen aus der Entscheidung des VG Düsseldorf (U.v. 30.3.2017, 20 K 3225/15 – juris Rn. 345) entgegen, da die Annahme einer entsprechenden Darlegungspflicht der Beklagten zunächst mal die substantiierte Rüge einer Position (insbesondere Rücklagenposition) voraussetzt. Eine entgegenstehende Sichtweise würde zur Folge haben, dass jedes gerichtliche Verfahren gegen einen IHK-Beitragsbescheid zu einer Wirtschaftsprüfung der IHK-Rechnungslegung mit Einzelfallbetrachtung wird. Ein mit dem Kostendeckungsprinzip unvereinbarer Bilanzgewinn oder eine sonst mit § 3 Abs. 2 IHKG unvereinbare Vermögensbildung der Beklagten ergibt sich aus den Wirtschaftssatzungen der betroffenen Jahre jedenfalls nicht offensichtlich.
4. Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO.