Arbeitsrecht

Höheres Elterngeld unter Berücksichtigung einer Gehaltsnachzahlung

Aktenzeichen  L 9 EG 27/16

Datum:
23.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141139
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BEEG § 2, § 2c, § 27 Abs. 1
SGB IV § 23a Abs. 1 S. 1
LStR R 39b2

 

Leitsatz

1. Für den Zeitpunkt des Zugangs von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gilt bei der elterngeldrechtlichen Einkommensermittlung seit jeher und noch nach 01.01.2015 das modifizierte Zuflussprinzip.
2. Unter der Geltung des modifizierten Zuflussprinzips darf R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 der Lohnsteuer-Richtlinien nicht im Elterngeldrecht herangezogen werden.
3. Zum Einfluss der aktuellen BSG-Rechtsprechung vom 14.12.2017.

Verfahrensgang

S 44 EG 20/15 2015-10-20 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der im April 2014 erfolgten Gehaltsnachzahlung zu zahlen.
Gegenstand der Anfechtungsklage – insgesamt liegt eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage vor – ist allein der Bewilligungsbescheid vom 01.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2015. Da die Bewilligung endgültig und nicht nur vorläufig ausgesprochen worden war, kam es nicht zum Erlass eines Zweitbescheids. Von dem Vorbehalt des Widerrufs hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Bei dem hier vorliegenden Höhenstreit ist der Streitgegenstand grundsätzlich nicht auf ein einzelnes Berechnungselement beschränkt. Vielmehr prüft der Senat innerhalb der Grenzen des klägerischen Antrags unter allen tatsächlichen und rechtlichen Facetten, ob der Klägerin höhere Leistungen zustehen. Andererseits berücksichtigt der Senat auch solche Aspekte, die das von der Klägerin begehrte Optimum auf anderem Weg wieder reduzieren.
Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs dem Grunde nach liegen unzweifelhaft vor. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 BEEG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung (aF). Die Maßgeblichkeit dieser Gesetzesfassung – auch für Leistungszeiträume ab 01.01.2015 – ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Nach § 1 Abs. 1 BEEG aF hat Anspruch auf Elterngeld, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Alle diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Sie hatte während des gesamten Bezugszeitraums ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit L. in einem Haushalt, betreute und erzog ihn selbst und übte entsprechend ihrer Ankündigung im Elterngeldantrag während des Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Ein ordnungsgemäßer Antrag lag vor.
Die Höhe des Elterngelds hat der Beklagte zu niedrig festgesetzt. In der Tat hätte er, wie es die Klägerin wünscht und das Sozialgericht entschieden hat, die im April 2014 erhaltene Einmalzahlung in Höhe des auf die Monate August bis Dezember 2013 entfallenden Anteils, nämlich 706,90 EUR, als Bemessungsentgelt für das Elterngeld berücksichtigen müssen.
Für die Bestimmung der Höhe des Elterngelds ist ebenfalls das bis zum 31.12.2014 geltende Recht (im Folgenden: aF) heranzuziehen. Dies folgt aus § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG. Allein § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG muss ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts, also ab 01.01.2015, in seiner neuen Fassung auf den bereits laufenden Leistungsfall angewandt werden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG).
Die Basisnorm für die Bemessung des Elterngelds ist § 2 Abs. 1 und 2 BEEG aF. Soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, lauten diese Regelungen wie folgt: (1) 1Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. 2Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. 3Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus 1. nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie 2 …, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b … hat. (2) … 2In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1.200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.
Eine zeitliche Spezifizierung des Normteils „vor der Geburt des Kindes“ erfolgt in § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG aF. Danach sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Im Fall der Klägerin, die nur Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bezog, handelt es sich um die zwölf Kalendermonate vor Mai 2014, also Mai 2013 bis April 2014. Diesen Zeitraum hat der Beklagte korrekt herangezogen. Eine Verschiebung des Bemessungszeitraums in die Vergangenheit erfolgt nicht, weil die Fortzahlung der beamtenrechtlichen Bezüge während der Mutterschutzfrist vor der Geburt von L. keinen Tatbestand verkörpert, der unter § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG aF fällt.
Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum hat der Beklagte zu niedrig angesetzt; denn er hat die Vorschrift des § 2c Abs. 1, 2 BEEG aF nicht korrekt angewandt. Diese Bestimmung lautet: (1) 1Der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f, ergibt das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. 2Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. 3Maßgeblich ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes in der am 1. Januar des Kalenderjahres vor der Geburt des Kindes für dieses Jahr geltenden Fassung. (2) Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.
Aus § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG aF geht hervor, dass die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert die Ausgangsgröße für die Elterngeldberechnung bei abhängig Beschäftigten verkörpern. Diese Ausgangsgröße hat der Beklagte unzutreffend quantifiziert. Er ist fälschlicher Weise davon ausgegangen, § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG bewirke, dass die Nachzahlung im April 2014 zum Teil nicht in die Ausgangsgröße einbezogen werden dürfe.
Zu diesem Ergebnis ist der Beklagte sowohl für die im Jahr 2014 als auch die im Jahr 2015 liegende Leistungszeit gekommen. Soweit es um Elterngeldleistungen bis zum 31.12.2014 geht, ist § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der oben wiedergegebenen, bis 31.12.2014 geltenden Fassung anzuwenden. Für ab 01.01.2015 zustehende Elterngeldleistungen gilt dagegen § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG in der Fassung ab 01.01.2015, wonach Einnahmen nicht berücksichtigt werden dürfen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Dass auf einen Leistungsfall zwei unterschiedliche Gesetzesfassungen angewandt werden müssen, ist, wie oben ausgeführt, § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG geschuldet.
Trotz der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erweist sich die Handhabung durch den Beklagten als einheitlich falsch. Richtig ist allerdings, dass für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „sonstige Bezüge“ in beiden hier anwendbaren Fassungen von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG auf das Einkommensteuerrecht, und zwar speziell auf das Lohnsteuerrecht, abzustellen ist. Sowohl in der alten wie in der neuen Fassung wird explizit das Lohnsteuerabzugsverfahren als Maßstab genannt. Eine autarke elterngeldrechtliche Begriffsbildung scheidet kategorisch aus.
Mangels gesetzlicher Grundlage im Steuerrecht – auch insoweit ist dem Beklagten Recht zu geben – hat sich die Abgrenzung der (elterngeldrechtlich nicht berücksichtigungsfähigen) sonstigen Einnahmen zum (elterngeldrechtlich zu berücksichtigenden) laufenden Arbeitslohn an den LStR zu orientieren. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urteil vom 29.06.2017 – B 10 EG 5/16 R). Die LStR in der Fassung der Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2013 vom 8.7.2013 (BStBl I S. 851) erläutern beide Begriffe unter Darstellung von Anwendungsbeispielen. Laufender Arbeitslohn ist nach R 39b.2 Abs. 1 LStR Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, insbesondere: 1. Monatsgehälter, 2. Wochen- und Tagelöhne, 3. Mehrarbeitsvergütungen, 4. Zuschläge und Zulagen, 5. geldwerte Vorteile aus der ständigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung, 6. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, und 7. Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt.
Fließt Arbeitslohn nicht im Sinn des R 39b.2 Abs. 1 LStR laufend (also nicht regelmäßig fortlaufend) zu, zählt R 39b.2 Abs. 2 Satz 1 LStR ihn zu den sonstigen Bezügen. Hierzu gehören nach R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 insbesondere: 1. 13. und 14. Monatsgehälter, 2. einmalige Abfindungen und Entschädigungen, 3. Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden, 4. Jubiläumszuwendungen, 5. nicht fortlaufend gezahlte Urlaubsgelder und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs, 6. Vergütungen für Erfindungen, 7. Weihnachtszuwendungen und 8. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt.
Gemessen an den Regeln von R 39b.2 LStR hat der Dienstherr der Klägerin die im April 2014 erfolgte Nachzahlung korrekt partiell als sonstige Bezüge ausgewiesen (mit der Bezeichnung „EZ“ in der Bezügemitteilung vom 13.03.2014) und behandelt. Denn einschlägig ist der Tatbestand R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR. Die Nachzahlung umfasste auch Zeiträume, die im abgelaufenen Kalenderjahr 2013 lagen, und sie erfolgte später als drei Wochen nach Ablauf dieses Kalenderjahrs. So liegt der Schluss zugegebenermaßen nicht fern, die Nachzahlung dürfe nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in beiden anwendbaren Fassungen nicht berücksichtigt werden.
Damit darf es aber nicht sein Bewenden haben. Denn dieses Ergebnis stünde nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG. Dieses hat die einschlägigen Bestimmungen des BEEG in einer Weise ausgelegt, die einem stereotypen Transfer des lohnsteuerrechtlichen Ergebnisses entgegensteht (vgl. dazu unten 1.). Das gilt auch noch nach Erlass des BSG-Urteils vom 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R (vgl. dazu unten 2.), von dem bislang lediglich ein Terminsbericht vorliegt, dessen Gründe aber noch nicht abgesetzt sind.
1. Beurteilt man den vorliegenden Fall anhand der bis zum 14.12.2017 vorliegenden BSG-Rechtsprechung, ist der Klägerin Recht zu geben.
Zum Verständnis der bislang ergangenen einschlägigen BSG-Rechtsprechung erscheint es angebracht, die Gesetzgebungshistorie zu dem von Anfang an virulenten Problem zu beleuchten, welche im Inland zu versteuernden Einnahmen prägend, und daher bei der Elterngeldbemessung zu berücksichtigen sind, und welche nicht.
In der ursprünglichen (ab 01.01.2007 geltenden) Fassung des BEEG war folgende Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG einschlägig: Sonstige Bezüge im Sinn von § 38a Absatz 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes werden nicht als Einnahmen berücksichtigt.
Dazu ist (auszugsweise) folgende Gesetzesbegründung gegeben worden (BT-Drs. 16/2785, S. 37): „Die steuerrechtliche Regelung zur Berechnung des Überschusses wird in zweierlei Hinsicht modifiziert … Und zweitens werden – vergleichbar mit der Regelung zu den einmaligen Einnahmen im bisherigen Entwurf – sonstige Bezüge im Sinn von § 38a Absatz 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes, also etwa dreizehnte und vierzehnte Monatsgehälter, Gratifikationen und Weihnachtszuwendungen nicht als Einkommen berücksichtigt. Dies entspricht der Regelung beim Mutterschaftsgeld. Würde für das Elterngeld anders verfahren, hinge es insbesondere bei Bezugszeiträumen von unter einem Jahr vom Zufall ab, ob eine einmalige Einnahme mit der Folge zu berücksichtigen wäre, dass das ansonsten zustehende Elterngeld sich reduziert oder sogar entfällt“.
Zum 01.01.2011 trat eine geänderte Fassung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG in Kraft („Haushaltsbegleitgesetz 2011“): Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt. Diese zweite Fassung war im Gesetzentwurf mit folgender Begründung versehen (BT-Drs. 17/3030, S. 48): „Die Neufassung des Satzes 2 dient zum einen der Sicherstellung einer verwaltungspraktikablen Feststellbarkeit von sonstigen Bezügen im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38a Absatz 1 Satz 3 und § 39b des Einkommensteuergesetzes als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen sind bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen (anders zur bisherigen Rechtslage: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 3/09 R, betreffend Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von R § 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 LStR 2008, die für Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgen und deswegen als sonstige Bezüge versteuert werden).“
Die dritte Fassung, welche für den vorliegenden Fall einschlägig ist, trat zum 18.09.2012 in Kraft („Vereinfachungsgesetz“); erstmals wurde der Regelungsgegenstand in § 2c BEEG platziert. Dessen Absatz 1 Satz 2 lautete: Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. Der Unterschied zwischen der zweiten und der dritten Fassung ist nur ein formaler; die dritte Fassung lautete nur semantisch etwas anders. Das brachte auch die Begründung (BT-Drs. 17/9841, S. 22) zum Ausdruck: „Satz 2 übernimmt den Regelungsgehalt des bisherigen § 2 Absatz 7 Satz 2. Die Änderungen sind redaktionell bedingt.“
Die aktuell sich noch in Kraft befindende vierte Fassung bildet der seit dem 01.01.2015 („Elterngeld-Plus-Gesetz“) geltende § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG: Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Der dazu ergangenen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/2583, S. 24/25) misst der Beklagte hohe Bedeutung bei; die Begründung lautet: „Die Regelung stellt klar, dass die Einordnung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als sonstige Bezüge allein nach lohnsteuerrechtlichen Vorgaben … erfolgt. Nur dann ist es möglich, die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung nach § 2c Absatz 2 als aussagekräftige Grundlage der elterngeldrechtlichen Einkommensermittlung zu nutzen (Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen). Ein Auseinanderfallen des lohnsteuerrechtlichen und elterngeldrechtlichen Einkommensbegriffs würde dazu führen, dass die Festlegungen in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen schon dem Grundsatz nach nicht mehr unmittelbar für die Elterngeldberechnung genutzt werden könnten. Das würde den Verwaltungsaufwand erheblich steigern. Nach dieser Regelung sind demnach alle Lohn- und Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind …, auch elterngeldrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln.“
Von Anfang an hat das BSG die alleinige Maßgeblichkeit der lohnsteuerrechtlich zutreffenden Behandlung oder gar der tatsächlichen (möglicherweise falschen) Handhabung durch den jeweiligen Arbeitgeber in seiner Rechtsprechung relativiert. Noch im Urteil vom 29.06.2017 – B 10 EG 5/16 R hat es diese Linie im Wesentlichen bestätigt und die Änderung der Rechtslage durch das Elterngeld-Plus-Gesetz zum 01.01.2015 sogar als positive Anknüpfung – das BSG hat das Verb „folgen“ verwandt – an den „normativen Ansatz“ der Senatsrechtsprechung bezeichnet sowie diesbezüglich gerade auf die am 26.03.2014 ergangene Rechtsprechung hingewiesen.
a) Allerdings stützt der Senat sein Ergebnis nicht auf den in den zu Provisionen ergangenen Urteilen vom 26.03.2014 generierten Obersatz, die lohnsteuerrechtliche Behandlung sei daraufhin zu überprüfen, ob sie elterngeldrechtlich gerechtfertigt sei. Diesen Prüfungsschritt hatte das BSG in den Entscheidungen vom 26.03.2014 nach Einschätzung des Senats zwingend vorgegeben, und nicht nur für Provisionsfälle. Der entscheidende Parameter für die Frage der Rechtfertigung war die die wirtschaftlichen Verhältnisse prägende Wirkung der Einkünfte; anhand dessen sollten die nach dem Lohnsteuerrecht gewonnenen Ergebnisse hinterfragt werden. Der Terminsbericht zum Urteil vom 14.12.2017 – B 10 EG 7/17 R deutet jedoch an, dass das BSG diesen rechtlichen Ansatz wohl nicht mehr weiterverfolgen wird. Der Senat vermag sich dem – sollte es denn tatsächlich so sein – ohne weiteres anzuschließen. Denn zur Vermeidung verfassungsrechtlich bedenklicher Zufallsergebnisse bedarf es in der Tat keines generellen Vorbehalts der elterngeldrechtlichen Rechtfertigung.
b) Jedoch dürfen die Nachzahlungen unter dem Reglement beider einschlägiger Fassungen von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG schon auf der Ebene des einfachen formellen Gesetzesrechts deswegen nicht als sonstige Bezüge behandelt werden, weil im Elterngeldrecht das modifizierte Zuflussprinzip gilt. Das bedeutet, dass die Nachzahlungen zeitlich dem Monat zugeordnet werden müssen, in dem der jeweilige Vergütungsbestandteil geschuldet war. Die Geltung des modifizierten Zuflussprinzips bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist fester Bestandteil der BSG-Rechtsprechung. Entgegen der Meinung des Beklagten hat der Gesetzgeber das modifizierte Zuflussprinzip nicht inzwischen durch das strenge Zuflussprinzip ersetzt.
Mit Urteil vom 30.09.2010 – B 10 EG 19/09 R hat das BSG erstmals eine Entscheidung zu einer Nachzahlung getroffen, und zwar unter dem Reglement der Ursprungsfassung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG. Das wichtigste Element dieser Entscheidung besteht darin, dass das BSG das modifizierte Zuflussprinzip proklamiert hat: Das im Bemessungszeitraum erarbeitete Einkommen sei maßgebend. Den rechtlichen Umstand, dass das modifizierte Zuflussprinzip Geltung beansprucht, hat es ausführlich und restlos überzeugend – unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Erwägungen – begründet. Wie schon in der Entscheidung vom 03.12.2009 – B 10 EG 3/09 R hat das BSG darauf hingewiesen, die Drei-Wochen-Regelung des Lohnsteuerrechts (gemeint ist R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 Satz 2 LStR) finde angesichts des modifizierten Zuflussprinzips keine Anwendung. § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG aF, wonach Grundlage der Einkommensermittlungen die Arbeitgeberbescheinigungen seien, begründe, so das BSG, keine rechtliche Bindung an die Feststellungen des Arbeitgebers. Eine Gehaltsnachzahlung sei kein sonstiger Bezug. Das BSG hat die Besonderheit der Gehaltsnachzahlung herausgestellt, dass sie zwar in einem Betrag gezahlt wird, aber doch laufenden Arbeitslohn betrifft.
Im Urteil vom 18.08.2011 – B 10 EG 5/11 R hatte sich das BSG erneut mit einer Gehaltsnachzahlung zu befassen. Auch für diesen Fall galt noch die Ursprungsfassung des Gesetzes – bei Erlass des Urteils war die zweite aber schon in Kraft. Das BSG hat am modifizierten Zuflussprinzip festgehalten. Es hat hervorgehoben, das BEEG verweise nicht auf das steuerrechtliche Zuflussprinzip; dieses sei gesondert in § 11 EStG geregelt und nicht schon Bestandteil des steuerrechtlichen Einkommensbegriffs. Das BSG hat die Installierung eines vom Steuerrecht abweichenden Zuflussmodells auch mit der völlig unterschiedlichen Wirkungsweise der Handhabung im Steuerrecht einerseits (nur zeitliche Verschiebung) und im BEEG andererseits (komplette Nichtberücksichtigung) begründet. Zudem hat es bestätigt, dass eine Nachzahlung kein sonstiger Bezug ist. Die Drei-Wochen-Regelung sei im BEEG nicht anwendbar. Schließlich hat das BSG in Aussicht gestellt, unter der zweiten Gesetzesfassung könne etwas anderes gelten; dieser Hinweis – das gilt es zu unterstreichen – hat sich aber nur auf die geänderte Fassung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG bezogen, nicht auch auf die Ersetzung von „erzielt“ durch „hat“ in dem ab 01.01.2011 geltenden § 2 Abs. 1 BEEG.
Auch im Urteil vom 20.05.2014 – B 10 EG 11/13 R war noch die erste Fassung des Gesetzes Gegenstand der Überprüfung. Folgender Sachverhalt lag vor: Im Bemessungszeitraum waren Mindereinnahmen entstanden, weil der damalige Arbeitgeber zuvor, und zwar vor dem Bemessungszeitraum, Zuvielzahlungen geleistet hatte und dies dann im Bemessungszeitraum durch Aufrechnung korrigiert wurde. Das BSG hat erneut die Geltung des modifizierten Zuflussprinzips unterstrichen. Daran ändere sich auch in dem Fall nichts, dass eine Nachzahlung später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres zufließe. Bei der Bemessung des Elterngelds, so das BSG, sollten Zufallsergebnisse vermieden werden. Dessen Höhe dürfe nicht von rechtswidrigen Verhaltensweisen des Arbeitgebers abhängen. Bezeichnender Weise hat das BSG die ab 01.01.2011 geltende Gesetzesfassung, der es im Urteil vom 18.08.2011 noch Änderungspotenzial zugebilligt hatte, nicht mehr erwähnt. Denn knapp zwei Monate vorher war es in den (zur zweiten Fassung ergangenen) Urteilen vom 26.03.2014 zum Ergebnis gekommen, dem Gesetzgeber sei es mit der zweiten Fassung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG gerade nicht gelungen, eine Änderung in der Sache zu bewirken. Dieses für Provisionen gewonnene Ergebnis hat das BSG offenbar implizit auch für Nachzahlungen übernommen; anders ist sein diesbezügliches Schweigen nicht zu erklären.
Das modifizierte Zuflussprinzip gilt auch für den vorliegenden Fall, der zum Teil nach der dritten, zum Teil nach der vierten Gesetzesfassung zu beurteilen ist. Aus diesem Grund darf nach wie vor die Regelung des R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 Satz 2 LStR nicht angewandt werden. Die Geltung des modifizierten Zuflussprinzips bewirkt, dass der Zufluss in dem Monat anzunehmen ist, in dem das – verspätet ausgezahlte – Arbeitsentgelt eigentlich geschuldet wurde. Die hier streitigen Gehaltszahlungen sind elterngeldrechtlich also nicht im April 2014, sondern im August, 2013, im September 2013, im Oktober 2013, im November 2013 und im Dezember 2013 zugeflossen. Dann aber fehlt schon bei formaler Betrachtung jeglicher Ansatzpunkt für die Anwendung der Drei-Wochen-Regelung des R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 Satz 2 LStR.
Diese Sonderbestimmung ist im Lohnsteuerrecht nur deswegen erforderlich, weil im Einkommensteuerrecht generell das so genannte In-Prinzip, also das strenge Zuflussprinzip, greift (im Gegensatz zum „Für-Prinzip“, das dem modifizierten Zuflussprinzip entspricht). R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR will dessen für die Steuerpflichtigen ungünstige Auswirkungen beim Lohnsteuerabzug dadurch auffangen, dass er Nachzahlungen weitgehend den sonstigen Bezügen zuordnet. Im Elterngeldrecht wird der Zufluss über das modifizierte Zuflussprinzip dagegen als zeitnaher fingiert – der elterngeldrechtliche Zufluss liegt hier also nicht im tatsächlichen Zahlungsmonat April 2014, sondern in den „Soll-Zahlungs-monaten“ August bis Dezember 2013. Für eine angemessene Verteilung der Nachzahlung – das ist nach dem oben Gesagten gerade Intention der steuerrechtlichen Behandlung als sonstige Bezüge („Glättung“) – besteht daher keine Veranlassung. Diese Argumentation ist keine Erfindung des Senats, sondern Kernbestandteil des BSG-Urteils vom 30.09.2010 – B 10 EG 19/09 R.
Entgegen der Auffassung des Beklagten gilt das modifizierte Zuflussprinzip auch im hier vorliegenden Fall, egal ob die dritte oder vierte Fassung des Gesetzes zur Anwendung kommt.
aa) Der Beklagte ist der Auffassung, schon mit dem Vereinfachungsgesetz sei das modifizierte durch das strenge Zuflussprinzip ersetzt worden. Er beruft sich insoweit auf die Ersetzung des Verbs „erzielen“ in § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG in der bis zum 17.09.2012 geltenden Fassung durch das Verb „haben“ in der ab 18.09.2012 geltenden Fassung von § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG. Folgende Passage aus BT-Drs. 17/9841, S. 18 (Begründung zum Vereinfachungsgesetz) führt er als Beleg an: „Auf den bisherigen Begriff der „Einkommenserzielung“ wird verzichtet, da das Wort „erzielt“ in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dahingehend ausgelegt wird, dass im Elterngeldrecht das elterngeldrechtsspezifische modifizierte Zuflussprinzip Anwendung findet (vergleiche BSG, Urteil vom 30. September 2010, B 10 EG 19/09 R, Rn. 23). Die Umformulierung dient der Klarstellung, dass das elterngeldrechtliche Einkommen auch hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen in Anlehnung an den steuerlichen Einkommensbegriff ermittelt wird. Dementsprechend sind die steuerlichen Grundsätze der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen (Zufluss- und Realisationsprinzip, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von bereichsspezifischen Besonderheiten wie etwa im Lohnsteuerrecht), zu berücksichtigen. Die Anwendung dieser Grundsätze kann dabei dazu führen, dass in der Bezugszeit zufließendes Einkommen, das durch eine Erwerbstätigkeit in der Bemessungszeit erwirtschaftet wurde, als Einkommen während der Bezugszeit elterngeldmindernd zu berücksichtigen ist. Dies stellt sicher, dass den gesetzlich vorgesehenen Nachweisdokumenten (etwa Lohn- und Gehaltsbescheinigungen und Einkommensteuerbescheide) die gesetzgeberisch beabsichtigte Richtigkeits- und Vollständigkeitsvermutung beigemessen werden kann.“
Dem Beklagten kann nicht darin beigepflichtet werden, die Einführung des Verbs „haben“ habe das modifizierte Zuflussprinzip beseitigt:
Es fällt schon auf, dass das BSG im letzten zur zeitlichen Frage des Zuflusses ergangenen Urteil vom 20.05.2014 – B 10 EG 11/13 R mit keinem Wort auf die entsprechende, längst zum 18.09.2012 in Kraft getretene Gesetzesänderung hinge-wiesen hat. Man mag dem entgegnen, das BSG habe dafür keine Veranlassung gehabt, da es in der Entscheidung noch um die erste Fassung der Regelung zur Nichtberücksichtigung sonstiger Bezüge gegangen sei. Das ist zwar richtig. Jedoch hat das BSG in dem Urteil ohne jede Abstriche ein Plädoyer zugunsten des modifizierten Zuflussprinzips gehalten. Es wäre indes anzunehmen gewesen, dass das BSG auf jeden Fall als obiter dictum einen Hinweis erteilt hätte, wenn es unter dem Reglement des Vereinfachungsgesetzes die Möglichkeit einer inhaltlichen Modifikation gesehen hätte. Genauso war es nämlich im Urteil vom 18.08.2011 – B 10 EG 5/11 R vorgegangen: Auch dort war es für das modifizierte Zuflussprinzip eingetreten, hatte aber angedeutet, nach dem ab 01.01.2011 geltenden Recht sei dies wohl anders zu beurteilen. Dazu hätte das BSG im Fall B 10 EG 11/13 R gleichermaßen Anlass gehabt, wäre es der Meinung gewesen, das Vereinfachungsgesetz habe eine Ersetzung des modifizierten durch das strenge Zuflussprinzip bewirkt.
Vor allem aber, und das ist entscheidend, lässt der Wortlaut der gewählten Neufassung in keiner Weise erahnen, der Gesetzgeber könnte damit eine Abschaffung des modifizierten Zuflussprinzips beabsichtigt haben. Die zeitliche Zuordnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sahen Gesetzgeber und BSG bis 17.09.2012 in § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG aF verankert. Dort war geregelt, das Elterngeld sei ein bestimmter Anteil des im Bemessungszeitraum erzielten Einkommens. Das BSG hat in dem Partizip „erzielt“ dasjenige Tatbestandsmerkmal gesehen, an dem es die Frage des zeitlichen Zuflusses quasi festmachte. Es hat aber nie zum Ausdruck gebracht, gerade wegen der Formulierung „erzielt“ dürfe der zeitliche Zufluss nur über das modifizierte Zuflussprinzip definiert werden.
In der ab 18.09.2012 geltenden Fassung wurde das Wort „erzielt“ im Wesentlichen nur durch das Wort „hat“ ersetzt. Damit ist eine materielle Änderung – sollte sie denn beabsichtigt gewesen sein – nicht gelungen. Denn das Verb „haben“ kann genauso wie „erzielen“ von der Wortbedeutung her in die eine wie in die andere Richtung ausgelegt werden. Der Senat sieht bei „haben“ keine größere Nähe zum strengen Zuflussprinzip wie bei „erzielen“. Damit ist kein zusätzlicher Impuls hin zum strengen Zuflussprinzip gesetzt worden.
Das Gegenteil ist der Fall: Das BSG hatte vorher, nämlich durch Urteil vom 18.08.2011 – B 10 EG 5/11 R unmissverständlich und in nicht zu übersehender Weise deutlich gemacht, zur Implementierung des strengen Zuflussprinzips im Elterngeldrecht müsse wohl § 11 EStG in Bezug genommen werden. Der Gesetzgeber wusste das, hat sich aber dennoch für eine außerordentlich diffuse Formulierung wie „haben“ entschieden. Wenn er schon nicht § 11 EStG explizit im Elterngeldrecht für anwendbar erklären wollte, hätte er wenigstens beispielsweise das Adverb „tatsächlich“ beifügen oder wenigstens das Verb „erhalten“ verwenden müssen. Die deutsche Sprache hätte vielfältige Möglichkeiten geboten, das (unterstellt) Gewollte wirklich eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers, „erzielen“ einfach nur durch „haben“ auszutauschen, hat somit keine inhaltliche Änderung bewirkt.
An dieser Stelle gilt es, der schon häufiger beobachteten Praxis des Beklagten entgegenzutreten, den Regelungsgehalt allein aus den vorhandenen Gesetzesbegründungen herauslesen zu wollen. Die den Gesetzentwürfen beigefügten Begründungen sind zugegebenermaßen sehr wichtige Auslegungsmittel. Sie sind aber nicht selbst das Gesetz; denn sie werden nicht vom Parlament beschlossen und nicht im Gesetzblatt verkündet. Die vom Beklagten angeführte Gesetzesbegründung – wer auch immer deren Verfasser sein mag – legt in der Tat nahe, die Abschaffung des modifizierten Zuflussprinzips sei Motiv gewesen. Dieser in erster Linie politisch zu verstehende Kommentar ersetzt aber nicht jegliche rechtsetzungstechnische Umsetzung im Gesetzestext selbst. Der Gesetzeswortlaut muss zumindest eine Andeutung dessen aufweisen, was der Begründung zufolge angeblich gewollt ist. Der völlig diffuse Begriff „haben“ liefert die erforderliche Andeutung nicht ansatzweise.
Der Senat betritt mit dieser Justierung des Verhältnisses Gesetzestext-Gesetzes-begründung übrigens kein methodisches Neuland. So hatte das BSG im Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 7/13 R (Rn. 25 des juris-Dokuments) bescheinigt, die in der Gesetzesbegründung enthaltenen Überlegungen hätten keinen hinreichenden Eingang in den Normtext gefunden, und diesen letztlich keine durchschlagende Kraft zugebilligt.
Es verbietet sich, allzu großzügig über die Insuffizienz des Gesetzes hinwegzusehen und das modifizierte Zuflussprinzip allein wegen der Begründung ad acta zu legen. Denn dieses besitzt nach der damals wie heute zutreffenden BSG-Recht-sprechung – vor allem nach dem Urteil vom 20.05.2014 – eine verfassungsrechtliche Dimension. Es trägt nämlich dazu bei, Zufallsergebnisse zu vermeiden. Ein Regelwerk aber, das in hohem Maß Zufallsergebnisse zulässt, befindet sich in der akuten Gefahr, Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht gerecht zu werden. Von daher muss eine entsprechende, das modifizierte Zufallsprinzip abschaffende gesetzliche Regelung schon ein erhebliches Maß an gesetzlicher Bestimmtheit aufweisen, um diese Wirkung entfalten zu können; daran fehlt es hier.
bb) Anders als der Beklagte meint, zwingt die Änderung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG durch das Elterngeld-Plus-Gesetz nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Der Beklagte selbst behauptet nicht, durch das Elterngeld-Plus-Gesetz sei das modifizierte Zuflussprinzip beseitigt worden. Diese Wirkung misst er, wie unter aa) ausgeführt, bereits dem vorher durch das Vereinfachungsgesetz eingeführten § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 BEEG bei. Die wesentliche Aussage des neuen § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ist vielmehr – und darauf stützt sich der Beklagte -, dass gerade das lohnsteuerrechtlich Gebotene maßgeblich sein soll.
Da in der vorangegangenen Gesetzesfassung auf die „Behandlung“ – was als „tatsächliche Behandlung“ verstanden werden könnte – abgestellt worden war und das BSG im Vorfeld des Elterngeld-Plus-Gesetzes mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, es komme auf die lohnsteuerrechtlich zutreffende, nicht auf die tatsächliche Handhabung an, drängt sich der Schluss auf, der Gesetzgeber habe gerade dies im Gesetz bestätigen wollen. Die Gesetzesbegründung legt andererseits nahe, dass es dem Gesetzgeber nicht nur, aber auch um ein anderes Problem gegangen sein könnte: Bei der Abgrenzung der sonstigen Bezüge vom laufenden Arbeitslohn sollte es allein auf die lohnsteuerrechtliche Kategorisierung ankommen. Es ist anzunehmen, dass man damit auf den in den Provisionsurteilen des BSG vom 26.03.2014 geschaffenen generellen Vorbehalt der elterngeldrechtlichen Rechtfertigung reagieren wollte. Augenscheinlich versuchte man zu unterbinden, dass das Ergebnis, das aus dem Lohnsteuerrecht gewonnen wird, stets noch einem spezifisch elterngeldrechtlichen Abgleich unterzogen wird, in dessen Rahmen unmittelbar das „Prägen der wirtschaftlichen Verhältnisse“ geprüft wird. Es gibt aber keinerlei Hinweise, der Gesetzgeber habe mit der Änderung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG speziell die Verfahrensweise bei Nachzahlungen aufgreifen wollen. Und tatsächlich erweist sich, dass die Gesetzesänderung zum 01.01.2015 zwar imstande ist, dem vom BSG vertretenen elterngeldrechtlichen Abgleich die Grundlage zu entziehen, nicht aber die vom BSG bis dato vertretene Sonderbehandlung von Nachzahlungen zu unterbinden.
Die Problematik bei Nachzahlungen unterscheidet sich deutlich von der der Provisionen, mit welchen sich der Großteil der BSG-Rechtsprechung beschäftigt. Zwischen Nachzahlungen und Provisionen besteht ein fundamentaler Unterschied. Die Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Einnahmen erfolgt im Steuerrecht im Wesentlichen nach der Art des Bezugs. In R 39b2 Abs. 1, 2 LStR werden Bezüge entweder dem laufenden Arbeitslohn oder den sonstigen Bezügen anhand des Kriteriums der Zuordenbarkeit zu konkreter Arbeit in konkreten unterjährigen Zeiträumen zugeordnet. So handelt es sich bei Provisionen um eine bestimmte Gattung von Bezügen; sie werfen das Problem auf, wie sie der Art nach zuzuordnen sind. Das ist bei Nachzahlungen anders. Diese werden über R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR den sonstigen Bezügen wegen eines besonderen Zahlungsmodus zugewiesen, obwohl es sich vom Typ, der Gattung, der Art her um „geborenes“ laufendes Arbeitsentgelt handelt.
Dieser grundlegende Unterschied führt dazu, dass die Änderung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG durch das Elterngeld-Plus-Gesetz bei Nachzahlungen schon von vornherein nicht als vollständige Hinwendung zum Lohnsteuerrecht begriffen werden kann. Denn die lohnsteuerrechtliche Qualifizierung von Nachzahlungen als sonstige Bezüge knüpft an die zeitliche Zuordnung von Einkünften im Einkommensteuerrecht – das In-Prinzip oder strenge Zuflussprinzip – an und setzt diese geradezu voraus. Ohne die spezielle zeitliche Zuordnung des Einkommensteuerrechts erscheint R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR inhaltsleer. Genau diese zeitliche Zuordnung fehlt im Elterngeldrecht; dort ist nach wie vor, wie oben beschrieben, auf der Ebene des formellen Gesetzesrechts das modifizierte Zuflussprinzip angelegt. Solange das modifizierte Zuflussprinzip gilt, vermag § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht, R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR im Elterngeldrecht Wirkung zu verschaffen.
cc) Dass der Beklagte die im Tatbestand wiedergegebene Passage aus dem BSG-Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R, Rn. 37 des juris-Dokuments, als für sich günstig reklamiert, beruht auf einem Missverständnis seinerseits. Das BSG wollte damit keineswegs sagen, jegliche Nachzahlungen und Vorauszahlungen würden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Elterngeldberechtigten verzerren. Vielmehr spricht es nur den Fall an, dass Vorauszahlungen und Nachzahlungen im Bemessungszeitraum zufließen, jedoch für Tätigkeiten, die außerhalb desselben liegen. So hat das BSG hat im Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R unmittelbar vor dieser Passage (Rn. 36 des juris-Dokuments) klargestellt, dass Provisionen dann als Voraus- oder Nachzahlungen nicht zu berücksichtigen sind, wenn der reguläre Fälligkeitszeitpunkt außerhalb des Bemessungszeitraums liegt. Auch der 12. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat im vom Beklagten in Bezug genommen Urteil vom 22.07.2015 – L 12 EG 6/14 aus der Passage Rn. 37 (des juris-Dokuments) des BSG-Urteils vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R fälschlicher Weise gefolgert, die Drei-Wochen-Regelung sei auf jede Vor- oder Nachzahlung anwendbar.
c) Nicht nur die fortbestehende Geltung des modifizierten Zuflussprinzips auf der Ebene des einfachen formellen Rechts gibt der Klägerin Recht. Vielmehr würde die Handhabung des Beklagten im Fall der Klägerin zu einem nicht mehr hinnehmbaren Zufallsergebnis und damit zu einer Verletzung der Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG führen.
aa) Allerdings müssen Zufallsergebnisse in der Leistungsverwaltung nicht generell aus verfassungsrechtlichen Gründen vermieden werden. Auch im Elterngeldrecht spielt ein erhebliches Maß an Zufall – im Sinn von Glück oder Pech – mit, ohne dass dies zu verfassungsrechtlichen Bedenken Anlass gäbe. Jede gesetzliche Typisierung erzeugt „Gewinner“ und „Verlierer“. Vor allem aber treten „Glück und Pech“ bei Leistungsbemessungen nach fest vorgegebenen Bemessungsgrößen und Bemessungszeiträumen auffallend in den Vordergrund. Für den einen, der im Bemessungszeitraum besonders gut verdient hat, wirkt sich dessen feste Installierung günstig aus, für den anderen, der während des Bemessungszeitraums lange erkrankt gewesen und deswegen Entgeltersatzleistungen bezogen haben mag, negativ. Das aber ist, wie die BSG-Rechtsprechung immer wieder bestätigt hat, grundsätzlich hinzunehmen.
Anders kann es dagegen sein, wenn nicht eine quasi schicksalhafte Zufälligkeit ohne Benachteiligungstendenz inmitten steht, sondern sich wie hier ein Ausgeliefertsein an die – möglicherweise komplett falsche – Handhabung einer Privatperson zeigt. Bewirkt der Arbeitgeber eines Leistungsberechtigten durch fehlerhafte Handlungen (fehlerhaft im Sinn von „unter Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis“), dass dem Leistungsberechtigten ein Nachteil bei der Elterngeldbemessung entsteht, muss der Staat eine Korrekturmöglichkeit vorhalten. Der Senat hält es für nicht angängig, wenn der Staat einen Leistungsberechtigten an eventuelle Irrwege des Arbeitgebers bindet und so den Arbeitgeber zur eigentlich determinierenden Instanz erhebt. Das würde zwar auf staatliche (gesetzliche) Anordnung, also keineswegs ohne staatliches Zutun geschehen, trotzdem dürfte hier die Grenze zur unzulässigen Fremdbestimmung überschritten sein. Der Antragsteller würde zum „Spielball“ des Arbeitgebers. Dies erschiene nicht nur im Licht des Gebots demokratischer Legitimation bedenklich, sondern auch im Hinblick auf das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Willkürverbot. Das BSG hat dies mit etwas anderen Worten im Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 14/13 R ebenso beurteilt.
Die Zufallsabhängigkeit, nämlich die Gebundenheit an die individuell vorhandene oder aber fehlende Sorgfalt eines Arbeitgebers, erscheint noch unerträglicher, wenn man sich vor Augen hält, dass die Wertungen und Interessenlagen im Elterngeldrecht einerseits und im Lohnsteuerrecht andererseits nicht harmonieren. Insofern mutet das Ausgeliefertsein an das Gutdünken des Arbeitgebers als noch schwerer zu rechtfertigen an.
Dabei leugnet der Senat nicht, dass die Heranziehung des lohnsteuerrechtlichen Gefüges auch für die elterngeldrechtlich relevanten Verhältnisse (= das Prägen) aussagekräftig und damit grundsätzlich sachgerecht ist; die generelle Geeignetheit und Sachgerechtigkeit der Anknüpfung an das lohnsteuerrechtliche System ist in der Rechtsprechung nie wirklich streitig gewesen. Bedenken weckt aber die vom Beklagten vertretene ausnahmslose Rezeption bis in die letzte Verästelung. Das BSG hat wiederholt und überzeugend dargelegt, dass das Lohnsteuerrecht und das Elterngeldrecht grundlegend unterschiedliche Zwecke verfolgen und heterogene Mechanismen aufweisen. Im Lohnsteuerrecht wirkt sich die Einstufung als sonstiger Bezug günstig für den Bürger aus, weil der anzuwendende Steuersatz niedriger ist als bei einem gleich hohen laufenden Arbeitslohn. Im Elterngeldrecht erweist sich diese Qualifizierung dagegen als denkbar ungünstig; denn der jeweilige Bezug scheidet als Bemessungsgrundlage für die Leistung aus. Die Ergebnisse eines an sich nicht repräsentativen rechtlichen Gefüges – hier des Lohnsteuerrechts – ohne jede Einschränkung zu übernehmen, birgt die hohe Gefahr, dass die elterngeldrechtlichen Resultate nicht sachgerecht und als Zufallsprodukte erscheinen. Indes muss eine elterngeldrechtliche Entscheidung, auch die zur Leistungshöhe, von Verfassungs wegen auf der Basis von Erwägungen getroffen werden, die für das Elterngeldrecht sachgerecht sind. Das ist bei dem Reglement des Lohnsteuerrechts nicht ausnahmslos der Fall, was dazu zwingt, allzu sachferne Elemente des Lohnsteuerrechts mit besonderer Sensibilität zu beurteilen.
Der Senat sieht im hier vorliegenden Fall hierfür geradezu ein Paradebeispiel: Der Dienstherr der Klägerin hat dieser Besoldungsbestandteile, die der Art nach ohne jeden Zweifel zum laufenden Arbeitslohn zählen und unbestritten die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin prägen, – offenbar auch noch ohne triftigen Grund – viel zu spät ausbezahlt. Der Senat ist davon überzeugt, dass, hätte der Dienstherr die Nachzahlungen nicht rechtswidrig und unangemessen verzögert, diese mit dem Septembergehalt 2013 abgerechnet und ausgekehrt worden und damit überhaupt nicht in dem Ausmaß, wie geschehen, entstanden wären. Nur ein nicht zu rechtfertigendes Versäumnis des – grundrechtsgebundenen – Dienstherrn hat dafür gesorgt, dass die Nachzahlungen erst im April erfolgten und damit lohnsteuerrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln waren. Die Rechtsfolge von R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR führt hier die Ratio von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG, die prägenden wirtschaftlichen Verhältnisse möglichst authentisch abzubilden, ad absurdum. R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR weist keinerlei inneren Zusammenhang mit dem hier zu lösenden Problem auf, die Norm wendet ungeeignete und sachfremde Mittel an.
Vollends nicht vermittelbar wirkt das vom Beklagten präferierte Ergebnis dann, wenn man realisiert, dass das den Nachzahlungen zugrundeliegende Entgelt sowohl innerhalb des Bemessungszeitraums erarbeitet als auch ausbezahlt wurde. Bei dieser Konstellation erscheint das starre Festhalten an R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR schlichtweg deplatziert und gekünstelt, die Schlechterbehandlung der Klägerin ohne jede sachliche Rechtfertigung. Denn dass auch die Nachzahlungen die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum geprägt haben, vermag vor dem Hintergrund dieser besonderen Umstände niemand zu leugnen. So verhindert R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR nicht eine Verzerrung der Verhältnisse – nach der bisherigen BSG-Rechtsprechung der entscheidende Aspekt überhaupt -, sondern leistet ihr Vorschub.
bb) Hinzu kommt, dass das Interesse der Verwaltung, welches die beschriebenen rechtlichen Nachteile der Leistungsberechtigten rechtfertigen soll, nicht stichhaltig erscheint. Insoweit ist sich der Senat bewusst, dass er sich zum Teil in Widerspruch zur Gesetzesbegründung zu § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der Fassung des Elterngeld-Plus-Gesetzes setzt. Sinngemäß bringt der Beklagte in diesem Zusammenhang vor, er sei darauf angewiesen, die Angaben aus den Gehaltsbescheinigungen eins zu eins übernehmen zu können, weil alles andere verwaltungstechnisch unzumutbar und nicht zu bewältigen sei. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales, so wird vom Beklagten vorgebracht, sei keine Steuerbehörde.
Der Senat hat Verständnis dafür, dass der Beklagte sich bemüht, eigene Ermittlungen so weit wie möglich einzuschränken und stattdessen Angaben aus Dokumenten zu über-nehmen. Das Elterngeldrecht stellt sich für die vollziehenden Behörden ungleich komplizierter dar als das von ihm abgelöste Erziehungsgeldrecht. Der Senat glaubt dem Beklagten, dass die Bearbeitung der Anträge in Bayern im Durchschnitt nicht so rasch erfolgt, wie sich der Beklagte das wünscht, und dass Rückstände aufgelaufen sind. Allerdings teilt der Senat nicht die Meinung des Beklagten, dass insoweit eine strikte Handhabung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG ohne Ausnahmen und ohne eigene Prüfungen essentiell und alternativlos ist.
Die Bearbeitung der Elterngeldanträge allein überfordert die zuständigen Mitarbeiter des Beklagten sicherlich nicht in dem Ausmaß, wie es der Beklagte darstellt, wobei er eine Substantiierung ohnehin bis heute schuldig geblieben ist. Das gesetzliche Prüfprogramm bei der Leistungsberechnung zeigt sich in einer Weise beschränkt, dass das Elterngeldrecht im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten, in denen es um die Gewährung einkommensabhängiger Leistungen geht, als sehr einfach zu bewältigen bezeichnet werden muss. Die Berechnungen, die zum Beispiel ein Leistungssachbearbeiter bei einem Jobcenter nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durchzuführen hat, aber auch ein BAföG-Sachbearbeiter, bewegen sich vom Schwierigkeitsgrad her in einer komplett anderen Größenordnung. Aber auch die Berechnung von Krankengeld oder Arbeitslosengeld erscheint ungleich schwieriger.
Schon die Feststellung der relevanten Einkommensarten kann man nicht wirklich als kompliziert einstufen. Maßgebend ist lediglich das Erwerbseinkommen, während beispielsweise im SGB II jegliches Einkommen in den Fokus zu nehmen ist und dann komplizierte Ausnahmen von der umfassenden Relevanz des Einkommens beachtet werden müssen (vgl. nur § 11a SGB II, § 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung). Rechtliche Probleme sind im Elterngeldrecht in erster Linie insoweit vorstellbar, als es auf die Frage ankommt, ob das Einkommen im Inland zu versteuern ist. Diesbezüglich müssen die Elterngeldbehörden aber nicht von Grund auf eigene Rechtsfindung betreiben. Der Senat hat bereits im Urteil vom 19.06.2017 – L 9 EG 36/15 unterstrichen, dass es nur vernünftig und ökonomisch ist, wenn sich die Elterngeldbehörden von den Steuerbehörden fachlich unterstützen lassen. Die Amtsermittlungspflicht erlegt ihnen nicht auf, rechtliche Auskünfte der Steuerbehörden stets nachzuprüfen.
Eine höchst wirkungsvolle Vereinfachung hat der Gesetzgeber in Bezug auf die Einkommensbereinigung im Gesetz installiert. Abzüge für Steuern und Sozialabgaben werden nicht individuell, sondern stark pauschaliert vorgenommen, wobei in der Praxis in hohem Ausmaß EDV-Programme die Arbeit übernehmen. Für Jobcenter oder Sozialhilfebehörden verkörpert die Einkommensbereinigung dagegen einen Arbeitsschritt von hoher Komplexität, weil sie individualisiert vorzunehmen ist.
Für die Bemessung des Elterngelds soll nur das Erwerbseinkommen maßgebend sein, das auch eine die Wirtschafts- und Lebensverhältnisse prägende Funktion hat. Der Gesetzgeber hat sich – was, wie oben gesagt, verfassungsrechtlich unbedenklich ist – dafür entschieden, diese Kategorisierung anhand der lohnsteuerrechtlichen Maßstäbe vorzunehmen. Diesbezüglich ist dem Beklagten zu konzedieren, dass die von ihm favorisierte Verwaltungspraxis in der Tat einfach und verwaltungsökonomisch ist: Der Beklagte übernimmt aus den Entgeltbescheinigungen lediglich diejenigen Vergütungsbestandteile, die der Arbeitgeber/Dienstherr mit einem „L“ – im Fall der Klägerin mit „lfd.“ – („laufender Arbeitslohn“) gekennzeichnet hat, die mit einem „S“ – im Fall der Klägerin mit „EZ“ – versehenen („sonstige Bezüge“) blendet er ohne sachliche Prüfung aus. Bereits das geltende Elterngeldrecht zeigt eine Möglichkeit auf, auf mindestens ebenso ökonomischem Weg zu einem Ergebnis zu gelangen, welches zum einen auf die zutreffende lohnsteuerrechtliche Handhabung abstellt und zum anderen Fehler des Arbeitgebers evident sichtbar werden lässt. Die Arbeitgeber haben nach § 9 BEEG die Pflicht, auf einem Formblatt zusammengefasste Entgeltbescheinigungen auszustellen. Hierbei wäre es – eventuell müsste § 9 BEEG noch geringfügig ergänzt werden – praktisch ohne weiteres möglich, sich Funktion und Rechtsgrund einer Zahlung ganz kurz und schlagwortartig darstellen zu lassen. Mit diesen leicht abrufbaren Informationen könnte der Beklagte selbst die lohnsteuerrechtliche Qualifizierung vornehmen. Seinen Mitarbeitern würde lediglich abverlangt, anhand der Angaben der Arbeitgeber die Subsumtion unter die Tatbestände des R 39b2 LStR vorzunehmen und in Bezug auf R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR deren Unanwendbarkeit zu kennen. Der Beklagte wird nicht wirklich behaupten wollen, damit seien seine Mitarbeiter fachlich überfordert; denn diese verfügen bekanntermaßen und unbestritten über eine Qualifikation, welche sie nicht nur zum „Abschreiben“ von Entgeltbescheinigungen befähigen würde. Vom zeitlichen Aufwand her müssten Sachbearbeiter vermutlich sogar weniger investieren. Denn statt sich zwölf Entgeltbescheinigungen anzusehen, die keineswegs einen einheitlichen Standard aufweisen und daher erst einmal verstanden werden müssen, würde die Prüfung einer einseitigen formblattmäßigen Arbeitgebererklärung genügen.
Die unbestritten hohe Belastung der bayerischen Elterngeldbehörden dürfte nach Einschätzung des Senats vielmehr aus deren umfangreichen Beratungsaufgaben resultieren. Die Beratung der Antragsteller über die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, gerade nach Erlass des Elterngeld-Plus-Gesetzes, bindet sicherlich in höchstem Maß personelle Kapazitäten des Beklagten. Beratungsgespräche mit Bürgerinnen und Bürgern dürften nicht nur sehr häufig anfallen, jedes für sich erfordert wohl auch einen hohen Zeitaufwand. Dass diese neue Aufgabe ohne Personalmehrungen nur schwer zu bewältigen ist, leuchtet ein. Diesem drängenden Problem kann aber nicht durch eine strikte Bindung an R 39b2 LStR beigekommen werden. Darin liegt nach Einschätzung des Senats ein weder geeignetes noch erforderliches Mittel, um dem Beklagten eine spürbare Entlastung verschaffen zu können. Vielmehr bedürfte es dazu anderweitiger Maßnahmen, die an der Beratungsaufgabe unmittelbar ansetzen.
cc) Ein undifferenziertes Festhalten an der Anwendbarkeit von R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR kann nicht mit dem Argument gefordert werden, der Wortlaut, der die äußerste Grenze möglicher Gesetzesauslegung bilde, lasse nur die vom Beklagten vertretene Handhabung zu. Schon das modifizierte Zuflussprinzip, das im Gesetz zwar nicht explizit statuiert wird, das aber in seiner Anerkennung durch das BSG sich gleichwohl konkludent aus dem BEEG ergibt, verlangt eine einschränkende Auslegung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG. Sowohl beim modifizierten Zuflussprinzip als auch beim Ausschluss sonstiger Bezüge im Sinn des Lohnsteuerrechts aus der Einkommensberechnung handelt es sich um Institute auf der Ebene des einfachen formellen Gesetzesrechts mit der Folge einer Gesetzeskonkurrenz. Das modifizierte Zuflussprinzip genießt dabei Vorrang, weil es die speziellere Regelung darstellt. Aber auch unabhängig von der normativen Einwirkung des modifizierten Zuflussprinzips lässt sich die einschränkende Auslegung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG durch den Senat mit dessen Wortlaut vereinbaren. Denn jede Fassung von § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG bzw. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG lässt sich ohne Missachtung des Wortlauts als äußerste Grenze dahin reduzierend auslegen, ausgenommen von der Berücksichtigung als relevante Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit seien nur Einnahmen, die wegen ihrer Art im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Zwar wird damit etwas zum „nackten Wortlaut“ hinzuinterpretiert, jedoch im noch zulässigen Bereich. Zu den Einnahmen, die wegen ihrer Art im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden, zählen sämtliche in R 39b2 Abs. 2 Satz 2 LStR aufgeführten Einnahmen mit Ausnahme der Nachzahlungen von laufenden Bezügen.
Überdies spricht für eine solche Auslegung ein weiterer Gesichtspunkt: Auch wenn der so genannte Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung keinesfalls eine Synchronität verlangt, so darf gleichwohl nicht übersehen werden, dass die Definition des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts nach § 23a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch (SGB IV) Nachzahlungen im Sinn von R 39b2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR nicht umfasst, während alle anderen Regelungen von R 39b2 LStR durchaus mit § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV harmonieren. Diese Diskrepanz erscheint insofern von Bedeutung, als § 14 MuSchG – eine Norm mit einer unbestreitbaren Affinität zum Elterngeldrecht – in Bezug auf die Ausgrenzung von nicht prägendem Einkommen just auf die Kriterien des § 23a SGB IV abstellt.
2. Nach Verkündung des Urteils in dem hier vorliegenden Rechtsstreit hat das BSG am 14.12.2017 ein Urteil in der Sache B 10 EG 7/17 R erlassen. Schon wegen der bloßen Chronologie hat der Senat die Erwägungen des BSG selbstredend nicht in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen können. Das hindert aber nicht daran, im Rahmen der schriftlichen Urteilsbegründung auf die zwischenzeitlich ergangene BSG-Rechtsprechung einzugehen.
Der Beklagte will diese neue BSG-Entscheidung als Richtigkeitsnachweis seiner Ansicht verstehen, die Elterngeldbehörden müssten generell lediglich Angaben aus den Entgeltbescheinigungen übernehmen und keinerlei eigene Prüfung durchführen. Wäre dem tatsächlich so, würde sich das auch auf die hier vorliegende Fallkonstellation auswirken. Denn die Entgeltbescheinigung für Februar 2014 wies die Nachzahlung nicht nur partiell als sonstige Bezüge aus, diese Handhabung war auch lohnsteuerrechtlich korrekt.
Allerdings sieht der Senat keine Veranlassung, allein aufgrund des bislang vorliegenden Terminberichts, der zudem nicht wirklich einen stringenten „roten Faden“ der Begründung erkennen lässt, die wenigen bisher bekannten Erwägungen des BSG unbesehen zu verallgemeinern; das würde ins Reich der Spekulation führen. Nach der Überzeugung des Senats kann die vom BSG vollzogene Rechtsprechungsänderung die Abgrenzung der (relevanten) laufenden Bezüge von den (auszuschließenden) sonstigen nicht komplett aus den Angeln heben. Eine „180-Grad-Wende“ würde verkennen, dass die bisherige BSG-Rechtsprechung zu einem beträchtlichen Teil grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Notwendigkeiten geschuldet war. Zudem kann das augenscheinlich dominierende Argument des BSG, die Leistungsberechtigten könnten ja gegen die Lohnsteueranmeldung vorgehen und auf diese Weise eine Korrektur erreichen, nicht generell gutgeheißen werden.
Schon vor dem 14.12.2017 war es notwendig, bei der rechtlichen Beurteilung zu differenzieren. So stellte sich, wie oben erläutert worden ist, die rechtliche Problematik bei Nachzahlungen ganz anders dar als bei der Behandlung von Provisionen; bei Provisionsfällen wirkt sich typischer Weise – außer es geht um die Nachzahlung gerade von Provisionen – das modifizierte Zuflussprinzip nicht aus. Diese Notwendigkeit der exakten Differenzierung gilt nach wie vor. Die Entscheidungen des BSG vom 14.12.2017 sind allesamt zu Provisionen ergangen, also Zahlungen, die der Art nach, anders als Nachzahlungen regulären Gehalts, Sonderzahlungen sind. Sie können nicht unmittelbar einer bestimmten konkretisierbaren Arbeitsentfaltung des Arbeitnehmers zugeordnet werden. Auch bei den vom BSG am 14.12.2017 entschiedenen Fällen scheint das modifizierte Zuflussprinzip offenbar keine Rolle gespielt zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

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