Arbeitsrecht

Honoraranspruch eines betriebsfremden Einigungsstellenbeisitzers

Aktenzeichen  9 BV 157/15

Datum:
27.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 127549
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 76a Abs. 3

 

Leitsatz

§ 76a Abs. 3 BetrVG begründet einen gesetzlichen Anspruch des betriebsfremden Beisitzers einer Einigungsstelle auf Vergütung seiner Tätigkeit. Der Honoraranspruch des von dem Betriebsrat bestellten betriebsfremden Beisitzers ist hierbei dem Grunde nach nur von dessen wirksamer Bestellung für eine im Betrieb des Arbeitgebers gebildete Einigungsstelle und der Annahme dieser Bestellung durch den Beisitzer abhängig. Bei der Auswahl der von ihm zu benennenden Einigungsstellenmitglieder muss der Betriebsrat nicht prüfen, ob die Benennung eines oder mehrerer betriebsfremder Beisitzer erforderlich ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an den Antragsteller einen Betrag in Höhe von 4.483,87 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2015 zu zahlen.
II. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an den Antragsteller Honorardurchsetzungskosten in Höhe von 492,54 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09.09.2015 zu zahlen.
III. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an den Antragsteller weitere Honorardurchsetzungskosten in Höhe von 432,68 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.12.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Zahlung der Kostennote des Antragstellers.
In einem Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (12 BV 155/14) einigten sich die Beteiligte zu 2) sowie deren Betriebsrat auf einen Vergleich, der die Bildung einer Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Herrn … RiArbG a.D. vorsah und die Anzahl von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzern auf drei festlegte.
Der Betriebsrat entsandte mit Beschluss vom 14.01.2015 neben dem Antragsteller auch noch Herrn Rechtsanwalt und Frau von der Gewerkschaft in die Einigungsstelle.
Der Vorsitzende der Einigungsstelle erhielt ein Honorar in Höhe von 6.405,53 € brutto.
Mit Schreiben vom 06.07.2015 wurde der Beteiligten zu 2) die Kostenrechnung des Antragstellers unter Ansetzung von 7/10 der Honorarnote des Vorsitzenden übersandt und um Ausgleich der Rechnungsbeträge gebeten. Nachdem die Beteiligte zu 2) die Zahlung verweigerte, wurde sie nochmals mit Schreiben vom 01.09.2015 aufgefordert, den Betrag in Höhe von 4.483,87 € bis spätestens 11.09.2015 zu zahlen.
Mit Antragsschrift vom 06.10.2015 leitete der Antragsteller das vorliegende Beschlussverfahren ein und macht zudem die Zahlung der Honorardurchsetzungskosten geltend.
Als wirksam bestellter Beisitzer der Einigungsstelle habe der Antragsteller einen gesetzlichen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, hier der Beteiligten zu 2). Eine Einigung zwischen den Beteiligten im Vorfeld mündlich darauf, dass von der Seite der Arbeitnehmervertretung ein Betriebsratsmitglied, ein Vertreter der Gewerkschaft und ein Rechtsanwalt teilnehmen würden, habe es nicht gegeben. In ständiger Rechtsprechung des BAG sei anerkannt, dass der Betriebsrat die Befugnis besitze, mehrere honorarberechtigte Beisitzer zu benennen. Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat folge lediglich, dass die Betriebsparteien keine Personen als Einigungsstellenbeisitzer benennen dürften, die offensichtlich ungeeignet seien, über die der Einigungsstelle obliegenden Materie zu entscheiden.
Die Beteiligte zu 2) habe außerdem dem Antragsteller etwaige Rechtsanwaltskosten für die gerichtliche Durchsetzung seines Vergütungsanspruchs zu ersetzen. Die Honorardurchsetzungskosten seien ein zu ersetzender Verzugsschaden gemäß § 286 Abs. 1 BGB. Nachdem die Beteiligte zu 2) eine weitere Kostentragungspflicht in jeglicher Hinsicht abgelehnt habe, sei die Einleitung des Beschlussverfahrens von Nöten gewesen.
Der Antragsteller beantragt,
1.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an den Antragsteller einen Betrag in Höhe von 4.483,87 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.09.2015 zu zahlen.
2.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an den Antragsteller Honorardurchsetzungskosten in Höhe von 492,54 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09.09.2015 zu zahlen.
3.Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, an den Antragsteller weitere Honorardurchsetzungskosten in Höhe von 456,48 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.12..2015 zu zahlen.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) erwidert, nach ihrem Verständnis hätten sich die Beteiligten im Vorfeld mündlich darauf verständigt, dass von der Seite der Arbeitnehmervertretung ein Betriebsratsmitglied, ein Vertreter der Gewerkschaft und ein Rechtsanwalt teilnehmen würde. Der Betriebsrat habe, indem er zwei Rechtsanwälte als Beisitzer beigezogen habe, gegen den Grundsatz verstoßen, die Kosten für den Arbeitgeber so niedrig wie möglich zu halten. Das Hinzuziehen eines zweiten Anwalts sei völlig unverhältnismäßig gewesen. Daher bestehe keine Kostenübernahmepflicht der Beteiligten zu 2).
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.
II.
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet und das Arbeitsgericht Nürnberg im Beschlussverfahren örtlich zuständig (§§ 2a Abs. 1 Nr.1 ArbGG, 103 BetrVG). Über die Pflicht des Arbeitgebers, Honorare an betriebsfremde Beisitzer einer Einigungsstelle zu zahlen, ist im Beschlussverfahren zu entscheiden (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG). Auch die Vergütung der Beisitzer der Einigungsstelle betrifft deren organschaftliche Stellung in diesem Organ der Betriebsverfassung (vgl. BAG vom 14.12.1988 – 7 ABR 54/87). Über den Anspruch eines unternehmensfremden Einigungsstellenbeisitzers auf Erstattung der Kosten, die bei der gerichtlichen Durchsetzung seines Honoraranspruchs gegenüber dem Arbeitgeber entstanden sind, haben ebenfalls die Gerichte für Arbeitssachen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zu entscheiden (vgl. BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 10/93).
2. Als Anspruchsgrundlage der streitigen Forderung kommt allein § 76a Abs. 3 BetrVG in Betracht kommt. Danach hat ein betriebsfremder Beisitzer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit im Einigungsstellenverfahren, dessen Höhe sich nach den Grundsätzen des § 76a Abs. 4 Satz 3 bis 5 BetrVG richtet. § 76a Abs. 3 BetrVG begründet einen gesetzlichen Anspruch des betriebsfremden Beisitzers auf Vergütung seiner Tätigkeit in der Einigungsstelle. Der Honoraranspruch des von dem Betriebsrat bestellten betriebsfremden Beisitzers ist dem Grunde nach nur von dessen wirksamer Bestellung für eine im Betrieb des Arbeitgebers gebildete Einigungsstelle und der Annahme dieser Bestellung durch den Beisitzer abhängig. Bei der Auswahl der von ihm zu benennenden Einigungsstellenmitglieder muss der Betriebsrat nicht prüfen, ob die Benennung eines oder mehrerer betriebsfremder Beisitzer erforderlich ist. Der Beschluss des Betriebsrats über die Bestellung eines externen Einigungsstellenbeisitzers muss den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen genügen. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung, so entfällt schon deshalb ein Honoraranspruch aus § 76a Abs. 3 BetrVG (BAG vom 10.10.2007 – 7 ABR 51/06, m.w.N.).
Trotz Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 27.10.2016 konnte die Beteiligte zu 2) ihren Vortrag zu einer vorherigen mündlichen Vereinbarung über die Benennung der Einigungsstellenbeisitzer nicht konkretisieren. Der Vortrag war auch weiterhin einer weiteren Aufklärung nicht zugänglich. Es ist daher davon auszugehen, dass keine einvernehmliche Absprache über die Personen der Beisitzer getroffen wurde.
Da auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beschlussfassung des Betriebsrats zur Bestellung der Einigungsstellenbeisitzer erkennbar sind, sind die Voraussetzungen des § 76a Abs. 3 BetrVG erfüllt. Die Frage, ob es erforderlich war, dass in der Einigungsstelle zwei Rechtsanwälte neben einer Gewerkschaftssekretärin als Beisitzer auftreten, drängt sich im vorliegenden Fall zwar auf, ist jedoch nicht entscheidungserheblich.
3. Der Anspruch steht dem Antragsteller auch in der beantragten Höhe zu.
Ein Beisitzerhonorar in Höhe von 7/10 des Honorars des Vorsitzenden steht nicht in Widerspruch zu § 76 a Abs. 4 Sätze 3 bis 5 BetrVG, sofern das dem Vorsitzenden vergütete Honorar seinerseits angemessen ist und den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Diese Voraussetzungen sind hier als erfüllt anzusehen. Durch die Begleichung der Forderung hat die Beteiligte zu 2) selbst zu erkennen gegeben, dass sie den Honoraransatz für angemessen erachte.
4. Auch die Anträge in Ziffern 2 und 3 sind dem Grunde nach begründet. Die Beteiligte zu 2) ist verpflichtet, dem Antragsteller die Anwaltskosten für die gerichtliche Durchsetzung seines Vergütungsanspruchs als Einigungsstellenbeisitzer zu ersetzen. Anspruchsgrundlage ist § 286 Abs. 1 BGB.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 286 Abs. 1 BGB sind erfüllt. Aufgrund des § 76a BetrVG bestand zwischen den Parteien ein gesetzliches Schuldverhältnis. Auf dieses auftragsähnliche Schuldverhältnis ist § 286 Abs. 1 BGB zumindest entsprechend anwendbar. Die Arbeitgeberin war mit der Erfüllung des geschuldeten Honoraranspruchs in Verzug gekommen. Die geltend gemachten Anwaltskosten waren erforderlich. Die Beauftragung anderer Rechtsanwälte oder das Verlangen von Rechtsanwaltsgebühren für die eigene Tätigkeit verstößt auch nicht gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 1 BGB). Ist der Schuldner nicht bereit, die geschuldete Leistung zu erbringen, so kann der Gläubiger mit der Durchsetzung seiner Rechte einen Rechtsanwalt beauftragen. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, den Prozess selbst zu führen. Die Anforderungen an die Erforderlichkeit der Kosten stiegen ebenso wenig wie die Schadensminderungspflichten dadurch, dass der Gläubiger selbst Rechtsanwalt ist. Dem Geschädigten ist es in der Regel nicht zuzumuten, seine besonderen beruflichen Fähigkeiten in den Dienst des Schädigers zu stellen. Gesteigerte Rücksichtspflichten bestehen im vorliegenden Fall nicht. Die Arbeitgeberin hat durch die Verweigerung der geschuldeten Leistung ein gerichtliches Beschlussverfahren ausgelöst. Sie konnte nicht erwarten, dass der Antragsteller unter Inanspruchnahme seines Büros unentgeltliche anwaltliche Tätigkeit in diesem Verfahren verrichtet (BAG vom 27.07.1994 – 7 ABR 10/93, m.w.N.).
Bei einem Streitwert von 4.483,87 € beträgt die 1,3 Verfahrensgebühr 393,90 €. Zuzüglich der Pauschale in Höhe von 20,- € sowie der Umsatzsteuer in Höhe von 19% hierauf ergibt sich ein Betrag in Höhe von 492,54 €. Für die 1,2 Terminsgebühr ergibt sich ein Betrag in Höhe von 363,60 €. Zuzüglich 19% Umsatzsteuer steht dem Antragsteller somit hierfür nur 432,68 € zu. Die Pauschale ist nur einmal in Ansatz zu bringen. Der Antrag war daher teilweise zurückzuweisen.
5. Der Honoraranspruch ist mit 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB jährlich zu verzinsen. Der Anspruch auf die Prozesszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

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