Arbeitsrecht

Honoraranspruch eines Steuerberaters nach Kündigung – Zurückbehaltungsrecht

Aktenzeichen  4 O 9827/16

Datum:
17.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 134941
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StBVV § 4
BGB § 273, § 280 Abs. 1, § 320, § 626, § 627
StBerG § 66 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Steuerberater leisten in der Regel Dienste höherer Art iSv § 627 BGB. Dies gilt auch für nicht dem Steuerberater vorbehaltene Tätitgkeiten, wenn sie Bestandteil eines einheitlichen Dienstvertrages sind, der auch die steuerliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (Anschluss BGH BeckRS 2010, 05359).  (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Gebühr für die Finanzbuchhaltung entsteht, sobald der Steuerberater auf Grund des Auftrags irgendeine Tätigkeit vorgenommen hat (Anschluss OLG Frankfurt BeckRS 9998, 42030). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 66 Abs. 2 S. 1 StBerG besteht nur, als der Steuerberater für die konkrete Angelegenheit, für die er die Unterlagen erhalten hat, noch Vergütung verlangen kann (Anschluss OLG München BeckRS 2012, 11766).  (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts des Steuerberaters an seinen Arbeitsergebnissen kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn seine Gegenforderung unverhältnismäßig gering ist oder wenn die Zurückbehaltung dem Mandanten einen unverhältnismäßig hohen, auch bei Abwägung mit den Interessen nicht zu rechtfertigenden Schaden zufügen würde (Anschluss BGH BeckRS 9998, 98809).  (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.390,14 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.03.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 3.309,75 € nebst Zinsen
– aus 2.975,00 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2016 sowie
– aus 334,75 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites zu 71%, die Beklagte zu 29%.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird für die Zeit bis 18.9.2016 auf 189.408,78 Euro, ab 19.9.2016 auf 159.408,78 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung offenen Honorars aus Steuerberatervertrag hins. der Rechnung in K32 i.H.v. 7.889,94 € nebst Zinsen, im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung des für die Finanzbuchhaltung für Monat April 2015 bezahlten Honorars i.H.v. 2.975,00 € sowie insoweit auch einen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 334,75 € nebst jeweiligen Zinsen. Im Übrigen war die Widerklage wegen berechtigter Ausübung des Zurückbehaltungsrecht durch den Kläger abzuweisen.
A. zur Klage:
1. Der Kläger hat wegen der wirksamen Kündigung vom 17.04.2015 gegen die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Zahlung der Vergütung für die Finanz- und Lohnbuchhaltung ab April 2015 .
a. Mit dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 17.04.2015 (Anlage K3b) wurde der Steuerberatervertrag mit sofortiger Wirkung gemäß § 627 BGB gekündigt.
§ 627 BGB konnte nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen, wie sie hier unstreitig in Anlage K1 vorliegen, abbedungen werden. Die dort enthaltene Laufzeitvereinbarung ist gem. § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam.
Nach § 627 I BGB ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis i.S. des § 622 BGB ist, die Kündigung ohne die besonderen Voraussetzungen des § 626 BGB zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, und nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. Steuerberater leisten in der Regel Dienste höherer Art i.S. des § 627 BGB, weil der Mandant ihnen Einblick in seine Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt. Der ihnen erteilte Auftrag kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung beendet werden (BGH, Urteil vom 11.2.2010 – IX ZR 114/09; NJW 2010, 1520).
Ob es sich um Dienste höherer Art handelt, wenn ausschließlich die Finanz- und Lohnbuchführung zu erbringen ist, kann offenbleiben. Diese Tätigkeit unterfällt gem. § 6 Nr. 4 StBerG – vorbehaltlich des § 33 StBerG – nicht dem Verbot unbefugter Hilfestellung in Steuersachen nach § 5 StBerG. Das ist aber nicht ausschlaggebend. Auch nicht dem Steuerberater (oder Rechtsanwalt) vorbehaltene Tätigkeit sind Dienste höherer Art, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – Bestandteil eines einheitlichen Dienstvertrags sind, der auch die steuerliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Der gesetzgeberische Grund für die gegenüber § 626 BGB erleichterte, jederzeitige Möglichkeit zur Lösung eines Dienstverhältnisses i.S. des § 627 BGB liegt nämlich in dem Vertrauen, von dem derartige Dienstverhältnisse getragen werden. Dieses kann schon durch unwägbare Umstände und rational nicht begründete Empfindungen gestört werden, die objektiv keinen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. Deshalb soll bei derartigen, ganz auf persönliches Vertrauen ausgerichteten Dienstverhältnissen die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewährleistet werden. Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 627 I BGB, nur Personen des eigenen Vertrauens mit der steuerlichen Beratung befassen zu dürfen, würde nicht erreicht, wenn der Auftraggeber gezwungen wäre, den wegen entzogenen Vertrauens wirksam gekündigten Berater bestimmte Teilleistungen weiterhin erbringen zu lassen, zumal wenn er ihm dann – wie hier – weiterhin und erneut Einblicke in vertrauliche Einzelheiten seiner Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewähren müsste. Ein umfassender Vertrag wird jedoch nicht dadurch der Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB entzogen, dass lediglich für einen Teilbereich feste Bezüge bezahlt werden. Es besteht in diesem Fall keine Rechtfertigung dafür, die dargelegten Interessen des Dienstberechtigten insgesamt zurücktreten zu lassen. Die festen Bezüge müssen vielmehr nach einhelliger Auffassung für die gesamte Tätigkeit bezahlt werden und dürfen nicht lediglich einen Teilbereich abdecken (BGH NJW 2010, 1520).
In dem vorgesehenen Leistungsspektrum des Steuerberatervertrags in Anlage K1 waren -weit über die bloße Finanz-und Lohnbuchhaltung hinaus – Tätigkeiten des Klägers wie zum Beispiel die Erstellung von Jahresabschlüssen, Jahressteuererklärungen und Beratung in allen steuerlichen Angelegenheiten einschließlich Rechtsbehelfen vorgesehen. Diese Tätigkeiten sind ohne weiteres Dienste höherer Art.
Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist auch nicht auf den Umstand abzustellen, dass es zur Ausübung dieser Tätigkeiten wegen der Kündigung im April 2015 niemals kam. Maßgeblich ist die tatsächliche Erfüllung des Vertrags, denn sie bestimmt das schutzwürdige Vertrauen auf die Fortsetzung des Vertrags. Abzustellen ist demnach auf die tatsächliche sachliche Beschaffenheit der Dienste, namentlich auf das Maß der notwendigen Vorbildung und auf die besondere Stellung, welche die Dienste verleihen (MüKoBGB/Henssler BGB § 627 Rn. 24). Hier gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien nicht die Vornahme der in Anlage K1 aufgeführten Tätigkeiten beabsichtigt haben. Es wäre eine willkürliche Zufälligkeit, wenn man hier nur auf den Zeitpunkt der vorzeitigen Kündigung abstellen würde. Hätte der Kläger zufällig mit nur einem kleinsten Schritt der Erstellung einer Bilanz, zum Beispiel einer Zwischenbilanz, oder Beantwortung einer sonstigen steuerlichen Frage angefangen, würde dann konsequenterweise eine Kündigung nach § 627 BGB möglich sein.
Im Übrigen wurden hier auch Dienste höherer Art tatsächlich erbracht. Unstreitig hat der Kläger den Beklagten bei der Umsatzsteuersonderprüfung 2007 und bei der Betriebsprüfung 2009-2011 steuerlich betreut.
Die Betreuung der Umsatzsteuersonderprüfung, zuletzt die Vertretung im Rechtsbehelfsverfahren, war ausweislich des Schreibens der Finanzverwaltung vom 04.08.2016 noch im Jahr 2016 nicht abgeschlossen.
Die Betreuung der Betriebsprüfung fand auch noch nach Abschluss des Steuerberatervertrags in Anlage K1 statt, in der Anlage K 22 ist der letzte eingetragene Zeitposten am 10.03.2015. Die Auffassung des Klägervertreters, dass es sich hierbei bloß wegen der behaupteten, tatsächlichen Umstände (keine fachliche Tätigkeit, so im Schriftsatz vom 03.10.2016 (Bl.94)) nicht um Dienste höherer Art handeln soll, ist nicht nachvollziehbar, rechnet der Kläger doch eine Tätigkeit nach § 29 Nr.1 StBVV in K22 ab, welche dem Verbot unbefugter Hilfestellung in Steuersachen nach § 5 StBerG unterfällt.
Eine Aufteilung dieser Angelegenheiten in separate Steuerberaterverträge ist künstlich und willkürlich, es ist immerhin die gleiche juristische Person Mandantin und es geht um denselben Geschäftsbereich der Beklagten.
b. Der Honoraranspruch ist für noch für die Finanzbuchhaltung März 2015 entstanden. Nach der Begründung zur StBGebV ist eine Gebühr entstanden, „sobald der Steuerberater auf Grund des Auftrags irgendeine Tätigkeit vorgenommen hat“ (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 7. 11. 2001 – 23 U 184/00, DStRE 2002, 1287).
Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger mit der Buchhaltungstätigkeit März 2015 begonnen hatte. Der Kläger gab in der informatorischen Anhörung vom 14.10.2016 (Bl. 113, Seite 4 des Protokolls) an, dass es Zeitaufzeichnungen seiner Mitarbeiter für die Buchhaltung im März 2015 gäbe. Ein Journalausdruck mit 752 Buchungszeilen wurde als Anlage K57 zur Akte gegeben und bestätigt dies.
Zum April 2015 gäbe es keine Buchungssätze, es könne aber sein, dass Buchungsunterlagen bereits beim Kläger vorgelegen haben. Dies konnte der Kläger aber nicht mehr konkretisieren. Der Beginn der Tätigkeit für April 2015 wurde damit nicht nachgewiesen.
2. Der Kläger hat dann gegen die Beklagte nur teilweise Anspruch auf Zahlung der fehlenden Differenz zwischen bezahltem Vorschuss und der Endabrechnung 2015 (Anlage K 32) hinsichtlich der Monate Januar bis März 2015.
Soweit der Kläger als Monatsgebühr für die Buchführung ab Januar 2015 jeweils eine 9,5/10-Gebühr nach Anhang 1, Tabelle C zur StBVV (6.793,45 € netto) in Ansatz gebracht und als Vergütung berechnet hat, ist dies mit § 11 StBGebV nicht vereinbar und erscheint unbillig. Das Gericht ersetzt die aus diesem Grunde nicht verbindliche Bestimmung der Rahmengebühr durch den Kläger durch einen angemessenen Gebührenansatz.
Für die Buchführung oder das Führen steuerlicher Aufzeichnungen einschließlich des Kontierens der Belege beträgt die Monatsgebühr gem. § 33 I StBVV 2/10 bis 12/10 einer vollen Gebühr (hier 7.151 € bei einem Gegenstandswert von 11.670.546,54 €) nach Tabelle C (Anlage 3), die Mittelgebühr liegt bei 7/10.
Für die abgeschlossenen Monate Januar bis Februar 2015 wird die Mittelgebühr (5.005,70 € netto), für März 2015 wird eine 4/10-Gebühr (2.860,40 € netto) in Ansatz gebracht.
a. Das Gericht ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Parteien eine Pauschale in Höhe von 2.500,00 € netto für die Buchführung, 120,00 € für die Lohnbuchführung sowie 20,00 € Auslagenersatz, mithin 2640 € netto, brutto 3141,60 € vereinbart haben. Zwar hat der Kläger nach der Besprechung im März 2013 seine Rechnungen auf diesen Betrag umgestellt. Jedoch heißt es in den Rechnungen jeweils lediglich „Vorschuss für die Buchführung gemäß Vereinbarung am 2.3.2015“, wenn auch als Überschrift „Honorarabrechnung“ gewählt wurde. Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der informatorischen Anhörung vom 14. Oktober 2016 hierzu angegeben, dass es Anfang 2015 ein Gespräch mit dem Kläger gegeben habe, nachdem man die Rechnung vom 11. Februar 2015 (Anlage B6) erhalten hatte und das 6-fach so viel war, wie er vorher bezahlt hatte. Man habe dann 2500 € pauschal vereinbart. Der Geschäftsführer sagte aber auch, dass die Parteien über eine Abrechnung am Jahresende gesprochen hatten, was er auf Nachfrage des Gerichts nicht näher erklären konnte als so, dass ja noch eine Gutschrift erfolgen müsste, da die Beklagte ja zunächst zu viel gezahlt hatte. Die Abrechnung am Jahresende deutet aber eher darauf hin, dass man erst zum Schluss der Tätigkeit die konkrete Ausübung des Rahmenermessens vornehmen kann. Die glaubwürdige Zeugin A gab in ihrer Vernehmung vom 25. November 2016 an, dass man eine Pauschale in Höhe von 2500 € so lange vereinbart hatte, bis der Kläger einen „richtigen guten Überblick“ hätte. Dann sollte am Ende des Jahres eine Abrechnung erfolgen und eine Gutschrift dabei herauskommen. Der Kläger habe gesagt, dass es günstiger werden müsste in der Endabrechnung.
Die Zeugin M war bei dem Gespräch hinsichtlich der 2500 € selbst nicht dabei.
Der Kläger gab dagegen in seiner informatorischen Anhörung an, dass er das Mandat nicht verlieren wollte und man sich daher nur darauf geeinigt habe, den Vorschuss auf pauschal 2500 € zu reduzieren.
Schriftliches zu der Abrede existiert nicht. Die Aussagen des Geschäftsführers der Beklagten sowie der Zeugin A bleiben letztlich zu undeutlich: sogar in deren Aussagen kann man hinein lesen, dass man lediglich über die Reduzierung eines Vorschusses gesprochen hatte, da es bei einer Vereinbarung einer festen Pauschale keine Abweichung mehr in einer Jahresendabrechnung gegeben hätte.
b. Im Hinblick auf die Bestimmung der Rahmengebühr war für die Monate Januar bis Februar 2015 der Umstand maßgeblich, dass der Kläger für seine ersten Buchungstätigkeiten in der Rechnung vom 11. Februar 2015 (Anlage B6) zunächst einen Satz von 6,05/10 abgerechnet hat. Diesen hatte er dann im Rahmen der Besprechung im März 2015 sogar noch auf 4,24/10 heruntergesetzt. Der Kläger konnte keine einleuchtenden Gründe vortragen, warum er dann in der Endabrechnung K32 hoch auf 9,5/10 ging. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Steuerberater nicht an frühere Rahmenbestimmungen gebunden ist.
Erfahrungsgemäß ist die erste Buchungstätigkeit bei einem neuen Mandanten im Vergleich zu späteren Buchungstätigkeiten aufwendiger, da sich zunächst in die besonderen Verhältnisse und Vorgänge der Mandantschaft eingearbeitet werden muss. Der Kläger selbst gibt in der Klageschrift auf Seite 4 an, dass bis zur Erstellung der ersten Honorarrechnungen ab 30. Januar 2015 große Teile der Finanzbuchhaltung 2014 unter hohem Zeitaufwand zu erfassen und zu berichtigen waren. Nach dieser zeitaufwändigen Bereinigung (wegen fehlender Daten, fehlendem Anlagevermögen über Jahre, gelöschten Kontenbeschriftungen usw.) habe der Kläger begonnen erstmals am 23. Februar 2015 Vorschussrechnungen für die Monate Januar bis März 2015 zu stellen.
In seiner informatorischen Anhörung vom 14. Oktober 2016 (Seite 5 des Protokolls) hat der Kläger hierzu lediglich pauschale Argumente vorgetragen, die den Unterschied von 6,05/10 auf 9,5/10 jedenfalls nicht rechtfertigen. Der Kläger sagte lediglich, dass er an den Satz nicht gebunden sei und er jedenfalls die Kriterien der Ermessensausübung im Rahmen des § 11 StBVV beachtet habe. Auch in der informatorischen Anhörung vom 25. November 2016 (Seite 7 des Protokolls) konnte der Kläger lediglich auf den Vortrag in Schriftsätzen des Klägervertreters verweisen, es habe nämlich Offene-Posten-Listen gegeben und die Anzahl der Konten wäre übermäßig hoch gewesen.
Auch der Schriftsatz des Klägervertreters vom 7. November 2016 gibt für die Erhöhung nichts Konkretes her. Nach bloß grundsätzlichen Ausführungen bleibt unklar, inwiefern sich die Offene-Posten-Listen verändert haben sollen. Auch das besondere Haftungsrisiko wegen des Kfz-Handel mit umsatzsteuerfreier EU-Ausfuhrlieferung war dem Kläger von Anfang an bekannt.
Der Kläger hat in der Verhandlung insgesamt den Eindruck vermittelt, dass er sehr präzise und sorgfältig vorgeht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass er zunächst nur völlig grob die Ausübung seines Ermessens vornahm und sie dann wegen wesentlicher Veränderungen nachbessern musste. Angemessen ist daher der ursprüngliche Ansatz in der Rechnung vom 11. Februar 2015 mit 6,05/10, maßvoll erhöht auf die Mittelgebühr in Höhe von 7/10. Eines Sachverständigengutachtens bedurfte es im Gegensatz zu § 14 II RVG nicht zwingend, eigene Sachkunde liegt in der Kammer für Steuerberatersachen vor. Besondere Abweichungen zum sonstigen Durchschnitt der Steuerberaterhonorarsachen ist nicht erkennbar.
c. Für die Buchungstätigkeiten März 2015 war bei dem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Buchungstätigkeiten nur begonnen wurde. Angemessen ist eine 4/10-Gebühr (2.860,40 € netto). Das Auftragsbestätigungsschreiben vom 11.02.2015 (Anlage K3a), das mindestens den hälftigen Ansatz einer Gebühr vorsieht, hat den Vertragsinhalt nicht mehr verändert, so selbst die Klageseite im Schriftsatz vom 12.01.2017 auf Seite 19 (Bl.188).
d. Für die Rechnung K32 ergibt sich somit die Vergütung folgender Positionen: für die Finanzbuchhaltung Januar bis Februar 2015 jeweils 5.005,70 € netto, für März 2015 2.860,40 € netto. In der Rechnung K32 waren weitere Positionen enthalten:
Die monatliche Erstellung von betriebswirtschaftlichen Auswertungen wurde rechtlich nicht angegriffen, mangels Buchungen konnte sie aber ab April 2015 nicht mehr erstellt werden, sodass lediglich 3 Monate in Ansatz zu bringen sind, mithin insgesamt 1,5 Stunden a 100 €, somit 150 € netto.
Die Position „Hilfeleistung bei sonstigen Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Buchführung: Jahresübernahme“ i. H. v. 150 € netto wurde nicht angegriffen, ebenso nicht die Position „erstmalige Einrichtung von Lohnkonten“ i. H. v. 32 €.
Die Führung von Lohnkonten wurde für das gesamte Jahr abgerechnet, jedoch zum letzten Mal im April 2015 erstellt. Anzusetzen für Januar bis März 2015 sind daher je 6 Mitarbeiter und für April 2015 7 Mitarbeiter, mithin 25 Mitarbeiter a je 20 €, zusammen 500 € netto.
Die weitere Position in Höhe von 100 € im Zusammenhang mit der Lohnbuchführung wurde nicht angegriffen.
Auslagen wurden i. H. v. 326,40 € in Ansatz gebracht.
Dies ergibt insgesamt einen Nettobetrag von 14.130,20 €, anzurechnen waren die geleisteten Vorschüsse für die Monate Januar bis März 2015 i. H. v. jeweils 2.640 € (netto) (Gesamt: 7.920,00 €), sodass ein Gesamtbetrag i. H. v. 6.210,20 € übrig bleibt. Brutto ergibt dies 7.390,14 €:
Abgerechnet in K32
Tatsächlicher Anspruch
81.521,40
Januar 2015 5.005,70
Februar 2015 5.005,70
März 2015 2.860,40
600,00
150,00
150,00
150,00
32,00
32,00
1.620,00
500,00
100,00
100,00
326,40
326,40
Vorschuss -7.920,00
Netto 6.210,20
Brutto 7.390,14
Der Verzug ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 187 Abs. 1 BGB, hinsichtlich der Höhe aus § 288 Abs. 2 BGB.
e. Die Bankrücklastkosten in Höhe von 13,41 € sind nach Seite 8 der Klageschrift durch Rückbelastung nach Einzug der Honorarrechnung Nummer 205 (Anlage K6) für die Buchhaltung ab Mai 2015 entstanden. Die Kläger hatte aber – wie gezeigt – für Mai 2015 keinen Anspruch mehr, insofern hat die Beklagte die Kosten nicht zu verantworten.
f. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 10. November 2016 angegriffene Rahmenausübung hinsichtlich der Lohnbuchführung für März und April 2015 (15 € statt 20 €, Seite 4 des Schriftsatzes unten, Blatt 144) ist angemessen.
B. Zur Widerklage:
Die Beklagte hat keinen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz, insoweit war auch der Feststellungsantrag abzuweisen. Wegen Überzahlung hat sie einen Anspruch auf Zahlung von 2.975 € für die Buchhaltung im Monat April 2015.
1. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der für die Buchhaltung des Monats April 2015 bezahlten Vergütung i. H. v. 2975 €. Wie unter A. dargestellt hat der Kläger nicht mit der Tätigkeit April 2015 bis zum Eingang der Kündigung vom 17.04.2015 begonnen, ein Honorar ist daher nicht entstanden. Die Vergütung für März 2015 kann dagegen wie oben ausgeführt nicht zurückverlangt werden.
Der Kläger war auch in Verzug gesetzt gemäß § 286 Abs. 1 BGB durch Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2015 (Anlage K 10), in dem eine Frist für die Rückerstattung der vereinnahmten Vorschüsse für den Monat März und April 2015 bis spätestens 15. Mai 2015 gesetzt wurde. Beantragt wurden Zinsen ab Klageerhebung. Rechtshängig wurde die Widerklage insoweit durch Schriftsatz vom 26. Juli 2016 (Seite 13), zugestellt am 8. August 2016 (Blatt 39). Die Höhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB, die Rückforderung ist keine Entgeltforderung.
2. Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Zurückbehaltung der Arbeitsergebnisse bzw. der Unterlagen der Beklagten kann die Beklagte nur dann verlangen, wenn die Zurückbehaltung unberechtigt war.
Ein Zurückbehaltungsrecht an den als Handaktenbestandteile anzusehenden Unterlagen (Kontoauszügen, Buchungsbelegen, Rechnungen etc.) ergibt sich aus § 66 Abs. 2 Satz 1 StBerG. Danach kann der Steuerberater die Herausgabe von Handakten an den Auftraggeber verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Soweit die Buchungsordner keine Handaktenbestandteile, sondern Arbeitsergebnisse enthalten sollten, würde sich ein Zurückbehaltungsrecht aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 273, 320 BGB ergeben.
Allerdings ist im Rahmen des § 66 Abs. 2 Satz 1 StBerG ein engerer Konnexitätsbegriff zugrunde zu legen als bei § 273 BGB. Ein Zurückbehaltungsrecht nach dieser Vorschrift besteht nur insoweit, als der Steuerberater für die konkrete Angelegenheit, für die er die Unterlagen erhalten hat, noch Vergütung verlangen kann (OLG München, Beschluss vom 14. 5. 2012 – 15 W 813/12, DStRE 2012, 1486).
Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts des Steuerberaters an seinen Arbeitsergebnissen kann insbesondere dann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn seine Gegenforderung unverhältnismäßig gering ist oder wenn die Zurückbehaltung dem Mandanten einen unverhältnismäßig hohen, auch bei Abwägung mit den Interessen des Steuerberaters nicht zu rechtfertigenden Schaden zufügen würde (BGH NJW 1988, 2607).
Wie oben jedoch ausgeführt stand der Klägerin zwar nicht das hohe geltend gemachte Honorar, jedenfalls aber hinsichtlich der Buchhaltungstätigkeiten ein Anspruch in Höhe von 7889,94 € zu. Der Beklagten wäre es zumindest möglich gewesen, die Mittelgebühr und die sonstigen, nicht angegriffenen Rechnungspositionen in K32 zu zahlen. Hierbei handelte es sich auch um zu den Unterlagen konnexe Forderungen.
3. Hinsichtlich der außergerichtlichen Tätigkeit durch Rechtsanwalt Q hat die Beklagte einen Schaden in Höhe von 1.954,46 € hinsichtlich der Rechnung vom 6. Mai 2016 (Anlage B62) geltend gemacht, wobei eine 1,3 Geschäftsgebühr für ein Gegenstandswert von 55.000 € in Ansatz gebracht wurde. Berechtigterweise konnte die Beklagte jedoch lediglich die Bezahlung für März 2015 in Höhe von 2.975 € zurückfordern, eine 1,3 Geschäftsgebühr für diesen Gegenstandswert ergibt brutto 334,75 Euro.
Verzug lag wie oben unter 1. ausgeführt vor. Mit Schriftsatz vom 12. April 2016 (Anlage B 31) ist Rechtsanwalt Q auch gegenüber dem Kläger tätig geworden. Verzinsung war ab Rechtshängigkeit beantragt. Rechtshängig wurde die Widerklage auch insoweit durch Schriftsatz vom 26. Juli 2016 (Seite 13), zugestellt am 8. August 2016 (Blatt 39). Die Höhe ergibt sich mangels Entgeltforderung aus § 288 Abs. 1 BGB.
C. Die Kosten ergeben sich aus §§ 91a, 92, 269 ZPO.
Hierbei war auch zulasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Rechnung in Anlage K 22 in Höhe von 1035,60 € brutto erst im Prozess beanstandungsfrei bezahlt wurde, insofern wurde übereinstimmend für erledigt erklärt.
Weiter war zulasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Widerklage in Höhe von 30.000 € (Schriftsatz vom 26. Juli 2016 Antrag Ziffer 4) zurückgenommen wurde.
Schließlich war hinsichtlich der Herausgabe von Unterlagen zu berücksichtigen, dass die Widerklage insoweit nicht vor Erledigung begründet gewesen war, da der Kläger berechtigterweise sein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt hatte.
Der Streitwert für die Herausgabe der Unterlagen wurde hierbei geschätzt auf einen Betrag von 2.000,00 €, der Streitwert für den Feststellungsantrag wegen Schadensersatz auf einen Betrag von 3.000,00 €.
Die Quote setzt sich dann zusammen wie folgt
Klage
Antrag
Erfolg
Widerklage
Antrag
Erfolg
Rückzahlung März 2015
2.975,00
0,00
K6
Mai 2015
3.141,60
0,00
Rückzahlung April 2015
2.975,00
2.975,00
Bankrücklastkosten
13,41
0,00
Ordnungsgeld 2014 B35
103,50
0,00
K13
Vorschuss Juni
3.141,60
0,00
Anwaltskosten B37
280,00
0,00
K16
Vorschuss Juli
3.141,60
0,00
Schadensersatz wegen
„ doppelten Verfahrens
2.305,40
0,00
K17
Vorschuss
3.141,60
0,00
s.o., GK
1.386,00
0,00
K19
Vorschuss
3.141,60
0,00
K20
Vorschuss
3.141,60
0,00
K22
BP
1.035,60
1.035,60
Kosten RA Quiroga B62
1.954,46
334,75
K24
Vorschuss
3.141,60
0,00
Kosten RA Quiroga wg. Ordnungsgeld B35, B63
321,50
0,00
K25
Vorschuss
3.141,60
0,00
Kosten RA BV wg. Ordnungsgeld B64
292,00
0,00
K26
Vorschuss
3.141,60
0,00
K29
Vorschuss
3.141,60
0,00
EDV-Kosten StB Landmesser B50
3.000,00
0,00
K31
Vorschuss
3 141 60
0,00
Obige Positionen ergeben:
15.592,86 €
K32
Endabrechnung
2015
62.962,66
7.889,94
K33
Jan-März 2016
15 422 82
0,00
K35
April 2016
8.2/4,61
0,00
Feststellungsantrag
3.000,00
0,00
K38
Mai 2016
8 274 61
0,00
pauschaler Schadenersatz
„ Ziffer 4, zurückgenommen
30.000,00
0,00
K39
Juni 2016
8.274,61
0,00
Erledigte Herausgabe
2.000,00
0,00
138.815,92
8.925,54
50.592,86
3.309,75
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
D.
Der Streitwert des Verfahrens wird festgesetzt für die Zeit bis 18.9.2016 auf 189.408,78 Euro, infolge der Rücknahme der Widerklage in Höhe von 30.000 € (pauschalierter Schadensersatz, Bl.25) dann ab 19.9.2016 auf 159.408,78 Euro.
E. Der nachgelassene Schriftsatz der Klageseite vom 12.01.2017 hat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung gegeben.

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Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
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