Arbeitsrecht

Honorarkürzung bei Verletzung der Fortbildungspflicht eines Zahnarztes

Aktenzeichen  S 38 KA 5127/17

Datum:
12.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28973
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 95d
KSchG § 1
BGB § 611
GG Art. 3, Art. 12

 

Leitsatz

1. Nachweispflichtig für die Erfüllung der Fortbildungspflicht ist gemäß § 95d Abs. 5 S. 2 SGB V nicht der angestellte Zahnarzt, sondern das MVZ. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an. Das MVZ kann sich deshalb nicht darauf berufen, es habe seinerseits alles getan, um seinen bei ihm angestellten Zahnarzt zur Fortbildung anzuhalten. (Rn. 13 – 14)
2. Zu beachtende gesetzliche Vorschriften bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§§ 611 ff. BGB, §§ 1 ff. KSchG) führen nicht zur Unwirksamkeit der Vorschriften über die Honorarkürzung bei Fehlen des Fortbildungsnachweises für einen angestellten Arzt/Zahnarzt (§ 95d Abs. 5 S. 2 SGB V). Nachdem es sich außerdem um einen überschaubaren Zeitraum handelt und der angestellte Zahnarzt in der Zeit bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Leistungen zu Gunsten seines Arbeitgebers erbringen kann, sind Honorarkürzungen hinzunehmen. Ein Verstoß gegen Art. 3, 12 Grundgesetz ist nicht ersichtlich. (Rn. 17)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind als rechtmäßig anzusehen.
Grundlage für die Honorarkürzung wegen fehlender Fortbildungsnachweise, was unstrittig ist, ist § 95d Abs. 3 S. 4 SGBV. Danach ist die Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Vereinigung verpflichtet, in diesem Fall zunächst das Honorar um 10%, später um 25% zu kürzen. Wird der Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums erbracht, soll die Kassenärztliche Vereinigung/Kassenzahnärztliche Vereinigung einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen. Die Fortbildungspflicht gilt nach § 95d Abs. 5 S. 1 SGB V i.V.m. § 95d Abs. 1 und 2 SGB V auch für angestellte Ärzte eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Das MVZ, bei dem der angestellte Zahnarzt beschäftigt ist, führt den Fortbildungsnachweis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung/Kassenzahnärztlichen Vereinigung.
Nachdem die Beklagte am 16.02.2017 einen Grundlagenbescheid erlassen hat, der bestandskräftig wurde, da der Kläger ihn nicht angefochten hatte, bedarf es keiner Auseinandersetzung des Gerichts mit der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Kürzung des Honorars wegen fehlendem Fortbildungsnachweis vorliegen. Offen ist lediglich die Höhe der Kürzung, die mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzt wurde. Die Beklagte hat hier keinen Ermessensspielraum in dem Sinne, die Kürzungshöhe zu reduzieren oder sogar ganz von einer Kürzung abzusehen. Denn der Gesetzgeber hat in § 95d Abs. 3 S. 3 SGB V ausdrücklich die jeweiligen Kürzungshöhen bestimmt. So beträgt die Kürzungshöhe in den ersten vier Quartalen, die auf den Fünfjahreszeitraums folgen, 10%.
Selbst wenn kein bestandskräftiger Grundlagenbescheid vorliegen würde, wäre die Kürzung wegen fehlendem Fortbildungsnachweis rechtens. Denn die Voraussetzungen nach § 95d SGB V sind erfüllt. Unstrittig wurde der Nachweis nicht geführt. Nachweispflichtig für die Erfüllung der Fortbildungspflicht ist gemäß § 95d Abs. 5 S. 2 SGB V nicht der angestellte Zahnarzt, sondern das MVZ. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an.
Der Kläger kann sich deshalb nicht darauf berufen, er habe seinerseits alles getan, um seinen bei ihm angestellten Zahnarzt zur Fortbildung anzuhalten. Abgesehen davon wird aus der Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach Herr H.F. gegenüber dem MVZ keine einzige Fortbildung nachgewiesen habe und nicht bekannt gewesen sei, welche Anzahl an Fortbildungspunkten Ende 2016 noch offen war, deutlich, dass das MVZ der Fortbildungspflicht seines angestellten Zahnarztes nicht die notwendige Bedeutung beigemessen hatte. Ansonsten hätte auf den angestellten Arzt mittels der zulässigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen eingewirkt werden und damit eine rechtzeitige Erbringung der Fortbildungspunkte sichergestellt werden können. Derartiges wurde auch nicht konret vorgetragen.
Hinzu kommt, dass der Kläger wiederholt durch die Beklagte auf die Nachweispflicht hingewiesen wurde; so mit Schreiben vom 19.8.2016 und in einem Rundschreiben vom 21.12.2016 (Nr. 10/2016). Außerdem wurde auf Antrag des Klägers die Frist zum Einreichen der Fortbildungspunkte bis zum 31.12.2016 verlängert, ohne dass hierzu eine rechtliche Verpflichtung bestand. Die Sanktionierung bei Fehlen der Fortbildungspunkte ist für den Kläger also nicht überraschend.
Unbeachtlich ist schließlich der Hinweis des Klägers, „das zu Grunde gelegte Gesetz“ sei nicht ohne Verletzung höherer Gesetze durchführbar und anwendbar. Denn zwischen den Vorschriften des SGB V, hier § 95d SGB V und den arbeitsrechtlichen Vorschriften (§§ 611 ff. BGB, §§ 1 ff. KSchG) bestehen keine formellen Unterschiede. Beide sind Bundesgesetze, so dass ein Vorrang der Vorschriften des Arbeitsrechts bzw. der Kündigungsschutzvorschriften nicht besteht. Ein Verstoß gegen den „Vorrang des Gesetzes“, der aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz herzuleiten ist, ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon haben die genannten Vorschriften unterschiedliche Zielrichtungen. Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes dienen dem Schutz des Arbeitnehmers, während das SGB V auf den Schutz der Patienten und die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Versorgung abzielt.
Einzuräumen ist, dass eventuell aufgrund der Kündigungsschutzvorschriften eine umgehende Beendigung des Kürzungszeitraums nicht möglich ist, da in § 95d Abs. 5 S. 5 SGB V ein Zusammenhang zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einerseits und dem Ende der Kürzung andererseits hergestellt wird. Zu beachtende gesetzliche Vorschriften bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§§ 611 ff. BGB, §§ 1 ff. KSchG) führen nicht zur Unwirksamkeit der Vorschriften über die Honorarkürzung bei Fehlen des Fortbildungsnachweises für einen angestellten Arzt/Zahnarzt (§ 95d Abs. 5 S. 2 SGB V). Nachdem es sich außerdem um einen überschaubaren Zeitraum handelt und der angestellte Zahnarzt in der Zeit bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Leistungen zu Gunsten seines Arbeitgebers erbringen kann, sind Honorarkürzungen hinzunehmen. Ein Verstoß gegen Art. 3, 12 Grundgesetz ist nicht ersichtlich.
Inwieweit der Kläger den durch die Kürzung entstandenen Schaden anderweitig geltend machen kann, vor allem gegenüber dem angestellten Zahnarzt gem. § 280 BGB – was eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag voraussetzen würde – muss offen bleiben und ist nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Verfahrens.
Aus den genannten Gründen ist zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

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