Arbeitsrecht

Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen

Aktenzeichen  6 AZR 170/08

Datum:
22.7.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
KDAVO HE
§ 305c Abs 1 BGB
§ 307 BGB
§ 308 Nr 3 BGB
§ 310 Abs 3 Nr 1 BGB
§ 310 Abs 4 S 2 BGB
§ 317 BGB
§ 319 BGB
Art 9 Abs 3 GG
§ 45 ArbGG
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Frankfurt, 18. Dezember 2006, Az: 15/22 Ca 4729/06, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 19. Oktober 2007, Az: 3 Sa 912/07, Urteil

Tenor

I. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Oktober 2007 – 3 Sa 912/07 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als es die Klageabweisung in Höhe von 1.014,39 Euro (Reduzierung des Monatslohns für Oktober 2005 bis Juni 2006) nebst Zinsen bestätigt hat.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2006 – 15/22 Ca 4729/06 – teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.586,40 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 558,64 Euro seit dem 1. Februar 2006, 1. März 2006, 1. April 2006, 1. Mai 2006, 1. Juni 2006, 1. Juli 2006, 1. August 2006, 1. September 2006, 1. Oktober 2006 und 1. November 2006 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 1.014,39 Euro brutto (Reduzierung des Monatslohns) zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 112,71 Euro brutto seit dem 1. November 2005, 1. Dezember 2005, 1. Januar 2006, 1. Februar 2006, 1. März 2006, 1. April 2006, 1. Mai 2006, 1. Juni 2006 und 1. Juli 2006 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
IV. Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 55 %, die Beklagte trägt sie zu 45 %. Von den Kosten der zweiten Instanz haben die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen. Der Klägerin werden die Kosten der Revision zu 73 % auferlegt, der Beklagten zu 27 %.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten noch darüber, ob aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf ihr Arbeitsverhältnis Änderungen der für das Diakonische Werk in Hessen und Nassau(DWHN) geltenden Arbeitsvertragsregelungen, die die Arbeitsrechtliche Kommission der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (Arbeitsrechtliche Kommission) im Jahr 2005 beschlossen hat, Anwendung finden. In diesem Zusammenhang begehrt die Klägerin konkret die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes und einer höheren Sonderzuwendung für 2005. Ferner wendet sie sich gegen die Entgeltreduzierung durch die Überleitung in ein neues Vergütungssystem.
2
Die 1945 geborene Klägerin war seit 1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Am 5. August 1992 vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 24. Mai 1991. In § 2 dieses Ergänzungsvertrags heißt es:
        
„(1)
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den jeweiligen, für Angestellte geltenden Bestimmungen des Dienstvertragsrechts des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (DVR/DWHN). Hierbei handelt es sich insbesondere um den Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und diesen ändernde, ergänzende oder ersetzende Tarifverträge in der Fassung der Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (BAT/DW). …
        
…“
        
3
Art. 71 der Kirchenordnung der zuständigen evangelischen Kirche für Hessen und Nassau (EKHN) regelt:
        
„(1) Die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau können im Rahmen des kirchlichen Auftrages unter partnerschaftlicher paritätischer Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst verbindlich für alle Anstellungsträger geregelt werden.
        
(2) Das nähere bestimmt ein Kirchengesetz, dem mehr als die Hälfte der gewählten und berufenen Mitglieder der Kirchensynode zustimmen muss.“
4
Auf dieser Grundlage beschloss die EKHN am 29. November 1979 das Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts-Regelungsgesetz – ARRG). § 4 ARRG lautet:
        
„(1) Die durch die Arbeitsrechtliche Kommission oder den Schlichtungsausschuß nach Maßgabe dieses Kirchengesetzes beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen sind für alle Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich dieses Kirchengesetzes verbindlich.
        
(2) Es dürfen nur Arbeitsverträge geschlossen werden, die den in Absatz 1 genannten Regelungen entsprechen.“
5
§ 1 Abs. 1 der von der Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau vom 25. September 1980(Ang-AVO/DWHN 1980) regelte, dass auf die Arbeitsverhältnisse der im kirchlich-diakonischen Dienst des DWHN als Angestellte beschäftigten Mitarbeiter der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 sowie die für BAT-Angestellte zusätzlich abgeschlossenen oder noch abzuschließenden Tarifverträge in der für das Land Hessen jeweils geltenden Fassung Anwendung fanden, soweit in Abschnitt II durch die zuständigen Gremien des DWHN nichts anderes bestimmt war. Für die Arbeiter galt die Arbeitsvertragsordnung für Arbeiter im kirchlich-diakonischen Dienst des DWHN (Arbeitervertragsordnung – ArbVO/DWHN) vom 15. Dezember 1982. Gemäß § 1 Abs. 1 ArbVO/DWHN fanden auf die als Arbeiter beschäftigten Mitarbeiter der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 sowie die für Arbeiter zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der für das Land Hessen am 30. Juni 2004 geltenden Fassung Anwendung, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt war.
6
Im Jahr 1999 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Wege des Betriebsübergangs auf das St. M Krankenhaus über. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin als Köchin und stellvertretende Küchenleiterin beschäftigt und erhielt eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vc BAT idF der Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des DWHN (BAT/DW). Seit dem Betriebsübergang wurde sie mit ihrem Einverständnis als Küchenhilfe eingesetzt. Mit dieser Tätigkeit war sie nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in die Lohngruppe 1 des Hessischen Lohntarifvertrags (HLT) eingruppiert. Die Parteien vereinbarten mündlich eine Vergütung nach der Lohngruppe 3 HLT. Dies bestätigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2002 wie folgt:
        
„Gewährung einer außertariflichen Zulage
        
Sehr geehrte Frau L,
        
wie in einem persönlichen Gespräch mit Frau La bereits erläutert, werden Sie ab 01. Oktober 2002 nach BMTG II / HLT, Lohngruppe 3 vergütet.
        
        
        
Sie erhalten ab 01. Oktober 2002 eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages von Vergütungsgruppe V c B/L zur Vergütungsgruppe BMTG II / HLT, Lohngruppe 3.
        
        
        
Diese Zulage vermindert sich bei jeder Erhöhung ihrer Vergütung um 50 % des entsprechenden Erhöhungsbetrages (z.B. Tariferhöhung).
        
        
        
Des weiteren wird vereinbart, dass Sie mit Vollendung des 60. Lebensjahres ausscheiden und Rente beantragen werden.
        
…“   
7
In der Folgezeit erhielt die Klägerin stets eine Vergütung nach der Lohngruppe 3 BMT-G II zuzüglich einer abschmelzenden Zulage, die zuletzt 558,64 Euro brutto monatlich betrug.
8
Zum 1. Januar 2004 ging das Arbeitsverhältnis durch einen weiteren Betriebsübergang auf die Beklagte über. Diese ist eine kirchlich-diakonische Einrichtung und Mitglied des DWHN.
9
Bis 2004 erhielt die Klägerin ein Urlaubsgeld. Rechtsgrundlage dafür war der Verweis in § 1 Abs. 1 Ang-AVO/DWHN auf den Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte bzw. in § 1 ArbVO/DWHN auf den Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter, jeweils vom 16. März 1977. Am 17. Mai 2005 fasste die Arbeitsrechtliche Kommission den Beschluss über eine Arbeitsrechtsregelung zum Wegfall des Urlaubsgeldes 2005 (ABl. EKHN 2005 S. 195). Danach wurde in die Ang-AVO/DWHN folgender § 31 eingefügt:
        
„Zum Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte
        
Der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 findet keine Anwendung. Urlaubsgeld wird nicht gezahlt.“
10
In die ArbVO/DWHN wurde ein entsprechender § 11c eingefügt.
11
Die Klägerin erhielt daraufhin für das Jahr 2005 kein Urlaubsgeld. Mit ihrer Klage begehrt sie dieses Urlaubsgeld zuletzt in einer Höhe von 284,86 Euro brutto.
12
Mit Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 20. Juli 2005 wurden die materiellen Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer sowohl der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau(EKHN) als auch des DWHN im Rahmen einer „Arbeitsrechtsregelung zur Einführung der Kirchlich-Diakonischen Arbeitsvertragsordnung“ (ARR 2005
[ABl. EKHN 2005 S. 262]) mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 neu geregelt. Ziel dieses Regelwerks war die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit am Markt der Wohlfahrtspflege und der Arbeitsplätze, die Schaffung eines einheitlichen Tarifrechts für Arbeiter und Angestellte und die Einführung einer aufgaben- und leistungsbezogenen Vergütung. Die mit den Änderungen der Arbeitsbedingungen für die Klägerin verbundenen finanziellen Einbußen betrugen unter Berücksichtigung einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 3 weniger als 20 % der ihr bisher gezahlten Vergütung.
13
Die ARR 2005 ist wie ein Artikelgesetz aufgebaut. Die Kirchlich-Diakonische Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) vom 20. Juli 2005 ist als Art. 1 der ARR 2005 (ABl. EKHN 2005 S. 262) geregelt. § 13 KDAVO setzt die wöchentliche Arbeitszeit auf durchschnittlich 40 Stunden fest. § 37 KDAVO regelt den Anspruch auf eine Sonderzahlung. § 37 Abs. 2 KDAVO bestimmt:
        
„In den Jahren 2005 bis 2007 bemisst sich die Sonderzahlung nach folgenden Prozentsätzen auf der Basis der in Absatz 4 festgelegten Bemessungsgrundlage:
        
1.   
70 Prozent in den Entgeltgruppen E 1 bis E 5
        
…“
        
14
Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse vor dem 1. Oktober 2005 begonnen haben, gelten gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 3 KDAVO die Neufassungen der Ang-AVO/DW bzw. der ArbVO/DW, die als Art. 5 bzw. Art. 6 Teil der ARR 2005 sind. Die Ang-AVO/DWHN idF vom 20. Juli 2005 (ABl. EKHN 2005 S. 281) bestimmt:
        
„§ 1. Geltungsbereich. Diese arbeitsrechtliche Regelung gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich des DWHN, wenn
        
1.   
das Arbeitsverhältnis vor dem 1. Oktober 2005 begonnen hat und
        
2.   
im Arbeitsvertrag bestimmt wurde, dass die Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (Ang-AVO/DW) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung findet.
        
§ 2. Anwendung der KDAVO. Auf die Arbeitsverhältnisse finden ab dem 1. Oktober 2005 die Bestimmungen der Kirchlich-Diakonischen Arbeitsvertragsordnung (KDAVO) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.
        

        
§ 10. Sonderzahlung 2005. Abweichend von § 37 Abs. 4 KDAVO ist die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlung im Jahr 2005 die Summe aus dem Arbeitsentgelt (§ 30 KDAVO), der Leistungszulage (§ 29 KDAVO), der Vergütung für Mehrarbeit (§ 31 KDAVO), dem Überstundenzuschlag (§ 32 KDAVO) und 65 Prozent der Besitzstandszulage (§ 8) für den Monat Oktober.
        
…“
15
Dementsprechende Überleitungsregelungen enthalten §§ 1, 2 und 7 der ArbVO/DWHN idF vom 20. Juli 2005(ABl. EKHN 2005 S. 283).
16
Die Klägerin erhielt im November 2005 eine um 584,21 Euro brutto niedrigere Sonderzahlung als im November 2004. Diese Differenz ist ebenfalls Gegenstand der Klage. Seit Oktober 2005 arbeitet die Klägerin ohne finanziellen Ausgleich 1,5 Wochenstunden mehr. Den deshalb erstinstanzlich gestellten Antrag auf eine Mehrarbeitsvergütung von 368,22 Euro brutto hat die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht weiterverfolgt.
17
Die Beklagte gruppierte die Klägerin zum 1. Oktober 2005 in die Entgeltgruppe 1 um. Dadurch sank der Grundlohn der Klägerin von 1.947,25 Euro brutto auf 1.364,00 Euro brutto. Unter Berücksichtigung einer Leistungszulage von 132,40 Euro brutto sowie einer Besitzstandszulage von 338,14 Euro brutto erhielt die Klägerin insgesamt 1.834,54 Euro brutto im Monat. Die verbleibende monatliche Differenz von 112,71 Euro brutto zu dem ihr im September 2005 gezahlten Entgelt ist für die neun Monate von Oktober 2005 bis Juni 2006 Gegenstand der Klage.
18
Nach Art. 2 der ARR 2005 erhielten die Mitarbeiter, die unter den Geltungsbereich der KDAVO fielen, zwischen Dezember 2005 und August 2007 Einmalzahlungen von insgesamt 450,00 Euro brutto. Die Klägerin hat diese Zahlungen erhalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 19. Oktober 2007 haben die Parteien einen Teil-Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte von der Klageforderung die Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 150,00 Euro brutto in Abzug bringen darf, sofern die KDAVO auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet.
19
Die Beklagte stellte zum 1. Januar 2006 die Zahlung der mit Schreiben vom 22. Juli 2002 zugesagten außertariflichen Zulage ein, weil die Klägerin über das 60. Lebensjahr hinaus arbeitete. Das Arbeitsgericht hat der Klägerin diesen für die Zeit vom Januar bis Oktober 2006 in einer Gesamthöhe von 5.586,40 Euro eingeklagten Entgeltbestandteil rechtskräftig zugesprochen.
20
Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin geltend gemacht, mit der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags hätten die Parteien das Tarifvertragssystem des BAT zur Basis ihrer vertraglichen Beziehungen machen wollen. Die Verweisung auf den BAT/DW erlaube grundsätzlich nur Modifikationen dieser Tarifverträge, verlange aber insgesamt Systemtreue. Die KDAVO weiche aber in einer Vielzahl von Strukturmerkmalen vom BAT ab. Für deren Anwendung hätte es daher einer Tarifsystemwechselklausel bedurft. Jedenfalls sei durch die Vereinbarung vom 22. Juli 2002 und die spätere Handhabung die Bezugnahmeklausel dahin abgeändert worden, dass anstelle der vorher geltenden Angestelltenregelungen des BAT ab dem 1. Oktober 2002 ausschließlich und vollständig die Bestimmungen des BMT-G II/HLT zur Anwendung kommen sollten. Die KDAVO könne deshalb ohne eine Vertragsänderung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht angewandt werden.
21
Selbst wenn § 2 des Arbeitsvertrags dahin ausgelegt werden könne, dass davon auch die Einführung der KDAVO umfasst sei, halte die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht stand. Mit diesem Inhalt sei die Bezugnahmeklausel überraschend. Eine Abkehr vom BAT und dessen Austausch durch ein völlig anderes Kirchenrecht habe nicht erwartet werden können. Zudem verstoße § 2 des Arbeitsvertrags bei einer solchen Auslegung gegen die Unklarheitenregelung. Die Bezugnahme erwecke den Eindruck, es gebe einen Tarifvertrag BAT/DW. Dem Transparenzgebot sei nicht genügt, weil in der Bezugnahmeklausel die Voraussetzungen, unter denen sich die Beklagte vom BMT-G als Teil des öffentlichen Dienstrechts verabschieden könne, nicht genau umschrieben seien. Auch berechtige die Bezugnahmeklausel den Arbeitgeber, seine spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnisse einseitig in das Arbeitsverhältnis einzubeziehen. Darin liege eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Dritte Weg gewähre keinen § 2 KSchG angenäherten Schutz vor willkürlichen, einseitigen Änderungen der vertraglich vereinbarten Bedingungen. Insgesamt weiche die Bezugnahmeklausel erheblich vom Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Inhaltsschutzes ab. Anders als bei Tarifverträgen könne nicht angenommen werden, dass die Entscheidungen der Arbeitsrechtlichen Kommission eine Gewähr dafür böten, dass die Interessen der Arbeitnehmer nicht unangemessen belastet würden. Zudem berühre eine entsprechende Auslegung der Bezugnahmeklausel die Klägerin in ihren durch Art. 12 GG geschützten Rechten. Zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und Arbeitnehmerrechten müsse eine Abwägung erfolgen.
22
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die durch die KDAVO erfolgten Eingriffe in das Leistungs- und Gegenleistungsgefüge seien unbillig. Insoweit hat sie mit der Höhe der Vergütung nach der Entgeltgruppe E 1 argumentiert. Jedenfalls richte sich die Vergütung auch bei Wirksamkeit der KDAVO für das Arbeitsverhältnis weiterhin nach der Lohngruppe 3 Stufe 8 BMT-G II/HLT. Die Parteien hätten mit der Vereinbarung vom 22. Juli 2002 eine wirksame Nebenabrede zum Arbeitsvertrag getroffen, die durch die KDAVO nicht verdrängt worden sei.
23
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt beantragt,
        
1.   
die Beklagte zu verurteilen, an sie 284,86 Euro brutto Urlaubsgeld zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. August 2005 zu zahlen;
        
2.   
die Beklagte zu verurteilen, an sie 584,21 Euro brutto Zuwendung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Dezember 2005 zu zahlen;
        
3.   
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.014,39 Euro brutto (Reduzierung des Monatslohns) zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 112,71 Euro brutto seit 1. November 2005, 1. Dezember 2005, 1. Januar 2006, 1. Februar 2006, 1. März 2006, 1. April 2006, 1. Mai 2006, 1. Juni 2006 und 1. Juli 2006 zu zahlen;
        
4.   
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr über den 30. September 2005 hinaus Vergütung nach BMT-G II/HLT Lohngruppe 3, Stufe 8 auf der Basis von anteilig 38,7 Stunden wöchentlich zu zahlen.
24
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Parteien hätten sich mit der dynamischen Verweisung im Arbeitsvertrag auf die von der Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Arbeitsvertragsregelungen deren Bestimmungsrecht unterworfen. Es sei klar gewesen, dass über § 2 des Arbeitsvertrags nicht der BAT als solcher, sondern die Arbeitsvertragsregelungen in ihrer jeweiligen Fassung Inhalt des Vertrags werden sollten. Den Parteien sei bewusst gewesen, dass Inhalt und Umfang der Hauptleistungspflichten an die jeweiligen Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission gebunden seien. Sie müssten deshalb Änderungen dieser Regelungen auch dann hinnehmen, wenn sie eine vollständige Umgestaltung der Rechtsbeziehung beinhalteten. Die KDAVO unterliege nur einer Transparenzkontrolle. Dieser halte sie stand.
25
Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich der für die Revision maßgeblichen Streitgegenstände abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat das Landesarbeitsgericht die Vereinbarung vom 22. Juli 2002 als konstitutive Vereinbarung der Lohngruppe 3 BMT-G II/HLT, nicht aber als Inbezugnahme des BMT-G II insgesamt angesehen. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt hat es bei der von ihm vorgenommenen Inhaltskontrolle der Gehaltsreduzierung auf die Entgeltgruppe E 3 als Basis abgestellt. Die Differenz zu der Entgeltgruppe E 3 hat es der Klägerin gleichwohl nicht zugesprochen. Dem stehe § 308 Abs. 1 ZPO entgegen.
26
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ua. geltend macht, selbst dann, wenn die KDAVO wirksam eingeführt worden sei und auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Anwendung komme, stehe ihr wegen der Vereinbarung vom 22. Juli 2002 zumindest eine Vergütung nach der Lohngruppe 3 Stufe 8 BMT-G II/HLT zu.

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