Aktenzeichen BayAGH I – 5 – 14/16
Leitsatz
1 Der Zulassungsbescheid zum Syndikusrechtsanwalt erfüllt die formalen Voraussetzungen, wenn im Tenor des Verwaltungsaktes die Bezeichnung Syndikusrechtsanwalt und der Arbeitgeber aufgenommen werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Syndikusrechtsanwalt Verwaltungsvorschriften, Ausführungsvorschriften, Rundschreiben, Anordnungen, Erlasse sowie Geschäftsanweisungen zu beachten hat (vgl. BGH BeckRS 2017, 121939). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Justiziar einer Hochschule übt keine hoheitliche Tätigkeit aus (§ 7 Nr. 8 BRAO), wenn er nicht mit der Verwaltungstätigkeit der Hochschule betraut ist und keine hoheitlichen Befugnisse wahrnimmt, insbesondere selbst keine Verwaltungsakte oder sonstigen Bescheide erlässt, sondern lediglich die Rechtslage prüft und Lösungs- oder Entscheidungsvorschläge erarbeitet. (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen
2) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Beigeladenen.
3) Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4) Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
5) Die Berufung wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Zulassungsbescheids und die Ablehnung des Antrages der Antragstellerin auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin erstrebt, ist zulässig. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage gemäß §§ 42 Abs. 1 VwGO, 112 c Abs. 1 BRAO, mit der die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, hier des Bescheids der Rechtsanwaltskammer Bamberg vom 09.11.2016, erstrebt wird. Eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO bedurfte es nicht (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, Art. 15 Bay AGVwGO).
II.
In der Sache bleibt die Klage jedoch ohne Erfolg.
1. Die formalen Anforderungen an den Zulassungsbescheid sind erfüllt. Der Senat teilt hinsichtlich der formalen Anforderungen die Auffassung von Huff (BRAK-Mitteilungen 2017, 203, 204), wonach es ausreicht, wenn im Tenor des Verwaltungsaktes die Bezeichnung Syndikusrechtsanwalt und der Arbeitgeber aufgenommen werden. Zwar ist der Arbeitgeber im Tenor des Bescheids vom 09.11.2016 nicht genannt. Dies ist aber unschädlich, weil sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für die Tätigkeit der Beigeladenen für den Freistaat Bayern im Justiziariat der Hochschule Aschaffenburg erteilt wird.
2. Die Anfechtungsklage ist in der Sache nicht begründet. Der Senat ist aufgrund der Tätigkeitsbeschreibung und der ergänzenden Angaben der Beigeladenen zu ihrer Tätigkeit als Justiziarin bei der Hochschule Aschaffenburg, die diese in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2018 im Rahmen ihrer Anhörung gemacht hat, davon überzeugt, dass die Tätigkeit den Voraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gemäß §§ 46 a Abs. 1, 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Die Zulassung der Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin ist zu Recht erfolgt, weil sie für ihren Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrages vom 31.07.2009 in Verbindung mit der Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 15.03.2016 anwaltliche Tätigkeiten gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nrn. 1-4 BRAO fachlich unabhängig und eigenverantwortlich erbringt.
a) Die für die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin erforderliche fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Beigeladenen (§ 46 Abs. 3 und Abs. 4 BRAO) ist gegeben. Aus dem Ergänzungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 15.03.2016 (Anlage 1), insbesondere aus der Regelung in Ziffer 2 des Ergänzungsvertrages ergibt sich, dass die Beigeladene eine fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO ausübt, welche die Beratung der Hochschulleitung und der übrigen Hochschulgremien einschließt. Das Justiziariat ist ausweislich des Organigramms der Universität (Anlage zum Protokoll vom 23.04.2018), das zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, nicht in die Verwaltung der Universität eingegliedert. Es handelt sich um eine Stabsstelle, die dem Kanzler direkt zuarbeitet. Dies hat die Beigeladene bei ihrer Anhörung im Termin vom 23.04.2018 bestätigt und hierzu erklärt, das Justiziariat sei nicht in die allgemeine Hochschulverwaltung eingegliedert, sondern unterstehe unmittelbar dem Kanzler als ihrem Dienstvorgesetzten. Sie spreche sich Einzelfragen mit dem Kanzler ab. Er erteile ihr aber keine Einzelweisungen. Bei der Prozessvertretung spreche sie sich mit der jeweiligen Fachabteilung ohne Einschaltung des Kanzlers ab. Die Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 15.03.2016 werde so gelebt wie vereinbart.
Der Umstand, dass die Beigeladene – wie jeder externe Rechtsanwalt auch – bei ihrer Tätigkeit Verwaltungsvorschriften, Ausführungsvorschriften, Rundschreiben, Anordnungen, Erlasse sowie Geschäftsanweisungen, mithin die geltende Rechtslage zu beachten hat, steht der fachlichen Unabhängigkeit der Beigeladenen nicht entgegen. Es liegt in der Natur der Rechtsberatung und – vertretung, dass allgemein gültige oder individuell vereinbarte Kodifizierungen gleich welcher Art zu beachten sind (AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.2016 – 1 AGH 33/16; Huff, BRAK Mitteilungen 5/2017, Seite 205). Die fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird durch die Bindung an geltendes Recht nicht beeinträchtigt. Die fachliche Unabhängigkeit bezieht sich auf die weisungsfreie und eigenständige Analyse der Rechtslage im Sinn von § 46 Abs. 4 Satz 1 BRAO (vgl. BGH, Beschluss vom 01.08.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17 NJW 2017, 2835, zitiert nach Juris), wie sie von der Beigeladenen auch praktiziert wird.
b) Die Tätigkeit der Beigeladenen ergibt sich aus der vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung und ihren ergänzenden Angaben im Termin vom 23.04.2018. Die Beigeladene hat hierzu erklärt, dass ihre Tätigkeit sich im Wesentlichen aus drei Blöcken zusammensetze, nämlich Lehre, Forschung und Verwaltung. Sie leiste 20 Stunden in Teilzeit. Von ihrer Tätigkeit entfalle ca. 30 % auf die Prozessvertretung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg. Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten seien insbesondere Immatrikulations- und Exmatrikulationsverfahren. Etwa 10 % ihrer Tätigkeit entfalle auf die Beratung des Studienbüros in Rechtsfragen. Im Bereich der Forschung beschäftige sie sich mit der Drittmitteleinwerbung und deren Umsetzung. Es gehe hierbei um Forschungs- und Entwicklungsverträge, das Aufsetzen von Kooperationen, die Integration von Studierenden und das Erstellen von Geheimhaltungsvereinbarungen. Ihre Leistung liege in Verhandlungen mit den Beteiligten und in der Vertragsgestaltung. Von der Gesamtleistung mache dies ca. 15 % aus. Aus dem Bereich der Verwaltung komme etwa 45 % ihrer Gesamtleistung. Ein Teil dieser Tätigkeit bestehe in der Prüfung von Rechtsfragen, insbesondere, wenn neue Gesetze in der Universität umgesetzt werden müssten, wie z.B. die Datenschutzgrundverordnung. Hier prüfe sie die Rechtsfragen und bereite dann die Umsetzung in der Universität vor. Sie erteile dann den entsprechenden Rechtsrat an die zuständigen Mitarbeiter der Universität. Dies gelte auch z.B. bei Fragen der Berufung von Professoren. Darüber hinaus müssten in der allgemeinen Verwaltung notwendige Verträge, z.B. Miet- und Dienstleistungsverträge, vorbereitet werden. Sie befasse sich zum Teil auch mit hoheitlichen Fragestellungen, handele aber selbst nicht hoheitlich. Sie erlasse keine Bescheide. Dies sei Sache der zuständigen Fachämter.
Der Senat hat keine Zweifel, dass die Angaben der Beigeladenen zu ihrer Tätigkeit zutreffend sind.
c) Die Tätigkeit der Beigeladenen erfüllt die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO. Die Beigeladene ist im Justiziariat tätig. Dies entspricht der Rechtsabteilung der Hochschule. Sie berät die Hochschule in Rechtsangelegenheiten. In den an sie herangetragenen juristischen Fragestellungen, insbesondere auf den Gebieten des Verwaltungsrechts und des Zivilrechts recherchiert sie die Tatsachengrundlagen, prüft Rechtsfragen und erarbeitet Lösungsmöglichkeiten (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO). Darüber hinaus erteilt sie Rechtsrat an die Mitarbeiter der Universität und befasst sich mit der Umsetzung von Gesetzesänderungen in der Universität, § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO. Sie gestaltet Rechtsverhältnisse, indem sie Vertrags- und ggf. auch Satzungsentwürfe erarbeitet. Darüber hinaus führt sie eigenverantwortlich Vertragsverhandlungen, insbesondere im Bereich der Drittmitteleinwerbung und deren Umsetzung, wie oben aufgezeigt. Mithin gestaltet sie Rechtsverhältnisse im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO. Darüber hinaus vertritt sie ihre Arbeitgeberin eigenverantwortlich nach außen, z.B. in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, z.B. in Streitigkeiten, die die Exmatrikulation und die Immatrikulation zum Gegenstand haben, § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO. Die Tätigkeiten der Beigeladenen sind mithin anwaltlich geprägt, sie könnten ebenso von einem externen Anwalt ausgeübt werden.
3. Ein Grund für die Versagung der Zulassung gemäß §§ 46 a Abs. 1 Nr. 2, 7 Nr. 8 BRAO liegt nicht vor.
a) Die Beigeladene übt keine hoheitliche Tätigkeit aus, die mit einer Tätigkeit als Syndikusanwalt unvereinbar wäre. Zwar umfassen die Tätigkeiten der Beigeladenen auch hoheitliche Themen, wie z.B. Prüfung von Fragestellungen im Berufungsverfahren (Hochschulrecht und Beamtenrecht), Prüfung der Lehrentlastung gemäß LUFV, rechtliche Prüfung von Satzungsentwürfen, Beratung von Gremien für Studien- und Prüfungsordnungen, Beratung des Präsidenten bezüglich der Anwendung des Nebentätigkeitsrechts sowie entsprechende Genehmigungsverfahren. Sie handelt aber nicht selbst hoheitlich, insbesondere erlässt sie selbst keine Verwaltungsakte oder sonstige Bescheide. Dies ist nach Angabe der Beigeladenen Sache des Amtes oder der Fachämter. Die Beigeladene übt als Justiziarin eine ausschließlich rechtsberatende Tätigkeit aus. Insofern unterscheidet sich die Tätigkeit der Beigeladenen von der eines als Dezernent „Personal und Organisation“ in der Verwaltung einer Universität tätigen Juristen, die der Entscheidung des AGH Hamm vom 16.02.2018 (1 AGH 12/1, zitiert nach Juris) zugrunde lag. Ihre gesamte Tätigkeit verrichtet die Beigeladene nicht im Über-/Unterordnungsverhältnis, d.h. im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung. Sie nimmt keine hoheitlichen Befugnisse wahr. Sie ist nicht mit der Verwaltungstätigkeit der Hochschule betraut. Vielmehr prüft die Beigeladene lediglich die Rechtslage und erarbeitet Lösungs- bzw. Entscheidungsvorschläge, wie es jeder externe Rechtsanwalt im Auftrag der Hochschule Aschaffenburg auch tun könnte.
b) Auch ohne die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch den Rechtsanwalt ist eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit dann anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt Aufgaben von einer Art wahrnimmt, dass das rechtssuchende Publikum den Eindruck gewinnen kann, die Unabhängigkeit des Anwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt. § 7 Nr. 8 BRAO findet insoweit auch auf Syndikusrechtsanwälte Anwendung, § 46 a Abs. 1 Nr. 2 BRAO. Da die Beigeladene aber nur in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig wird, gibt es ein rechtssuchendes Publikum wie bei einem niedergelassenen Rechtsanwalt nicht. Daher ist bei der Zulassung von Syndikusrechtsanwälten insoweit ein großzügigerer Maßstab anzulegen (Löwe/Wallner/Werner in BRAK-Mitteilungen 2017, 102, 104). Die anwaltliche Prägung ihrer Tätigkeit und die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen sind durch die arbeitsvertragliche Bindung an die Hochschule Aschaffenburg nicht tangiert (vgl. Urteil BayAGH vom 25.09.2017, Bay AGH I – 1 – 12/16; Urteil HessAGH vom 13.03.2017, 1 AGH 10/16; Urteil AGH Nordrhein-Westfalen vom 28.04.2017, AGH 66/16 jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist durch ein Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst nicht generell ausgeschlossen, vielmehr hat immer eine Einzelfallprüfung bezogen auf die jeweils ausgeübte Tätigkeit zu erfolgen. Diese Prüfung hat vorliegend ergeben, dass ein Versagungsgrund nach §§ 46 a Abs. 1 Nr. 2, 7 Nr. 8 BRAO nicht gegeben ist.
Nach alledem ist der Bescheid der Beklagten vom 09.11.2016 zu Recht ergangen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 112 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 112 e BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die weder besondere Schwierigkeiten aufweist noch kommt ihr eine grundsätzliche Bedeutung zu.
IV.