Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Anpassung des Bemessungssatzes der Grundvergütung gemäß der Anpassungsklausel in § 3 Abs 1 des VTV Nr 7 zum BAT-O für den Bereich der VKA – Auslegung der Tarifvertragsbestimmung als schuldrechtliche Vereinbarung

Aktenzeichen  4 AZR 717/10

Datum:
24.8.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 Abs 1 TVG
§ 4 Abs 1 TVG
§ 611 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Bautzen, 13. Januar 2010, Az: 3 Ca 3356/09, Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 22. Oktober 2010, Az: 2 Sa 105/10, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2010 – 2 Sa 105/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche der Klägerin nach Wegfall der Tarifgebundenheit der Beklagten, ihrer heutigen Arbeitgeberin.
2
Die 1969 geborene Klägerin, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), wurde zum 1. Februar 1997 vom Landkreis K, der im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen organisiert war, als Krankenschwester im Klinikum H, einem Eigenbetrieb des Landkreises, eingestellt. Nach § 2 des am 6. Dezember 1996 abgeschlossenen Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien „nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung“. Zum 1. Januar 1998 ging das Klinikum im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die bis zum 12. Januar 2010 noch als Klinikum H gGmbH firmierte.
3
Unter dem 12. August 2002 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, in welchem eine vollschichtige arbeitsvertragliche Beschäftigung als Anästhesieschwester und eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe KR V BAT-O vereinbart wurde. Regelungen zum ansonsten anwendbaren Recht enthält dieser Änderungsvertrag nicht.
4
Zum 31. Dezember 2003 trat die Beklagte aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen aus. Seither erhöhte sie die Vergütung der Klägerin nicht mehr entsprechend den zwischenzeitlich vereinbarten Vergütungstarifverträgen. Sie wendet im Arbeitsverhältnis bis heute den Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) an.
5
Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 verlangte die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2008 Vergütung nach Vergütungsgruppe Va Stufe 9 BAT-O einschließlich Ortszuschlags sowie allgemeiner Zulage in Höhe von 100 vH der zuletzt gültigen Fassung des BAT, hilfsweise in Höhe von 100 vH der entsprechenden Vergütung, die sich aus der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung der Vergütungstarifverträge zum BAT ergab. Dabei bezog sich die Klägerin auf den Vergütungstarifvertrag Nr. 7 zum BAT-O für den Bereich der VKA vom 31. Januar 2003 (VTV Nr. 7).
6
Dieser Tarifvertrag enthält ua. folgende Regelungen:
        
„§ 2   
        
Einmalzahlung
        
…       
        
(2) Die Angestellten, die im Monat November 2004 Anspruch auf Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis haben, das im gesamt Monat November 2004 zu demselben Arbeitgeber besteht, erhalten im Monat November 2004 eine Einmalzahlung in Höhe von 46,25 €.
        
…       
        
§ 3     
        
Grundvergütungen, Gesamtvergütungen
        
(1) Die Grundvergütungen (§ 26 Abs. 3 BAT-O) für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis I und Kr. I bis Kr. XIII, die das 21. bzw. 23. bzw. 20. Lebensjahr vollendet haben, betragen
        
a) vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003
91,0 v. H.,
        
b) vom 1. Januar 2004 an
92,5 v. H.
        
der nach dem jeweiligen Vergütungstarifvertrag zum BAT für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Beträge.
        
Die Anpassung des Bemessungssatzes wird für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis V b und Kr. I bis Kr. VIII bis zum 31. Dezember 2007 und für die übrigen Angestellten bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen.
        
(2) Die Grundvergütungen für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis I sind für die Zeit
        
a)    
vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 in den Anlagen 1 a und 1 a.1,
        
b)    
vom 1. Januar bis 30. April 2004 in der Anlage 1 b,
        
c)    
vom 1. Mai 2004 an in der Anlage 1 c
        
festgelegt.“
7
Die Beklagte lehnte unter dem 11. April 2008 eine Bezahlung entsprechend den Forderungen der Klägerin ab und vertrat den Standpunkt, der VTV Nr. 7 enthalte nur eine Absichtserklärung, die Ost-West-Angleichung vornehmen zu wollen. Es gebe insoweit noch keine verbindliche Festlegung. Im Übrigen unterfalle die Beklagte mangels Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband nicht dem Geltungsbereich des TVöD.
8
Bereits zuvor, unter dem 20. März 2008, hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. September 2008 gekündigt und ihr angeboten, das Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Stunden fortzusetzen; im Übrigen sollte es bei den bisher geltenden Bedingungen bleiben. Nachdem das Arbeitsgericht der Änderungsschutzklage der Klägerin stattgegeben und die fehlende soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots festgestellt hatte, schlossen die Parteien am 14. August 2008 eine Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis ab 1. Oktober 2008 mit einer wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden fortgesetzt wird und es im Übrigen „bei den bislang geltenden Bedingungen des Arbeitsverhältnisses“ bleibt.
9
Die Klägerin hatte zunächst den Standpunkt eingenommen, in ihrem Arbeitsverhältnis seien bis heute die einschlägigen tariflichen Regelungen anwendbar, die bei kongruenter Tarifgebundenheit normativ gelten würden. Außerdem lege § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 fest, dass die Anpassung des Bemessungssatzes für Angestellte, die so wie sie, die Klägerin, eingruppiert seien, bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen werde. Deshalb seien die jeweiligen Vergütungsbestandteile mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf 100 vH der jeweils am 31. Dezember 2007 im Tarifgebiet West zu zahlenden Vergütungen anzuheben. Insoweit hat die Klägerin zuletzt aber nur noch den Standpunkt eingenommen, die ihr jeweils zustehenden Vergütungsbestandteile seien auf 100 vH der zum Ende der Tarifgebundenheit der Beklagten am 31. Dezember 2003 für das Tarifgebiet West festgelegten Vergütungen zu erhöhen. In § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 liege eine verbindliche Rechtsbegründung, wie der Ausschluss der Kündbarkeit dieser Regelung in § 8 Satz 2 VTV Nr. 7 zeige. Nachdem die Klägerin in erster Instanz noch die Feststellung der Anwendbarkeit des TVöD auf ihr Arbeitsverhältnis geltend gemacht hatte, hat sie zuletzt in der Sache nur noch beantragt:
        
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2008 die Grundvergütung gemäß Vergütungsgruppe KR Va, Stufe 9, der Anlage 1b zum BAT-O in Höhe des für den Bereich der VKA am 31. Dezember 2003 geltenden Vergütungstarifvertrages zum BAT (West) zu zahlen und die sich daraus ergebenden monatlichen Differenzbeträge jeweils ab dem jeweiligen Monatsersten des Folgemonats mit 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 VTV Nr. 7 sei keine normativ wirkende Anspruchsgrundlage, sondern nur eine Absichtserklärung der Tarifvertragsparteien und bedürfe noch einer Umsetzung durch einen Anpassungstarifvertrag.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren letzten Sachantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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