Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Ausbildungsduldung wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung

Aktenzeichen  19 CE 17.1032

Datum:
31.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 4 Abs. 2 S. 3, § 60a Abs. 2 S. 1, S. 4, Abs. 6 S. 1 Nr. 2
BeschV BeschV § 32 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

In der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung ist grundsätzlich ein Versagungsgrund für die Erteilung einer Duldung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sehen.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 E 17.393 2017-05-29 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerde-verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein am 10. November 2010 eingereister afghanischer Staatsangehöriger, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, seine vom Antragsgegner beabsichtigte Abschiebung nach Afghanistan zu untersagen.
Sein Asylverfahren ist rechtskräftig negativ abgeschlossen (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.10.2011, Klageabweisung des Verwaltungsgerichts B. durch Urteil vom 2.12.2012, Folgeantrag vom 3.3.2017 abgelehnt durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7.3.2017). Ab dem 5. Februar 2013 erhielt der Antragsteller Duldungen (teilweise mit Berechtigung zur Erwerbstätigkeit); mit Duldung vom 24. August 2015 und nachfolgend vom 27. Juni 2016 wurde die Ausbildung zum Anlagenmechaniker gestattet. Der Antragsteller hat am 1. September 2015 ein Berufsausbildungsverhältnis als Anlagentechniker für Sanitär- und Heizungstechnik aufgenommen.
Der Antragsteller wurde am 4. Februar 2013 und mit Schreiben vom 15. November 2013 zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung aufgefordert. Die am 11. März 2013 dem Antragsteller ausgehändigten Anträge auf Ausstellung von Reisedokumenten wurden vom Antragsteller nicht ausgefüllt. Am 5. Dezember 2016 weigerte sich der Antragsteller, ein Antragsformular für Passersatzpapiere auszufüllen.
Mit Strafbefehl vom 3. Februar 2015 wurde der Antragsteller wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 21. Dezember 2015, rechtskräftig seit dem 27. Januar 2016, wurde der Antragsteller wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller sind wegen Körperverletzung (2013, Az. 230 Js 2247/13, eingestellt nach § 170 Abs. 2 StPO), wegen Betrugs (2014, Az. 230 Js 429/14, eingestellt nach § 153 Abs. 1 StPO, und 2015, Az. 230 Js 5330/15, eingestellt nach § 154 Abs. 1 StPO), wegen gefährlicher Körperverletzung (2014, Az. 252 Js 6206/14 jug., eingestellt nach § 154 Abs. 1 StPO), sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person (2016, Az. 211 Js 13328/16, eingestellt nach § 170 Abs. 2 StPO) geführt worden.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 hat der Antragsgegner die Feststellung ausgesprochen, dass die erteilte Duldung kraft Gesetzes erloschen sei (Nr. 1), und hilfsweise die erteilte Duldung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung widerrufen (Nr. 2, 4). Die Gestattung der Berufsausbildung wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ebenfalls widerrufen (Nr. 3, 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe seien mit dem Abschiebeabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Heimatstaat entfallen (§ 60a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Weitere Gründe, die eine Aussetzung der Abschiebung aus anderen Gründen rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Erlaubnis der Berufsausbildung sei in rechtswidriger Weise erteilt worden, da bei dem Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, nicht vollzogen werden konnten (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschV a.F.). Gegen diesen Bescheid wurden keine Rechtsmittel eingelegt.
Einen am 22. Mai 2017 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine am 31. Mai 2017 geplante Abschiebung hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 29. Mai 2017 abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zur Fortführung seiner am 1. September 2015 begonnenen Berufsausbildung als Anlagenmechaniker im Bereich Sanitär- und Heizungstechnik. Der Erteilung stehe bereits § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG entgegen, weil der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 21. Dezember 2015, rechtskräftig seit 27. Januar 2016, wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen verurteilt worden sei. Darüber hinaus stünden bevorstehende, konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung seit der Vorsprache bei der Regierung von O. am 5. Dezember 2016, bei der der Antragsteller die Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren verweigert hat, der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen. Die Erteilung einer Ausbildungsduldung scheitere auch daran, dass der Antragsteller keine Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV besitze. Die Entbehrlichkeit einer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 BeschV beziehe sich nur auf Personen mit Duldung, wozu der Antragsteller nicht (mehr) zähle. § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG finde keine Anwendung, da die Geltungsdauer der Duldung bereits abgelaufen gewesen sei.
Mit seiner am 29. Mai 2017 erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, er sei gut integriert und bringe sich in die Gesellschaft und das öffentliche Leben ein. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG; § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG stehe der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegen, da zum Zeitpunkt der strafrechtlichen Verurteilung diese Norm noch nicht in Kraft gewesen sei. Rechtmäßige, konkret bevorstehende aufenthaltsbeendende Maßnahmen könnten der Erteilung der Ausbildungsduldung ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Auf die Weigerung des Antragstellers zur Beantragung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 könne es nicht ankommen, da die Abschiebung im Hinblick auf das schutzwürdige Vertrauen, die laufende Berufsausbildung abschließen zu können, nicht absehbar gewesen sei. Sowohl der Antragsteller als auch sein Arbeitgeber hätten bereits eineinhalb Jahre in die Ausbildung investiert. Der Gesetzeszweck, Vertrauensschutz zu schaffen, nicht nur für geduldete Ausländer in Ausbildung, sondern gerade auch für Ausbildungsbetriebe, stehe einer Verweigerung der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen. Es sei angesichts dieses Gesetzeszweckes rechtsmissbräuchlich, dem Vollzug der Ausreisepflicht nach eineinhalb Jahren Ausbildungszeit Vorrang einzuräumen mit dem Ziel, die Ausbildung zu unterbrechen und den Antragsteller abzuschieben. Die Ausländerbehörde habe die konkret bevorstehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wegen des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG rechtswidrig herbeigeführt. Sehe man bereits im Bemühen der Ausländerbehörde um die Beschaffung von Passersatzpapieren eine konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahme, werde der Anwendungsbereich des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG auf faktische Bedeutungslosigkeit reduziert. Wegen der bevorstehenden Abschiebung liege auch ein Anordnungsgrund nach § 123 Abs. 2 Satz 2 VwGO vor. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei wegen der ansonsten entstehenden schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteile zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes geboten. Im Falle einer Abschiebung würde eine zeitnahe Wiederaufnahme der Ausbildung faktisch unmöglich gemacht.
Der Antragsteller beantragt bei sachdienlicher Auslegung,
unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung den Antragsgegner vorläufig zur Aussetzung der Abschiebemaßnahmen zu verpflichten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller befinde sich seit dem bestandskräftigen Widerruf der Beschäftigungserlaubnis derzeit nicht in einem Ausbildungsverhältnis, auch wenn eine Bereitschaft zur Fortführung des begonnenen Beschäftigungsverhältnisses bestehen möge. Die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers liege deutlich über der Bagatellgrenze des § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG sei der Antragsteller bereits rechtskräftig verurteilt gewesen, so dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausbildungsduldung zu keinem Zeitpunkt, auch nicht bis zum Widerruf der Ausbildungserlaubnis vorgelegen hätten. Der vorgebrachten guten Integration stehe die nicht unerhebliche strafrechtliche Verurteilung gegenüber, weshalb auch die Härtefallkommission eine Befassung abgelehnt habe (§ 5 Nr. 3 HFKomV). Darüber hinaus seien bereits zum Zeitpunkt, als die dem Antragsteller gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilte Duldung endete, konkrete Schritte zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden. Der Antragsteller habe die Mitwirkung im Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 verweigert. Diese Verweigerung stelle ein absolutes Erteilungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 4, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG dar. Der Antragsteller habe sich seit der Vollziehbarkeit seiner Ausreisepflicht Anfang 2013 über Jahre hinweg und trotz mehrfacher Belehrungen über seine Mitwirkungspflicht geweigert, an einer Passbeschaffung mitzuwirken, was letztlich auch Anlass für die Rücknahme der Beschäftigungserlaubnis gewesen sei. Der Antragsteller könne sich nicht auf Gründe des Vertrauensschutzes berufen. Die ihm ursprünglich erteilte Beschäftigungserlaubnis sei unanfechtbar widerrufen, weswegen auch die Ausbildung nicht habe fortgeführt werden können. Im Falle einer Neuerteilung bzw. Verlängerung einer Duldung müsse stets das weitere Vorliegen von Gründen für eine Aussetzung der Abschiebung festgestellt werden, die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung lägen indes nicht vor.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erteilung einer Duldung oder zum vorläufigen Absehen von einer Abschiebung abgelehnt hat.
Der mit Schriftsatz vom 29. Mai 2017 formulierte Antrag des Beschwerdeführers, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, war unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens, das auf einen Antrag nach § 123 VwGO gerichtet ist, und der erstinstanzlich gestellten Anträge in sachdienlicher Weise gemäß § 88 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umzudeuten.
Der Antragsteller hat den für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zusteht.
Nach der Vorschrift ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 dieser Vorschrift nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Nach § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG wird eine Duldung nach Satz 4 nicht erteilt und erlischt eine nach Satz 4 erteilte Duldung, wenn der Ausländer wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen grundsätzlich außer Betracht bleiben können. Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 steht hier entgegen, dass die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen, weil bei dem Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden konnten. Neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangaben ist in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung grundsätzlich ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zu sehen, der ein absolutes Erwerbstätigkeitsverbot begründet (vgl. zu § 11 BeschV a.F. SächsOVG, B.v. 7.3.2013 – 3 A 495/11 – juris Rn. 7). Der Antragsteller hat trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Ausländerbehörde, die damit ihre in Fällen der vorliegenden Art bestehenden Hinweis- und Anstoßpflicht (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 9 m.w.N.) erfüllt hat, keinerlei Bemühungen unternommen, seinen Mitwirkungspflichten bei der Ausstellung eines Passes oder Passersatzes durch seinen Heimatstaat nachzukommen (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 1, § 3 Abs. 1 AufenthG). Zuletzt hat er sich am 5. Dezember 2016 geweigert, ein Formular zur Ausstellung von Reisedokumenten auszufüllen. Die fehlende Mitwirkung war angesichts des bestehenden Rückübernahmeabkommens mit Afghanistan auch kausal dafür, dass die Ausreisepflicht nicht vollzogen werden konnte.
§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG steht daher der Erteilung einer erforderlichen Beschäftigungserlaubnis zur Fortführung der Berufsausbildung entgegen. Ungeachtet der vom Ausbildungsbetrieb geäußerten Bereitschaft, das Ausbildungsverhältnis fortzuführen, kann der Antragsteller die infolge des bestandskräftig gewordenen Widerrufs der Duldung mit der Beschäftigungserlaubnis vom 30. Januar 2017 beendete Berufsausbildung nicht in rechtmäßiger Weise, d.h. in Übereinstimmung mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, wieder aufnehmen, da er über keinen Aufenthaltstitel verfügt, der eine Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beinhaltet (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), die erteilte Beschäftigungserlaubnis mit Bescheid vom 30. Januar 2017 bestandskräftig widerrufen worden ist und der erneuten Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen steht. Die in §§ 4 Abs. 2 Satz 3, 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BeschV geregelte Freiheit von der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit dispensiert nicht von der erforderlichen Beschäftigungserlaubnis der Ausländerbehörde, da insoweit nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber abweichend vom Grundsatz des § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG einen unreglementierten Zugang zu Ausbildung eröffnen wollte (vgl. NdsOVG, B.v. 9.12.2016 – 8 ME 184/16 – juris Rn. 6). § 32 BeschV befasst sich nur mit der Frage, ob eine Beschäftigungserlaubnis, die die Ausländerbehörde nach § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilen will, der vorherigen Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf oder aber ohne diese Zustimmung erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 14).
Das Verwaltungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass schon wegen der begangenen vorsätzlichen Straftat eine Ausbildungsduldung nicht erteilt werden kann (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG), und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG jedenfalls seit dem im Dezember 2016 eingeleiteten Verfahren zur Passbeschaffung und fraglos auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bevorstehen. Es hat – für diesen Zeitpunkt – zutreffend festgestellt, dass die zuständige Ausländerbehörde bereits am 5. Dezember 2016 das Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren als konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet hat. Die Einleitung eines solchen Verfahrens genügt für den Anspruchsausschluss wegen des Bevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris).
Demgegenüber kann der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen, die begangene vorsätzliche Straftat habe außer Betracht zu bleiben, weil § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG zum Zeitpunkt der Begehung bzw. Verurteilung noch nicht in Kraft gewesen sei, und die Berufung auf bevorstehende aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG sei im Hinblick auf die seit eineinhalb Jahren absolvierte Berufsausbildung rechtsmissbräuchlich, nicht durchdringen.
Der Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß der Neufassung des § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG kann für den Antragsteller frühestens mit Inkrafttreten der Regelung am 6. August 2016 entstanden sein (vgl. Art. 5 Nr. 8 des Integrationsgesetzes vom 31.7.2016, BGBl I S. 1939). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG am 6. August 2016 war der Antragsteller jedoch bereits rechtskräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15 Euro, mithin zu mehr als dem Doppelten der im Gesetz vorgesehenen Bagatellgrenze, verurteilt, so dass zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4, 6 AufenthG entstehen konnte. Nach der gesetzgeberischen Intention soll eine Duldung zur Berufsausbildung nicht erteilt werden bzw. erlöschen, wenn die oder der Auszubildende wegen einer vorsätzlichen Straftat oberhalb der im Gesetz vorgesehenen strafrechtlichen Bagatellgrenze verurteilt wurde (vgl. BT-Drs. 18/8615 S. 48). Damit wird an in der Vergangenheit liegende strafrechtliche Verurteilungen angeknüpft. Indem der Gesetzgeber auch strafrechtliche Verurteilungen nach Aufnahme der Berufsausbildung als rechtsvernichtend ausgestaltet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass das Fehlen von (nicht nur geringfügiger) Straffälligkeit als konstitutive Voraussetzung der Erteilung einer Ausbildungsduldung anzusehen ist.
Der Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG steht auch entgegen, dass spätestens mit den behördlichen Schritten zur Ausstellung von Passersatzpapieren im Dezember 2016 aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstanden, worüber der Antragsteller ausweislich der Niederschrift vom 5. Dezember 2016 auch belehrt worden ist. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, dass „konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen“ dürfen, soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Fälle aus dem Anwendungsbereich des Rechtsanspruchs auf Ausbildungsduldung ausnehmen, in denen die Abschiebung konkret vorbereitet wird, wobei die Gesetzesbegründung die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder ein laufendes Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele aufführt (vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 25). Im Falle der Absehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen soll der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang eingeräumt werden. Für den Ausschluss einer Duldung zu Ausbildungszwecken kommt es nicht darauf an, dass der Betroffene Kenntnis von den konkret bevorstehenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung hat (vgl. OVG Rh-Pf, B.v. 5.1.2017 – 7 B 11589/16 – juris Rn. 7). Dabei kann hier dahinstehen, ob hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts für die Frage, ob Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung konkret bevorstehen, auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris) oder den der Beantragung der Ausbildungsduldung (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016 – 11 S. 1991.16 – juris Rn. 19; B.v. 4.1.2017 – 11 S 2301/16 – juris Rn. 17; OVG Berl-Bbg, B.v. 22.11.2016 – OVG 12 S. 61.16 – juris Rn.9) abzustellen ist. Die letztgenannte Auffassung, die mit der Überlegung begründet wird, es entspreche nicht der Intention des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, der Behörde durch Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu ermöglichen, den Anspruch auf eine Ausbildungsduldung auch längere Zeit nach Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung ohne weiteres durch Einleitung von Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht wieder entfallen zu lassen (vgl. VGH BW, B.v. 13.10.2016, a.a.O, juris Rn. 19; OVG Berl-Bbg, B.v. 22.11.2016, a.a.O., juris Rn. 9), kommt vorliegend deshalb nicht zum Tragen, weil ein Anspruch auf Ausbildungsduldung bereits wegen der strafrechtlichen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen im Januar 2016 – wie ausgeführt – zu keinem Zeitpunkt vorlag. Die behördlichen Schritte vom Dezember 2016 zur Aufenthaltsbeendigung im Wege der Beantragung von Passersatzpapieren haben trotz bereits aufgenommener Berufsausbildung einen Anspruch des Antragstellers auf eine Ausbildungsduldung nicht entfallen lassen und erweisen sich daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich. Überdies hat der Antragsteller schon in den Vorjahren an der Passbeschaffung nicht mitgewirkt.
Eine Absehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen war bei dem Antragsteller, der nach Abschluss des Asylerstverfahrens wegen fehlender Identitätspapiere und Reisedokumente jeweils befristete Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erhalten hat, spätestens mit der Aufforderung der Behörde zur Beschaffung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 gegeben. Der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch die behördlichen Schritte zur Beschaffung von Passersatzpapieren am 5. Dezember 2016 hat kein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers wegen seines Besitzes einer Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit der Nebenbestimmung der Gestattung einer Berufsausbildung entgegen gestanden. Die Duldung ist nicht erteilt worden, um dem Antragsteller eine Ausbildung zu ermöglichen, sondern um der tatsächlichen Unmöglichkeit seiner Abschiebung Rechnung zu tragen. Die durch eine Nebenbestimmung zur Duldung erteilte Ausbildungserlaubnis ist vom Bestand der Duldung – und damit vom Fortbestehen des Duldungsgrundes – abhängig gewesen. Der (bestandskräftig gewordene) Widerrufsbescheid vom 30. Januar 2017 hat der Erkenntnis Rechnung getragen, dass die Abschiebung nicht an einer tatsächlichen Unmöglichkeit, sondern an der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers bei der Beschaffung von Heimreisepapieren scheitert. Insgesamt ist es auch unter Berücksichtigung der Frage schutzwürdigen Vertrauens nicht zu beanstanden, dass die Behörde dem Vollzug der Ausreisepflicht durch Beschaffung von Passersatzpapieren Vorrang eingeräumt hat, zumal mit dem Rückführungsabkommen der Europäischen Union mit der Islamischen Republik Afghanistan vom 2. Oktober 2016 der Grund der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung für die bislang erteilte Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG entfallen war und Anhaltspunkte für eine aus anderen Gründen zu erteilende Duldung nicht vorlagen.
Vor Inkrafttreten der Neuregelung hat die Vorgängerregelung aufgrund des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 1. August 2015 (BGBl I S. 1386) gegolten. Diese hat eine Ausbildungsduldung nur vor der Vollendung des 21. Lebensjahres vorgesehen. Der Antragsteller hat eine solche Ausbildungsduldung nicht erhalten, denn er war bei Aufnahme seiner Berufsausbildung bereits 23 Jahre alt. Im Übrigen stand die Ausbildungsduldung nach der Vorgängerregelung im Ermessen der Behörde („kann“). Bei einer Entscheidung über eine Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG a.F. wegen dringender persönlicher Gründe – das Interesse des Antragstellers am Abschluss einer Berufsausbildung hätte als dringender persönlicher Grund bewertet werden können – hätte die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers gleichermaßen Berücksichtigung finden müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; in vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird der Hauptsachestreitwert halbiert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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