Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf einen doppelten Kindererziehungszuschlag für Zwillinge nach Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG

Aktenzeichen  M 12 K 19.1249

Datum:
12.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33925
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3
BeamtVG § 6 Abs. 1 S. 4, S. 5, § 85 Abs. 7
BayBeamtVG Art. 114a Abs. 2

 

Leitsatz

1. Sinn und Zweck des Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG ist allein die bessere Berücksichtigung von Erziehungszeiten durch Gewährung eines Zuschlags unter Berücksichtigung eines erweiterten Bemessungszeitraums vom 7. bis zum 12. Lebensmonat des Kindes (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein darüber hinausgehender Anspruch aufgrund der gleichzeitigen Geburt und Erziehung zweier Kinder, sei es durch Verlängerung des Bemessungszeitraums über den 12. Lebensmonat hinaus oder die additive Berücksichtigung von Erziehungszeiten, ergibt sich aus Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG nicht (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei § 85 Abs. 7 S. 1 BeamtVG, der zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor dem 1. Januar 1992 einerseits und nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kinder andererseits führt, handelt es sich um eine verfassungsgemäße Stichtags- und Übergangsregelung (Rn. 26). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht legt das Klagebegehren dahingehend aus, dass die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihre Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines Zuschlags gem. Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG für ihr weiteres (Zwillings-) Kind neu festzusetzen.
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, die Versorgungsbezüge der Klägerin unter Berücksichtigung eines Zuschlags gem. Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG für ihr weiteres (Zwillings-) Kind neu festzusetzen (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2019 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG. Danach ist den am 1. Januar 2015 vorhandenen Versorgungsempfängern, deren ruhegehaltsfähiger Dienstzeit eine Zeit des Erziehungsurlaubs oder der Kindererziehung nach Art. 103 Abs. 2 BayBeamtVG oder nach § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (im Folgenden: Fassung 1991) zugrunde liegt, ab 1. Januar 2015 auf Antrag ein Zuschlag zum Ruhegehalt zu gewähren. Der Zuschlag berechnet sich mit 0,9 v.H. der ruhegehaltsfähigen Bezüge für die Erziehung des Kindes vom 7. bis einschließlich des 12. Lebensmonats abzüglich des auf diesen Zeitraum entfallenden Anteils des Ruhegehalts.
Die am 1. August 2009 in den Ruhestand getretene Klägerin hat grundsätzlich einen Anspruch auf einen Kindererziehungszuschlag nach Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG, da der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit der Klägerin Zeiten des Erziehungsurlaubs oder der Kindererziehung nach § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG (Fassung 1991) zugrunde liegen. Diesem Anspruch hat der Beklagte jedoch durch die Gewährung eines Kindererziehungszuschlags unter Berücksichtigung eines Bemessungszeitraums für das am X.X.1975 geborene Kind vom X.X.1975 bis X.X.1976 sowie eines Bemessungszeitraums vom X.X.1980 bis X.X.1981 für die am X.X.1980 geborenen Zwillinge genügt. Denn beide Zwillingskinder haben am X.X.1981 ihren 12. Lebensmonat vollendet. Ein darüber hinausgehender Anspruch aufgrund der gleichzeitigen Geburt und Erziehung zweier Kinder, sei es durch Verlängerung des Bemessungszeitraums über den 12. Lebensmonat hinaus oder die additive Berücksichtigung von Erziehungszeiten, ergibt sich aus Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG nicht.
Sinn und Zweck des Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG ist allein die bessere Berücksichtigung von Erziehungszeiten durch Gewährung eines Zuschlags unter Berücksichtigung eines erweiterten Bemessungszeitraums vom 7. bis zum 12. Lebensmonat des Kindes. Im Übrigen knüpft Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG jedoch durch die Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG (Fassung 1991) an die bis 31. Dezember 1991 geltende Rechtslage an, die bei Mehrlingsgeburten gerade keinen weitergehenden Anspruch begründet hat. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG (Fassung 1991) ist insoweit eindeutig und lässt keine andere Auslegung zu. Auch Art. 114a Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG stellt ausschließlich auf die Erziehung des Kindes vom 7. bis 12. Lebensmonat ab und sieht bei sich überschneidenden Kindererziehungszeiten gerade keine Regelung entsprechend Art. 71 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG vor. Der Gesetzeswortlaut stellt im Recht der Beamtenversorgung eine Grenze der Auslegung dar, die – insbesondere wegen der haushaltsmäßigen Auswirkungen von Leistungsgesetzen – nicht durch Auslegung ausgedehnt werden darf. Der Gesetzgeber, der auch über den Haushalt zu befinden und über die Verteilung der ihm zur Verfügung stehenden (begrenzten) Haushaltsmittel zu entscheiden hat, ist allein berufen, Leistungen der Versorgung der Beamten zu gewähren (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 7.4.2014 – 23 K 6416/12 – juris).
Weder § 85 Abs. 7 i.V.m. § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG (Fassung 1991) noch die darauf Bezug nehmende Regelung des Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG verstoßen gegen höherrangiges Recht.
Die Regelung des § 85 Abs. 7 BeamtVG i.V.m. § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG (Fassung 1991) wurde weder vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. B.v. 13.12.1996 – 2 B 57.96 – juris) noch vom Bundesverfassungsgericht (vgl. B.v. 13.1.2003 – BvL 9/00 – juris) im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 33 Abs. 5 GG, Art. 3 GG oder Art. 6 GG beanstandet.
Zwar gilt für Kinder, die nach 1991 geboren wurden, nach § 50a BeamtVG ein Zeitraum von 36 Monaten leistungswirksamer Kindererziehungszeit, wobei sich der Zeitraum bei „Doppelerziehung“ von Kindern verlängert (§ 50a Abs. 2 Satz 2 BeamtVG).
Bei § 85 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG, der zu einer unterschiedlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor dem 1. Januar 1992 einerseits und nach dem 31. Dezember 1991 geborene Kinder andererseits führt, handelt es sich jedoch um eine Stichtags- und Übergangsregelung. Der Gesetzgeber verfügt hinsichtlich der Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse über einen breiten Gestaltungsspielraum. Da es in solchen Fällen unmöglich ist, die unter dem alten Recht entstandenen Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen, und der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht verlangt, ist der Gesetzgeber berechtigt, Stichtage einzuführen. Die Wahl eines Stichtages überhaupt, die Wahl des Zeitpunktes sowie die Auswahl unter den für die Anknüpfung an den Stichtag in Betracht kommenden Faktoren müssen freilich sachlich vertretbar sein. Härten, die daraus resultieren, dass die tatsächliche Situation derjenigen Personen, die durch Erfüllung der Stichtagsvoraussetzungen gerade noch in den Genuss der Neuregelungen gelangen, sich von der Lage derjenigen unterscheidet, bei denen diese Voraussetzungen fehlen, machen eine Stichtagsregelung noch nicht verfassungswidrig (vgl. BVerfG, B.v. 13.1.2003 – BvL 9/00 – juris). Die Wahl des Stichtags beruht auf der zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Systemumstellung der versorgungsrechtlichen Ausgleichsregelungen für erziehungsbedingte Beurlaubungen auf eine rentenversicherungsrechtliche Betrachtungsweise (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 9.5.2018 – OVG 4 N 51.16 – juris) und ist sachlich vertretbar.
Auch eine versorgungsrechtliche Ungleichbehandlung von Beamten, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen einerseits und Arbeitnehmern, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen andererseits (vgl. § 56 SGB VI) ist im Hinblick auf die Eigenständigkeit der versorgungsrechtlichen Rechtssysteme nach Art. 3 GG grundsätzlich nicht zu beanstanden. Denn die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse unterliegen eigenen Prinzipien, die für öffentlich-rechtlich geregelte Dienstverhältnisse keine Geltung beanspruchen (vgl. BVerfG, B.v. 13.1.2003 – a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 9.5.2018 – a.a.O.).
Dass der Kindererziehungszuschlag im Fall der Klägerin lediglich 10,06 Euro beträgt, ist der Anrechnung des in den maßgebenden Bemessungszeiträumen in Voll- bzw. Teilzeitbeschäftigung erdienten Ruhegehaltsanteils geschuldet, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 10.3.2006 – 1 A 232/05 – juris). Berechnungsfehler sind weder substantiiert vorgetragen worden noch ersichtlich.
Eine Verfassungswidrigkeit des auf die Regelung des § 6 Abs. 1 Sätze 4 und 5 BeamtVG Bezug nehmenden Art. 114a Abs. 2 BayBeamtVG, der im Übrigen die versorgungsrechtliche Situation von Versorgungsempfängern mit Kindererziehungszeiten für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder durch Gewährung eines Kindererziehungszuschlags lediglich verbessert, ist nach den obigen Ausführungen ebenfalls nicht ersichtlich.
Im Übrigen wird auf die zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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