Arbeitsrecht

Kein Anspruch des einzelnen Betriebsratsmitglieds wegen Benachteiligung durch Ablehnung seiner Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung durch die “Mehrheitsfraktion”

Aktenzeichen  9 BV 23/17

Datum:
17.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148240
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 37 Abs. 6, § 75
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr.1

 

Leitsatz

Streitigkeiten, ob § 75 BetrVG verletzt ist, können durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren entschieden werden. Antragsberechtigt sind in einem solchen Fall aber nur der Arbeitgeber oder der Betriebsrat als Gremium. Der von einer Verletzung betroffene Arbeitnehmer oder auch ein einzelnes Mitglied des Betriebsrats können gegen den Betriebsrat als Gremium eine Durchsetzung der Grundsätze des § 75 BetrVG nicht verlangen. (Rn. 12) (red. LS Alke Kayser)

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

Die Anträge sind zulässig.
Das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren über Streitigkeiten zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern gemäß § 2 a I Nr. 1, II i.V.m. § 80 ff ArbGG. Voraussetzung dabei ist, dass das Betriebsratsmitglied geltend macht, durch eine Handlung oder ein Unterlassen des Betriebsrats in seinen Rechten als Betriebsratsmitglied verletzt zu sein. In Betracht kommt dabei auch, dass der Betriebsrat nicht die nach § 37 VI erforderlichen Entscheidungen trifft, von denen der Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an einer Schulung abhängt (vgl. Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz 15. Auflage, § 37 Rn. 209).
Die Anträge sind jedoch insgesamt unbegründet. Im Einzelnen ist dazu folgendes festzustellen:
1. Der Beteiligte zu 1) macht geltend, dass er auf Grund der Beschlussfassungen des Betriebsrats (Ablehnung der Schulungen) wegen seiner Zugehörigkeit zur verdinahen Liste, bzw. wegen seiner interessenpolitischen Ausrichtung benachteiligt worden sei. Eine solche Benachteiligung ergebe sich laut Beteiligtem zu 1) aus einem Verstoß gegen § 75 BetrVG. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch § 75 im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zwar können Streitigkeiten, ob § 75 BetrVG verletzt ist, durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren entschieden werden. Antragsberechtigt sind in diesem Fall aber nur der Arbeitgeber oder der Betriebsrat als Gremium selbst. Der von einer Verletzung der hier genannten Grundsätze betroffene Arbeitnehmer oder im vorliegenden Fall auch Mitglied des Betriebsrats kann gegen den Betriebsrat als Gremium eine Durchsetzung der Grundsätze des § 75 nicht verlangen.
Dies ergibt sich bereits auch schon aus rein praktischen Erwägungen. Wie der Vertreter des Betriebsrats zu Recht ausgeführt hat, kann das Gremium keinen Einfluss auf die einzelnen Betriebsratsmitglieder nehmen, ob und in welchem Umfang die Mitglieder für eine Schulungsmaßnahme eines einzelnen Betriebsratsmitglieds stimmen. Deswegen ist der Antrag, dem Betriebsrat aufzugeben, den Beteiligten zu 1) nicht wegen seiner interessenpolitischen Ausrichtung zu benachteiligen, nicht vollziehbar, da der Betriebsrat als Gremium nur geschlossen für die Einhaltung von § 75 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber wachen kann, nicht jedoch intern einzelne Mitglieder dazu anhalten kann.
2. Darüber hinaus wäre nach Auffassung der Kammer – selbst wenn man nicht der Rechtsauffassung in 1. folgt – auch eine Verletzung von § 75 BetrVG nicht ausreichend dargelegt. Selbst nach eigenem Vortrag des Beteiligten zu 1) gibt es Schulungen, die sowohl von Mitgliedern des „verdinahen Lagers“ als auch des „nichtverdinahen Lagers“ abgelehnt oder denen zugestimmt worden ist. Eine Tendenz dahingehend, dass sämtlichen Mitgliedern der „verdinahen Liste“ Seminare abgelehnt worden seien, ist nicht ersichtlich.
3. Auch die hilfsweise gestellten Anträge können nicht durchdringen. Der hilfsweise gestellte Antrag, dass der Beteiligte zu 2) durch die Beschlussfassungen des Betriebsrats in seiner Funktion als Mitglied des Betriebsrats benachteiligt worden sei, kann als rechtliche Grundlage auch nur eine Verletzung des § 75 BetrVG zur Grundlage haben. Bezüglich der hier geltenden Grundsätze wird auf die Ausführungen in Ziffer 1 verwiesen. Eine weitere Benachteiligungsnorm, auf die sich der Beteiligte zu 1) stützen könnte, ist für die Kammer hier nicht ersichtlich. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Seminare für das Mitglied des Betriebsrats erforderlich sind oder nicht. Die Durchsetzung von Seminaransprüchen des Betriebsrats sind auf anderem Wege geltend zu machen.
Theoretisch ist natürlich der Antragstellerseite Recht zu geben, dass eine Möglichkeit, einzelnen Betriebsratsmitgliedern Schulungen zu gewähren, die vom Gremium abgelehnt worden sind, rechtlich nicht realisierbar sind. Dies ist jedoch ein Problem des Betriebsratsgremiums.
Auch der hilfshilfsweise gestellte Antrag, dass die Beschlüsse des Betriebsrats zu den Schulungsteilnahmen des Beteiligten zu 1 unwirksam sind, sind nicht begründet. Eine Unwirksamkeit kann sich hier nach Auffassung der Kammer nur aus formellen Gründen ergeben, formelle Mängel in den Beschlüssen des Betriebsrats sind jedoch nicht vorgetragen.
Die Anträge waren daher vollumfänglich zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gemäß § 2 II GKG kostenfrei.
Gegen diesen Beschluss kann der Beteiligte zu 1) Beschwerde zum Landesarbeitsgericht München gemäß nachfolgender Rechtsbehelfsbelehrung einlegen.

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