Arbeitsrecht

Kein eigenes Antragsrecht auf Anpassung der Versorgungsbezüge durch Witwe und andere Hinterbliebene

Aktenzeichen  W 1 K 15.871

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG VersAusglG § 34 Abs. 4, § 37, § 38
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 92 Abs. 3
GG GG Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1, Art. 14, Art. 33 Abs. 5
SGB VI SGB VI § 88 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Den Hinterbliebenen steht kein eigenes Antragsrecht auf Anpassung der Kürzung der Versorgungsbezüge aus §§ 37, 38 VersAusglG zu. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es handelt sich hierbei um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, da die Antragsberechtigung von Hinterbliebenen nach § 9 Abs. 2 S. 1 VAHRG vom 21.2.1983 nicht in die Nachfolgeregelung der §§ 37, 38 VersAusglG aufgenommen wurde. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Antragsrecht der Hinterbliebenen nach §§ 37, 38 VersAusglG ergibt sich auch nicht aus § 34 Abs. 4 VersAusglG, der nur den originären Anspruch des Ausgleichspflichtigen auf Nachzahlung der zu Unrecht vorgenommenen Kürzung des Ruhegehalts erfasst. (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine analoge Anwendung des § 88 Abs. 2 SGB VI scheidet aus, da die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung grundlegend anders ausgestaltete Systeme sind.  (redaktioneller Leitsatz)
5. Die durch §§ 37, 38 VersAusglG gegebenen Eingriffe in Art. 14, Art. 33 Abs. 5 GG sind im Hinblick auf den Schutzbereich von Ehe und Familie sowie Gleichberechtigung von Frau und Mann, Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung in Form von Witwengeld ohne Kürzung der Versorgungsbezüge wegen Versorgungsausgleichs nach Art. 92 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes – BayBeamtVG – in der Fassung vom 5. August 2010 (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
a) Nach Art. 92 Abs. 1 BayBeamtVG werden die Versorgungsbezüge des Ausgleichspflichtigen und seiner Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach Abs. 2 oder 3 berechneten Betrag gekürzt, wenn bei der Durchführung eines Versorgungsausgleichs Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 BGB oder §§ 14 und 16 VersAusglG rechtskräftig begründet oder nach dem Bundesversorgungsteilungsgesetz oder entsprechendem Landesgesetz rechtskräftig übertragen worden sind.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zulasten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, sind mit Rechtskraft des Scheidungsurteils des Amtsgerichts A…, Familiengericht, am 15. Juni 1984 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden. Das Witwengeld nach Art. 31 Nr. 3, 35 BayBeamtVG ist Teil der Hinterbliebenenversorgung und unterliegt damit entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des Art. 92 BayBeamtVG der dort angeordneten Kürzung.
Auch im Übrigen sind hinsichtlich der Berechnung des konkreten Kürzungsbetrages anhand der Vorschrift des Art. 92 Abs. 2, Abs. 3 BayBeamtVG Fehler weder vorgetragen noch ersichtlich.
I.
b) Der vorgenommenen Kürzung steht auch nicht entgegen, dass das Witwengeld nach der hier anwendbaren Übergangsregelung des Art. 105 Abs. 1 BayBeamtVG 60 v. H. des Ruhegehalts, das der Verstorbene erhalten hat, beträgt. Denn das in dieser Höhe ermittelte Witwengeld unterliegt nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 92 Abs. 1, Abs. 3 BayBeamtVG – gleichsam im Anschluss – noch der Kürzung infolge des Versorgungsausgleichs.
I.
c) Die Klägerin kann darüber hinaus nicht mit ihrem Einwand durchdringen, dass ihrem verstorbenen Ehemann mit Bescheid vom 10. November 2010 die ungekürzten Versorgungsbezüge ohne Hinweis auf einen zu berücksichtigenden Versorgungsausgleich bestandskräftig bewilligt worden seien und dieser Bescheid der Berechnung der Hinterbliebenenversorgung zugrunde zu legen sei.
Bereits die Tenorierung des an den Versorgungsurheber gerichteten Bescheides mit dem Wortlaut, „Sie haben ab dem 01.09.2010 Anspruch auf Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG). Die monatlich zustehenden Versorgungsbezüge betragen 2.911,79 EUR (brutto).“, macht nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB analog) hinreichend deutlich, dass der Regelungsgehalt des Bescheides allein das Ruhegehalt des verstorbenen Beamten betrifft und nicht auch eine – zum damaligen Zeitpunkt überdies nur theoretisch im Raum stehende – Hinterbliebenenversorgung. Zusätzlich wird unter den der Tenorierung folgenden „Hinweisen und Bemerkungen“ in eindeutiger Weise auf die gerade in der Person des Herrn H… G… vorliegenden Voraussetzungen nach den §§ 37, 38 VersAusglG für eine Anpassung wegen des Todes der ausgleichsberechtigten Person Bezug genommen. Diese genannten Vorschriften sehen wiederum ausschließlich – wie noch näher ausgeführt werden wird – ein Antragsrecht der ausgleichspflichtigen Person – also des verstorbenen Beamten – zugunsten seines eigenen Ruhegehaltes vor. Eine Maßgeblichkeit des Bescheides vom 10. November 2010 für die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin ist daher nicht gegeben. Zudem enthält Art. 92 Abs. 3 BayBeamtVG eine eigenständige Kürzungsvorschrift für das Witwengeld, welche nicht von der Vornahme einer Kürzung beim verstorbenen Beamten abhängig ist.
I.
d) Allein der Umstand, dass zugunsten des verstorbenen Ehemanns der Klägerin wegen Vorversterbens dessen geschiedener Ehefrau von einer Kürzung der Versorgung abgesehen worden ist (sog. Rückausgleich), rechtfertigt nicht den Schluss, dass bei der Klägerin entsprechend verfahren werden müsste. Vielmehr könnte eine Kürzung ihrer Hinterbliebenenversorgung nur dann unterbleiben, wenn in ihrer Person ebenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Absehen von der Kürzung nach dem Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG – in der Fassung vom 03. April 2009 erfüllt wären. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VersAusglG wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist und diese aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate Versorgung bezogen hat. Antragsberechtigt ist nach dem eindeutigen und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut des § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG jedoch nur die ausgleichspflichtige Person, also der verstorbene Beamte, nicht jedoch die Klägerin als Hinterbliebene, zumal auch in § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG nur vom „Anrecht der ausgleichspflichtigen Person“ die Rede ist, hinsichtlich dessen eine Kürzung ausgesetzt werden kann. Hierunter ist allein das Ruhegehalt des verstorbenen Beamten, nicht aber die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin zu verstehen (vgl. BSG, U.v. 24.4.2014 – B 13 R 25/12; VG Düsseldorf, U.v. 25.9.2014 – 23 K 803/14).
Soweit der verstorbene Beamte zu Lebzeiten den Rückausgleich erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag und der daraufhin erfolgte Rückausgleich nur auf sein eigenes Ruhegehalt, nicht jedoch auf die künftige Hinterbliebenenversorgung seiner Angehörigen beziehen (BSG, U.v. 20.3.2013 – B 5 R 2/12 R). Auch aus § 34 Abs. 4 VersAusglG, dessen entsprechende Anwendung § 38 Abs. 2 VersAusglG anordnet, ergibt sich nichts Abweichendes. Gemäß § 34 Abs. 4 VersAusglG geht ein Anspruch (des Ausgleichspflichtigen) auf Anpassung auf die Erben über. Diese Vorschrift trifft jedoch allein eine Regelung für den Zeitraum zwischen dem Monatsersten des auf die Antragstellung folgenden Monats (§ 38 Abs. 2 i.V.m § 34 Abs. 3 VersAusglG) und dem Eintritt des Todesfalls des Ausgleichspflichtigen. Wenn also der Ausgleichspflichtige zu Lebzeiten einen (in der Sache begründeten) Antrag auf Rückausgleich gestellt hatte, so geht der Anspruch auf Anpassung des Ruhegehalts bis zum Todesfall, mithin auf Nachzahlung der zu Unrecht vorgenommenen Kürzung des Ruhegehaltes, auf die Erben über (vgl. Gutdeutsch, Beck´scher Online- Kommentar BGB, § 34 VersAusglG, Rn. 6). Für nach dem Todesfall des Ausgleichspflichtigen liegende Zeiträume schließen – wie dargelegt – die §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG einen Rückausgleich zugunsten der Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen aus.
I.
e) Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 9 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich – VAHRG – vom 21. Februar 1983 berufen, wonach auch Hinterbliebenen, soweit sie belastet waren, eine Antragsberechtigung zum Rückausgleich zustand. Das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich ist nämlich mit Ablauf des 31. August 2009 außer Kraft getreten (Art. 23 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs – VAStrRefG – vom 3.4.2009) und durch das Versorgungsausgleichsgesetz ersetzt worden. Letzteres ist auch auf die vor diesem Zeitpunkt vollzogenen Versorgungsausgleiche anzuwenden. Nach der Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG ist das bis zum 31.08.2009 geltende Recht nur anzuwenden, wenn das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde und an diesem Tag noch nicht beendet war. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall, da das Versorgungsausgleichsverfahren bereits mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils des Amtsgerichts A… am 15. Juni 1984 beendet war. Darüber hinaus ist nach der Übergangsvorschrift des § 49 VersAusglG für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1.9.2009 einging, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind für Sterbefälle nach dem 31.8.2009 aber von vornherein nicht erfüllt, weil Hinterbliebene den Rückausgleich erst wirksam beantragen können, wenn ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung durch den Tod des Beamten zum Vollrecht gegenüber dem Versorgungsträger erstarkt ist (vgl. BSG, U.v. 20.3.2013 – B 5 R 2/12 R – juris).
Nach alledem steht der Klägerin ein Antragsrecht, von der Kürzung ihrer Hinterbliebenenversorgung abzusehen, nach derzeit geltendem Recht nicht zu. Dieser Beschränkung liegt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum VAStrRefG wird in Bezug auf §§ 37, 38 VersAusglG ausgeführt (BT- Drs. 16/10144, S. 75 f.):
„Satz 2 entspricht teilweise § 9 Abs. 2 VAHRG und regelt die Antragsberechtigung des überlebenden ausgleichspflichtigen Ehegatten. Die Hinterbliebenen sind im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 VAHRG nicht mehr antragsberechtigt. Auf die Begründung zu § 37 VersAusglG wird verwiesen.“
Zu § 37 VersAusglG wird erläutert:
„Anders als in § 4 Abs. 1 VAHRG ist aber ein Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung. Die Witwe oder der Witwer der ausgleichspflichtigen Person konnte und musste damit rechnen, dass die (Hinterbliebenen-)Versorgung der ausgleichspflichtigen Person um den für den Versorgungsausgleich abgezogenen Betrag reduziert war.“
Auch kann § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden, wonach dann, wenn der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt, letzterer mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BSG, U.v. 24.4.2014 – B 13 R 25/13 – juris; BSG, U.v. 20.3.2013 – B 5 R 2/12 R—juris). Eine – auch nur analoge – Heranziehung der genannten Vorschrift scheitert bereits daran, dass diese ausschließlich für das insoweit grundlegend anders als die Beamtenversorgung ausgestaltete System der gesetzlichen Rentenversicherung gilt; von vergleichbaren Sachverhalten kann daher nicht ausgegangen werden. Eine Entsprechung weist das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz nicht auf.
II.
Diese auf Basis der geltenden einfachgesetzlichen Rechtslage beruhende Ablehnung des klägerseitig geltend gemachten Anspruchs verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Die im Streitfall maßgeblichen Vorschriften, insbesondere §§ 37, 38 VersAusglG sowie Art. 92 BayBeamtVG, sind verfassungsgemäß.
Das System des Versorgungsausgleichs, also des hälftigen Ausgleichs der während der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanwartschaften, wird in ständiger Rechtsprechung des BVerfG als vereinbar mit Art. 14 und 33 Abs. 5 GG, der das Alimentationsprinzip verfassungsrechtlich absichert, angesehen. Die in diesem Rahmen vorgenommenen Eingriffe in Art. 14 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG sind aufgrund des besonderen Schutzes von Ehe und Familie sowie der Gleichbehandlung von Mann und Frau nach Art. 6 Abs. 1 und 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt (BVerfG, U.v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77; BVerfG, U.v. 5.7.1989 – 1 BvL 11/87; BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12).
Dies gilt auch dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte verstorben ist, ohne Renten- oder Versorgungsleistungen erhalten zu haben. Der Grund hierfür liegt in dem gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Institut der Ehe, das auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfaltet. Mit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird das individuelle Risiko des frühen Versterbens endgültig und dauerhaft auf beide Ehegatten verteilt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis für eine Härtefallregelung. Denn die aufgeteilten Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften unterliegen mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch eigentums- bzw. beamtenrechtlich verschiedenen Schicksalen. Der Zweck des Versorgungsausgleichs wird hierdurch nicht verfehlt (BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12, 1 BvL 1145/13 – BVerfGE 136, 152, Rn. 40 ff., sowie für die Versorgung der Soldaten: BVerfG, B.v. 11.12.2014 – 1 BvR 1485/12 – NJW 2015, 686 Rn. 20).
Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs setzt sich das versicherungstypische Risiko statistisch unterdurchschnittlicher Leistungen zwangsläufig in beiden Hälften des geteilten Anrechts auf je eigene Weise fort. Erhält die ausgleichsberechtigte Person aufgrund ihres konkreten Versicherungsverlaufs im statistischen Vergleich weniger Leistungen aus dem übertragenen Anrecht, realisiert sich darin das typische Versicherungsrisiko allein der ausgleichsberechtigten Person. Für die ausgleichspflichtige Person ist dies ohne Bedeutung. Denn die im Versorgungsausgleich zwischen den Geschiedenen geteilten Versorgungsanrechte sind ab der Teilung voneinander unabhängig. Während der Ehe steht jedes Anrecht einem Ehepartner formal ungeteilt zu und folgt einem einheitlichen Versicherungsverlauf, der sich im Wesentlichen am Inhaber des Anrechts ausrichtet. Durch den Versorgungsausgleich werden die einzelnen ehezeitlich erworbenen Rechte zwischen den geschiedenen Ehegatten in zwei Hälften geteilt, die den beiden je eigenen Versicherungsschutz vermitteln. Dabei entstehen zwei selbstständige Versicherungsverhältnisse, so dass die rentenrechtlichen Schicksale der geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unabhängig voneinander zu sehen sind
Vor diesem Hintergrund ist es nicht als von Verfassungs wegen korrekturbedürftige Zweckverfehlung des Versorgungsausgleichs anzusehen, wenn im Falle des sogenannten Vorversterbens der von der ausgleichspflichtigen Person prinzipiell hinzunehmenden Kürzung aufgrund des individuellen Versicherungsschicksals der ausgleichsberechtigten Person eine betragsmäßig geringere Leistung an diese entspricht (vgl. BVerfGE 80, 297, 312).
Die auf die Hälfte ihres zu Ehezeiten begründeten Anrechts verwiesene ausgleichspflichtige Person erbringt auch nicht etwa ein Opfer, das im Einzelfall in Gestalt tatsächlich erbrachter Versorgungsleistungen dem geschiedenen Ehegatten zugute kommen müsste, ansonsten aber seine Rechtfertigung verlöre. Als Opfer ist die versorgungsausgleichbedingte Kürzung bei der ausgleichspflichtigen Person deshalb nicht anzusehen, weil mit der Teilung lediglich die seit Ehebeginn angelegte materielle Zuordnung der Anrechte auch rechtstechnisch nachvollzogen wird. Der ausgleichspflichtigen Person wird rechtlich das Anrecht in der Höhe zugewiesen, in der es ihr der Sache nach schon zuvor zustand. Die eigentumsrechtliche Position der ausgleichspflichtigen Person war von vornherein durch die Ehe mitbestimmt und gebunden (BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12 – juris Rn. 48 ff.)
Unter Zugrundelegung vorstehender Überlegungen hat das Bundesverfassungsgericht seine frühere anderweitige Einschätzung (vgl. BVerfG, U.v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77 – BVerfGE 53, 257, 302), wonach für Fälle des bezugslosen Vorversterbens der ausgleichsberechtigten Person eine Härtefallregelung erforderlich war, ausdrücklich revidiert und zur Erläuterung angeführt, dass das Gericht die seinerzeit stark umstrittene Reform des Eherechts einschließlich der Einführung des Versorgungsausgleichs mit der Anmahnung einer Härtefallregelung abmildern wollte, um so deren Akzeptanz zu stärken (BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12, 1 BvL 1145/13 – BVerfGE 136, 152 Rn. 52). Die Regelungen der Art. 14 Abs. 1 GG und 33 Abs. 5 GG verlangen eine solche Härtefallregelung jedenfalls nicht (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12 – juris Rn. 56; BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 48.13 – juris Rn. 20; LSG Essen, U.v. 11.6.2013 – L 18 KN 160/12 – juris Rn. 28 ff.; LSG München, U.v. 13.11.2013 – L 13 R 316/13 – juris Rn. 34 ff.).
Selbst wenn man aber – worauf es hier nicht entscheidungserheblich ankommt – mit der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts annehmen würde, dass die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 14, 33 Abs. 5 GG durch Art. 6 Abs. 1, 3 Abs. 2 GG dann entfiele, wenn beim Verpflichteten einerseits eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbstständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (vgl. BVerfG, U.v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77 – juris Rn. 173), so würde es vorliegend doch zumindest an einer Kürzung der Ansprüche beim „Verpflichteten“ fehlen, da dies allein der – hier verstorbene – Beamte selbst ist (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 25.9.2014 – 23 K 803/14 – juris).
Nachdem der Gesetzgeber – wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt – von Verfassungs wegen nicht verpflichtet war, eine Antragsberechtigung für einen Rückausgleich für Hinterbliebene zu schaffen, war er folgerichtig auch nicht daran gehindert, die in § 9 Abs. 2 Satz 1 VAHRG einstmals enthaltene diesbezügliche Antragsberechtigung mit der Einführung des § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG wieder abzuschaffen. Hierin liegt schließlich auch kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot oder Vertrauensschutzgesichtspunkte als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 GG (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 48.13 – juris; VGH Baden- Württemberg, U.v. 3.12.2013 – 4 S 221/13 – juris). Denn der Schutz des Vertrauens in den Bestand des alten Rechts endet in jedem Falle mit dem Beschluss des neuen Rechts (BVerfG, B.v. 15.10.1996 – 1 BvL 44, 48/92 – BVerfGE 95, 64, m. w. N.). Nachdem der neue § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG, der keine Antragsberechtigung für die Klägerin mehr vorsah, bereits am 1. September 2009 und damit mehr als fünfeinhalb Jahre vor dem Tod des Herrn H… G… in Kraft getreten ist, konnte sich ein relevantes Vertrauen der Klägerin überhaupt nicht erst bilden, was im hiesigen Streitfall allerdings auch nicht vorgetragen worden ist.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die Klägerin als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg, Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg, schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.276,96 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg, Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

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