Aktenzeichen M 19L DB 17.2139
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Ohne Nachweis einer Dienstpflicht kann ein Verstoß gegen die Anzeige- und Mitwirkungspflicht im Krankheitsfall einem Beamten nicht zur Last gelegt werden. (Rn. 18 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 12. April 2017 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
Gründe
Die Klage hat Erfolg. Die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 12. April 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (Art. 3 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG – i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Beklagte legt in der Disziplinarverfügung zugrunde, dass der Kläger am 5. Dezember 2014 ab 7:00 Uhr zum Dienst auf der Feuerwache * eingeteilt gewesen sei. Nachdem sie die Attestierung von Herrn Dr. B* … vom 5. Dezember 2014 als nicht widerlegbar ansieht und folglich von einer Dienstunfähigkeit des Klägers am 5. Dezember 2014 ausgeht, stützt sie den Verweis nur noch auf den Vorwurf, der Kläger habe gegen seine Anzeige- und Mitwirkungspflicht verstoßen, indem er sich an diesem Tag zum einen erst nach Erinnerung durch den Wachführer und zum anderen nicht bereits bei Dienstbeginn um 7:00 Uhr, sondern erst um 7:45 Uhr krank gemeldet habe.
Der dem Kläger zur Last gelegte Verstoß gegen seine Anzeige- und Mitwirkungspflicht steht nicht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts fest. Die für die Überzeugungsbildung des Gerichts notwendige Gewissheit erfordert dabei ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen, wobei die bloße Möglichkeit eines anderen, gegebenenfalls auch gegenteiligen Geschehensablaufs die erforderliche Gewissheit nicht ausschließt (BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.2483 – juris Rn. 57). Im vorliegenden Fall ist das Gericht nach Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der Aussagen der in der mündlichen Verhandlung gehörten Zeugen bereits nicht davon überzeugt, dass der Kläger am 5. Dezember 2014 tatsächlich Dienst auf der Feuerwache 3 hatte. Mangels Dienstpflicht kann ihm daher ein Verstoß gegen seine Anzeige- und Mitwirkungspflicht im Krankheitsfall nicht zur Last gelegt werden.
1. Der vom Wachabteilungsführer unterzeichnete und von diesem gestempelte Dienstplan für Dezember 2014, dem sich die Dienstpflicht des Klägers für den 5. Dezember 2014 zweifelsfrei entnehmen lässt, liegt nicht vor. Insoweit haben seine Aussage und die Aussagen der Zeugen D* …, H* … und S* … in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ergeben, dass ein Beamter bei der Feuerwache * seine Dienstpflicht zweifelsfrei nur aus dem Dienstplan ersehen kann, der – mit Stempel und Unterschrift des Wachabteilungsführers versehen – am 15. eines Vormonats für den Folgemonat am Schwarzen Brett vor dessen Büro ausgehängt wird. Gerade die genannten Zeugen haben betont, dass sich ein Mitarbeiter uneingeschränkt darauf verlassen kann, dass er an den im Dienstplan eingetragenen Tagen Dienst oder aber frei hat. Die Beklagte hat den unterzeichneten und gestempelten Dienstplan jedoch im Verfahren nicht vorgelegt, sondern vielmehr vorgetragen, dass dieser entsorgt worden sei.
2. Auch eine Änderung des Dienstplans nach seinem Aushang und die Einteilung des Klägers zu einem darin nicht enthaltenen Verfügungsdienst hat nicht stattgefunden. Insoweit haben der Kläger und die genannten Zeugen bekundet, dass ein Beamter zu zusätzlichen Wachdiensten an den im ausgehängten Dienstplan ursprünglich als frei ausgewiesenen Tagen nur nach vorheriger Rückfrage durch die Dienststelle eingeteilt werden kann. Der Zeuge H* … hat dies so formuliert, dass die Dienststelle für den Fall, dass sie einen Mitarbeiter zu einem zusätzlichen Dienst einteilen will, „in der Bringschuld“ ist, was heißt, dass sie den Mitarbeiter kontaktieren und fragen muss, ob er Dienst leistet. Dass eine solche nachträgliche Änderung des Dienstplans für den Kläger und den 5. Dezember 2014 vorgenommen wurde, hat aber weder die Beklagte selbst vorgetragen noch ergeben sich hierfür Anhaltspunkte aus der vorgelegten Disziplinarakte oder den Zeugenaussagen.
3. Die von der Beklagten vorgelegten Computerausdrucke belegen eine Dienstpflicht des Klägers am 5. Dezember 2014 nicht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts.
Aus der „Maskenansicht S* …“ (BA Bl. 157), die das Datum „30.06.2016“ trägt und für den 5. Dezember 2014 „WD“ ausweist, lässt sich die Dienstverpflichtung des Klägers ebenso wenig entnehmen wie aus der „Mitarbeiterübersicht“ für den „Mitarbeiter S* … von 01.12.2014 bis 30.12.2014“ (BA Bl. 159), nach der am 5. Dezember 2014 von 7.30 Uhr an „WD WDienst“ eingetragen ist und die außerdem den Protokollvermerk „Letzte Änderung“ am „27.11.2014“ trägt. Das nach der Lebenserfahrung ausreichende Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht aufkommen (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.2483 – juris Rn. 57), ist hier aufgrund von zwei Umständen zu verneinen.
Zum einen kann die Möglichkeit eines Übertragungsfehlers nicht ausgeschlossen werden. Insoweit hat der Zeuge D* …, der nach seinem Bekunden im Jahr 2014 selbst Jahres- und Monatsplaner und damit einer derjenigen war, die den am 15. eines Vormonats ausgehängten Dienstplan erstellt haben, in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Daten des ausgehängten Dienstplans jeweils nachträglich manuell in das am Computer geführte Dienstplanmodul übertragen wurden. Er gab zu, dass bei dieser Übertragungstätigkeit Fehler nicht ausgeschlossen werden können. Weiter führte er aus, es sei so häufig vorgekommen, dass von der Dienststelle eine Einteilung zum Dienst angenommen worden sei, die nicht mit dem ausgehängten Dienstplan übereingestimmt habe, dass einige Mitarbeiter dazu übergegangen seien, den Dienstplan abzufotografieren.
Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die als Ausdruck vorgelegten Dienstplanmasken nach Aushang des verbindlichen Dienstplans am 15. November 2014 geändert wurden. Die „Maskenansicht“ (BA Bl. 157) wurde nach dem ausdrücklichen Aufdruck dort erst am „30.06.2016“ erstellt, so dass es möglich erscheint, dass bis zum Erstellungsdatum noch Änderungen vorgenommen wurden. Die „Mitarbeiterübersicht“ (BA Bl. 159) wurde nach dem ebenfalls ausdrücklichen Protokollvermerk zuletzt am „27.11.2014“ geändert, ohne dass nachvollzogen werden kann, welche Änderung für welches Datum vorgenommen wurde, so dass es ebenfalls möglich erscheint, dass die vorgenommene Änderung den Dienst am 5. Dezember 2014 betrifft. Nach der Aussage des Zeugen H* … ist eine computermäßige Veränderung der Einträge solange möglich, bis ein Dienstplan „geschlossen“ wird. Auch nach der Aussage des Zeugen S* … kann die Dienstplanmaske jederzeit geändert werden; die letzte Änderung wird protokolliert. Die Zeugen D* …, H* … und S* … haben deshalb übereinstimmend bekundet, dass sie aus den Ausdrucken auf Blatt 157 und 159 der Behördenakte nicht mit Sicherheit ersehen können, dass der Kläger an den dort ausgewiesenen Tagen tatsächlich Dienst hatte.
Aufgrund dieser ungewissen Tatsachengrundlage geht das Gericht nicht von einer Dienstpflicht des Klägers am 5. Dezember 2014 aus. Auf die weiteren Umstände seiner Krankmeldung am 4. und/oder 5. Dezember 2014 kommt es daher nicht an.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen.