Aktenzeichen M 15 K 16.3981
Leitsatz
1 Ein wichtiger Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 1 BAföG für einen Fachrichtungswechsel ist nur gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann. Anerkennenswerte Gründe in diesem Sinne sind der Eignungsmangel und der Neigungswandel oder bei einer sog. Numerus-Clausus-Ausbildung uU auch der Wechsel von einem Parkstudium zu dem Wunschstudium. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der wichtige Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 1 BAföG muss sich stets auf die Aufgabe der bisherigen Ausbildung beziehen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Interessenabwägung spielt es eine wichtige Rolle, ob der Auszubildende selbst die vom Gesetz vorausgesetzte Obliegenheit zur verantwortungsbewussten, vorausschauenden und umsichtigen Planung sowie zur zügigen, zielstrebigen Durchführung seiner Ausbildung ausreichend erfüllt hat. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Wechsel von einem Parkstudium zum Wunschstudium bei einer sog. Numerus-Clausus-Ausbildung kann nicht auf den Fall der Nichtzulassung eines Auszubildenden wegen des Fehlens persönlicher Qualifikationsmerkmale übertragen werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für ihr Studium der Darstellenden Kunst in G. Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Niederbayern vom 28. Juli 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Wechsel der Klägerin vom Studium der Geschichte an der Universität L. zum Studiengang der Darstellenden Kunst an der Kunst-Uni G. stellt einen Fachrichtungswechsel im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 und Satz 3 BAföG dar.
Voraussetzung für die Gewährung von Ausbildungsförderung nach einem Fachrichtungswechsel ist bis zum Beginn des 4. Semesters (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG) das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 1 BAföG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel nur gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 12.2.1976 – V C 86.74 – BVerwGE 50, 161; BayVGH, B.v. 13.3.2012 – 12 CE 11.2829 – juris). Anerkennenswerte Gründe in diesem Sinne sind der Eignungsmangel und der Neigungswandel oder bei einer sog. Numerus-Clausus-Ausbildung u.U. auch der Wechsel von einem Parkstudium zu dem Wunschstudium.
Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG wird zwar bei einem erstmaligen Fachrichtungswechsel in der Regel vermutet, dass die Voraussetzungen für einen wichtigen Grund erfüllt sind; bei Auszubildenden an Hochschulen gilt dies nur, wenn der Wechsel bis zum Beginn des 3. Fachsemesters erfolgt. Diese Regelvermutung greift im vorliegenden Fall allerdings nicht ein. Dabei kann offenbleiben, ob auf die hier vorliegende Konstellation § 5a Satz 1 BAföG dergestalt anzuwenden ist, dass der erste Fachrichtungswechsel der Klägerin von ihrem Studium der Theater-, Film und Medienwissenschaften in W. zum Studium der Geschichte in L. unberücksichtigt bleibt und es sich damit bei ihrem Fachrichtungswechsel vom Studium der Geschichte in L. zum Studium der Darstellenden Kunst in G. um einen erstmaligen Fachrichtungswechsel im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG handelt. Denn im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass bei der Leistung von Ausbildungsförderung für die hier streitgegenständlichen Ausbildung in G. – also im Ausland – § 5a Satz 1 BAföG dergestalt anzuwenden wäre, dass der Wechsel der Klägerin vom Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität W. zum Studium der Geschichte an der Universität L. unberücksichtigt bliebe und es sich damit bei dem Wechsel vom Studium der Geschichte in L. zum Studium der Darstellenden Kunst in G. um einen erstmaligen Fachrichtungswechsel nach dem zweiten Semester handelte, wäre die Regelvermutung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG durch die eigene Fachrichtungswechselbegründung der Klägerin widerlegt.
Der wichtige Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 1 BAföG muss sich stets auf die Aufgabe der bisherigen Ausbildung beziehen; deshalb kann sich – beispielsweise aus der Einrichtung eines neuen Studienfachs allein – kein wichtiger Grund für einen Wechsel zu diesem ergeben (Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 132 m.w.N.). Bei der Interessenabwägung spielt es eine wichtige Rolle, ob der Auszubildende selbst die vom Gesetz vorausgesetzte Obliegenheit zur verantwortungsbewussten, vorausschauenden und umsichtigen Planung sowie zur zügigen, zielstrebigen Durchführung seiner Ausbildung ausreichend erfüllt hat. Deshalb kann ein wichtiger Grund regelmäßig dann nicht mehr anerkannt werden, wenn der Auszubildende die Ausbildung in der aufgegebenen Fachrichtung in Kenntnis dieses Grundes aufgenommen hat oder wenn es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, die gegen die zunächst gewählte Fachrichtung sprechenden Gründe bereits zu Beginn der Ausbildung zu erkennen und ihnen zu begegnen (Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 7 Rn. 134 m.w.N.).
So liegt der Fall aber hier. In ihrer Fachrichtungswechselbegründung bringt die Klägerin unzweifelhaft zum Ausdruck, dass sie seit dem Bestehen ihres Abiturs alles daran gesetzt hat, sich ihren Traum vom Schauspielstudium zu erfüllen. Sie hat sich seitdem an zahlreichen Kunst-Universitäten beworben und nach dem Vorsprechen jeweils Absagen erhalten. Da sie ihre Chancen auf eine Ausbildung in ihrem Traumberuf bereits etwas habe schwinden sehen, habe sie sich entschieden, ab Oktober 2014 das Studium der Geschichte an der Universität L. aufzunehmen, da auch dies schon länger zu ihren Interessengebieten gehört habe. Dennoch habe sie die Schauspielerei nicht als reines Hobby betrachten können und beschlossen, auch in jenem Jahr weiterhin an Zulassungsprüfungen für das Schauspiel teilzunehmen. Sie habe sich insgesamt an acht Universitäten für den Studiengang Schauspiel beworben. Damit hat die Klägerin aber das Studium der Geschichte aufgenommen, obwohl ihr bewusst war, dass sie seit ihrem Abitur das Studium der Darstellenden Kunst angestrebt und sich für dieses durchgehend an zahlreichen Universitäten beworben hat. Auch während ihres Studiums der Geschichte hat sie sich an insgesamt acht Universitäten beworben, um einen Studienplatz in ihrem Wunschstudium zu erhalten. Dass sie dennoch das Studium der Geschichte aufgenommen hat, widerspricht der Obliegenheit zur verantwortungsbewussten, vorausschauenden und umsichtigen Planung sowie sparsamen Verwendung der für die Ausbildungsförderung zur Verfügung stehenden Mittel. Denn die Klägerin hat einen Studienplatz in Anspruch genommen und Ausbildungsförderung für ein Studium bezogen, das von vorneherein nur der Überbrückung der Zeit bis zur Zulassung zu ihrem Wunschstudium gedient hat.
Ein wichtiger Grund für diesen Fachrichtungswechsel kann auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Wechsel von einem Parkstudium zum Wunschstudium bei einer sog. „Numerus-Clausus-Ausbildung“ hergeleitet werden. Denn die Nichtzulassung eines Auszubildenden zu seinem Wunschstudium wegen des Fehlens persönlicher Qualifikationsmerkmale – beispielsweise der besonderen künstlerischen Befähigung für ein Kunststudium – kann nicht dem Fall gleichgesetzt werden, dass der Auszubildende sein Wunschstudium wegen objektiver hochschulrechtlicher Zulassungsbeschränkungen nicht früher hat beginnen können (BVerwG, B.v. 17.8.1992 – 11 B 7/92, Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 104; Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 7 Rn. 148). Die Anerkennung eines wichtigen Grundes in Fällen, in denen der Auszubildende sein Wunschstudium wegen hochschulrechtlicher Zulassungsbeschränkungen nicht sofort hat aufnehmen können, beruht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich darauf, dass die Zahl der aktuell konkurrierenden Mitbewerber des Auszubildenden und das Maß der jeweils verfügbaren Ausbildungskapazität – sich verändernde – Umstände sind, die von dem Auszubildenden nicht zu vertreten sind, und sich deshalb bei der Anwendung des § 7 Abs. 3 BAföG nicht allein zu seinen Lasten auswirken dürfen. Für die persönlichen Qualifikationsmerkmale des Auszubildenden kann dies jedoch nicht gelten (BVerwG, B.v. 17.8.1992, a.a.O.). Zu diesen subjektiven Merkmalen ist auch der in einer Aufnahmeprüfung zu erbringende Nachweis einer besonderen künstlerischen Befähigung zu rechnen, wie er gemäß § 27 Hochschulrahmengesetz in Verbindung mit landesrechtlichen Regelungen – in Bayern beispielsweise Art. 44 Abs. 2 BayHochschulG – verlangt wird. Auch für das Studium der Darstellenden Kunst an der Kunst-Uni G., das die Klägerin zum Wintersemester 2015/2016 aufgenommen hat, ist die bestandene Zulassungsprüfung, die unter anderem aus einem Vorspiel von drei selbsterarbeiteten Rollenausschnitten aus Theatertexten und einer spontan zu lösenden Improvisationsaufgabe besteht, Voraussetzung für die Zulassung (vgl. www.kug.ac.at/studium-weiterbildung/studium/ordentliche-studien-alphabetisch/darstellende-kunst-schauspiel.html). Da das Bestehen der Zulassungsprüfung für die Aufnahme eines künstlerischen Studiums nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 17.8.1992 – a.a.O.) als subjektives Qualifikationsmerkmal anzusehen ist, kann die Nichterfüllung dieses Merkmals – anders als das Vorliegen und der spätere Wegfall objektiver Zugangshindernisse – der Klägerin nicht zur Anerkennung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG verhelfen. Damit wäre, auch wenn der erste Fachrichtungswechsel gemäß § 5a Satz 1 BAföG unberücksichtigt bliebe, die Vermutung des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG widerlegt.
Wenn man davon ausginge, dass § 5a Satz 1 BAföG auf die vorliegende Konstellation keine Anwendung findet, da es sich bei dem hier streitgegenständlichen Studium der Klägerin nicht um eine Ausbildung im Inland, sondern im Ausland (Österreich) handelt, würde es der Klägerin zumindest für ihren dann zweiten Fachrichtungswechsel vom Studiengang Geschichte zum Studienfach Darstellende Kunst an einem wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 1 BAföG fehlen. Anhaltspunkte für sonstige wichtige Gründe im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG sind nicht ersichtlich, insbesondere gibt es nach dem Vortrag der Klägerin auch keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Eignungsmangels für das Studium der Geschichte.
Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für ihr Studium der Darstellenden Kunst in G..
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.