Aktenzeichen RO 1 K 15.2046
Leitsatz
1. Erteilt der Dienstherr dem Beamten eine unzutreffende Auskunft über die zu erwartende Höhe seiner Pension im Falle einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand, steht dem Beamten nach seiner vorzeitigen Pensionierung kein Anspruch auf Schadensersatz durch Zahlung eines monatlichen Differenzbetrages zu, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, den Eintritt eines Schadens mit allen ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Mitteln zu verhindern, indem er ein Angebot des Dienstherrn, die Versetzung in den Ruhestand zurückzunehmen, abgelehnt hat. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn der Beamte im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Versetzung in den Ruhestand schon gewisse Dispositionen (Abschiedsfeier, Einarbeitung des Nachfolgers etc.) getroffen hat, bleibt ihm die – hier vom Dienstherrn angebotene – Fortsetzung seiner dienstlichen Tätigkeit zumutbar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch, die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 22.10.2015 zu verpflichten, den Kläger mit Wirkung ab dem 1.4.2014 im Wege des Schadensersatzes durch Zahlung eines monatlichen Differenzbetrages so zu stellen, als stünden ihm Versorgungsbezüge nach der BesGr A 9 Stufe 10 ohne einen Versorgungsabschlag zu (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid vom 18.3.2014 wurden die Versorgungsbezüge des Klägers mit einem Versorgungsabschlag gem. Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG in Höhe von 111,50 EUR (4,79 v.H. für die Zeit ab 1.4.2014) zutreffend festgesetzt (vgl. insoweit VG Regensburg, U.v. 24.6.2015, RO 1 K 14.1071).
Seinen Anspruch kann der Kläger nicht unmittelbar auf die ihm erteilte Auskunft des Beklagten vom 11.12.2012 stützen. Denn nach der ausdrücklichen, den Grundsatz der gesetzlich geregelten Versorgung der Beamten des Art. 3 Abs. 1 BayBeamtVG, einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums bestätigenden Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 BayBeamtVG sind selbst (einseitig bindende) Zusicherungen, höhere Versorgungsbezüge als gesetzlich vorgesehen zu zahlen, unwirksam. Dies muss erst recht auch für (aus Gründen des Vertrauensschutzes den Zusicherungen nahe kommende) bindende Auskünfte gelten. Unter diesen Umständen kann die Frage letztlich dahin stehen, worauf sich der Unverbindlichkeitsvermerk des Beklagten im Einzelnen bezieht, ob dieser allein die künftigen Änderungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erfassen soll oder auch Rechtsanwendungs- und Rechenfehler einschließt. Im Hinblick auf die strikte Gesetzesbindung der Beamtenversorgung (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG) spricht vieles dafür, dass der Hinweis auf die Unverbindlichkeit ohne Einschränkung gilt (so auch VG Ansbach, U.v. 30.11.2010, AN 1 K 09.01731, Rn. 39 zur insoweit gleichlautenden Regelung in § 3 Abs. 1 und 2 BeamtVG). Die geltend gemachte Erhöhung seiner Versorgungsbezüge ohne einen Versorgungsabschlag nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG in Höhe von 111,50 EUR (4,79 v.H. für die Zeit ab 1.4.2014) steht dem Kläger nicht zu, da er zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung eine Dienstzeit von 45 Jahren nach Art. 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG noch nicht erreicht hat (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.6.2015, RO 1 K 14.1071).
Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger auch nicht im Wege der Naturalrestitution oder des Geldersatzes infolge Schadenersatzes wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht (vgl. § 45 BeamtStG) durch den Beklagten zu. Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Dienstherrn bzw. seiner Organe oder Amtswalter, welches adäquat kausal zu einem Schaden beim Beamten geführt hat, wobei eine Ersatzpflicht nicht eintritt, wenn dieser es schuldhaft unterlassen hat, den Eintritt eines Schadens mit allen ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Mitteln zu verhindern (Reich, BeamtStG, 2. Aufl. 2012, § 45 Rn. 2; Conrad in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Oktober 2013, § 45 BeamtStG, § 45 Rn. 46 ff).
Hierzu haben bereits die Bayerischen Verwaltungsgerichte München (U.v. 17.2.2004, M 5 K 02.4284 und U.v. 15.1.2002, M 5 K 00.5747 unter Bezugnahme auf Stegmüller / Schmalhofer / Bauer, BeamtVG, § 3, RN 2, Erl. 1.1, 1.2) sowie Ansbach (U.v. 30.11.2010, AN 1 K 09.01731) zutreffend ausgeführt, dass durch die Herstellung des Zustandes, der bestünde, wenn die (nach Ansicht des Klägers) zum Schadensersatz verpflichtende Fürsorgepflichtverletzung nicht geschehen wäre, die zwingende gesetzliche Regelung des § 3 Abs. 1 und 2 BeamtVG bzw. hier Art. 3 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG unterlaufen werden würde.
Die erkennende Kammer teilt die Rechtsauffassung der Verwaltungsgerichte München und Ansbach (VG Ansbach, U.v. 30.11.2010, AN 1 K 09.01731, Rn. 41; VG München, U.v. 17.2.2004, M 5 K 02.4284, Rn. 30 ff.), die maßgeblich auf Sinn und Zweck des Art. 3 BayBeamtVG abstellt, wonach die Beamtenversorgung nur durch den Gesetzgeber erfolgen soll und als öffentliches Recht jeglicher individueller Vereinbarung entzogen wird. Könnte eine höhere Versorgung durch beliebige Vereinbarung erzielt werden, wäre die gesetzliche Regelung nur als Mindestregelung aufzufassen, was indes mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nicht vereinbar wäre. Die Vorschrift des Art. 3 BayBeamtVG ist nach ihrer Zweckbestimmung weit auszulegen und erfasst im Zweifel sämtliche Manipulationen, die – unter Ausnutzung der Gestaltungsformen des Rechts – dem missbilligten Zweck einer höheren Versorgung dienen.
Ein Anspruch auf Naturalrestitution dispensiert nicht von zwingenden Vorschriften des Beamtenrechts (vgl. Weiss / Niedermaier / Summer / Zängl, BayBG, § 45 BeamtStG, Rn. 66). Aus diesen Gründen kommt auch eine Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Geldersatz nicht in Betracht. Als Generalklausel kann § 45 BeamtStG zwar unmittelbar und selbstständig Rechtsgrundlage für Zahlungsansprüche des Beamten sein. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geht indes nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 21.12.2000, 2 C 39.99) nicht über dasjenige hinaus, was dem Beamten (oder früheren Beamten) durch spezialgesetzliche Regelung abschließend eingeräumt ist. Dies gilt insbesondere auch für die Beamtenversorgung, die durch die beamtenversorgungsrechtlichen Regelungen grundsätzlich abschließend konkretisiert ist. Deshalb ist ein Rückgriff auf die Generalklausel ausgeschlossen, um die durch Spezialvorschriften im Einzelnen nach Art und Umfang begrenzten Ansprüche zu erweitern (vgl. OVG Weimar, U. v. 31.3.2003, 2 KO 548/01; Weiss / Niedermaier / Summer / Zängl, BayBG, § 45 BeamtStG, Rn. 79, m. w. N.).
Auch wenn nach Auffassung des VG Wiesbaden (U.v. 20.6.2011, 3 K 1349/09.WE, Rn. 41 ff.) die gesetzliche Regelung des § 3 BeamtVG bzw. hier Art. 3 BayBeamtVG nur den versorgungsrechtlichen Primäranspruch betreffe und auf den Schadensersatzanspruch nicht unmittelbar anwendbar sein soll, so ist dennoch der der gesetzlichen Regelung des Art. 3 BayBeamtVG zugrundeliegende Rechtsgedanke heranzuziehen, dass eine höhere Versorgung als die, die dem Versorgungsbezügeempfänger gesetzlich zusteht, nicht möglich sein soll. Auch durch Zusicherungen sollen keine höheren Versorgungseinkünfte entstehen können, somit muss dies erst recht für fehlerhafte zudem unverbindliche Versorgungsauskünfte gelten. Auch durch die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs kann diese gesetzliche Regelung nicht unterlaufen werden.
In dieselbe Richtung geht die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Hessischen VGH, B. v. 2.4.2015, 1 A 2036/13.Z. Neben den bereits dargestellten Bedenken kommt hinzu, dass sich das Gericht ausweislich der Gründe des Beschlusses mit einem Schadenersatzanspruch wegen einer Amtspflichtverletzung beschäftigt hat, für den es gem. § 40 Abs. 2 VwGO schon nicht zuständig ist, und nicht mit einem Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Fürsorgepflichten. Zudem gibt es im bayerischen Recht auch keine dem § 49 Abs. 10 BeamtVG entsprechende Vorschrift über die Versorgungsauskunft. Der Beklagte hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Versorgungsauskünfte des Landesamts für Finanzen (Dienststelle Regensburg) vom 11.12.2012 den ausdrücklichen Hinweis enthalten hatten, dass die Auskünfte keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Versorgungsbezügen begründeten. Einen solchen Anspruch macht der Kläger jedoch letztendlich mit seinem Schadensersatzanspruch geltend.
Unabhängig davon ist dem Kläger ein erheblicher eigener Beitrag zu der von ihm vorgetragenen Schadensentstehung zur Last zu legen. Im Wege seiner Schadensabwendungsbzw. minderungspflicht hätte der Kläger den Schaden (den monatlichen Versorgungsabschlag nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG) ohne weiteres verhindern können, wenn er nach der Mitteilung des Beklagten vom 18.2.2014 von einem Versorgungsabschlag bei seinen Ruhestandsbezügen das Angebot des Präsidenten des OLG N. vom 3.3.2014 angenommen hätte, die Ruhestandsversetzung zum 31.3.2014 wieder zurückzunehmen.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger schon gewisse Dispositionen (Abschiedsfeier, Einarbeitung des Nachfolgers etc.) getroffen hat, als ihn die Mitteilung des Beklagten am 18.2.2014 erreicht hat. Zu berücksichtigen ist jedoch insoweit, dass der mit Schreiben des Präsidenten des OLG N. vom 5.12.2013 verfügte Ruhestand des Klägers nicht eine Woche später nach seiner Abschiedsfeier zum 25.2.2014 erfolgt ist, sondern erst sechs Wochen später zum 31.3.2014. Dass der Kläger seine restliche Dienstzeit wohl durch Einbringung von Resturlaub und Ausgleich von Überstunden verkürzt hat und nicht bis zum 31.3.2014 im Dienst gewesen ist, kann dem Beklagten nicht vorgehalten werden. Unbeachtlich ist auch insoweit der Einwand des Klägers, dass sein Nachfolger bereits seit 1.2.2014 eingearbeitet worden wäre. Aus dem Angebot des Präsidenten des Oberlandesgerichts N.vom 3.3.2014 darf zwanglos geschlossen werden, dass das Vorhandensein eines Nachfolgers kein Hindernis dargestellt hat, den Kläger amtsangemessen und ausreichend auf einem Dienstposten zu beschäftigen. Auch hätte sich der Kläger nicht wie er meint der Lächerlichkeit preisgegeben, denn er hätte eine plausible Erklärung dafür gehabt, warum er statt zum 31.3.2014 erst mit Erreichen der für ihn maßgebenden gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand tritt.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.