Aktenzeichen M 12 K 15.1799
BayBeamtVG Art. 46, Art. 52 Abs. 2 S. 2
SGB VII § 56 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Ein Unfallausgleich wegen einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit kann nicht gewährt werden, wenn diese Beeinträchtigung zwar besteht, aber nicht auf den Dienstunfall zurückzuführen ist (Art. 52 Abs. 2 S. 2 BayBeamtVG). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Gewährung eines Unfallausgleichs und Neufestsetzung der durch den Dienstunfall vom 1. März 2013 bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 30. März 2015 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Unfallausgleich als Folge des bei dem Dienstunfall vom 1. März 2013 erlittenen Körperschadens.
Gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) erhält ein Beamter, der infolge eines Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 v. H. beschränkt ist, neben der Besoldung einen Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 4 BVG, solange dieser Zustand andauert. Eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit bleibt außer Betracht, Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Erwerbsfähigkeit ist die Kompetenz des Verletzten, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm abstrakt im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit wird nicht abgestellt. Es kommt nicht auf die individuellen Verhältnisse, also die persönlichen Kenntnisse oder die geistigen, körperlichen, psychischen und sozialen Fähigkeiten an. Die Festsetzung der MdE im Versorgungsrecht folgt den unfallversicherungsrechtlichen Anforderungen. Sie richtet sich auch dort nach den verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, die sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergeben (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Voraussetzung ist ein Vergleich der vor und nach dem Dienstunfall bestehenden individuellen Erwerbsfähigkeit.
Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Dieser ist nur dann erfüllt, wenn der Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht ist (BVerwG vom 7. 2. 1989, Az. 2 B 179/88, juris; v. 24. 3. 2006, Az. 3 ZB 05.431, juris). Dies gilt sowohl für das Vorliegen eines behaupteten Körperschadens als auch für den Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, was auch für die Frage der Kausalität gilt, trifft die materielle Beweislast den Kläger, da im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten. Im Bereich des Unfallausgleichs gelten ebenfalls die allgemeinen Beweisgrundsätze (vgl. VG Augsburg, U. v. 21. 2. 2013, Au 2 K 11.1459). Derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet, trägt die materielle Beweislast, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen Überzeugungsgewissheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) weder feststellen noch ausschließen kann – „non liquet“ und wenn sich aus der materiellen Anspruchsnorm nichts Abweichendes ergibt (BVerwG, U. v. 28. 4. 2011 – 2 C 55.09, ZBR 2012, 38).
Der Grad der MdE ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens zu ermitteln. Dabei bilden allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte, also antizipierte Sachverständigengutachten, in der Regel die Basis für die Bewertung der MdE durch den Sachverständigen. Der Sachverständige kann sich an der Versorgungsmedizin-Verordnung (Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs.1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes; im Folgenden:VersMedV) ebenso wie an Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung oder an Nr. 35. 2. 4 der Verwaltungsvorschrift zu § 35 BeamtenVG orientieren. Die konkrete Bewertung muss jedoch stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen. Entscheidend ist, dass der Sachverständige bei seiner dienstunfallrechtlichen Bewertung als Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zugrunde legt (OVG NRW, B. v. 25. 8. 2011 – 3 A 3339/08, juris; BayVGH, B. v. 1. 2. 2013 – 3 ZB 11.1166, juris; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 35, Erl. 7.1).
In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Gericht auf der Grundlage der von Seiten der Beklagten eingeholten Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger lediglich in der Zeit von 1. März 2013 bis 30. April 2013 und damit für einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten eine dienstunfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit zugesprochen werden kann. Zwar geht aus den vorliegenden Gutachten und Attesten hervor, dass der Kläger aufgrund anhaltender Beschwerden im psychischen sowie im physischen Bereich derzeit nicht in der Lage ist, seine Tätigkeit als Beamter der … der Beklagten umfassend auszuüben. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch fest, dass durch den Dienstunfall vom 1. März 2013 als Körperschaden allein eine Distorsion des rechten Kniegelenkes hervorgerufen worden ist, die bereits acht Wochen nach dem Dienstunfall folgenlos ausgeheilt ist. Die über diesen Zeitpunkt hinaus vom Kläger geltend gemachten Beschwerden sind vielmehr auf dienstunfallunabhängige Köperschäden zurückzuführen, die von der Beklagten auch nicht als Dienstunfallfolgen des Dienstunfalls vom 1. März 2013 anerkannt worden sind. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 18. Februar 2016 im Verfahren M 12 K 15.1732 wird Bezug genommen. Da die nicht dienstunfallbedingten Körperschäden bei der Bewertung der MdE außer Betracht bleiben und die dienstunfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht länger als sechs Monate bestand, scheidet ein Anspruch des Klägers auf Unfallausgleich aus.
Die in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisanträge des Klägerbevollmächtigten waren vorliegend abzulehnen, da sich eine weitere Beweisaufnahme im vorliegenden Fall nicht aufgedrängt hat. Auf die betreffenden Ausführungen im Urteil vom 18. Februar 2016 im Verfahren M 12 K 15.1732 wird insoweit verwiesen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.