Arbeitsrecht

Kein Wahlrecht des Rechtsanwalts zur Abrechnung aus dem Gesamtstreitwert oder den Einzelstreitwerten nach Verfahrenstrennung

Aktenzeichen  W 4 M 17.542

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 123832
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165
RVG § 15 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Der Rechtsanwalt hat hinsichtlich der Abrechnung seiner Gebühren kein Wahlrecht, ob er diese aus dem Gesamtstreitwert des Verfahrens vor der Trennung oder aus den Einzelstreitwerten der getrennten Verfahren ermittelt (Anschluss an BayVGH BeckRS 2001, 29219 und BeckRS 2007, 29105). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der durch § 15 Abs. 2 S. 1 RVG normierte Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass eine einmal verdiente Gebühr zugunsten des Bevollmächtigten erhalten bleibt und nicht zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei einer nachträglichen Trennung in mehrere Rechtsstreitigkeiten, zugunsten derselben Person erneut eine Gebühr, berechnet aus Einzelstreitwerten, entstehen kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 M 17.542 2017-05-03 Kostenfestsetzungsbeschluss VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 58,99 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 3. Mai 2017.
1. Mit seinem Antrag vom 22. März 2017 im Ausgangsverfahren W 4 S. 17.306 begehrte der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die im Bescheid des Landratsamts … vom 8. Dezember 2016 unter Ziffer 1.2 und Ziffer 1.3 enthaltenen naturschutzrechtlichen Anordnungen unter Ziffer 1.2 und Ziffer 1.3. Von dem Verfahren wurde ein weiteres Verfahren (W 4 S. 17.307) abgetrennt, soweit die Ziffer 1.3 des Bescheids betroffen war. Der Antragsteller obsiegte in den Streitsachen. In dem Beschluss in der Verwaltungsstreitsache W 4 S. 17.306 wurde der Streitwert auf 3.750,00 EUR vor Abtrennung der Verwaltungsstreitsache W 4 S. 17.307 festgesetzt, nach Abtrennung auf 1.250,00 EUR. Der Streitwert in der Verwaltungsstreitsache W 4 S. 17.307 wurde auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 13. April 2017 beantragte der Antragsteller im Verfahren W 4 S. 17.307 die folgenden Kosten gegen den Verfahrensgegner festzusetzen: Aus einem Gegenstandswert von 2.500,00 EUR eine 1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 261,30 EUR sowie eine Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR. Unter Berücksichtigung von 19% Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG wurde in der Summe ein Betrag von insgesamt 334,75 EUR geltend gemacht. Weiterhin wurde beantragt, den zu erstattenden Betrag gemäß § 104 ZPO ab 19. April 2017 mit 5%-Punkten über den Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 setzte der Urkundsbeamte die außergerichtlichen Aufwendungen auf 275,76 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt: Für die Berechnung der Gebühren sei der Streitwert zugrunde zu legen, der zum Zeitpunkt ihres Entstehens anzunehmen sei. Die Verfahrensgebühr sei vorliegend schon vor der Abtrennung des Verfahrens W 4 S. 17.307 vom Verfahren W 4 S. 17.306 entstanden. Sie könne deshalb nur entsprechend dem hier verbliebenen Streitwertanteil von 2/3 (= Verhältnis des Einzelstreitwerts von 2.500,00 EUR zum Gesamtstreitwert von 3.750,00 EUR) festgesetzt werden. Gleiches gelte für die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Diese könne in jeder Angelegenheit nur einmal gefordert werden. Sie sei daher nach der Abtrennung nicht erneut entstanden und sei somit auch nur entsprechend anteilmäßig berücksichtigungsfähig.
2. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2017 beantragte der Antragstellerbevollmächtigte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 eine Entscheidung des Gerichts. Zur Begründung führte er aus, dass dem Anwalt grundsätzlich ein Wahlrecht zustehe, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Trennung (= Gesamtstreitwert) oder aus den zwei Verfahren danach (= jeweilige Einzelstreitwerte) geltend mache. Aufgrund der Abtrennung könne eine Verfahrensgebühr aus dem nach der Abtrennung vom Gericht mit Beschluss vom 10. April 2017 festgesetzten Streitwert von 2.500,00 EUR geltend gemacht werden. Die Trennung der Verfahren sei ausschließlich aus verfahrenstechnischen Gründen erfolgt. Im Ergebnis seien dann auch zwei Entscheidungen unter den jeweils vergebenen Aktenzeichen getroffen worden. Diese Entscheidungen seien für sich betrachtet jeweils als rechtsmittelfähig anzusehen und mussten insoweit auch einer Überprüfung im Einzelfall unterzogen werden. Hinzu komme, dass vorliegend auch aufgrund der bereits im Klageverfahren erfolgten Abtrennung bezüglich der einzelnen Anordnungen im Bescheid von Anfang an zwei Verfahren hätten durchgeführt werden können, so dass die Verfahrensgebühr jeweils für sich betrachtet von Anfang an aus den jeweiligen Streitwerten angefallen wäre, die sich nach der Abtrennung der Verfahren jeweils ergäben. Dem Antragsteller dürfe kein Nachteil daraus entstehen, dass aus gerichtsinternen Gründen eine Trennung der Verfahren erfolgt sei. Hinsichtlich des Anfalls der Auslagenpauschale sei diese ebenfalls separat jeweils in voller Höhe neu entstanden. Eine Aufteilung verbiete sich aus den vorstehend genannten Gründen ebenfalls.
Ergänzend wird auf die Ausführungen im Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 11. Mai 2017 und vom 13. Juni 2017 Bezug genommen.
3. Mit Schreiben vom 2. Juni 2017 erklärte der Urkundsbeamte, dass er der erhobenen Erinnerung des Antragstellerbevollmächtigten nicht abhelfe.
Den Beteiligten wurde mit Schreiben des Gerichts vom 9. Juni 2017 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 in der Besetzung, in der die zu Grunde liegende Kostenentscheidung getroffen wurde (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 165 Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 165 Rn. 3; BayVGH, B.v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – BayVBl 2008, 417), somit vorliegend in Kammerbesetzung (§§ 5 Abs. 3, 101 Abs. 3 VwGO).
2. Die erhobene Erinnerung ist zulässig (§§ 165, 151 VwGO), jedoch nicht begründet, da die dem Antragstellerbevollmächtigten zustehende Vergütung zutreffend berechnet worden ist.
Das Gericht nimmt zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Urkundsbeamten im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 (W 4 S. 17.307) sowie auf dessen Entscheidung, der Erinnerung nicht abzuhelfen, vom 2. Juni 2017 und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe insoweit ab (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend).
Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten, es bestehe hinsichtlich der Abrechnung der Gebühren ein Wahlrecht, ob diese aus dem Gesamtstreitwert oder aus den Einzelstreitwerten ermittelt wird, vermag das Gericht nicht zu folgen. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in einem Beschluss vom 30. Januar 2007 (- 25 C 07.161 – juris) ausgeführt: „Der Senat hält (…) die Rechtsansicht für zutreffend, dass für die Berechnung der Prozessgebühr allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gebühr bei Klageerhebung maßgeblich sind und die spätere Abtrennung darauf keinen Einfluss hat (…). Es ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass auch nach einer Trennung der Verfahren für den Rechtsanwalt die bereits entstandene Prozessgebühr maßgeblich bleibt, dann anteilig zu bemessen ist und eine Berechnung nach Einzelstreitwerten ausscheidet (…). Aus dem hieraus zu entnehmenden Grundsatz der Einmaligkeit ist zu folgern, dass bei einer Trennung in einem Verfahren nicht erneut Prozessgebühren, berechnet aus Einzelstreitwerten entstehen können“. Diese Rechtsprechung, die zunächst noch unter Geltung der BRAGO erfolgt ist (BayVGH, B.v. 28.5.2001 – 23 C 01.1049 – juris) und die sich insbesondere auch mit der abweichenden Literaturmeinung auseinandersetzt, wird auch unter Geltung des RVG fortgeführt (vgl. VG Augsburg, B.v. 12.11.2008 – Au 5 M 08.1084 -; VG Würzburg, 23.03.2016, W 5 M 15.1091 -). Beide zitierten Entscheidungen des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs waren Beschwerdeentscheidungen zu Verfahren, die vom Verwaltungsgericht Würzburg entschieden worden waren (VG Würzburg, B.v. 28.3.2001 – W 2 K 00.597 – und B.v. 14.12.2006 – W 5 K 03.883 -). Das Vorbringen des Antragstellerbevollmächtigten gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Nach Ansicht des Gerichts bedeutet der durch § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG gesetzlich normierte Grundsatz der Einmaligkeit, dass eine einmal verdiente Gebühr zugunsten des Bevollmächtigten erhalten bleibt und nicht zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei einer nachträglichen Trennung in mehrere Rechtsstreitigkeiten, zugunsten derselben Person erneut eine Gebühr, berechnet aus Einzelstreitwerten entstehen kann (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl. 2013, Rn. 10, 13 und 50 zu Nr. 3100 VV RVG sowie Rn. 38 zu Nr. 3104 VV RVG). Bereits entstandene Gebühren können bei einer Trennung des Verfahrens demnach nicht erneut entstehen. Der Antragstellerbevollmächtigt hat hier zudem trotz Kenntnis der Abtrennung der Verfahren in der Hauptsache (W 4 K 17.5 bis 17.7) gerade keine separaten Antragsschriften eingereicht, sondern einheitlich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
Nur ergänzend ist anzumerken, dass das Gericht ein Wahlrecht auch nicht deshalb ausnahmsweise als gegeben ansieht, weil in den abgetrennten „neuen“ Verfahren die Voraussetzungen für das Entstehen einer Gebühr gesondert erfüllt sind. Dies würde nämlich voraussetzen (so VG Würzburg, B.v. 17.3.2015 – W 4 M 15.30130 – juris), dass der Rechtsanwalt auch nach der Abtrennung eine Tätigkeit zur Ausführung des Auftrags vorgenommen hat (OVG LSA, B.v. 1.7.2010 – 2 O 154/09 – juris Rn. 58 m.w.N.). Hierzu ist eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen. Wie der Urkundsbeamte in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2017 zutreffend ausgeführt hat, umfasste der Auftrag des Antragstellers an seine Bevollmächtigten die Vertretung in allen im Bescheid des Landratsamts … vom 8. Dezember 2016 geforderten Einzelmaßnahmen. Der Umfang seiner Beauftragung änderte sich infolge der Abtrennung des Verfahrens W 4 S. 17.307 nicht. Die Mehrarbeit nach Abtrennung beschränkte sich insofern auf die mehrfache Einreichung von Schriftsätzen (mit im Übrigen identischem Inhalt).
Entsprechendes gilt für die Post- und Telekommunikationspauschale (vgl. auch OVG LSA, B.v. 1.7.2010 – 2 O 154/09 – juris Rn. 58).
3. Nach alledem war die Erinnerung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 und § 63 Abs. 2 GKG.

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