Arbeitsrecht

Keine Erstattung außergerichtlicher Kosten in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten

Aktenzeichen  8 Sa 34/17

Datum:
26.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148156
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbGG § 12a Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 2
BRAGO § 118 Abs. 2
RVG VV Vorbemerkung 3 Abs. 4

 

Leitsatz

Die Bestimmung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG schließt jeden Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage aus und gilt damit auch für materiell-rechtlich begründete Kostenerstattungsansprüche. Die Bestimmung erfasst auch die Erstattung der Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der mit der Hauptforderung obsiegenden Partei hinsichtlich des erstinstanzlich streitbefangenen Anspruchs sowie Fälle, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt und es gar nicht zu einem Prozess kommt. Hieran hat sich durch die nach dem RVG jetzt nur noch hälftig vorzunehmende Anrechnung der Geschäftsgebühr nichts geändert (Anschluss an LAG Niedersachsen BeckRS 2007, 47130). (Rn. 33 – 35) (red. LS Alke Kayser)

Verfahrensgang

35 Ca 12195/16 2016-12-28 ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Versäumnis- und Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.17.2016 – 35 Ca 12195/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten gerichteten Klageantrag zu Recht abgewiesen.
1. Nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist jeder Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig von der Anspruchsgrundlage, folglich auch für materiell-rechtlich begründete Kostenerstattungsansprüche (vgl. BAG, Urteil vom 27.10.2005 – 8 AZR 546/03, Juris; Urteil vom 30.04.1992 – 8 AZR 288/91, Juris, insbes, Rdn. 19 ff.).
2. Entgegen klägerischer Auffassung steht die Norm (jedenfalls) auch einer Erstattung der Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der mit der Hauptforderung obsiegenden Partei hinsichtlich des erstinstanzlich streitbefangenen Anspruchs entgegen (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 15.05.2007 – 13 Sa 108/07, Juris, Rdn. 26 f.). Darüber hinaus gilt der Ausschluss der Erstattung (weiterhin) auch in den Fällen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf eine außergerichtliche Tätigkeit beschränkt und es gar nicht zu einem Prozess kommt (vgl. dazu BAG, Urteil vom 14.12.1977 – 5 AZR 711/76, Juris, Rdn, 13; GWBG/Waas, ArbGG, 8. Auflage 2014, § 12 a Rdn. 12, Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, 4. Auflage 2015, § 12 a Rdn. 16, HWK/Kalb, ArbGG, 7. Auflage 2016, § 12 a Rdn. 6, m.w.N.). Es trifft weiterhin zu, dass es sinnwidrig wäre, die Regelung nur für die prozessualen Kosten gelten zu lassen, und dass die außerprozessuale Tätigkeit des Anwalts grd. keinen höheren Wert hat als die auf das gerichtliche Verfahren bezogene, sodass die zutreffende h.M. einen Wertungswiderspruch vermeidet. Und es bleibt richtig, dass Vergleiche leichter zustande kommen, wenn die Frage der Erstattung der Anwaltskosten nicht erörtert zu werden braucht (vgl. BAG, a.a.O.).
3. Die Neugestaltung des Kostenrechts zum 01.07.2004 veranlasst keine Abweichung von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass § 118 Abs. 2 BRAGO bestimmt hat, eine für eine vorgerichtliche Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr in vollem Umfang auf die für ein anschließendes gerichtliches Verfahren entstehende Gebühren anzurechnen, mit Neuordnung des Kostenrechts die Vorbemerkung 3 VV RVG in ihrem Absatz 4 jedoch bestimmt, dass eine wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr nur zur Hälfte, höchstens zu einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Die Regelung bezweckt die gebührenrechtliche Berücksichtigung für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts, um eine außergerichtliche Streitbereinigung zu fördern, Scheitern die außergerichtlichen Bemühungen und kommt es trotzdem zu einem Prozess, so soll die außergerichtliche Tätigkeit jedenfalls zum Teil zusätzlich bewertet und vergütet werden. Die Neuregelung des Kostenrechts führt jedoch nicht dazu, dass die Kosten der vorgerichtlichen Tätigkeit und der gerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts völlig getrennt behandelt werden müssten; vielmehr ist eine Verknüpfung nach wie vor gegeben. Sie veranlasst damit keine Abkehr von den gefestigten Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Im Übrigen ist die Frage, in welcher Höhe Vergütungsansprüche des Anwalts für außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit entstehen und in welchem Umfang die entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, von der Frage zu trennen, wer die entstandenen Anwaltskosten tragen muss, ob sie vom Gegner zu erstatten sind oder nicht. Für eine Pflicht zur Erstattung ist (auch) dem RVG nichts zu entnehmen. Die Regelung zur anteiligen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr beeinflusst die Kostenerstattungspflicht nicht (vgl. LAG Niedersachsen, a.a.O., Rdn. 27).
4. Den Bedenken der Klägerin war mithin nicht zu folgen. Ihr Rechtsmittel musste erfolglos bleiben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

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