Arbeitsrecht

Keine Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen

Aktenzeichen  S 8 AL 246/14

Datum:
17.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III SGB III § 143, § 143a, § 157 Abs. 3, § 335 Abs. 3
SGB X SGB X § 115
SGB V SGB V § 257

 

Leitsatz

1 Sozialversicherungsbeiträge aus laufend zu zahlendem Arbeitsentgelt werden fällig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt entstanden ist. Wird in einem Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber neben der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung auch zur Zahlung des Arbeitsentgelts verurteilt, entsteht der Beitragsanspruch nur aus diesem Arbeitsentgelt mit einer regelmäßigen Fälligkeit nach rechtskräftiger Beendigung dieses Prozesses (Anschluss an BSG BeckRS 1981, 30820192). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Erfolgt eine Verurteilung zur Zahlung auf Arbeitsentgelt mangels Leistungsklage nicht, ist die Geltendmachung des Annahmeverzugslohns im Zeitpunkt der endgültigen Festsetzung der Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund der Ausschlussklausel des Haustarifvertrages nicht mehr möglich mit der Folge, dass das Arbeitsentgelt nicht mehr geschuldet wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wird kein Arbeitsentgelt geschuldet, kann auch keine Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen eintreten. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 14.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2013 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage ist zulässig. Die Klage ist auch begründet.
Nach § 335 Abs. 3 SGB III hat der Arbeitgeber der Bundesagentur in dem Falle des § 157 Abs. 3 geleisteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu ersetzen, soweit er für die selbe Zeit Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung des Arbeitnehmers zu entrichten hat. Im vorliegenden Fall liegt indes ein Fall des § 157 Abs. 3 SGB III gerade nicht vor. Ab rechtskräftigem Abschluss des Arbeitsgerichtsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht wurde zwar festgestellt, dass die Kündigung zum 31.03.2003 rechtswidrig war, andererseits hat es Herr E. versäumt, eine Zahlungsklage wegen Annahmeverzuges zu erheben. Insoweit wird verwiesen auf den Schadenersatzprozess des Herrn E. gegen seinen damaligen Rechtsanwalt.
Es liegt auch im Rechtssinne kein Verzicht des Herrn E. auf Geldzahlungen für die Zeit vom 01.04.2003 bis 21.09.2004 vor. Die Klägerin hat sich insoweit rechtmäßig auf eine tarifliche Ausschlussfrist bezogen. Die Beklagte selbst geht davon aus, dass Entgeltansprüche des Herrn E. gegen die Klägerin nicht geltend gemacht werden können. Dies hat die Beklagte auch mit Schriftsatz vom 27.02.2009 gegenüber dem Rechtsanwalt des Herrn E. ausgedrückt. Es bestehe keine Möglichkeit der Weiterverfolgung der Forderung bezüglich der von der Bundesagentur für Arbeit erbrachten Leistungen.
Im Prüfungsbericht vom 22.03.2010 der Deutschen Rentenversicherung gegenüber der Beklagten geht die Deutsche Rentenversicherung zu Recht davon aus, dass Sozialversicherungsbeiträge aus laufend zu zahlenden Arbeitsentgelt fällig werden, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist. Wird in einem Kündigungsschutzprozess der Arbeitgeber neben der Feststellung, dass die Kündigung unwirksam war, auch zur Zahlung des Arbeitsentgeltes verurteilt, entsteht der Beitragsanspruch nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 25.09.2011 (12 RK 58/80) nur aus diesem Arbeitsentgelt und die Beitragsforderung wird regelmäßig erst nach der rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzprozesses fällig. Eine Leistungsklage wurde im vorliegenden Fall für die Monate bis März 2003 erhoben und mit Arbeitsgerichtsurteil auch stattgegeben. Eine Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.04.2013 bis 21.09.2014 erfolgte mangels entsprechender Leistungsklage nicht. Es hat zur Folge, dass im Zeitpunkt der endgültigen Festsetzung der Unwirksamkeit aller Kündigungen die Geltendmachung des Annahmeverzugslohnes aufgrund der Ausschlussklausel des Haustarifvertrages rechtlich nicht mehr möglich ist. Das Arbeitsentgelt wird nicht mehr geschuldet. Da kein Arbeitsentgelt geschuldet wird, kann auch keine Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen aus Arbeitsentgelt eintreten. Die Einziehung von Beiträgen durch die Einzugsstelle ist für den Zeitraum vom 01.04.2003 bis 21.09.2004 daher ausgeschlossen.
Die interne Absetzung von Beiträgen zwischen der Deutschen Rentenversicherung und der Beklagten hat nicht zu erfolgen. Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung ist auf die nachträgliche Erfüllung des Arbeitsentgeltsanspruches abzustellen. Somit bleibt das Versicherungsverhältnis aus dem Bezug von Arbeitslosengeld beitragsrechtlich bestehen. Die Rückrechnung der Beiträge und eine Stornierung der Meldung haben in diesem Fall nicht zu erfolgen.
Da ein Anspruchsübergang nach §§ 143, 335 Abs. 3 SGB III nicht eintreten konnte, war der Bescheid vom 15.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2013 aufzuheben.
Es bleibt noch der Hinweis, dass die Anrechnungsmodalitäten zwischen der Deutschen Rentenversicherung und der Beklagten nicht zu Lasten der Klägerin gehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG.

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