Arbeitsrecht

Keine Kostentragungspflicht des Dienstherrn für mutwillige und haltlose Rechtsverfolgung des Personalrats

Aktenzeichen  AN 8 P 18.1371

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 45731
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 44 Abs. 1 S. 1, Art. 75 Abs. 4 Nr. 1, Art. 81 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Dienstherr hat die Kosten anwaltlicher Tätigkeit für den Personalrat nicht zu tragen, wenn die Geltendmachung und damit die Rechtsverfolgung mutwillig und haltlos war. (Rn. 21 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
III. Der Gegenstandswert wird auf 925,23 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller macht einen Kostenfreistellungsanspruch nach Art. 44 BayPVG geltend.
Der Antragsteller und die Beteiligte stritten im Verfahren Nummer AN 8 P 17.00533 um die Frage, ob die Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß Art. 75 Abs. 4 Nr. 1 BayPVG verletzt habe, indem sie am 3. Februar 2017 Überstunden für Müllwerker und Kraftfahrer angesetzt habe.
Der Antragsteller ist der bei der Dienststelle Amt für Abfallentsorgung, Straßenreinigung und Fuhrpark (Amt 70) der Stadt … gebildete örtliche Personalrat. Seinen Angaben folgend, beschäftige die Dienststelle derzeit über 200 Beschäftigte.
Die Beteiligte ist die Leiterin des Amtes für Abfallentsorgung, Straßenreinigung und Fuhrpark (Amt **), weil es zu ihren dienstlichen Aufgaben gehört, in solchen Fällen über den Personaleinsatz zu entscheiden.
Zur Begründung des Antrages auf Einleitung eines Beschlussverfahrens trug der Antragsteller vor, am Dienstag, den 31. Januar 2017, sei die Müllabfuhr auf Grund von verbreitetem Glatteis nicht im Einsatz gewesen. Daher hätte sich die Beteiligte entschieden, die Touren bis Freitag, den 3. Februar 2017, bzw. Samstag, den 4. Februar 2017, nachzuholen und hierfür zwei Zusatzfahrzeuge einzusetzen. Der Antragsteller hätte die Beteiligte darauf hingewiesen, dass die Nachholung der Mülltouren zu Überstunden bei den Mitarbeitern führe und damit mitbestimmungspflichtig gemäß Art. 75 Abs. 4 Nr. 1 BayPVG sei. Mit Antwort vom 1. Februar 2017 hätte die Beteiligte ein Mitbestimmungsrecht im konkreten Fall verneint. Tatsächlich wären am Freitag, den 3. Februar 2017, 18 Müllwerker und fünf Kraftfahrer mit Überstunden eingesetzt gewesen.
Der Antragsteller beantragte deshalb seinerzeit, es werde festgestellt, dass die Beteiligte das Mitbestimmungsrecht gemäß Art. 75 Abs. 4 Nr. 1 BayPVG verletzt habe, indem sie einseitig am 3. Februar 2017 18 Müllwerker und fünf Kraftfahrer außerhalb ihrer Arbeitszeit zur Entleerung (gemeint ist wohl: der Mülltonnen) eingesetzt habe.
Die Beteiligte beantragte im vorausgehenden Verfahren, den Antrag abzulehnen.
Wegen des in den frühen Morgenstunden des 31. Januar 2017 einsetzenden Eisregens hätte sich auf den Straßen des Stadtgebiets und des Umlandes von … eine teilweise 2 cm dicke Eisschicht gebildet. Schulen seien seinerzeit geschlossen geblieben und der Öffentliche Personennahverkehr sei eingestellt worden. Etliche der etwa 50 als Müllabfuhrarbeiter tätigen Mitarbeiter des Amtes … hätten es nicht gewagt, sich bei diesen schwierigen Witterungsbedingungen und den gefährlichen Straßenverhältnissen auf den Weg zur Arbeit zu machen und seien zuhause geblieben. Auch die übrigen Mitarbeiter habe man auf Grund der äußerst gefährlichen Straßenverkehrsverhältnisse nicht eingesetzt. Um die Leerung der am Dienstag, den 31. Januar 2017, von den … Bürgerinnen und Bürgern bereitgestellten vollen Restmüllund Altpapiertonnen möglichst zeitnah nachzuholen und den Betroffenen leere Tonnen für den nächsten 14tägigen Sammelzeitraum zur Verfügung zu stellen, habe die Beteiligte als Leiterin des Amtes … in Abstimmung mit dem Sachgebiet Müllabfuhr entschieden, die bereitgestellten Tonnen im Laufe der Woche durch den Einsatz von Zusatzfahrzeugen und die Anordnung von Mehrarbeit leeren zu lassen. Sie habe diesen Sachverhalt noch am 31. Januar 2017 dem Gremium des örtlichen Personalrats mitgeteilt. Weitere konkrete Informationen habe sie dem Personalrat am nächsten Tag und am Freitag, den 3. Februar 2017, zukommen lassen. Die Nachholung dieser Arbeiten erfolgte dann allein am Freitag, den 3. Februar 2017, wodurch einzelne Mitarbeiter ihre Einsatzzeiten im Maximalfall um etwa zwei Stunden und 22 Minuten überschritten hätten. Die ungewöhnlich starke, nicht vorhersehbare Glatteisbildung und die damit einhergehenden starken Einschränkungen im Straßenverkehr stellten aus Sicht der Beteiligten einen Fall der höheren Gewalt dar, denn es sei ein von außen kommendes Ereignis ohne innerbetrieblichen Zusammenhang, der auch bei größter Sorgfalt der Verwaltung nicht hätte vermieden werden können. Da sich die angegriffene Anordnung allein nach den Wetterverhältnissen richten musste, sei sie durch Erfordernisse ausgelöst worden, die die Dienststelle nicht voraussehen und schon gar nicht beeinflussen habe können. Die Voraussetzungen des Art. 75 Abs. 4 Satz 2 BayPVG seien damit erfüllt. Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers falle für diesen außergewöhnlichen Fall aus.
Der Antragsteller tritt dieser Auffassung entgegen. Situationen, wie der Eisregen am 31. Januar 2017, ereigneten sich jährlich und damit in jeder Wintersaison. Als Beispiele gab er den 7. Januar 2011, den 16. Januar 2013, den 26. Januar 2014 und den Januar 2017 an.
Die Beteiligte widersprach diesem Vorbringen des Antragstellers dahin nicht, dass in den Wintermonaten im Stadtgebiet … immer wieder verkehrsbeeinträchtigende Verhältnisse vorgelegen hätten. Sie machte jedoch geltend, dass nur die Witterungs- und Straßenverhältnisse am 7. Januar 2011 mit denen vom 31. März 2017 vergleichbar gewesen wären. An jenem Tage wären von zehn Müllfahrzeugen nur drei im Einsatz gewesen. Seither hätten bis 2017 an keinem weiteren Tag der Betrieb der Müllabfuhr wegen winterlicher Straßenverhältnisse eingestellt oder gar Überstunden angeordnet werden müssen. Es hätte sich bei dem hier streitgegenständlichen Fall tatsächlich um einen außergewöhnlichen Einzelfall gehandelt.
Die Fachkammer hat den Antrag mit Beschluss vom 17. April 2017 abgelehnt, weil er offensichtlich unbegründet sei, denn der herangezogene Mitbestimmungstatbestand beziehe sich gerade nicht auf solche Einzelfallmaßnahmen für einen einzigen Tag und greife deshalb nicht. Von einer „Vielzahl anderer Fälle“ könne keine Rede sein. Das eingeleitete Verfahren sei in jeder Hinsicht haltlos und mutwillig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf eine mündliche Anhörung verzichtet.
II.
Der Antrag auf Freistellung von den Kosten ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Fachkammer für Personalvertretungsrecht des Landes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach ist sachentscheidungsbefugt, weil sie örtlich und sachlich zuständig ist, denn der Streit geht um die Geschäftsführung der Personalvertretung (Art. 81 Abs. 1 Nummer 3 BayPVG). Zur Geschäftsführung im Sinne dieser Vorschrift zählt insbesondere die materiellrechtliche Kostentragungspflicht der Dienststelle gemäß Art. 44 BayPVG.
Die Fachkammer konnte ohne mündliche Anhörung entscheiden, weil der Antragsteller und die Beteiligte darauf verzichtet haben (siehe dazu § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG sowie OVG Bremen vom 9.7.1991 Az. PV B 6/90 m.w.N.).
Den Antrag auf Freistellung von den Kosten aus den Verfahren Nummer AN 8 P 17.00533 ist zulässig. Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen des Personalrates auch im Wege des Leistungsantrages geltend gemacht werden (siehe dazu BVerwG 9.10.1991 Az. 6 P 1.90).
Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung sind gegeben.
Der Antrag ist aber nicht begründet, denn dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Aufwendungsersatz nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayPVG ersichtlich nicht zu.
Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayPVG trägt die Dienststelle die durch die Tätigkeit des Personalrats entstehenden Kosten. Das Personalvertretungsrecht stellt damit sicher, dass der Personalrat die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel erhält und insoweit nicht in Abhängigkeit von der Dienststelle gerät, denn er soll in seinem Aufgabenbereich der Dienststelle gleichberechtigt gegenüberstehen können (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand: Mai 2018, Art. 44 RdNr. 7 mit Hinweis auf OVG Berlin vom 3.4.2001 Az. 70 PV 1.99). Zudem werden sich für die ehrenamtliche Wahrnehmung der kollektiven Beschäftigteninteressen nur dann hinreichend viele Personen bereit erklären, wenn sie jedenfalls von den spezifischen, durch diese Tätigkeit verursachten Kosten von der Dienststelle freigestellt werden (so BVerwG vom 27.1.2004 Az. 6 P 9.03).
Die in der Literatur mitunter unterschiedlich beantwortete Frage, wer Inhaber des materiellrechtlichen Anspruches auf Kostenerstattung von Rechtsanwaltskosten und damit aktivlegitimiert ist, kann hier offen bleiben, weil der Antragsteller selbst die Kostenfreistellung erstreiten will (siehe allgemein dazu Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Mai 2018, Art. 44 RdNr. 34a).
Die Beteiligte hat die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit für den Personalrates in der o.a. personalvertretungsrechtlichen Angelegenheit in der geltend gemachten Höhe gemäß Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayPVG nicht zu tragen, weil die Geltendmachung dieses Feststellungsbegehrens und damit die Rechtsverfolgung sowohl mutwillig und als auch haltlos war, wie die Fachkammer bereits im vorausgegangenem Beschluss vom 17. April 2018 bereits angedeutet hatte.
Grundsätzlich unterfallen auch die Kosten eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens dem o.a. Kostenerstattungsanspruch aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayPVG (BVerwG vom 25.2.2004 Az. 6 P 12.03 und bereits vom 9.3.1992 Az. 6 P 11.90; ebenso BayVGH vom 15.11.1989 Az. 17 P 89.02366). Kosten sind auch unabhängig davon zu tragen, ob der Personalrat im Beschlussverfahren unterliegt (BVerwG vom 29.4.2011 Az. 6 PB 21.10) oder obsiegt. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch den Personalrat zur Beratung und etwaigen Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens kann vom gesetzlichen Aufgabenbereich des Personalrates umfasst sein, wenn sie erforderlich ist (siehe dazu BVerwG vom 25.2.2004 Az. 6 P 12.03). Der Personalrat hat zur Beauftragung des Rechtsanwaltes einen entsprechenden Beschluss gefasst (BAG 14.2.1996 7 ABR 25/95; vom 8.3.2000 Az. 7 ABR 11/98) und diese Beschlussfassung auch dokumentiert.
Dabei sind allerdings das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel (BayVGH vom 3.5.2000 Az. 17 P 99.3639) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das ist hier insoweit der Fall, als die geltend gemachten Kosten sich im gesetzlichen Rahmen der Gebührensätze nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bewegen (BayVGH vom 23.7.2003 Az. 17 P 03.18). Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes war im Einzelfall nach Überzeugung der Fachkammer allerdings nicht notwendig (zu dieser Anforderung siehe bereits BVerwG vom 6.3.1959 Az. VII P 5.58), denn bei rückblickender Betrachtung von einem objektiven Standpunkt aus durfte der Antragsteller die Einholung einer anwaltlichen Hilfe und der Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens nicht für erforderlich halten (siehe dazu BVerwG vom 15.4.2008 Az. 6 PB 3.08; BayVGH vom 23.7.2003 Az. 17 P 03.18).
Unter Beachtung dieser Vorgaben kommt ein Anspruch auf Erstattung für Anwaltskosten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach gefestigter Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur immer dann nicht in Betracht, wenn die Rechtsverfolgung im Einzelfall mutwillig oder haltlos ist (so ausdrücklich auch Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand: Mai 2018, Art. 44 RdNr. 33 m.w.N.).
Haltlosigkeit liegt vor, wenn es an jeglichem rechtlich vertretbaren Ansatz zur Stützung des geltend gemachten Anspruches fehlt und ein verantwortungsvoller Rechtsanwalt deswegen die Erfolgsaussichten als evident negativ beurteilt sowie von der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens abgeraten hätte (BayVGH vom 23.4.1997 Az. 17 P 97.450).
Das ist hier der Fall, denn die Behauptung der Verletzung des Mitbestimmungsrechtes ist schon vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt, denn für den vorliegenden Fall bestimmt Art. 75 Abs. 4 Satz 2 BayPVG, dass der einmalige Einsatz wegen der nicht vorhersehbaren Glatteisbildung nicht der Mitbestimmungsregelung des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nummer 1 BayPVG unterlag. Zudem entspricht der zur Begründung vorgetragene Sachverhalt insoweit ersichtlich nicht den Tatsachen, wie sich in der mündlichen Anhörung gezeigt hat.
Auch eine mutwillige Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist hier gegeben.
Mutwilligkeit liegt vor, wenn ein verständiger, sachgerecht handelnder Beteiligter, der für die Kosten der Prozessführung selbst einstehen muss, in einem gleich gelagerten Verfahren die Rechtsverfolgung in der gewählten Form unterlassen hätte. Dabei muss der Personalrat die Zuziehung eines Rechtsanwaltes bei vernünftiger, eingehender Überlegung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles für geboten halten (OVG Lüneburg vom 14.5.1958 Az. P 2/58).
In diesem Sinne drängt sich die Mutwilligkeit geradezu auf, denn bei dieser Sachlage hätte ein sachgerecht handelnder Beteiligter, der für die Kosten der Prozessführung selbst einstehen muss, bei vernünftiger, eingehender Überlegung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalles die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht für geboten gehalten. Zumindest dann, als die Dienststellenleiterin den Sachverhalt vor Einleitung des Beschlussverfahrens hinreichend und überzeugend erklärt und auch das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nachvollziehbar dargestellt hatte.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Art. 81 Abs. 2 BayPVG; § 80 Abs. 2 ArbGG und § 2 Abs. 2 GKG analog).
Die Festsetzung des Gegenstandswertes richtet sich nach der Höhe der geltend gemachten Kostenfreistellung.

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