Aktenzeichen 7 BV 61/16
Leitsatz
1. Bei erneuter Einstellung, die an eine frühere unmittelbar anschließt, ist eine erneute Eingruppierung nicht erforderlich, wenn sich weder die Tätigkeit des Arbeitnehmers noch das maßgebliche Entgeltgruppenschema ändert; anders ist es, wenn wegen der Dauer der Betriebszugehörigkeit nun eine andere Eingruppierung (hier in ein Zwischenlohngruppe) denkbar ist. (Rn. 28) (red. LS Ulf Kortstock)
2. Eine gekündigte Regelungsabrede der Betriebsparteien entfaltet keine Nachwirkung analog § 77 Abs. 6 BetrVG (Abgrenzung zu LAG Schleswig-Holstein, BeckRS 2013, 73630); auf deren Basis kann der Betriebsrat daher einer personellen Maßnahme nicht gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG widersprechen. (Rn. 31 – 35) (red. LS Ulf Kortstock)
Tenor
1. Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Eingruppierung der Maschinenhelferin K. R. (Abrufkraft mit 10 Wochenstunden) in Lohngruppe IV des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie wird für die Dauer deren befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der Beteiligten zu 1) vom 01.12.2015 sowie für die Dauer deren befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der Beteiligten zu 1) vom 06.06.2016 ersetzt.
2. Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Eingruppierung des Maschinenhelfers F. G. (Abrufkraft mit 10 Wochenstunden) in Lohngruppe II des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie wird für die Dauer dessen befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der Beteiligten zu 1) vom 21.12.2015 sowie für die Dauer dessen befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der Beteiligten zu 1) vom 06.06.2016 ersetzt.
3. Es wird festgestellt, dass die gekündigte Vereinbarung der Betriebspartner vom 21.01.2009/09.02.2009 den Beteiligten zu 2) nicht mehr berechtigt, bei Einstellungen nach § 99 BetrVG einer hiervon abweichender Eingruppierung nach § 99 Abs. 2 BetrVG wirksam zu widersprechen.
4. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
5. Die Wideranträge werden abgewiesen.
Gründe
Die Beteiligten streiten über zwei Zustimmungsersetzungsanträge der Beteiligten zu 1) und einen Feststellungsantrag sowie über einen Widerantrag des Beteiligten zu 2).
Die Beteiligte zu 1) ist eine mittelständische Druckerei, der Beteiligte zu 2) der dort gebildete Betriebsrat.
Die Beteiligte zu 1) beschäftigt in A-Stadt ca. 360 Arbeitnehmer, wovon ca. 90 in der Betriebsabteilung „Buchbinderei“ tätig sind. Am 09.07.2008 schlossen die Beteiligte zu 1) und die Gewerkschaft Verdi einen Überleitungstarifvertrag, wonach die in den Abteilungen Buchbinderei und Versand beschäftigten Arbeitnehmer ab 01.07.2008 der Anwendung der Tarifverträge der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie als Firmen- bzw. Anerkennungstarifvertrag unterfallen (vgl. Blatt 22 ff der Akten).
Mit Schreiben vom 21.01.2009 teilte die Beteiligte zu 1) dem Beteiligten zu 2) mit, dass nach dem Abschluss des Anerkennungs- und des Überleitungstarifvertrages für die Eingruppierung von neuen Beschäftigten zukünftig die gleichen Kriterien wie bei den bisherigen Beschäftigten gelten sollten (vgl. Blatt 34 der Akten). Das Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:
„… Bezüglich der weiteren Vorgehensweise wären wir bereit, folgenden Kompromiss zu akzeptieren: Für die Eingruppierung von neuen Beschäftigten gelten zukünftig die gleichen Kriterien wie bei den bisherigen Beschäftigten. Das bedeutet, dass wir bereit sind, die Zwischenlohngruppen zukünftig auch bei Neueinstellungen anzuwenden. Wir schlagen allerdings vor, dass wir die im Rahmen des Tarifwechsels bereits begonnene Eingruppierung von Tätigkeitsmerkmalen zu Ende führen und dies als betriebliche Richtlinie für die Eingruppierung von Mitarbeitern des Bereiches Buchbinderei/Versand vereinbaren.
Ergänzend zu der o.g. Vorgehensweise sind wir der Auffassung, dass Zwischenlohngruppen erst nach Ablauf einer entsprechenden Einarbeitungs- und Anlernphase (in der Regel 6 Monate) gewährt werden.“
Mit Schreiben vom 09.02.2009 stimmte der Beteiligte zu 2) dem Vorschlag der Beteiligten zu 1) zur Eingruppierung für neue Beschäftigte zu. Ausdrücklich wird darin festgehalten, dass insoweit die betrieblich vereinbarten Zwischengruppen erst nach einer sechsmonatigen Einarbeitungsphase zur Anwendung kommen (vgl. Bl. 37/38 der Akten). Auf Grund der Schreiben vom 21.01.2009/09.02.2009 gruppierte die Beteiligte zu 1) die Mitarbeiter nach sechs Monaten in eine Zwischenlohngruppe ein (z.B. von IV in IV + oder von II in II +).
Mit Schreiben vom 29.06.2015 kündigte die Beteiligte zu 1) den Überleitungstarifvertrag vom 09.07.2008 „fristgemäß zum 31.12.2015“ (vgl. Bl. 39 der Akten). Darin stellt die Beteiligte zu 1) auch klar, dass der zusätzlich vereinbarte Tarifvertrag vom 09.07.2008 (Anerkennungstarifvertrag) von dieser Kündigung nicht betroffen sei. Mit Schreiben vom 28.08.2015 kündigte die Beteiligte zu 1) die „Regelabrede Eingruppierung Buchbinderei“ vom 21.01.2009/09.02.2009 „fristgemäß zum 30.11.2015“. In dem Schreiben wird weiter mitgeteilt, dass die Beteiligte zu 1) Neueinstellungen ab 01.12.2015 nicht mehr mit Eingruppierungen nach dem Überleitungstarifvertrag gleich behandeln werde, sondern auf Grund der bekannten, aktuellen Wettbewerbsproblematik nur noch nach den Vorgaben des geltenden Lohn- und Gehaltsgruppentarifvertrages eingruppieren (vgl. Blatt 40 der Akten). Schließlich kündigte die Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 26.04.2016 den Anerkennungstarifvertrag zum 31.10.2016 (vgl. Blatt 71 der Akte).
Mit Schreiben vom 19.05.2015 unterrichtete die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) über die beabsichtigte Einstellung der Mitarbeiterin R. als Maschinenhelferin/Abrufkraft mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 10 Stunden in der Abteilung Buchbinderei mit Wirkung ab 01.07.2015. In dem Unterrichtungsschreiben war für die Mitarbeiterin R. die Eingruppierung in die Lohngruppe IV PPV vorgesehen. Der Arbeitsvertrag sollte vom 01.07.2015 bis 31.12.2015 befristet sein. Am 20.05.2015 stimmte der Beteiligte zu 2) der Durchführung der Maßnahme zu (vgl. Blatt 42 der Akte). Am 01.12.2015 unterrichtete die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) über eine Verlängerung des befristeten Vertrages der Mitarbeiterin R. bis 30.06.2016. Die Mitarbeiterin sollte weiterhin in der Lohngruppe IV eingruppiert bleiben. Am 04.12.2005 stimmte der Beteiligte zu 2) der Weiterbeschäftigung zu, widersprach jedoch der Eingruppierung, da die Mitarbeiterin R. ab dem 01.01.2016 länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sei und laut Schreiben der Geschäftsleitung vom 21.01.2009 in die Lohngruppe IV + (Zwischenlohngruppe) eingruppiert gehöre (vgl. Blatt 43/44 der Akten). Mit Schreiben vom 06.06.2016 unterrichtete die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) über eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses mit der Mitarbeiterin R. bis 31.01.2016. Auch diesmal stimmte der Beteiligte zu 2) der Weiterbeschäftigung zu, widersprach jedoch der Eingruppierung in Lohngruppe IV (vgl. Blatt 45/46 der Akten).
Am 21.12.2015 unterrichtete die Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) über die beabsichtigte befristete Einstellung des Mitarbeiters G. als Maschinenhelfer (Abrufkraft) mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Monatszeit von 10 Stunden in der Abteilung Buchbinderei für die Zeit vom 01.01.2016 bis 30.06.2016. Der Mitarbeiter sollte in die Lohngruppe II eingruppiert werden. Der Beteiligte zu 2) stimmte der Einstellung zu, widersprach jedoch der Eingruppierung, da der Mitarbeiter G. laut Schreiben der Geschäftsleitung vom 21.01.2009 in die Lohngruppe IV eingruppiert gehöre (vgl. Blatt 47/48 der Akten). Mit weiteren Unterrichtungsschreiben vom 6.6.2016 beantragte die Beteiligte zu 1) die Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages mit dem Mitarbeiter G. bis 31.10.2016 unter Beibehaltung der Lohgruppe II. Der Beteiligte zu 2) stimmte mit Schreiben vom 9.6.2016 der Weiterbeschäftigung zu, widersprach aber der Eingruppierung (vgl. Blatt 49/50 der Akten).
Die Beteiligte zu 1) trägt vor:
Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, dass hinsichtlich der Verlängerung der Arbeitsverträge mit der Mitarbeiterin R. eine Beteiligungspflicht des Beteiligten zu 2) überhaupt nicht bestanden habe. Außerdem gelte die Zustimmung bereits deshalb als erteilt, weil der Beteiligte zu 2) auf keinen Verweigerungsgrund des § 99 II BetrVG ausdrücklich Bezug genommen habe.
Der Antrag auf Zustimmungsersetzung sei auch bereits deshalb begründet, weil der Beteiligte zu 2) keine Widerspruchsgründe vorgetragen habe.
Die Beteiligte zu 1) sei außerdem berechtigt, die neu eingestellten Mitarbeiter nach den Lohnrahmentarifverträgen zu vergüten. Sie sei nicht mehr verpflichtet, die Mitarbeiter nach sechs Monaten in die Zwischenlohngruppen einzugruppieren, da die zu Grunde liegende Regelungsabrede vom 21.01./09.02.2009 wirksam gekündigt worden sei.
Die Regelungsabrede entfalte keine Nachwirkung und sei darüber hinaus auch nicht als Widerspruchsgrund im Sinne des § 99 II Nr. 1 BetrVG anerkannt. Abgesehen davon sperre die Regelung des § 87 I BetrVG die zusätzliche Anwendung von hiervon abweichenden Eingruppierungsmethoden der Betriebspartner. Für den tarifgebundenen Arbeitgeber regele bereits der Tarifvertrag die betriebliche Lohngestaltung. Damit sei wegen des Tarifvorrangs des Eingangssatzes des § 87 I BetrVG sowohl die Aufstellung wie auch die Änderung der betrieblichen Lohngestaltung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entzogen. In einem solchen Fall beschränke sich die Mitbestimmung des Betriebsrats auf die Gestaltung der Änderungsgrundsätze im außer- und übertariflichen Bereich.
Unabhängig davon ließe sich die Vereinbarung der Beteiligten vom 21.01.2009/09.02.2009 allenfalls als Vereinbarung einer freiwilligen, übertariflichen Zulage nach § 87 I Nr. 10 BetrVG auslegen, ohne gegen den Tarifvertrag zu verstoßen. Das BAG habe jedoch auch in einem solchen Fall eine Nachwirkung für den Fall verneint, dass eine freiwillige Leistung in einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt sei und diese Leistung vom tarifgebundenen Arbeitgeber für die Zukunft vollständig eingestellt werden solle. Hierfür würde es ausreichen, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat oder der Belegschaft unmissverständlich erkläre, dass er die bisherige freiwillige Leistung künftig komplett einstellen werde. Ein solcher Fall läge hier vor. Denn die Beteiligte zu 1) habe dem Beteiligten zu 2) ausdrücklich mitgeteilt, dass bei Neueinstellungen ab dem 01.12.2005 nicht mehr nach den besseren internen Eingruppierungsregelungen, sondern wegen der Wettbewerbsproblematik nur noch nach dem gültigen Lohnrahmentarifvertrag eingruppiert werde.
Die Beteiligte zu 1) trägt weiter vor, dass der Entscheidung eine komplette Einstellung der bisherigen rein freiwilligen, das heißt weder tariflich noch arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung für künftige Neueinstellungen vorläge. Es würde nicht um eine partielle Streichung übertariflicher Zulagen bei der Gesamtbelegschaft gehen, sondern um die mitbestimmungsfreie Kompletteinstellung von bislang nur freiwillig gewährten „Übergruppierungen“ für künftige Mitarbeiter ab einem bestimmten Stichtag.
Der Widerantrag sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Beteiligte zu 2) ist Betriebsrat und habe nicht das Recht, einen Verstoß gegen rein arbeitsvertragliche Vorschriften im Beschlussverfahren geltend zu machen.
Die Beteiligte zu 1) hat zuletzt beantragt,
1. Die Zustimmung des AG und Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung der Maschinenhelferin R. (Abrufkraft mit 10 Wochenstunden) in Lohngruppe IV des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie gilt für die Dauer deren befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 01.12.2015 sowie für die Dauer deren weiteren befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 06.06.2016 als erteilt.
Hilfsweise wird beantragt,
Die verweigerte Zustimmung des AG und Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung der Maschinenhelferin R. (Abrufkraft mit 10 Wochenstunden) in Lohngruppe IV des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie wird für die Dauer deren befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 01.12.2015 sowie für die Dauer deren befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 06.06.2016 ersetzt.
2. Die Zustimmung des AG und Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung des Maschinenhelfers G. (Abrufkraft mit 10 Wochenstunden) in Lohngruppe II des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie gilt für die Dauer dessen befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 21.12.2015 sowie für die Dauer dessen befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 06.06.2016 als erteilt.
Hilfsweise wird beantragt,
Die verweigerte Zustimmung des AG und Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung des Maschinenhelfers G. (Abrufkraft mit 10 Wochenstunden) in Lohngruppe II des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie wird für die Dauer dessen befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.01.2016 bis 30.06.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 21.12.2015 sowie für die Dauer dessen befristeter Einstellung in der Abteilung Buchbinderei vom 01.07.2016 bis 31.10.2016 gemäß dem Zustimmungsantrag der AST und Beteiligten zu 1. vom 06.06.2016 ersetzt.
3. Es wird festgestellt, dass die gekündigte Vereinbarung der Betriebspartner vom 21.01.2009/09.02.2009 den Beteiligten zu 2) (Betriebsrat) nicht mehr berechtigt, bei Einstellung nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz einer hiervon abweichende Eingruppierung nach § 99 II Betriebsverfassungsgesetz wirksam zu widersprechen.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt im Wege des Widerantrags:
Es wird festgestellt, dass die gekündigte Vereinbarung der Betriebsparteien zur Eingruppierung Buchbinderei vom 21.01.2009/09.02.2009 über den 30.11.2015 hinaus nachwirkt.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die gekündigte Vereinbarung der Betriebsparteien zur Eingruppierung Buchbinderei vom 21.01.2009/09.02.2009 als Gesamtzusage über den 30.11.2015 hinaus wirkt.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Widerantrag abzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) trägt vor:
Die Regelungsabrede vom 21.01.2009/09.02.2009 entfalte Nachwirkung. Nachwirkende Regelungsabreden können als Widerspruchsgründe im Sinne des § 99 II Nr. 1 BetrVG herangezogen werden. Dies gelte zumindest dann, wenn Gegenstand der Regelungsabrede wie im vorliegenden Fall eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit sei. Ein Mitbestimmungsrecht bestünde im Hinblick auf § 87 I Nr. 10 BetrVG. Die Regelungsabrede enthalte hier eine übereinstimmende Vereinbarung zur Handhabung der Entgeltsicherung für eine Gruppe von Arbeitnehmern, nämlich für die neu eingestellten Arbeitnehmer. Damit falle sie ungeachtet ihrer rechtlichen Einordnung in den kollektivrechtlichen Anwendungsbereich des § 99 I Nr. 1 BetrVG.
Der Lohnrahmentarifvertrag würde den Abschluss einer Vereinbarung über eine gesonderte, höherwertige Lohngruppe auch nicht sperren. Dies ergebe sich aus § 87 I Nr. 10 BetrVG. In der Beibehaltung von Zwischengruppen sei eine übertarifliche Entlohnung zu sehen, welche durch die Vereinbarung vom 21.01.2009/09.02.2009 als Vergütungsordnung nach § 87 I Nr. 10 BetrVG gesondert geregelt werde.
Die Mitarbeiterin R. sei demgemäß nach sechs Monaten in die Lohngruppe IV + einzugruppieren. Auf Grund der Anlage zum Schreiben vom 21.01.2009 seien „Helfer Loseblatt“ in die Lohngruppe IV einzuordnen. Dies gelte auch für den Mitarbeiter G. (Blatt 61 der Akten).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Anhörung vom 07.02.2017 verwiesen.
II.
1. Die Anträge der Beteiligten zu 1) sind teilweise begründet.
1.1. Die beiden zulässigen Hauptanträge Ziffern 1 und 2 sind unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) war eine Beteiligung des Beteiligten zu 2) nach § 99 BetrVG auch hinsichtlich der weiteren Eingruppierung der Mitarbeiter R. und G. erforderlich. Die Beteiligte zu 1) weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine erneute Eingruppierung nicht erforderlich sei, wenn sich weder die Tätigkeit des Arbeitnehmers noch das maßgebliche Entgeltgruppenschema ändere. Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Änderung insoweit eingetreten, als die Mitarbeiter R. und G. länger als sechs Monate beschäftigt waren und nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, dass auf Grund der bis dahin geltenden Regelungen eine Eingruppierung in die Zwischenlohngruppe stattzufinden habe.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) war auch die Begründung des Widerspruches ausreichend. Aus dem Widerspruchsschreiben ist zu entnehmen, dass der Beteiligte zu 1) der Auffassung ist, dass die Regelungsabrede vom 21.01.2009/09.02.2009 weitergelte und insoweit ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 II Nr. 1 BetrVG vorläge.
Damit galt weder die Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin R. noch die Zustimmung zur Eingruppierung des Mitarbeiters G. als erteilt
1.2. Die beiden zulässigen Hilfsanträge sind jedoch begründet. Dem Beteiligten zu 2) steht kein Zustimmungsverweigerungsgrund hinsichtlich der Eingruppierung der Mitarbeiter R. und G. zu. Insbesondere kann sich der Beteiligte zu 2) nicht auf § 99 II Nr. 1 BetrVG berufen, wonach eine Zustimmung verweigert werden kann, wenn die personelle Maßnahme gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung verstoßen würde. Denn die Eingruppierung verstößt unstreitig nicht gegen einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung.
Die Eingruppierung der Mitarbeiter R. und G. verstößt auch nicht gegen die Regelungsabrede vom 21.01./09.02.2009. Denn diese Regelungsabrede kündigte die Beteiligte zu 1) durch Schreiben vom 28.08.2015 wirksam zum 30.11.2015.
Die Regelungsabrede entfaltet auch keine Nachwirkung. Nach § 77 VI BetrVG gelten Regelungen einer Betriebsvereinbarung, soweit sie auf einem zwingendem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beruhen, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies gilt nach herrschender Meinung auch für freiwillige Betriebsvereinbarungen. § 77 VI BetrVG erstreckt die Nachwirkung jedoch nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht auf Regelungsabreden. Wie die Beteiligte zu 1) zu Recht darauf hinweist, begründet eine Regelungsabrede mangels Normwirkung keine direkten Rechte auf das Arbeitsverhältnis.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Nachwirkung dann eintrete, wenn es sich um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten handele (vgl. BAG Beschluss vom 23.06.1992 – 1 ABR 53/91, NZA 1992, S. 1098), liegt ein solcher Fall nicht vor. Denn durch die wirksame Kündigung der Regelungsabrede hat die Beteiligte zu 1) die freiwillige Leistung der „Übergruppierung“ zu einem Stichtag für alle neueintretenden Mitarbeiter beendet. Insoweit verbleibt kein Verteilungsspielraum, der eine Mitbestimmungspflichtigkeit nach § 87 I Nr. 10 BetrVG auslösen würde. Eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Verteilungsgrundsätze liegt damit nicht vor.
Abgesehen davon könnte auch eine – nachwirkende – Regelungsabrede einen Widerspruch nach § 99 II Nr. 1 BetrVG nicht begründen. Denn ausweislich des eindeutigen Wortlautes ist in dieser Bestimmung eine Betriebsvereinbarung, nicht jedoch eine Regelungsabrede als Grund für die Verweigerung der Zustimmung genannt. Auch aus dem vom Vertreter des Beteiligten zu 2) zitierten Beschluss des LAG Schleswig-Holstein vom 18.09.2013 (Az. 3 TaBV 20/13, zitiert nach Juris) ergibt sich nichts anderes. Denn das Gericht hat nicht entschieden, dass ein Verstoß gegen eine Regelungsabrede einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 II Nr. 1 BetrVG begründet. Das Gericht stellt lediglich fest, dass viel dafür spreche, dass es sich bei der von beiden Parteien als „Regelungsabrede“ bezeichneten Vereinbarung (es ging um eine Regelungsabrede zur Neuorganisation eines bestimmten Aufgabengebiete) objektiv um eine Betriebsvereinbarung handelte und ungeachtet ihrer rechtlichen Einordnung in den kollektivrechtlichen Anwendungsbereich des § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG falle. Im Ergebnis lehnt das Gericht einen Verstoß gegen die Regelungsabrede und damit einen Zustimmungsverweigerungsgrund ab. Soweit das LAG Schleswig-Holstein den § 99 II Nr. 1 BetrVG dahingehend zu interpretieren scheint, dass ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 II Nr. 1 BetrVG generell bei einem Verstoß gegen „kollektivrechtliche Bestimmungen“ gegeben ist, überzeugt diese Argumentation nicht, da sie keine Stütze im Gesetz hat. § 99 II Nr. 1 BetrVG definiert abschließend, bei welchen Verstößen eine Zustimmungsverweigerung in Betracht kommt. In dieser abschließenden Aufzählung ist die Regelungsabrede nicht genannt. Eine Analogie scheidet damit auch aus, da keine Regelungslücke besteht. Dies ist auch sachgerecht, da die Regelungsabrede keine normative Wirkung entfaltet, während dies bei der Betriebsvereinbarung ebenso wie bei dem in § 99 II Nr. 1 ebenfalls genannten Tarifvertrag der Fall ist. Damit kann unabhängig davon, ob es sich um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit handelt, eine Zustimmungsverweigerung mit einem Verstoß gegen eine Regelungsabrede nicht begründet werden.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) ist damit begründet.
1.2. Der zulässige allgemeine Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet. Das Interesse gem. § 256 Abs. 1 ZPO an der negativen Feststellung ist gegeben, da auch in der Zukunft die Frage auftreten kann, ob dem Beteiligten zu 2) ein Zustimmungsverweigerungsrecht wegen der Regelungsabrede zusteht.
Aus den bereits unter Ziffer 1.2. ausgeführten Gründen ist der Antrag auch begründet.
2. Der Widerantrag des Beteiligten zu 2) ist zwar zulässig, aber unbegründet. Eine Nachwirkung der Regelungsabrede vom 21.01.2009/09.02.2009 liegt nicht vor, da es sich um keine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit nach § 87 I Nr. 10 BetrVG handelt. Insoweit wird auf die Begründung oben 1.2. verwiesen.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls zulässig und unbegründet. Anhaltspunkte für eine individualvertragliche Gesamtzusage liegen nicht vor, wurden auch vom Beteiligten zu 2) nicht konkret dargelegt.
Damit sind die Hilfsanträge abzuweisen.
3. Gegen diesen Beschluss ist für beide Beteiligte das Rechtsmittel der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht München statthaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrungverwiesen.