Arbeitsrecht

Keine Rücknahme der Entlassung schwangerer Soldatin wegen versäumter Beschwerdefrist – Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  M 21 K 14.2721

Datum:
29.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 69, § 166, § 190 Abs. 1 Nr. 6
ZPO ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 121 Abs. 2
WBO WBO § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 23 Abs. 1
MuSchSoldV MuSchSoldV § 6b Abs. 1 S. 1, S. 2
BGB BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2

 

Leitsatz

Einer Soldatin kann keine Prozesskostenhilfe für die Klage auf Rücknahme einer während der Schwangerschaft ausgesprochenen Entlassung nach § 6b Abs. 1 S. 2 MuSchuSoldV gewährt werden, wenn sie die Beschwerdefrist des § 6 Abs. 1 WBO nicht eingehalten hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin stand als Soldatin auf Zeit, deren Dienstzeit zuletzt aufgrund ihrer Verpflichtungserklärung vom … Februar 2010 auf vier Jahre (Dienstzeitende demnach: Ablauf des 31. Juli 2014) festgesetzt wurde, im Dienst der Beklagten. Sie begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme einer während der Schwangerschaft der Klägerin ergangenen Entlassungsverfügung.
Am 2. August 2010 wurde die Klägerin insbesondere darüber belehrt, dass jede Soldatin verpflichtet sei, unverzüglich nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahre, dies und den mutmaßlichen Tag der Entbindung ihrem nächsten Disziplinarvorge-setzten und dem Truppenarzt mündlich oder schriftlich zu melden, es sei denn, dass ihr dies im Einzelfall nicht zugemutet werden könne (Teil C V der Stammakte).
Durch Verfügung des PersABw vom … Mai 2011 wurde die Klägerin aus dienstlichen Gründen zum Zweck des Studiums der … zum Dienstantritt am … September 2011 bis voraussichtlich … September 2015 von ihrer damaligen Dienststelle in … zur Universität der Bundeswehr in N. versetzt.
Mit Bescheid vom 16. April 2013 entließ das PersABw die Klägerin gemäß § 55 Abs. 5 SG fristlos aus der Bundeswehr. Die Entlassung werde mit Ablauf des Tages der Zustellung dieser Verfügung wirksam. Gemäß § 56 Abs. 2 SG verliere sie ihren Dienstgrad. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Laut Sachverhaltsdarstellung ihres Disziplinarvorgesetzten habe sie die im Rahmen ihres Grundpraktikums für das Studium in der Zeit vom … Juli 2011 bis … August 2011 zu erstellenden Arbeitsberichte nicht erstellt bzw. vorgelegt. Darüber hinaus sei sie während des Grundpraktikums einen Tag unentschuldigt abwesend gewesen. Im Fachpraktikum in der Zeit vom … Juli 2012 bis … September 2012 sei sie bei einer Firma in … nur in der ersten Woche erschienen. Nach dem 3. August 2012 sei sie bei der Firma unentschuldigt abwesend gewesen. Nachdem sie bereits im ersten Studienjahr die Mindestforderung des für den Studiengang … geltenden Fortschrittschemas nicht erfüllt habe, sei sie im Rahmen der Wiederholungsprüfungen unentschuldigt der …prüfung am … September 2012 ferngeblieben, obwohl ihr bewusst gewesen sei, dass sie durch das Fernbleiben von der Prüfung das Studium endgültig nicht bestehen würde. Aufgrund dieses Sachverhalts habe ihr Dis-ziplinarvorgesetzter ihre vorzeitige Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG beantragt und diesen Entlassungsantrag mit der Begehung mehrerer Dienstvergehen begründet. Darüber hinaus habe die Klägerin die im Rahmen des Studiums erforderliche Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit nicht in ausreichendem Maße gezeigt und damit das Regelstudienziel endgültig verfehlt. Der nächsthöhere Disziplinarvorge-setzte habe diesen Entlassungsantrag ergänzt und trage ihn vollumfänglich mit. Mit Schreiben vom … Dezember 2012 habe die Klägerin eine Stellungnahme zum Entlassungsantrag abgegeben und diesem zugestimmt (Bl. 30 der Beschwerdeakte). Ihr Verhalten – so die Klägerin in dieser Stellungnahme – resultiere aus persönlichen Problemen. Aus den vorgenannten Gründen sei ihr am 4. März 2013 (wohl richtig: 17. Dezember 2012) eröffnet worden, dass ihre Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG durch das PersABw beabsichtigt sei. Hierzu habe sie am 5. März 2013 (wohl richtig: 17. Dezember 2012) erklärt, mit der Personalmaßnahme einverstanden zu sein und auf die Anhörung der Vertrauensperson verzichtet. Die Klägerin befinde sich als Sol datin auf Zeit im dritten Dienstjahr. Durch ihre eigenmächtige Abwesenheit im Grund-und Fachpraktikum sowie während des Studiums habe sie schuldhaft ihre Pflichten zum treuen Dienen sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen. Ihr Verbleiben im Dienst würde die militärische Ordnung ernstlich gefährden. Sie habe durch ihre eigenmächtige Abwesenheit im Kernbereich ihrer Dienstpflichten versagt. Insgesamt sei die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den Dienstherrn nicht zumutbar. Laut Empfangsbekenntnis erhielt die Klägerin diesen Bescheid am 3. Mai 2013 (Bl. 22 der Beschwerdeakte).
Am … Juni 2013 ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom … Juni 2013 Beschwerde gegen den Bescheid des PersABw vom 16. April 2013 einlegen und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Am 23. Mai 2013 habe die Klägerin erstmals festgestellt, dass sie schwanger sei. Wegen Rücken- und Rippenschmerzen habe sie sich zu der Gynäkologin Frau Dr. W. begeben. Dort sei für die Klägerin überraschend festgestellt worden, dass sie in der 32. Schwangerschaftswoche sei. Am 26. Mai 2013 sei die Klägerin mit Schmerzen ins Krankenhaus gekommen und habe dann dort ihren Sohn entbunden. Bis zum 30. Mai 2013 habe sie im Krankenhaus bleiben müssen. Spätestens seit ihrer Entlassungsuntersuchung im April 2013, bei welcher auch eine Urinprobe genommen worden sei, hätte auffallen müssen, dass die Klägerin schwanger sei. Selbst wenn diese Kenntnis bei der Beklagten nicht vorgelegen habe, hätte die Entlassung nicht erfolgen dürfen, weil aufgrund der Schwangerschaft ein besonderer Kündigungsschutz bestehe. Ein früheres Vorgehen gegen den Entlassungsbescheid sei nicht möglich gewesen. Erst am 23. Mai 2013 habe die Klägerin die Gründe erfahren, welche für einen besonderen Entlassungsschutz sprächen. Des Weiteren sei sie aufgrund der für sie plötzlich festgestellten Schwangerschaft sowie der mit einem Krankenhausaufenthalt verbundenen Entbindung am 26. Mai 2013 gehindert gewesen, früher Beschwerde gegen den Entlassungsbescheid einzulegen. Zur Glaub haftmachung würden eine eidesstattliche Versicherung der Klägerin vom … Juni 2013 und vier Auszüge aus dem Mutterpass vorgelegt (Bl. 17 ff. der Beschwerdeakte). Aus diesen Auszügen geht hervor, dass insbesondere ein gynäkologisches Screening der Klägerin am 23. Mai 2013 stattgefunden habe. Es sei anzuzweifeln, dass sie sich in der 32. Schwangerschaftswoche befinde. Das Kind wiege ca. 3.200 g. VET dürfte in maximal vier Wochen sein.
Durch Beschwerdebescheid des BAPersBw vom 26. März 2014 wurde die Beschwerde der Klägerin vom … Juni 2013 zurückgewiesen (Ziffer 1.). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt (Ziffer 2.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Beschwerde sei zurückzuweisen gewesen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Rücknahme der Entlassungsverfügung nicht vorgelegen hätten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 Satz 1 MuSchSoldV seien nicht gegeben. Das ergebe sich zum einen daraus, dass sich die Klägerin in der Anhörung vom 6. Dezember 2012 mit der vorzeitigen Entlassung ausdrücklich einverstanden erklärt habe. Dies werde durch ihre Stellungnahme vom … Dezember 2012 unterstützt. Auch aus anderen Gründen könne die Klägerin keinen Anspruch auf die Rücknahme der Entlassungsverfügung herleiten. Unstreitig habe im Zeitpunkt der Entlassungsverfügung keine Kenntnis über die Schwangerschaft beim für die Entlassung zuständigen Vorgesetzten der Klägerin vorgelegen. Auch hätte sie im Rahmen der Abschlussuntersuchung der Klägerin nicht festgestellt werden müssen, da ein Schwangerschaftstest ohne Hinweise auf eine Schwangerschaft nicht Bestandteil der Untersuchung sei. Die im Rahmen der Entlassungsuntersuchung routinemäßig genommenen Urinproben würden auf Parameter untersucht, welche einen Hinweis auf eine Infektion der Nieren- bzw. Blasenstörung geben könnten. Der Klägerin sei der Entlassungsbescheid unter dem 3. Mai 2013 zugestellt worden. Erst mit Schreiben vom … Juni 2013, mithin nach über einem Monat, habe sie Beschwerde erheben lassen und den Sachverhalt mitgeteilt. Dem nach lägen die Voraussetzungen des § 6b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MuSchSoldV nicht vor. Vorliegend sei schon keine unverzügliche Nachholung der Meldung über die bestehende Schwangerschaft im Sinne des § 6b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 MuSchSoldV gegeben. Zwischen der Kenntnis der Schwangerschaft am 23. Mai 2013 und der erneuten Vorstellung im Krankenhaus am 26. Mai 2013 habe bereits ein Zeitraum von drei Tagen gelegen. Schon dieser Zeitraum hätte – auch unter Berücksichtigung der Kenntnis über die plötzliche Schwangerschaft als einschneidendes Lebensereignis -genügt, um anzuzeigen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Entlassung schwanger gewesen sei. Auch im weiteren Verlauf seien seit Kenntnis über die Schwangerschaft bis zur Mitteilung im Rahmen der Beschwerde 14 Tage vergangen. Selbst nach Entlassung aus dem Krankenhaus seien nach dem Vortrag der Klägerin sechs Tage bis zur Mitteilung vergangen, so dass in keinem Fall von einer Unverzüglichkeit ausgegangen werden könne. In Bezug auf § 6b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MuSchSoldV bedürfe es keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da § 6b Abs. 1 Satz Halbs. 2 MuSchSoldV konstatiere, dass ein Überschreiten der Frist des § 6b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 dann unbeachtlich sei, wenn es auf einem nicht zu vertretenden Umstand beruhe und die Meldung unverzüglich nachgeholt werde. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist der Unverzüglichkeit der Anzeige finde nicht statt, da das Erfordernis der Unverzüglichkeit dadurch ad absurdum geführt würde. Schon leichte Fahrlässigkeit hinsichtlich der Fristversäumnis schließe eine Wiedereinsetzung aus. Aus nämlichem Grund komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die abgelaufene und zur Bestandskraft führende Klagefrist (richtig: Beschwerdefrist) nicht in Betracht. In den Behördenakten befindet sich kein Nachweis zur Zustellung dieses Bescheids.
Am … April 2014 ließ die Klägerin beim Verwaltungsgericht Potsdam Klage erheben und beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, den Entlassungsbescheid vom 16. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 zurückzunehmen und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 16. April 2013 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 26. März 2014 aufzuheben und der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Zur Klagebegründung wurde mit Schriftsatz vom … April 2014 im Wesentlichen ausgeführt: Nachdem die Klägerin am 23. Mai 2013 von ihrer Ärztin zunächst nach Hause geschickt worden sei, sei die Klägerin am Sonntag, den 26. Mai 2013 mit Schmerzen ins Krankenhaus eingeliefert worden, wo sie ihren Sohn am gleichen Tag entbunden habe. Bis zum 30. Mai 2013 habe die Klägerin im Krankenhaus bleiben müssen. Da es bei der Entbindung Komplikationen gegeben habe, sei der Sohn der Klägerin bis 31. Mai 2013 im Krankenhaus verblieben. Am 6. Juni 2013 habe die Klägerin anwaltlichen Beistand aufgesucht. Am … Juni 2013 sei dann Beschwerde gegen den Entlassungsbescheid eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden. Die Beklagte sei nach § 6b Abs. 1 Satz 2 MuSchSoldV verpflichtet, die Entlassungsverfügung vom 16. April 2013 zurückzunehmen. Zum Zeitpunkt der Entlassungsverfügung habe die Klägerin keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft gehabt. Diese Kenntnis habe sich bei ihr erstmalig am 23. Mai 2013 im Rahmen der Untersuchung bei Frau Dr. W. eingestellt. Andere körperliche Symptome, welche auf eine Schwangerschaft hindeuteten, habe die Klägerin vor dem 23. Mai 2013 nicht gehabt. Die Klägerin habe ihre Schwangerschaft unverzüglich im Sinne von § 6b Abs. 1 Satz 2 MuSchSoldV bei der Beklagten angezeigt. Die Meldung am *. Juni 2013 sei noch im Rahmen der Zweiwochenfrist ab Kenntnis erfolgt. Selbst wenn die Meldung später erfolgt wäre, sei zu berücksichtigen, dass die Zeit vom 26. bis einschließlich 30. Mai 2013 bei der Berechnung der Zweiwochenfrist nicht zu berücksichtigen wäre, da sich die von Schwangerschaft und Geburt überfor derte Klägerin in der Zeit vom 26. bis einschließlich 30. Mai 2013 im Krankenhaus befunden habe.
Durch Beschluss vom 24. Juni 2014 (VG 2 K 952/14) erklärte sich das Verwaltungsgericht Potsdam für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht München, da der dienstliche Wohnsitz der Klägerin in dessen örtlicher Zuständigkeit liege.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2014 ordnete das BAPersBw die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung vom 16. April 2013 an.
Die Beklagte beantragte beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 11. August 2014 im Wesentlichen auf den Bescheid des PersABw vom 16. April 2013 und den Beschwerdebescheid des BAPersBw vom 26. März 2014 Bezug genommen.
Am … September 2016 ließ die Klägerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragen,
ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägerbevollmächtigten zu bewilligen.
Zur Begründung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Schriftsatz vom 20. September 2016 im Wesentlichen ausgeführt: In einem Gespräch mit der Klägerin am 13. September 2016 sei für den Klägerbevollmächtigten erstmalig zutage getreten, dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Entlassung an einer psychischen Beeinträchtigung gelitten habe. Etwa ein Jahr nach ihrer Versetzung zur Universität der Bundeswehr München habe die Klägerin bemerkt, dass sie unter erheblichen psychischen Problemen gelitten habe. Mit diesen Problemen habe sie ab September 2012 mindestens einmal wöchentlich die psychologische Beratungsstelle für Studierende der Universität der Bundeswehr München aufgesucht. Hier sei sie durch die Diplom-Psychologin, Frau L. betreut worden. Frau L. habe dem Dienstherrn der Klägerin empfohlen, eine Dienstunfähigkeit der Klägerin auszustellen. In der Folge sei die Klägerin dann ab ca. Oktober 2012 wegen einer Anpassungsstörung dienstunfähig gewesen. Problematisch sei für die Klägerin weiterhin gewesen, dass Ende 2012 ihr Partner kurzfristig und unvorhersehbar an einem … verstorben sei, was die Klägerin wiederum in ernsthafte psychische Bedrängnis gebracht habe. Erst am 23. Mai 2013 habe die Klägerin bemerkt, dass sie von ihrem Partner auch schwanger gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin mit dem Umstand, in Kürze Mutter zu werden, völlig überfordert gewesen. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus habe sich die Klägerin mit dem Jugendamt des Kreises O. in Verbindung gesetzt und eine Vereinbarung unterzeichnet, nach der ihr Kind in eine Pflegefamilie gegeben worden sei. Für die Klägerin sei dieser Schritt, den sie nach der Übergabe ihres Sohnes an eine Pflegefamilie bereut habe, sehr schwer gewesen. Anfang August 2013 sei es der Klägerin gelungen, eine Verbindung zum Kind aufzubauen und es in ihren Haushalt aufzunehmen. Allerdings habe sie sich wiederum in psychologische Behandlung begeben und eine Psychotherapie bis ca. April 2015 durchlaufen müssen. Nach alledem sei zu konstatieren, dass die Klägerin sich ab dem 23. Mai 2013 mit der Feststellung der Schwangerschaft in einer emotionalen psychischen Ausnahmesituation befunden habe. Sofern zu entscheiden sei, inwiefern die Meldung der Klägerin über ihre Schwangerschaft unverzüglich erfolgt sei, sei die Zeit, in welcher sie sich mit einem Notkaiserschnitt vom 26. Mai 2013 bis zum 31. Mai 2013 im Krankenhaus befunden habe, nicht mit einzubeziehen. Im Übrigen habe ein Grund zur Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG nicht vorgelegen. Es treffe nicht zu, dass die Klägerin einen Tag während des Grundpraktikums unentschuldigt abwe send gewesen sei. Unzutreffend sei ebenfalls der Vorwurf, dass die Klägerin in der Zeit vom … Juli bis zum … August 2011 Arbeitsberichte nicht erstellt bzw. der Ausbildungsfirma nicht vorgelegt haben solle. Zum Fachpraktikum bei der Firma S. In … in der Zeit vom … Juli bis zum … September sei auszuführen, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits unter den Symptomen ihrer Anpassungsstörung gelitten habe. Zutreffend dürfte sein, dass die Klägerin am … September 2012 der …prüfung ferngeblieben sei. Der Klägerin gehe es darum, so gestellt zu werden, als hätte das Dienstverhältnis mit Zeitablauf zum 31. Juli 2014 geendet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegte Stammakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten ist abzulehnen, weil die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 VwGO, §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO).
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist; die Anforderungen an die Erfolgsaussich ten dürfen jedoch nicht überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll auch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vor zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. nur BVerfG, B.v. 3.9.2013 – 1 BvR 1419/13 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Daran gemessen ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten abzulehnen, weil die Erfolgschance der Klägerin in der Hauptsache nur eine entfernte ist. Die Klage ist voraussichtlich unzulässig, weil die Klägerin hinsichtlich des Entlassungsbescheids vom 16. April 2013 die Beschwerdefrist des § 6 Abs. 1 der Wehrbeschwerdeordnung (kurz: WBO) nicht gewahrt hat. Im Einzelnen: Die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren nach der WBO sind vorliegend anwendbar.
An die Stelle des Vorverfahrens nach § 69 VwGO tritt bei der Anfechtung einer Entlassungsverfügung gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 23 Abs. 1 WBO das Wehrbeschwerdeverfahren (vgl. nur BVerwG, U.v. 17.11.1995 – 8 C 38/93 – juris Rn. 12 m.w.N.). Für die vorliegend aufgrund § 6b Abs. 1 Satz 2 MuSchSoldV begehrte Verpflichtung zur Rücknahme der ergangenen Entlassungsverfügung gilt nichts anderes.
Die Beschwerde der Klägerin vom … Juni 2013 gegen den Entlassungsbescheid vom 16. April 2013 war – wie insoweit bereits zutreffend im Beschwerdebescheid vom 26. März 2014 festgehalten – verfristet.
Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat.
Beschwerdeanlass ist der Bescheid oder die sonstige belastende Maßnahme, über die sich der Soldat beschwert, wenn der Beschwerdeführer einen seiner Beschwerdegründe bereits während der Beschwerdefrist gekannt hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.1995 – 8 C 38/93 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Demnach ist der Beschwerdeanlass für die Klägerin hier im Entlassungsbescheid vom 16. April 2013 zu sehen. Nach ihrem eigenen Vortrag war der Klägerin ihre Schwangerschaft, die für sie den Beschwerdegrund bildete, (erst) seit dem 23. Mai 2013 bekannt. Davon ausgehend hat die Klägerin Kenntnis von diesem Beschwerdegrund während der Beschwerdefrist des § 6 Abs. 1 WBO erlangt, weil die Beschwerdefrist für sie nach dem Erhalt des Entlassungsbescheids am 3. Mai 2013 am Samstag, den 4. Mai 2013 an- und am Montag, den 3. Juni 2013 abgelaufen gelaufen ist (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Weil die Klägerin erst am 6. Juni 2013 hat Beschwerde gegen den Entlassungsbescheid vom 16. April 2013 einlegen lassen, war ihre Beschwerde somit verfristet.
Die Klägerin war an der Einhaltung der Beschwerdefrist auch nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO durch militärischen Dienst, durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle – mit der Folge des Ablaufs der Beschwerdefrist erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses – gehindert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt § 7 WBO eine für das Wehrbeschwerderecht getroffene Sonderregelung dar, die bei Fristversäumnis die allgemeinen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) ausschließt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.1995 – 8 C 38/93 – juris Leitsatz 1).
Daher kommt es für die Klägerin – entgegen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrenden Ansicht des Klägerbevollmächtigten – allein darauf an, ob einer der Tatbestände, der die gesetzliche Nachfrist von zwei Wochen nach § 7 Abs. 1 WBO auslöst, vorliegt.
Das ist nicht der Fall. Schon nach ihrem eigenen Vortrag ist die Klägerin insbesondere nicht durch andere unabwendbare Zufälle im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert worden.
Ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO ist nur dann gegeben, wenn der Soldat auch bei Anwendung der ihm nach Lage des Falles zuzumutenden Sorgfalt nicht in der Lage war, die Frist einzuhalten (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.1995 – 8 C 38/93 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Die von der Klägerin behauptete Unkenntnis von ihrer Schwangerschaft bis zum 23. Mai 2013 kann nicht als ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO bewertet werden. Es fehlt seitens der Klägerin an schlüssiger und substantiierter Darlegung dazu, inwiefern diese von ihr behauptete Unkenntnis für sie bei aller ihr zuzumutenden Sorgfalt unvermeidbar gewesen sein soll. Davon abgesehen hätte sie nach ihrem Vortrag zunächst jedenfalls zwischen Donnerstag, dem 23. Mai 2013 und Samstag, dem 25. Mai 2013 die von ihr nicht genutzte Gelegenheit zur Einlegung der Beschwerde gehabt.
Davon ausgehend, dass die Klägerin zwischen Sonntag, dem 26. Mai 2013 und Donnerstag, dem 30. Mai 2013 infolge ihres Krankenhausaufenthalts zur Entbindung tatsächlich an der Einlegung der Beschwerde gehindert war, hätte für sie jedenfalls auch noch einmal Gelegenheit zur Beschwerdeeinlegung zwischen dem 30. Mai 2013 und Montag, dem 3. Juni 2013 bestanden. Somit hat sie ihr Krankenhausaufenthalt zur Entbindung selbst dann nicht als ein hier unterstellter unabwendbarer Zufall an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert, wenn dieser Krankenhausaufenthalt – wie erstmals im Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom … September 2016 behauptet – tatsächlich bis einschließlich Freitag, den 31. Mai 2013 gedauert haben sollte. Denn dann hätte für sie noch die Möglichkeit zur Einlegung der Beschwerde am Samstag, den 1. Juni 2013 und am Montag, den 3. Juni 2013 bestanden.
Nach den vorstehenden Darlegungen ist der Klägerin ein Zeitraum von deutlich mehr als zwei Wochen zur wenigstens fristwahrenden Einlegung einer Beschwerde gegen den von ihr angegriffenen Entlassungsbescheid zur Verfügung gestanden, so dass ihr die aus § 7 Abs. 1 WBO abzuleitende Mindestfrist für eine Beschwerde von zwei Wochen (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 7 Rn. 16 m.w.N.) gewährleistet war.
Nach all dem ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten mangels hinreichender Erfolgsaussichten wegen voraussichtlicher Unzulässigkeit der Klage wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 6 Abs. 1 WBO abzulehnen.

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