Arbeitsrecht

Keine Wahlberechtigung der Soldaten einer Sanitätsstaffel Einsatz für Personalratswahl

Aktenzeichen  AN 7 P 17.01350

Datum:
30.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 123525
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SBG §§ 48 ff.
BPersVG § 13, § 14, § 25

 

Leitsatz

Die Soldaten einer Sanitätsstaffel Einsatz in einem Sanitätsunterstützungszentrum wählen Vertrauenspersonen nach dem SBG, nicht Personalräte (Anschluss an OVG Bln-Bbg BeckRS 2016, 45781). (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die am 7. und 8. Juli 2015 durchgeführte Wahl zum örtlichen Personalrat beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck wird hinsichtlich der Gruppe der Soldaten für ungültig erklärt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die – teilweise – Anfechtung einer Personalratswahl (Gruppenwahl) durch den Dienststellenleiter.
Der am Verfahren beteiligte örtliche Personalrat ist laut Wahlausschreiben des zuständigen Wahlvorstandes vom 11. Mai 2015 errichtet beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck mit zugehörigen Sanitätsversorgungszentren, Facharztzentren und weiteren Organisationseinheiten, u.a. der Sanitätsstaffel Einsatz. Der Personalrat umfasst 13 Soldatenvertreter und 5 Arbeitnehmervertreter, dagegen keine Beamtenvertreter.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2015 legte der Dienststellenleiter (Antragsteller) Einspruch gegen das Wählerverzeichnis bezüglich der Aufnahme des Personals der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck ein, der vom Wahlvorstand in seiner Sitzung vom 19. Mai 2015 unter Nennung konkreter rechtlicher Gesichtspunkte als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Laut Bekanntmachung des Wahlergebnisses vom 8. Juli 2015 wurden bei der am 7. und 8. Juli 2015 durchgeführten Wahl zum Personalrat u.a. auch drei Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck gewählt.
Mit am 20. Juli 2015 per Telefax unter dem Aktenzeichen AN 7 P 15.01150 bei der Fachkammer für Personalvertretungsrecht des Bundes beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums erklärte der Dienststellenleiter (Antragsteller) die Anfechtung der Wahl mit dem Antrag auf Feststellung, „dass die am 07. und 08.07.2015 durchgeführten Personalratswahlen zum örtlichen Personalrat beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck in der Gruppe der Soldaten ungültig sind.“
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Das Wählerverzeichnis habe auch Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck enthalten, die mitgewählt hätten und nicht wahlberechtigt gewesen seien. Die Sanitätsstaffeln Einsatz seien nämlich ausweislich der entsprechenden Organisationsgrundlagen keine personalratsfähigen Dienststellen, sondern vollbewegliche Einheiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG a.F. mit klarem Auftrag der Wahrnehmung von Aufgaben im Einsatz. Diese hätten Vertrauenspersonen nach dem SBG zu wählen und nicht Personalräte nach dem BPersVG. Des Weiteren seien in den Dienststellen Sanitätsstaffel Einsatz keine zivilen Dienstposten ausgeworfen. Durch die Wahl von Kandidaten aus der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck in den Personalrat des Sanitätsunterstützungszentraums Kümmersbruck sei gegen §§ 13, 14 BPersVG verstoßen worden. Daraus ergebe sich, dass die Personalratswahlen beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck in der Gruppe der Soldaten ungültig seien. Parallelverfahren seien u.a. anhängig für die Personalratswahlen beim Sanitätsunterstützungszentrum Köln-Wahn (Verwaltungsgericht Köln, Aktenzeichen 32 K 2955/15.PVB), beim Sanitätsunterstützungszentrum Cochem (Verwaltungsgericht Mainz, Aktenzeichen 2 K 599/15.MZ), beim Sanitätsunterstützungszentrum Berlin (Verwaltungsgericht Berlin, Aktenzeichen VG 72 K 5.15 PVB), beim Sanitätsunterstützungszentrum Augustdorf (Verwaltungsgericht Minden, Aktenzeichen 13 K 1350/15 PVB) sowie beim Sanitätsunterstützungszentrum Kiel (Verwaltungsgericht Schleswig, Aktenzeichen 18 A 3/15).
Mit Schriftsatz vom 14. August 2015 zeigte Rechtsanwalt … an, dass er den beteiligten Personalrat vertrete und dass beantragt werde, den Antrag des Dienststellenleiters zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 3. September 2015 zeigte der Leiter der Abteilung Verwaltung beim Kommando Regionale Sanitätsdienstliche Unterstützung D./L. … unter Vorlage einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht an, dass er bevollmächtigt sei, den Dienststellenleiter im vorliegenden Verfahren zu vertreten. Gleichzeitig legte er einen Abdruck des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin, Fachkammer für Personalvertretungssachen des Bundes, vom 20. August 2015 – VG 72 K 5.15 PVB – juris, betreffend die Sanitätsstaffel Einsatz G., unterstellt dem Sanitätsunterstützungszentrum Berlin, vor.
Mit Schriftsätzen vom 7. September 2015 (für den Personalrat) und vom 15. September 2015 (für den Dienststellenleiter) wurde übereinstimmend beantragt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig gemachten Verfahrens VG 72 K 5.15 PVB im hier beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängigen Verfahren das Ruhen anzuordnen. Diesen übereinstimmenden Anträgen kam die erkennende Fachkammer mit Beschluss vom 16. September 2015 nach. In der Folgezeit wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 5. April 2016 – OVG 62 PV 9.15 – juris, die Beschwerde des Antragstellers in dortigem Ausgangsverfahren, einer in der betreffenden Sanitätsstaffel Einsatz und dem betreffenden Sanitätsunterstützungszentrum vertretenen Gewerkschaft, als unbegründet zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht nicht zu.
Sowohl das Verwaltungsgericht Berlin a.a.O. als auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg a.a.O. vertreten in ihren jeweiligen Entscheidungen mit näherer Begründung übereinstimmend die Auffassung, dass die Soldaten in der dem Sanitätsunterstützungszentrum Berlin unterstellten Sanitätsstaffel Einsatz G. Vertrauenspersonen und nicht Personalräte zu wählen hätten. Die Sanitätsstaffel Einsatz G. sei eine Einheit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG a.F., weil sie beweglich sei.
Die gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht seitens der Gewerkschaft erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2015 – 6 PB 6.16 – juris, als unzulässig verworfen.
Mit Beschluss vom 17. Juli 2017 verfügte die erkennende Fachkammer das Wiederaufgreifen des Verfahrens und dessen Fortführung unter dem neuen Aktenzeichen AN 7 P 17.01350.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Juli 2017 ließ der beteiligte Personalrat den gestellten Antrag auf Zurückweisung des Wahlanfechtungsantrags des Dienststellenleiters begründen.
Die Beteiligten erklärten mit Schriftsätzen vom 21. April 2017 bzw. vom 8. August 2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Der fristgerecht und auch sonst in zulässiger Weise nach § 25 BPersVG vom Dienststellenleiter gestellte – teilweise – Wahlanfechtungsantrag ist in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Umfang begründet. Die streitgegenständliche Personalratswahl 2015 beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck war antragsgemäß hinsichtlich der Gruppe der Soldaten für ungültig zu erklären, weil an der angefochtenen Personalratswahl Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck teilgenommen haben und auch gewählt worden sind. Dadurch ist gegen wesentliche Wahlgrundsätze verstoßen worden (§§ 13, 14 BPersVG i.V.m. § 1 und §§ 48 ff. SBG a.F.). Den Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck (zivile Dienstposten sind für diesen Organisationsbereich unstrittig nicht ausgewiesen) stand weder das aktive noch das passive Wahlrecht zum örtlichen Personalrat beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck zu. Es liegt auf der Hand und wird von den Verfahrensbeteiligten auch nicht in Zweifel gezogen, dass durch die Teilnahme der Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck an der Personalratswahl 2015 beim Sanitätsunterstützungszentrum Kümmersbruck das Wahlergebnis im Sinne von § 25 BPersVG beeinflusst werden konnte.
Über den Wahlanfechtungsantrag des Dienststellenleiters konnte auf Grund des Einverständnisses beider Verfahrensbeteiligten gemäß § 59 SGB n.F., § 83 Abs. 2 BPersVG, § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
Der seinerzeitige Wahlvorstand beim Sanitätsunterstützungszentrum K., der den Einspruch des Dienststellenleiters gegen das Wählerverzeichnis vom 11. Mai 2015 in seiner Sitzung vom 19. Mai 2015 als unbegründet zurückgewiesen hat, ist nicht am vorliegenden Wahlanfechtungsverfahren beteiligt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, B.v. 18.4.1978 – 6 P 34/78 – juris).
Die erkennende Fachkammer schließt sich hinsichtlich der Frage der Wahlberechtigung der Soldaten der Sanitätsstaffel Einsatz K. den detaillierten und überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Branden-burg in seinen oben genannten jeweiligen Beschlüssen vom 20. August 2015 bzw. vom 5. April 2016 a.a.O. vollumfänglich an. Diese Ausführungen, die konkret die Sanitätsstaffel Einsatz G. beim Sanitätsunterstützungszentrum Berlin betreffen, sind auf die hier streitgegenständliche Sanitätsstaffel Einsatz K. beim Sanitätsunterstützungszentrum K. vollständig übertragbar. Eine inhaltliche Wiedergabe der vom Verwaltungsgericht Berlin und vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg aufgestellten Rechtsgrundsätze, die den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bekannt sind, ist entbehrlich. Dass etwa zwischen dem Auftrag und der Organisationsstruktur der Sanitätsstaffel Einsatz G. und der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck entscheidungsrelevante Unterschiede bestehen würden, ist weder seitens der Verfahrensbeteiligten dargetan noch sonst ersichtlich.
Auch die vom anwaltlichen Bevollmächtigten des beteiligten Personalrats mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 angeführten Argumente rechtfertigen und erfordern keine anderslautende Entscheidung im vorliegenden Fall. Es wird nicht überzeugend im Einzelnen dargelegt, dass bzw. weshalb die vom Verwaltungsgericht Berlin und vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg a.a.O. vertretene Rechtsauffassung etwa unzutreffend sein sollte. Vielmehr haben die beiden vorgenannten Gerichte ihre Rechtsauffassung detailliert und überzeugend begründet, die erkennende Fachkammer schließt sich, wie bereits ausgeführt, der von den beiden vorgenannten Gerichten vertretenen Rechtsauffassung an und macht sich diese zu eigen.
Insbesondere ist hervorzuheben, dass es gemäß Anlage 2 Ziffer 1 der im Verfahren vorgelegten Organisationsanweisung des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr für die Aufstellung der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck vom 15. Dezember 2014 ausdrücklich zum Auftrag der genannten Sanitätsstaffel gehört (nachfolgende Hervorhebungen durch das Gericht), die umfassende sanitätsdienstliche Unterstützung von Truppenteilen, Dienststellen und Einrichtungen im Grundbetrieb einschließlich Ausbildungs- und Übungsvorhaben sowie „im Einsatz in der Rolle 1“ sicherzustellen und durchzuführen. Im Besonderen (vgl. Anlage 2 Ziffer 1.2.1 der erwähnten Organisationsanweisung) gehört es zum Auftrag der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck auch, Kräfte der sanitätsdienstlichen „Einsatzunterstützung“ der Versorgungsebene 1 für die präklinische (Notfall-)Versorgung und zur anteiligen Unterstützung des luftfahrzeuggebundenen Verwundetentransports / Air Medical Evacua-tion / AirMedEvac im Verbund mit anderen Dienststellen des Sanitätsdienstes „im und für den Einsatz“ auf Befehl bereit zu halten und abzustellen sowie durch die Abstellung von Personal und Material insbesondere der Behandlungs- und Versorgungsebene 1 „für den Einsatz“ zu steuern und zu führen. Dementsprechend definiert Anlage 2 Ziffer 2 der erwähnten Organisationsanweisung den Grad der Beweglichkeit der Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck als „vollbeweglich“, wie es letztlich auch dem Zusatz „Einsatz“ in der offiziellen Bezeichnung der streitgegenständlichen Sanitätsstaffel entspricht. Die Mobilität der streitgegenständlichen Sanitätsstaffel Einsatz Kümmersbruck ist somit ebenso wie die Mobilität der Sanitätsstaffel Einsatz G., die Gegenstand der vorgenannten Verfahren beim Verwaltungsgericht Berlin und beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war, entgegen der Rechtsauffassung des beteiligten Personalrats „militäreigentümlich“ und nicht lediglich „allenfalls militärbezogen“ (vgl. auch Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 7. Auflage 2012, SBG § 2 Rn. 13d, mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, B.v. 16.302006 – 6 P 12.05 – juris, der jedoch ein „teilbewegliches“ Musikkorps der Marine betrifft, d.h. eine im Wesentlichen mit reinen Repräsentationsaufgaben, nicht mit militärischen Einsatz- oder Einsatzunterstützungsaufgaben im eigentlichen Sinn betraute Einheit).
Nach alledem hat die Wahlanfechtung im Umfang des gestellten Antrags Erfolg.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, denn das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 Abs. 2 BPersVG, § 80 Abs. 1 i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG).

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