Aktenzeichen B 5 K 16.380
Leitsatz
Aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist zwar abzuleiten, dass wegen Krankheit versäumte Dienstzeit arbeitszeitrechtlich so zu behandeln ist, als habe der Beamte Dienst im vorgesehenen Umfang geleistet; wegen Krankheit nicht geleistete Mehrarbeit muss aber – anders als die reguläre Dienstzeit – nicht gutgeschrieben werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht für den streitgegenständlichen Einsatz von 05. bis 12.08.2015 kein weitergehender Anspruch auf Zeitgutschrift zu, als ihm bereits von der Beklagten gewährt wurde.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 78 BBG). Zwar lässt sich aus dieser Pflicht der auch in den Regelungen der §§ 9, 9a BBesG zum Ausdruck kommende Grundsatz ableiten, dass ausgefallener Dienst vom Beamten nicht „ersatzweise“ nachzuholen und wegen Krankheit versäumte Dienstzeit arbeitszeitrechtlich so zu behandeln ist, als habe der Beamte Dienst im vorgesehenen Umfang geleistet (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2012 – 2 B 2.12 – juris, Rn. 13 m.w.N.; BVerwG, U.v. 01.04.2004 – 2 C 14/03 – juris; SächsOVG, U.v. 22.03.2016 – 2 A 374/14 – juris). Zielrichtung ist dabei die Vermeidung einer Schlechterstellung des Beamten; dieser soll bei einer Erkrankung nicht schlechter gestellt werden, als er ohne die Dienstunfähigkeit gestellt wäre (BVerwG, B.v. 26.11.2012, a.a.O., Rn. 13).
Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz umfasst aber erkennbar nur den von einem Beamten regulär – ggf. auch im Rahmen von Schichtdienst – abzuleistenden Dienst. Hingegen ist zusätzlicher Dienst, der im Rahmen von Mehrarbeit im Sinne von § 88 BBG abzuleisten gewesen wäre, von diesem Grundsatz nicht erfasst. Denn die Rechtsprechung betrifft ausdrücklich nur solche Fallgestaltungen, in denen die Festlegung von Wechseldienstregelungen in Zusammenhang mit Arbeitszeitkonten erfolgte. Im Rahmen von derartigen Arbeitszeitkonten wird aber nur die von einem Beamten regulär zu leistende Arbeitszeit „verteilt“, in dem die wöchentlich zu leistende Soll-Arbeitszeit und die im Rahmen des Schichtdiensts tatsächlich erbrachte Ist-Arbeitszeit festgehalten werden. Die auf einem derartigen Arbeitszeitkonto anfallenden „Plus-“ oder Minusstunden betreffen somit immer nur die von einem Beamten regulär zu leistende Dienstzeit. Damit sind von der Rechtsprechung ausdrücklich nicht die Fälle erfasst, in denen es um die Anordnung von Mehrarbeit geht (so ausdrücklich SächsOVG, U.v. 22.03.2016, a.a.O., Rn. 26 ff.).
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass wegen Krankheit nicht abgeleistete Mehrarbeit einem Beamten – anders als die reguläre Dienstzeit – nicht gutgeschrieben werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Mehrarbeit im Sinne des § 88 Satz 2 BBG der Dienst, den der einer Arbeitszeitregelung unterliegende Beamte aufgrund dienstlicher Anordnung oder Genehmigung zur Wahrnehmung der Obliegenheiten des Hauptamts oder, soweit ihm ein Amt nicht verliehen ist, zur Erfüllung der einem Hauptamt entsprechenden Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus – d.h. nicht im Rahmen des normalen Arbeitsumfangs – verrichtet (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 23/15 – juris, Rn. 13 f.; BVerwG, U.v. 23.09.2004 – 2 C 61.03 – juris, Rn. 14 f.). Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit unterliegt keinem Schriftformerfordernis, sie muss sich aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen; nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (vgl. BVerwG, U.v. 02.04.1981 – 2 C 1.81 – juris, Rn. 20; BVerwG, U.v. 28.05.2003 – 2 C 28.02 – juris, Rn. 14; BVerwG, U.v. 23.09.2004 – 2 C 61.03 – juris, Rn. 18).
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet es, einen Beamten bei Krankheit nicht schlechter zu stellen, als er bei regulärer Dienstausübung stehen würde. Der Beamte ist daher so zu stellen, als ob er den von ihm geschuldeten Dienst geleistet hätte. Es würde aber eine Überdehnung dieses Fürsorgegedankens darstellen, nicht den Regelfall betreffende und gesondert anzuordnende bzw. zu genehmigende Mehrarbeit (§ 88 Satz 2 BBG) hier genauso zu behandeln, wie den von einem Beamten regulär geschuldeten Dienst. Denn erkrankt ein Beamter während eines Zeitraums, für den von seinem Dienstherrn Mehrarbeit angeordnet wurde, so ist der Beamte von dieser zusätzlichen Belastung nicht betroffen. Der Beamte kann somit auch im Gegenzug keine Vergünstigung in Form einer Zeitgutschrift von Mehrarbeit für diese zusätzliche Belastung erhalten, wenn und soweit er von dieser Belastung durch Mehrarbeit wegen einer Erkrankung gar nicht betroffen war.
Gemessen daran ist die von der Beklagten vorgenommene Zeitgutschrift für die streitgegenständliche Erkrankung des Klägers nicht zu beanstanden. Der Kläger hat eine Zeitgutschrift in dem Umfang erhalten, der dem zeitlichen Umfang des von ihm regulär zu leistenden Diensts in seiner Stammdienststelle entsprach. Soweit auf Grund des für den Einsatz geltenden Schichtplans vom Kläger Dienst in darüber hinausgehendem zeitlichem Umfang zu leisten gewesen wäre, handelt es sich auf Grund des Einsatzbefehls vom 03.08.2015 um angeordnete Mehrarbeit im oben genannten Sinne gemäß § 88 BBG. Wie dargestellt hat aber ein Beamter für angeordnete, aber wegen Erkrankung tatsächlich nicht geleistete Mehrarbeit keinen Anspruch auf Zeitgutschrift.
Auch der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass nach der üblichen Praxis seiner Dienststelle Mehrarbeitsstunden verfallen würden, wenn ein Beamter in dem Zeitraum erkranke, in dem er seine Mehrarbeitsstunden „abfeiern“ wolle, vermag an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern. Zwar würde sich hinsichtlich einer derartigen Verwaltungspraxis die Frage stellen, ob diese mit dem in § 88 Satz 2 BBG gesetzlich normierten Anspruch eines Beamten auf Dienstbefreiung für erbrachte Mehrarbeit in Einklang stünde. Indes ist diese Frage hier nicht streitgegenständlich, so dass hierüber nicht zu entscheiden ist. Der Kläger ist nicht während eines Zeitraums erkrankt, in dem er Dienstbefreiung für erbrachte Mehrarbeit hätte erhalten sollen, sondern während eines Zeitraums, in dem er Mehrarbeit hätte erbringen sollen.
Die Frage, ob es zulässig wäre, einen Anspruch auf Dienstbefreiung wegen erbrachter Mehrarbeit im Falle der Erkrankung in der Phase der Dienstbefreiung verfallen zu lassen, ist auch selbstständig und unabhängig von der hier streitgegenständlichen Frage eines Anspruchs auf Zeitausgleich für angeordnete, aber dann wegen Krankheit tatsächlich nicht erbrachte Mehrarbeitsstunden zu beurteilen. Zwischen diesen beiden Fragen besteht kein derartiger Zusammenhang, dass eine rechtliche Beurteilung nur einheitlich erfolgen könnte. Dem Kläger kann somit auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer insgesamt einheitlich zu handhabenden Verwaltungspraxis von Mehrarbeit ein Anspruch auf Zeitgutschrift für die streitgegenständliche Erkrankung zustehen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.