Aktenzeichen 9 AZR 399/13
§ 157 BGB
§ 158 Abs 1 BGB
§ 894 S 1 ZPO
§ 147 Abs 2 SGB 5
§ 152 SGB 5
§ 153 SGB 5
§ 150 Abs 2 SGB 5
§ 144 Abs 4 S 2 SGB 5
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Berlin, 12. Juni 2012, Az: 50 Ca 11292/11, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 20. Februar 2013, Az: 4 Sa 1583/12 und 4 Sa 1717/12, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Februar 2013 – 4 Sa 1583/12 und 4 Sa 1717/12 – unter Zurückweisung der Revision der Klägerin im Übrigen und unter Zurückweisung der Revision des beklagten Landes teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Juni 2012 – 50 Ca 11292/11 – mit der Maßgabe abgeändert, dass auch die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2011 zu berücksichtigen ist.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
2
Zwischen den Parteien bestand bis zum 31. Dezember 1998 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin erbrachte im Rahmen einer Personalgestellung ihre Arbeitsleistung bei der Betriebskrankenkasse des beklagten Landes, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (im Folgenden: BKK Berlin). Im August 1995 lehnte das beklagte Land gegenüber dem Vorstand der BKK Berlin die weitere Übernahme der Personalkosten für die Führung der Krankenkasse ab. Unter dem 15. August 1997 vereinbarten die Klägerin und das beklagte Land eine schriftliche Nebenabrede zum Arbeitsvertrag. Danach war für das Arbeitsverhältnis eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 19,25 Stunden maßgeblich.
3
Die Klägerin erhielt ein schriftliches Arbeitsvertragsangebot von der BKK Berlin. Mit Schreiben vom 20. April 1998 gab das beklagte Land, vertreten durch den damaligen Senator für Inneres, gegenüber der Klägerin und den anderen ca. 200 betroffenen Arbeitnehmern folgende Erklärung ab:
„…
die BKK Berlin hat Ihnen aufgrund des Arbeitgeberwechsels zum 01.01.1999 einen neuen Arbeitsvertrag ausgehändigt.
Vorausgesetzt, dass Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die BKK Berlin zugestimmt haben, freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Senat von Berlin Ihnen ein unbefristetes Rückkehrrecht zum Land Berlin für den Fall der Schließung/Auflösung der BKK Berlin einräumt.
…“
4
Die Klägerin unterzeichnete den Arbeitsvertrag mit der BKK Berlin.
5
Das beklagte Land schloss mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) am 12. August 1998 eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung (im Folgenden: VBSV BKK). Diese enthielt ua. folgende Regelungen:
„§ 1
Anwendungsbereich
Die nachfolgenden Regelungen gelten für den Übergang der Arbeitnehmer des Landes Berlin auf die Betriebskrankenkasse des Landes Berlin (BKK Berlin).
§ 2
Übergang der Beschäftigungsverhältnisse und
Rückkehrrecht
…
(2)
Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aufgrund des § 147 Abs. 2 SGB V vom Land Berlin auf die BKK Berlin übergegangen sind, haben das Recht, im Falle einer Vereinigung (§ 150 SGB V), soweit sie selbst von Personalfreisetzungen im Zuge der Vereinigung betroffen sind, einer Auflösung (§ 152 SGB V) und einer Schließung (§ 153 SGB V) in ein Arbeitsverhältnis zum Land Berlin zurückzukehren.
…
(3)
Scheidet ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach § 147 Abs. 2 SGB V vom Land Berlin auf die BKK Berlin übergegangen ist, aus dem Arbeitsverhältnis bei der BKK Berlin aus und wird im unmittelbaren Anschluss daran ein neues Arbeitsverhältnis zum Land Berlin begründet, wird das Land Berlin die bei der BKK Berlin verbrachte Zeit als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT/BAT-O bzw. § 6 BMT-G/ BMT-G-O und als Dienstzeit nach § 20 BAT berücksichtigen.
(4)
Die Veränderungen nach Absatz 2, Unterabsatz 1 sind jedem Arbeitnehmer persönlich und unverzüglich in schriftlicher Form mitzuteilen. …
…
§ 3
Feststellung nach der Beschäftigungssicherungsvereinbarung
Diese Vereinbarung ist eine Vereinbarung im Sinne der Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 der Vereinbarung über den Umgang mit der Personalüberhangsituation zur Beschäftigungssicherung vom 29. Mai 1997. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass die in Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 dieser Vereinbarung getroffene Regelung ebenso für Fälle einer Nichtzustimmung nach § 147 Abs. 2 SGB V gilt.“
6
Die Klägerin erhielt vom beklagten Land eine schriftliche Mitteilung vom 20. August 1998, in der es heißt:
„…
wie wir Ihnen bereits in unserem Schreiben vom 20.4.1998 mitgeteilt haben, wird Ihnen als Beschäftigte/r der BKK unter bestimmten Voraussetzungen ein unbefristetes Rückkehrrecht zum Land Berlin gewährt. Dieses Rückkehrrecht ist zwischenzeitlich in einer Vereinbarung, die zwischen den Gewerkschaften ÖTV und DAG und dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Inneres, abgeschlossen wurde, zusätzlich abgesichert und konkretisiert worden. …“
7
Zum 1. Januar 2004 erfolgte eine freiwillige Vereinigung der BKK Berlin mit der BKK Hamburg zur City BKK. Das beklagte Land teilte der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit Schreiben vom 13. Mai 2004 mit, dass nach der Fusion der Fortbestand der VBSV BKK nicht erforderlich erscheine, und bat um Mitteilung, ob eine einvernehmliche Aufhebung möglich sei. Darauf antwortete ver.di dem beklagten Land im Juni 2004 ua. Folgendes:
„… Aufgrund dieser Fusion zum 1. Januar 2004 und der sie ergänzenden tariflichen Verständigung mit der City BKK sehen wir die Grundlage der VBSV BKK als nicht mehr gegeben an, so dass sie mit Wirkung der Fusion der beiden BKKen in Berlin und Hamburg zur City BKK entbehrlich geworden ist.
Hinsichtlich der in § 3 Absatz 1 der VBSV BKK getroffenen Regelung bezüglich der Berücksichtigung von in der BKK Berlin erbrachten Beschäftigungs- und Dienstzeiten würde es uns der Einfachheit halber genügen, wenn Sie uns schriftlich bestätigen, dass Sie diese Regelung inhaltlich ggf. zur Anwendung brächten. Mithin würde die VBSV BKK vom 12.8.1998 mit Wirkung des 1.1.2004 keine Anwendung mehr finden.
…
Sollten Sie wie wir mit dem Eintreten der Fusion zum 1.1.2004 die Wirkung der VBSV BKK vom 12.8.1998 als beendet ansehen und mit der unbürokratischen Verfahrensweise bezüglich einer möglichen Anwendung der sinngemäßen Regelungen hinsichtlich der in der BKK Berlin erbrachten Beschäftigungs- und Dienstzeiten einverstanden sein, bitten wir Sie lediglich um eine kurze schriftliche Bestätigung.“
8
Das beklagte Land erwiderte hierauf mit Schreiben vom 21. Juni 2004:
„…
unter Bezugnahme auf Ihr o. g. Schreiben bestätige ich Ihnen, dass mit dem Eintreten der Fusion der BKK Berlin mit der BKK Hamburg zur City BKK zum 01.01.2004 die Beschäftigungssicherungsvereinbarung BKK (VBSV BKK) vom 12. August 1998 als beendet angesehen wird.
Die bisher in § 2 Abs. 3 VBSV BKK getroffene Regelung bezüglich der Berücksichtigung von in der BKK Berlin erbrachter Beschäftigungs- und Dienstzeiten wird infolge der Fusion künftig ggf. wie folgt zur Anwendung kommen:
‚Scheidet ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach § 147 Abs. 2 SGB V vom Land Berlin auf die BKK Berlin übergangen ist, aus dem Arbeitsverhältnis bei der City BKK aus und wird in unmittelbarem Anschluss daran ein neues Arbeitsverhältnis zum Land Berlin begründet, wird das Land Berlin die bis zum 31.12.2003 bei der BKK Berlin verbrachte Zeit als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT/BAT-O bzw. § 6 BMT-G-O und als Dienstzeit nach § 20 BAT berücksichtigen.‘
…“
9
Die Klägerin vereinbarte mit der City BKK die Aufstockung ihrer Arbeitszeit auf Vollzeit. Zum 1. Januar 2005 fusionierte die City BKK mit der BKK Bauknecht und der BeneVita BKK. Die dadurch entstandene Betriebskrankenkasse führte ebenfalls den Namen City BKK. Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der City BKK mit Ablauf des 30. Juni 2011 an. Diese teilte der Klägerin Anfang Mai 2011 mit, dass ihr Arbeitsverhältnis nach § 164 Abs. 4 SGB V mit Ablauf des 30. Juni 2011 ende. Vorsorglich kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2011 sowie hilfsweise zum 31. Dezember 2011. Die Klägerin verfolgt in einem gesonderten Verfahren die Feststellung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses zur City BKK.
10
Im Mai 2011 machte die Klägerin unter Hinweis auf das Schreiben des beklagten Landes vom 20. April 1998 und die VBSV BKK schriftlich ihr Rückkehrrecht gegenüber dem beklagten Land geltend. Dieses lehnte mit Schreiben vom 14. Juni 2011 die von der Klägerin beantragte Wiedereinstellung ab.
11
Die Klägerin ist der Auffassung, die Voraussetzungen der Rückkehrzusage des beklagten Landes vom 20. April 1998 seien erfüllt. Sie behauptet, sie habe dem Wechsel zur BKK Berlin nur wegen dieser Zusage zugestimmt. Nach dieser sei sie so zu stellen, als wäre sie über den 31. Dezember 1998 hinaus beim Land Berlin weiterbeschäftigt worden. Darüber hinausgehend habe sie einen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags in Vollzeit. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 4, 5 TzBfG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG.
12
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellte beginnend mit dem 1. Juli 2011 in Vollzeittätigkeit mit Vergütung nach Vergütungsgruppe IVb BAT nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 14. Oktober 2010 unter Berücksichtigung der beim beklagten Land bis zum 31. Dezember 1998, der bei der BKK Berlin, Körperschaft des öffentlichen Rechts, bis zum 31. Dezember 2003 sowie der bei der City BKK, Körperschaft des öffentlichen Rechts, bis zum 30. Juni 2011 zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen,
hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellte beginnend mit dem 1. Juli 2011 in Teilzeitbeschäftigung gemäß der Nebenabrede vom 15. August 1997 mit Vergütung nach Vergütungsgruppe IVb BAT nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 14. Oktober 2010 unter Berücksichtigung der beim beklagten Land bis zum 31. Dezember 1998, der bei der BKK Berlin, Körperschaft des öffentlichen Rechts, bis zum 31. Dezember 2003 sowie der bei der City BKK, Körperschaft des öffentlichen Rechts, bis zum 30. Juni 2011 zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen.
13
Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Fall der Schließung der City BKK sei von seiner Rückkehrzusage nicht umfasst. Diese habe sich ausschließlich auf die Schließung/Auflösung der BKK Berlin bezogen. Dementsprechend sei auch die VBSV BKK im Einvernehmen mit ver.di aufgehoben worden. Soweit die Klägerin die Berücksichtigung von Zeiten verlange, in denen sie in einem Arbeitsverhältnis zu den Betriebskrankenkassen gestanden habe, sei dies zu pauschal. Jedenfalls sei für dieses Begehren keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Die im Schreiben vom 21. Juni 2004 an ver.di erfolgte Zusage der Anerkennung von Beschäftigungs- und Dienstzeiten habe sich nur auf die durch die Vereinigung mit der BKK Hamburg entstandene City BKK, nicht aber auf die Betriebskrankenkasse gleichen Namens bezogen, die durch die spätere Vereinigung mit den weiteren zwei Kassen entstanden sei. Keinesfalls könne die Klägerin, die aufgrund der Nebenabrede vom 15. August 1997 beim beklagten Land zuletzt teilzeitbeschäftigt war, nunmehr eine Beschäftigung in Vollzeit verlangen.
14
Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags beginnend mit dem 1. Juli 2011 in Teilzeitbeschäftigung gemäß der Nebenabrede vom 15. August 1997 mit Vergütung nach Vergütungsgruppe IVb BAT nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 14. Oktober 2010 unter Berücksichtigung der bei dem beklagten Land bis zum 31. Dezember 1998 zurückgelegten Betriebszugehörigkeit sowie unter Berücksichtigung der bei der BKK Berlin zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen des beklagten Landes und der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Tenor des Arbeitsgerichts jedoch dahingehend klargestellt, dass die bei der BKK Berlin bis zum 31. Dezember 2003 zurückgelegte Betriebszugehörigkeit zugrunde zu legen ist. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision auch die Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2011 sowie eine Vollzeitbeschäftigung beim beklagten Land.