Arbeitsrecht

Konkludente Vertragsverlängerung durch Entgegennahme weiterer Leistungen

Aktenzeichen  1 HK O 862/15

Datum:
6.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133272
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 387, § 398, § 631 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Nimmt der Besteller nach Ablauf eines halbjährigen Dauerschuldverhältnisses über weitere sieben Monate Leistungen des Unternehmers entgegen und bezahlt diese teilweise, ist hierin eine konkludente Vertragsverlängerung zu sehen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Rechnet die beklagte Partei mit ihr von einem Dritten abgetretenen Schadensersatzforderungen auf und trägt sie hierzu im Prozess eine Vielzahl von Einzelpositionen vor, von denen ihr lediglich ein Teil abgetreten worden sei, so ist die Abtretung mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam, wenn nicht erkennbar ist, auf welche einzelnen Teilpositionen sich die Abtretung bezieht.  (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 59.129,52 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
€ 1.528,76 seit 04.03.2013,
€ 7.735,00 seit 04.04.2013,
€ 7.806,40 seit 04.04.2013,
€ 7.140,00 seit 03.05.2013,
€ 7.616,00 seit 03.05.2013,
€ 7.349,44 seit 02.06.2013,
€ 8.149,12 seit 10.07.2013,
€ 8.529,92 seit 01.08.2013 und
€ 3.274,88 seit 14.09.2013 zu bezahlen.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.752,90 vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.
3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/13 und die Beklagte 12/13.
5) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitgehend begründet, § 631 BGB.
1. Dass die Klägerin für die Beklagte die den geltend gemachten Rechnungen zugrundeliegenden Arbeiten (Aufräum- und Entsorgungsarbeiten) ausgeführt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Die Klägerin kann ihre Forderungen auf einen vertraglichen Anspruch stützen.
a) Die Verträge vom 06.06.2012 und 20.06.2012 hatten eine Laufzeit bis 31.12.2012. Gegenstand des Verfahrens sind Tätigkeiten der Klägerin ab Januar 2013. Sie behauptet eine mündliche Verlängerung des Vertrages vom 06.06.2012 unter Erhöhung des Stundensatzes auf € 17,00, was die Beklagte bestreitet.
Ob es eine ausdrückliche Verlängerung der Vereinbarung vom 06.06.2012 tatsächlich gibt, kann dahinstehen. Jedenfalls war die Klägerin ab Januar 2013 ca. 7 Monate (und noch einmal im März 2014) für die Beklagte tätig. Dass es bereits bis dahin eine Geschäftsverbindung zwischen den Parteien seit 2011 gibt, ist unstreitig. Die Beklagte hat über die geleisteten Tätigkeiten 9 Rechnungen für 2013 und eine weitere für 2014 erhalten. Die Beklagte zahlte auf die Rechnung über € 8.011,08 einen Teilbetrag von € 6.011,08, so dass ein – auffällig – runder Betrag von € 2.000,00 verbleibt. Dass und wofür sie diesen Betrag von € 2.000,00 zurückhalten/einbehalten wollte, wird nicht vorgetragen.
Die Beklagte hat zu keiner Rechnung vorgebracht, dass sie dagegen vorprozessual Einwendungen erhoben oder ihrer Verwunderung über die Rechnungsstellung als solche Ausdruck verliehen hätte.
Wenn die Beklagte also nach Arbeiten der Klägerin auf der Grundlage eines etwa 6-monatigen Dauerschuldverhältnisses weitere 7 Monate Arbeiten der Klägerin entgegennimmt und teilweise auch bezahlt, bleibt lediglich der Schluss, dass diesen Arbeiten eine und sei es auch nur konkludente Einigung der Parteien zugrundeliegt.
Für eine Einigung auf den erhöhten Stundensatz von € 17,00 gibt es allerdings kein taugliches Beweisangebot. Es reicht dafür auch nicht, dass der Vertrag vom 20.06.2012 einen Stundensatz von € 17,00 enthält. Darauf nimmt die Klägerin auch nicht Bezug.
b) Die Argumentation der Beklagten, der Vertrag vom 06.06.2012 liege zeitlich vor dem 20.06.2012, ist zwar in tatsächlicher Hinsicht zutreffend, aber rechtlich irrelevant. Dem Vertrag vom 20.06.2012 ist nicht zu entnehmen, dass er eine spätere und somit ersetzende Regelung desselben Sachverhalts darstellen würde.
Vergleichbar verhält es sich mit dem Vertrag vom 04.12.2013. Zum einen sind die Vertragsgegenstände unterschiedlich, zum anderen ist dem Vertrag vom 04.12.2013 auch nicht näherungsweise zu entnehmen, dass die Klägerin mit ihm auf längst fällig gewordene Vergütungsansprüche verzichtet hätte. Der Vertrag vom 04.12.2013 kam fast ein halbes Jahr nach den Arbeiten im Jahr 2013.
c) Anders verhält es sich mit der Rechnung vom 01.04.2014. Der zeitliche Abstand zu den Tätigkeiten im Jahr 2013 ist zu groß und die Tätigkeit im Jahr 2014 „zu singulär“, als dass daraus auf eine konkludente Einigung geschlossen werden könnte.
3. Die jeweiligen tenorierten Ansprüche der Klägerin ergeben sich in ihrer Höhe daraus, dass in den Rechnungen aus dem Jahr 2013 der Stundensatz von € 17,00 durch einen solchen in Höhe von € 16,00 ersetzt wurde.
Verzugszinsen sind aus § 286 Abs. III BGB begründet, in der Höhe jedoch nur zu 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, Artikel 229, § 34 EGBGB.
Der Verzugsschaden in Form vorprozessualer Anwaltskosten aufgrund des Schreibens vom 15.09.2014 (Anlage K 2) war aus dem tatsächlich begründeten Betrag von € 59.129,52 zu errechnen.
4. Der Anspruch der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung mit einem Betrag von € 72.330,25 erloschen, § 387 BGB.
Die behauptete Abtretung einer Forderung in dieser Höhe (§ 398 BGB) an die Beklagte ist mangels Bestimmbarkeit unwirksam, vgl. Palandt, BGB, 76. Auflage, § 398 RdNr. 14.
Die Beklagte trägt mit der Klageerwiderung eine Vielzahl an Einzelschadenspositionen vor, die sich auf brutto € 272.852,12 brutto addieren und zuzüglich Positionen „Zinsausfall, Bearbeitungskosten u.a.“ € 299.669,95 brutto ergeben sollen. Was aus diesen Einzelpositionen abgetreten sein soll, um einen Betrag von € 72.330,25 zu erreichen, ließ die Beklagte nicht vortragen, auch nicht nach entsprechendem Hinweis im Termin vom 14.07.2016.
Die Erklärung als Selbstbeteiligung im Rahmen einer Haftpflichtversicherung führt nicht weiter, weil auch dadurch nicht erkennbar ist, aus welchen Schadenspositionen sich der Betrag zusammensetzen soll.
5. Kosten: § 92 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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