Aktenzeichen W 4 M 17.33246
VwGO § 162
VwGO § 165
Leitsatz
1 Ist ein und derselbe Rechtsanwalt für das Ausgangs- und das Abänderungsverfahren bestellt worden, schließen es die § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5 RVG aus, dessen bereits im Ausgangsverfahren entstandene Gebühren (zB Verfahrensgebühr, Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen) im Abänderungsverfahren nochmals zu erstatten. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Aufwendungen mehrerer Rechtsanwälte sind nur zu erstatten, wenn die Beauftragung eines anderen (weiteren) Rechtsanwaltes für das Abänderungsverfahren nach dem Maßstab des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig war. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine normative Konkretisierung, wann die Kostenerstattung eines anderen (weiteren) Rechtsanwaltes als notwendige Aufwendung eines Beteiligten angesehen werden kann, findet sich in der über § 173 VwGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 91 Abs. 2 S. ZPO. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller (Erinnerungsführer) hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen. Das Verfahren des Gerichts ist gebührenfrei.
Gründe
Über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2017 entscheidet der funktionell zuständige Einzelrichter, weil auch die dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrunde liegende Kostengrundentscheidung in entsprechender Besetzung (vgl. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG) ergangen ist. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist insoweit ein von der Kostengrundentscheidung in der Hauptsache abhängiges Nebenverfahren (vgl. BVerwG, B.v. 29.12.2004 – 9 KSt 6/04 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 165 Rn. 3).
Die zulässige Erinnerung (§§ 165, 151 VwGO) ist unbegründet. Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. Juli 2017 geltend gemachten Kosten für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2017 zu Recht abgelehnt.
Der Einzelrichter hat mit unanfechtbarem Beschluss vom 24. Juli 2017 im Wege des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO – Abänderungsverfahren – seinen ursprünglich ablehnenden auf § 80 Abs. 5 VwGO fußenden Beschluss vom 18. März 2017 – Ausgangsverfahren – abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angeordnet. Im erfolglosen Ausgangsverfahren W 4 S 17.50116 hatte der Antragsteller die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen. Nach der Kostenentscheidung im stattgebenden Abänderungsverfahren hatte die Antragsgegnerin die Kosten des gleichfalls gerichtskostenfreien Abänderungsverfahrens zu tragen.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind stets die Gebühren und Auslagen „eines“ Rechtsanwaltes erstattungsfähig. Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für eine anwaltliche Tätigkeit bemisst sich dabei nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes -RVG- (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Soweit dort nichts anderes bestimmt ist, entgelten nach § 15 Abs. 1 RVG die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung „der Angelegenheit“. In „derselben Angelegenheit“ kann er die Gebühren gem. § 15 Abs. 2 RVG nur einmal fordern. Letztere Norm wird durch § 16 Nr. 5 RVG dahingehend typisiert und pauschaliert, es handelt sich -wie hierbei einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Ausgangs- und dem folgenden Abänderungsverfahren um kostenrechtlich eine Tätigkeit des Rechtsanwalts in „derselben Angelegenheit“. Dies gilt gem. § 16 Nr. 5 RVG kraft Gesetzes; eine Ausnahme hiervon ist nicht vorgesehen. Dementsprechend ist es auch unbeachtlich, dass Ausgangs- und Abänderungsverfahren etwa unter unterschiedlichen Aktenzeichen geführt und jeweils durch einen Beschluss entschieden werden (vgl. zur Anwendbarkeit der Regelungen des primär das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber regelnden RVG -seinerzeit BRAGOim Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zwischen den Verfahrensbeteiligten selbst zu § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2009 – 9 KSt 4/08, u.a. -, juris Rn. 4).
Ist danach ein und derselbe Rechtsanwalt für das Ausgangs- und das Abänderungsverfahren bestellt worden, schließen es die §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG aus, dessen bereits im Ausgangsverfahren entstandene Gebühren (z. B.: Verfahrensgebühr; Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen) im Abänderungsverfahren nochmals zu erstatten, denn es handelt sich kostenrechtlich bei beiden Verfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG für die Vergütung nur einmal gefordert werden kann (vgl. ebenso OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2014 – 19 E 524/14.A – n.V.; ausf. VGH B-W, Beschluss vom 8. November 2011 – 8 S 1247/11 -, juris Rn. 16ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. August 2014 – 13 L 644/14.A -, n.V.; Hartmann, in: Kostengesetze, 43. Aufl., § 16 RVG Rn. 9; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 16 RVG Rn. 82f., 92, jew. m.w.N).
Hat der Antragsteller – wie hier – zwei Rechtsanwälte beauftragt, nämlich einen für das Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und einen anderen für das anschließende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO, gilt Folgendes: Zwar werden in „derselben Angelegenheit“ im Sinne der §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 5 RVG nunmehr mehrere Rechtsanwälte tätig, so dass vorzitierte Normen einer Erstattungsfähigkeit nicht entgegenstehen (vgl. Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 15 RVG Rn. 21; für den Fall verschiedener Rechtsanwälte im Ausgangs- und Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 5 bzw. Abs. 7 VwGO: OVG Nds, Beschluss vom 31. März 2014 – 2 MC 310/13 n.V.; siehe auch VGH B-W, Beschluss vom 8. November 2011 – 8 S 1247/11 -, juris Rn. 16 a.E).
Indes sind der Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen des anderen (weiteren) Rechtsanwaltes gegenüber der Gegenbeteiligten im Abänderungsverfahren Grenzen gesetzt. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO lässt sich die Wertung entnehmen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung reiche regelmäßig die Mandatierung nur eines Rechtsanwaltes aus. Diese Wertung findet ihre Stütze in der allgemeinen Verpflichtung zur Kosten sparenden Prozessführung, nach der jeder Beteiligte die Kosten seiner Prozessgestaltung so niedrig zu halten hat, wie sich dies mit der vollen Wahrung seiner berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (vgl. VGH B-W, Beschluss vom 1. Februar 2011 – 2 S 102/11 -, juris Rn. 8; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 162 Rn. 60; Olbertz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 162 Rn. 45, 53, m.w.N).
Die Grenze der Erstattungsfähigkeit wird daher maßgeblich durch die Frage nach der Notwendigkeit der jeweiligen Prozesshandlung des Rechtsanwalts, die der Wahl eines bestimmten oder die mehrerer Rechtsanwälte bestimmt. Daraus, dass ein Beteiligter formal einen Kostentitel erlangt hat, ergibt sich noch nicht, dass seine Rechtsverfolgung auch geboten war. Die Frage der Notwendigkeit der Aufwendungen beurteilt sich vielmehr nach der Regelung in § 162 Abs. 1 VwGO. Die hier in Rede stehenden Aufwendungen mehrerer Rechtsanwälte sind daher nur zu erstatten, wenn die Beauftragung eines anderen (weiteren) Rechtsanwaltes für das Abänderungsverfahren nach dem Maßstab des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig war (vgl. VGH BW, Beschluss vom 1. Februar 2011 – 2 S 102/11 -, juris Rn. 8; Olbertz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 162 Rn. 45 m.w.N).
Eine normative Konkretisierung, wann die Kostenerstattung eines anderen (weiteren) Rechtsanwaltes als notwendige Aufwendung eines Beteiligten angesehen werden kann, findet sich in der über § 173 VwGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung -ZPO. Danach sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwaltes nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwaltes ein Wechsel eintreten musste (zur Anwendbarkeit des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, vgl. VGH BW, Beschluss vom 1. Februar 2011 – 2 S 102/11 -, juris; i.Erg. OVG Nds, Beschluss vom 21. März 2014 – 1 MC 310/13 -, n.V.; Olbertz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 162 Rn. 53, m.w.N.; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 15 RVG Rn. 21).
Beides ist, wie der Urkundsbeamte im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. August 2017 zu Recht ausgeführt hat, vorliegend nicht der Fall. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.
Nach alldem war die Kostenerinnerung zurückzuweisen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG).