Arbeitsrecht

Kostenfestsetzung nach Teilklagerücknahme und Rechtswegverweisung

Aktenzeichen  M 5 M 19.2975

Datum:
23.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21970
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 66
GVG § 17b

 

Leitsatz

1 Die Verfahrensgebühr entsteht sowohl im verwaltungs- als auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits mit Eingang der Klage bei Gericht und ist aus dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Streitwert festzusetzen. (Rn. 16 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei Verweisung eines Rechtsstreits an ein Gericht eines anderen Rechtswegs hat das Empfangsgerichts über die Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden (§ 17b Abs. 2 GVG). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller erhob zunächst Klage gegen die Hochschule R. vor dem Arbeitsgericht R* … (dort Az. 5 Ca 1536/17) und beantragte, (1.) festzustellen, dass er die Voraussetzungen gemäß BayHSchPG zur Berufung zum Professor erfülle, (2.) festzustellen, dass die Hochschule ihn wegen Alters diskriminiert habe und (3.) die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von EUR 424.869,80 zu verurteilen.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018, eingegangen bei dem Arbeitsgericht R* … am selben Tag, nahm der Antragsteller den Klageantrag zu 3. zurück. Mit Beschluss vom 27. Februar 2018 verwies das Arbeitsgericht R* … den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht München (dort fortgeführt unter Az. M 5 K 18.1364).
Mit seiner am 27. November 2018 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Erklärung nahm der Antragsteller die Klage M 5 K 18.1364 insgesamt zurück.
Mit Beschluss vom 28. November 2018 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren M 5 K 18.1364 ein (I.), legte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf (II.) und setzte den Streitwert auf EUR 424.869,80 fest (III.). Dieser Beschluss wurde mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 in Ziff. III. aufgrund der vor der Verweisung an das Verwaltungsgericht erklärten Teilklagerücknahme von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass der Streitwert bis zum 23. Januar 2018 auf EUR 424.869,80 und ab dem 24. Januar 2018 auf EUR 10.000,- festgesetzt wurde.
In dem vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München – nach Verweisung durch das Arbeitsgericht München – von dem Antragsteller betriebenen Parallelverfahren M 5 K 18.4877 wurde das Verfahren nach Klagerücknahme mit Beschluss vom 28. November 2018 eingestellt (I.), die Kosten dem Antragsteller auferlegt (II.) und der Streitwert – nach erfolgloser Streitwertbeschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. 4.2.2019 – Az. 7 C 19.154) sowie zum Bundesverwaltungsgericht (B.v. 20.3.2019 – Az. 6 B 16.19) – rechtskräftig auf EUR 424.869,80 festgesetzt (III.).
Mit Kostenrechnung vom 13. Juni 2019 stellte die Kostenbeamtin des Verwaltungsgerichts dem Antragsteller in den Verfahren M 5 K 18.1364 und M 5 K 18.4877 ausgehend von einem Streitwert in Höhe von jeweils EUR 424.869,80 Gerichtskosten in Höhe von jeweils EUR 3.178,- in Rechnung. Davon wurde eine Vorauszahlung auf die Gerichtskosten in Höhe von EUR 9.972,- abgezogen und ein dementsprechend überbezahlter Betrag in Höhe von EUR 3.616,- zur Auszahlung angewiesen.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2019, eingegangen bei Gericht am 18. Juni 2019, hat der Antragsteller beantragt,
die Kostenrechnung vom 13. Juni 2019 entsprechend einem Streitwert in Höhe von EUR 434.869,80 zu korrigieren.
Der Beschluss des Gerichts vom 7. Dezember 2018 zum Az. M 5 K 18.1364 mit Streitwertfestsetzung auf EUR 10.000 sowie der Beschluss des Gerichts vom 27. Mai 2019 zu den Az. M 5 M 19.1133 und M 5 M 19.1162 (zur gemeinsamen Entscheidung verbundene Verfahren) seien nicht berücksichtigt worden. Auch stehe die Gebührenfestsetzung in Widerspruch zu einem gerichtlichen Schreiben vom 11. Dezember 2018.
Die Staatskasse des Freistaats Bayern hat sich nicht zu dem hiesigen Verfahren geäußert.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2019 hat die Kostenbeamtin der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang der Berichterstatterin vorgelegt.
II.
1. Über die Erinnerung entscheidet nach § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Berichterstatterin.
2. Die statthafte Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 66 GKG) ist unbegründet. Die Kostenbeamtin hat die Verfahrensgebühr in den Verfahren M 5 K 18.1364 und M 5 K 18.4877 zu Recht jeweils einfach aus einem Streitwert von EUR 424.869,80 in Ansatz gebracht. Sachliche oder rechnerische Fehler der Kostenrechnung sind nicht ersichtlich.
a) Nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 GKG werden für Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Gerichtsgebühren erhoben, die sich nach dem Wert des Streitgegenstands richten. Gemäß § 3 Abs. 2 GKG werden Kosten nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum GKG erhoben.
Für das Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit fällt grundsätzliche eine Verfahrensgebühr in Höhe von drei Gebühren an (Nr. 5110 Anlage 1 zum GKG). Bei Beendigung des gesamten Verfahrens durch Zurücknahme der Klage reduziert sich die Verfahrensgebühr auf eine einfache Gebühr (Nr. 5111 Ziff. 1 Buchst. a Anlage 1 zum GKG). Die konkrete Höhe einer Gebühr bestimmt sich nach dem festgesetzten Streitwert gem. § 34 GKG i.V.m. Anlage 2 zum GKG.
Die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Verwaltungsgerichten wird gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG mit Einreichung der Klageschrift fällig. In Verfahren vor den Arbeitsgerichten tritt Fälligkeit gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG in der Regel erst mit Erlass einer (unbedingten) Kostenentscheidung für die betreffende Instanz ein. Von der Fälligkeit einer Kostenschuld zu unterscheiden ist ihr (oftmals zeitlich früheres) Entstehen. Denn entstanden ist die Kostenschuld schon dann, wenn der gesetzliche Kostentatbestand in allen seinen Voraussetzungen erfüllt ist, die Verfahrensgebühr also, wenn das Verfahren nach den jeweils maßgeblichen Verfahrensvorschriften – durch Einreichung einer Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift – eingeleitet ist (Toussaint in Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, BeckOK Kostenrecht, Stand: 1.6.2019, § 6 Rn. 2 f.). Die Verfahrensgebühr entsteht daher sowohl im verwaltungswie auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits mit Eingang der Klage bei Gericht (Toussaint in Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, BeckOK Kostenrecht, Stand: 1.6.2019, § 6 Rn. 40).
Bei Verweisung eines Rechtsstreits an ein Gericht eines anderen Rechtswegs gem. § 17a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hat das Empfangsgerichts über die Kosten des gesamten gerichtlichen Verfahrens, also auch über die vor dem zunächst angerufenen unzuständigen Gericht entstandenen Kosten, zu entscheiden, vgl. § 17b Abs. 2 GVG.
Die derart ermittelten Kosten des Verfahrens werden mit dem Kostenansatz, also der Kostenrechnung des Kostenbeamten, gemäß § 19 Satz 1 Nr. 1 GKG geltend gemacht.
b) Die Kostenbeamtin hat ausgehend von der sie bindenden (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 164 Rn 3a) Kostenentscheidung und der Streitwertfestsetzung des Gerichts in dem Verfahren M 5 K 18.1364 vom 28. November 2018 und vom 7. Dezember 2018 sowie in dem Verfahren M 5 K 18.4877 vom 28. November 2018 (bzgl. Streitwertfestsetzung rechtskräftig mit Beschluss des BVerwG v. 20.3.2019) die entsprechende Gebühr fehlerfrei festgesetzt.
(1) Die (gerichtliche) Verfahrensgebühr ist in beiden (ehemals arbeitsgerichtlichen) Verfahren bereits mit Einreichung der Klageschrift bei dem jeweiligen Arbeitsgericht jeweils aus dem für den Zeitpunkt der Einreichung festgesetzten Streitwert entstanden, mithin jeweils aus EUR 424.869,80. Die – noch vor dem Arbeitsgericht erklärte – Teilklagerücknahme in dem Verfahren M 5 K 18.1364 bewirkte lediglich eine Reduzierung des Streitwerts ab dem Zeitpunkt der Klagerücknahme, mithin ab dem 24. Januar 2018. Dieser reduzierte Streitwert kann dementsprechend nur solchen Gebühren zugrunde gelegt werden, die nach Klagerücknahme entstehen. Da die Verfahrensgebühr jedoch bereits mit Einreichung der Klage bei dem Arbeitsgericht entstanden war, war sie aus dem für diesen Zeitpunkt festgesetzten (höheren) Streitwert zu bilden.
(2) Bei einem Streitwert von mehr als EUR 410.000 und weniger als EUR 440.000 beträgt eine einfache Gebühr gem. Anlage 2 zum GKG EUR 3.178,-, sodass die Kostenbeamtin die Gerichtskosten in beiden Klageverfahren auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei festgesetzt hat.
(3) Der Verweis des Antragstellers auf den Beschluss des Gerichts vom 27. Mai 2019 in den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Kostensachen M 5 M 19.1133 und M 5 M 19.1162 (Erinnerung gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse in den Verfahren M 5 K 18.1364 und M 5 K 18.4877) geht fehl, da Streitgegenstand dort die außergerichtlichen Kosten des jeweiligen Klagegegners in Abhängigkeit des Gegenstandswerts gem. § 2 Abs. 2 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) war; also gerade nicht die gerichtlichen Kosten in Abhängigkeit des – vom Gegenstandswert mitunter verschiedenen – jeweiligen rechtskräftig festgesetzten Streitwerts.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch unter Zugrundelegung der für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten geltenden Kostenbestimmungen (im Hinblick auf die in dem Verfahren M 5 K 18.1364 vor dem Arbeitsgericht erklärte Teilklagerücknahme) die Kostenschuld des Antragstellers nicht geringer ausgefallen wäre. Denn auch nach arbeitsgerichtlichem Kostenregime findet eine Reduzierung der Verfahrensgebühr nur bei Beendigung des gesamten Verfahrens durch Klagerücknahme statt (Nr. 8210 Abs. 2 Anlage 1 zum GKG bzw. nach streitiger Verhandlung Nr. 8211 Ziff. 1 Anlage 1 zum GKG, siehe auch Selzer, NZA-Beil. 2011, 164, 179). Bei einer – wie hier erfolgten – bloßen Teilklagerücknahme findet eine Gebührenreduktion also insgesamt nicht statt. Noch während der Anhängigkeit der Klage bei dem Arbeitsgericht hatte sich der Gebührensatz daher auch nach arbeitsgerichtlichen Kostenregelungen nicht, auch nicht teilweise – und ggf. in größerem Umfang als dies in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich ist (vgl. Nr. 8210 Abs. 2 Anlage 1 zum GKG: Entfallen der Gebühr insgesamt; Nr. 8211 Ziff. 1 Anlage 1 zum GKG: Reduzierung der Gebühr auf 0,4) – reduziert.
Auch sei angemerkt, dass sich das Schreiben des Gerichts vom 11. Dezember 2018 auf die grundsätzlich wegen des vor dem Verwaltungsgericht fortgeführten Verfahrens dort anfallenden Gerichtskosten bezieht. Da das Verwaltungsgericht nach Verweisung durch das Arbeitsgericht aber auch über die vor dem Arbeitsgericht bereits mit Einreichung der Klage dort angefallenen Kosten (zu diesem Zeitpunkt von einem Streitwert in Höhe von EUR 424.869,80) zu entscheiden hatte, war dem Gerichtskostenansatz der Streitwert des Gesamtverfahrens und damit der bei Einreichung der Klage vor dem Arbeitsgericht bestehende Streitwert zugrunde zu legen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 151 Rn 6), weil das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 66 Abs. 8 GKG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen