Aktenzeichen 7 Sa 244/17
KSchG § 17
AktG § 15
BGB § 620 Abs. 2, § 622 Abs. 2 Nr. 3
BetrVG § 102 Abs. 1
Leitsatz
Bei der Frage, ob eine rechtliche Vertretung im Sinne des § 2 Absatz 2 Nr. 6 RDG vorliegt, kommt es nicht darauf an, um welches Rechtsgeschäft es sich handelt, sondern darauf, ob das rechtliche Tätigwerden für ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 AktG erfolgt. (Rn. 42 und 43)
Verfahrensgang
4 Ca 501/16 2017-04-26 Endurteil ARBGBAMBERG ArbG Bamberg
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg
– Kammer Coburg – vom 26.04.2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1und 2 ArbGG.
Die Berufung ist unbegründet.
Wie das Erstgericht zu Recht entschieden hat, ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben vom 27.05.2016 ausgesprochene Kündigung der Beklagten zum 31.08.2016 beendet worden, §§ 620 Absatz 2, 622 Absatz 2 Nr. 3 BGB.
Die Kündigung ist wirksam. Sie ist insbesondere sozial gerechtfertigt, § 1 Absatz 1 KSchG.
Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, § 1 Absatz 2 KSchG.
Der Arbeitsplatz des Klägers ist entfallen. Die Beklagte ist nicht mehr Betreiberin der Werkstatt, in der der Kläger beschäftigt war.
Der Kläger war in der Werkstatt der Beklagten in Coburg tätig. Diese hat die Beklagte an die Firma B-Service GmbH verkauft. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Insbesondere hat der Kläger dies letztlich am 05.04.2017 in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bamberg erklärt, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt.
Die Beklagte hat keine Möglichkeit mehr, den Kläger zu beschäftigen. Der Kläger hat dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B-Service GmbH gemäß § 613a Absatz 6 BGB widersprochen. Auf dem bisherigen Arbeitsplatz kann die Beklagte den Kläger nicht mehr einsetzen. Diese Möglichkeit ist infolge des Betriebsübergangs ihrer Verfügungsgewalt entzogen. Dass er anderweitig bei der Beklagten eingesetzt werden könnte, macht der Kläger nicht geltend. Insbesondere hat er den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts nichts entgegengesetzt.
Da sich bereits daraus ergibt, dass die Kündigung durch betriebliche Gründe bedingt ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Betriebsparteien einen wirksamen Interessenausgleich/Sozialplan abgeschlossen haben. Vielmehr ist die Kündigung gemäß § 1 Absatz 2 KSchG sozial gerechtfertigt, auch ohne dass § 1 Absatz 5 KSchG angewendet wird.
Soweit der Kläger das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung bestreitet, ist dies nicht nachvollziehbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der entsprechende Unternehmensbeschluss wirksam ist. Maßgebend ist, dass eine Entscheidung gefällt wurde, die tatsächlich umgesetzt wurde.
Dies ist der Fall.
Zum einen haben die A.-Deutschland AG in Vertretung für die Beklagte und der bei der Beklagten eingerichtete Betriebsrat am 16.07.2015 bzw. 19.11.2015 einen Interessenausgleich/Sozialplan abgeschlossen, zum anderen ist die Entscheidung durch den Verkauf der Werkstätten bzw. deren Schließung umgesetzt worden, was der Kläger nicht bestreitet.
Die Kündigung ist nicht aus anderen Gründen unwirksam.
Die für den Kläger erforderliche Zustimmung des Integrationsamts liegt vor, § 85 SGB IX a.F. Diese ist unstreitig erteilt worden. Solange der entsprechende Bescheid nicht aufgehoben ist, ist, da die Arbeitsgerichte an die Entscheidung des Integrationsamts gebunden sind, von der erteilten Zustimmung zur Kündigung auszugehen. Dabei ist es für das vorliegende Verfahren unerheblich, ob der Antrag beim Integrationsamt ordnungsgemäß gestellt worden ist. Die Arbeitsgerichte sind nicht berufen, die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts des Integrationsamts zu überprüfen. Hierfür sind die Verwaltungsgerichte zuständig.
Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Insbesondere erfüllt das Anhörungsschreiben vom 16.03.2015 die Voraussetzungen des § 102 Absatz 1 BetrVG. Auch die Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG ist wirksam erfolgt. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des Erstgerichts Bezug genommen, zu denen sich der Kläger nicht geäußert hat, § 69 Absatz 2 ArbGG.
Die Anhörung bzw. die Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit scheitern insbesondere nicht daran, dass sie nicht von der Beklagten, sondern von der A.-Deutschland AG eingeleitet worden sind. Diese hat die Beklagte wirksam vertreten, §§ 164, 167 BGB.
Die Beklagte konnte sich bei allen Rechtshandlungen durch die A.-Deutschland AG vertreten lassen. Dies gilt für den Ausspruch der Kündigungen selbst sowie auch für alle rechtlichen Maßnahmen, die im Vorfeld der Kündigung erforderlich waren.
Die A.-Deutschland AG ist von der Beklagten bevollmächtigt worden, ihre rechtlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Dies bestreitet der Kläger nicht. Die Beauftragung ist rechtswirksam. Grundsätzlich kann jede Person, auch eine juristische, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Ausgenommen hiervon sind lediglich Geschäfte höchstpersönlicher Art. Insbesondere ist die Bevollmächtigung der A.-Deutschland AG nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig, § 3 RDG iVm§ 134 BGB.
Die A.-Deutschland AG erbringt keine Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 3 RDG. Zwar erledigt sie Rechtsangelegenheiten für die Beklagte. Diese sind aber kraft Gesetzes nicht als Rechtsdienstleistungen zu definieren, § 2 Nr. 6 RDG. Die Beklagte und die A.-Deutschland AG sind verbundene Unternehmen im Sinne des § 15 AktG.
Bei der Frage, ob die Beklagte und die A.-Deutschland AG verbundene Unternehmen sind, kommt es nicht darauf an, um welche Rechtsangelegenheit es sich im Einzelfall handelt, insbesondere ist unerheblich, ob es um die Kündigung des Klägers bzw. um den Antrag beim Integrationsamt bzw. beim Betriebsrat oder der Agentur für Arbeit ging. Welche Unternehmen als verbunden anzusehen sind, ergibt sich ausschließlich aus § 15 AktG. Maßgebend ist hierbei die gesellschaftsrechtliche Verbindung der Unternehmen.
Die A.-Deutschland AG ist ein Tochterunternehmen der Beklagten.
Dies ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten, den der Kläger nicht bestreitet und der daher als zugestanden anzusehen ist, § 138 Absatz 3 ZPO.
Da die Kündigung somit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt als wirksam anzusehen ist, war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.
Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 ArbGG zugelassen.