Aktenzeichen 7 Sa 400/16
Leitsatz
Verfahrensgang
8 Ca 3303/15 2016-08-09 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09.08.2016 wie folgt geändert:
Ziffern 3 und 4 des Endurteils werden aufgehoben. Die Klage wird insoweit abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 4/5, der Kläger trägt 1/5.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 b) und c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
Die Berufung ist teilweise begründet.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, soweit das Erstgericht die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen.
Das Erstgericht hat dem Kläger etwas zuerkannt, was er nicht beantragt hat, § 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat nicht die Erteilung eines Zwischenzeugnisses beantragt.
Er erweiterte mit Schriftsatz vom 12.02.2016 seine Klage um den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Verhalten und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt. Zur Begründung führte der Kläger aus, er habe Anspruch auf die Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Arbeitszeugnisses. Damit hat der Kläger ein Arbeitszeugnis beantragt, wie es bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers zu erteilen ist (§ 109 GewO). Ein Zwischenzeugnis ist gegenüber dem Arbeitszeugnis kein minus, sondern ein aliud, so dass ohne einen entsprechenden Antrag das zuerkennende Urteil nicht hätte ergehen dürfen.
Der Kläger hat trotz des gerichtlichen Hinweises im Vergleichsvorschlag vom 16.02.2017 seinen Antrag nicht geändert.
Die Berufung der Beklagten hat auch Erfolg, soweit sie vom Erstgericht verurteilt worden ist, an den Kläger zum Ausgleich der Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto einen Betrag von 503,03 € brutto zu zahlen.
Der Kläger hat zwar einen Anspruch auf den geltend gemachten Betrag erworben, §§ 611, 614 BGB. Der Anspruch ist indes durch Erfüllung erloschen, § 362 BGB.
Die Beklagte hat das Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto mit der Vergütung für Juni 2015 abgerechnet und ausbezahlt. Das Konto der Beklagten wurde am 26.06.2015 mit dem für Juni errechneten Auszahlungsbetrag belastet. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten, das der Kläger nicht bestritten hat und das deshalb als zugestanden anzusehen ist, § 138 Absatz 3 ZPO. Im Übrigen ist die Richtigkeit des Vorbringens durch die Vorlage der Abrechnung für Juni 2015 sowie des Kontoauszugs belegt. Der Kläger hat nicht eingewandt, die Abrechnung sei unrichtig oder er habe den angewiesenen Betrag nicht erhalten.
Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet.
Wie das Erstgericht zu Recht entschieden hat, hat die Kündigung der Beklagten vom 02.06.2015 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder mit sofortiger Wirkung noch mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet.
Die außerordentliche Kündigung ist nicht durch Vorliegen eines wichtigen Grundes gerechtfertigt. Insbesondere liegen keine Umstände vor, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist als für die Beklagte unzumutbar erscheinen lassen, § 626 Absatz 1 BGB.
Gemäß § 626 Absatz 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 29.06.2017 ‒ 2 AZR 302/16; juris).
Als ein in diesem Sinne „an sich“ die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigender Grund solcher kommt auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten in Betracht. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme im Sinne des § 241 Absatz 2 erwachsende Nebenpflichten. Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 19.01.2016 ‒ 2 AZR 449/15; juris).
Bei der Interessenabwägung hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung ‒ gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses ‒ zu erreichen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich ‒ auch für den Arbeitnehmer erkennbar ‒ ausgeschlossen ist. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Absatz 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Absatz 1 AGG, zu denen auch rassistische Verhaltensweisen im Sinne des § 1 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen ‒ wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung ‒ zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen, u.a. von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab. § 12 Absatz 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d.h. eine Wiederholung ausschließen (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 29.06.2017 ‒ 2 AZR 302/16; juris).
Der Kläger hat gegen ihm obliegende arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.
Er hat die bei der Beklagten ebenfalls beschäftigten Mitarbeiter Ja… und P… M… am 02.06.2015 gegenüber Herrn B… als „Polacken“ bezeichnet.
Das erkennende Gericht folgt insoweit dem Sachvortrag der Beklagten.
Der Kläger bestreitet zwar, die behauptete Äußerung getätigt zu haben. Das Gericht ist indes nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Äußerung, so wie sie von der Beklagten geltend gemacht wird, gefallen ist. Insbesondere sieht die Kammer die diesbezügliche Aussage des Zeugen B… als glaubwürdig an.
Bei der Frage, ob eine Aussage glaubwürdig ist, steht nicht im Vordergrund, ob der Zeuge an sich glaubwürdig ist. So steht der Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht von vornherein entgegen, dass der Zeuge B… von der Beklagten benannt und bei ihr in einem Arbeitsverhältnis steht.
Vielmehr ist dies im Rahmen der Prüfung, ob die Aussage für sich gesehen glaubwürdig ist, zu berücksichtigen.
Bei der Analyse der Glaubhaftigkeit einer spezifischen Aussage ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der forensischen Aussagepsychologie von der sogenannten Nullhypothese auszugehen. Dies bedeutet, dass im Ansatz davon auszugehen ist, dass die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden muss. Erforderlich ist deshalb eine Inhaltsanalyse, bei der die Aussagequalität zu prüfen ist. Es geht um die Ermittlung von Kriterien der Wahrhaftigkeit. Zur Durchführung der Analyse der Aussagequalität existieren Merkmale, die die Überprüfung ermöglichen, ob die Angaben auf tatsächliches Erleben beruhen, sog. „Realkennzeichen“ oder ob sie ergebnisbasiert sind. Das Vorhandensein dieser Real- oder Glaubwürdigkeitskennzeichen gilt als Hinweis für die Glaubhaftigkeit der Angaben (vgl. Landesarbeitsgericht Düsseldorf ‒ 27.11.2015 ‒ 9 Sa 333/15; juris).
Das methodische Grundprinzip besteht darin, einen zu überprüfenden Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist. Es wird daher zunächst angenommen, die Aussage sei unwahr. Zur Prüfung dieser Annahme sind weitere Hypothesen zu bilden. Ergibt die Prüfstrategie, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Die Bildung relevanter Hypothesen ist daher von ausschlaggebender Bedeutung für Inhalt und (methodischen) Ablauf einer Glaubhaftigkeitsbewertung. Beispielsweise hängt die Auswahl der für die Bewertung der Glaubwürdigkeit in Frage kommenden Test- und Untersuchungsverfahren davon ab, welche Möglichkeiten als Erklärung für eine ‒ unterstellt ‒ unwahre Aussage in Betracht zu ziehen sind (vgl. Bundesgerichtshof ‒ Urteil vom 30.07.1999 ‒ 1 StR 618/98; juris).
Gemessen an diesen Vorgaben kommt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass die Aussage des Zeugen B… wahr ist und der Kläger die beiden anderen Mitarbeiter der Beklagten als „Polacken“ bezeichnet hat.
Dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen B… am 02.06.2015 ein Gespräch stattgefunden hat, ist unstreitig. Es ist auch nicht streitig, dass der Zeuge B… dem Kläger Vorhaltungen machte, weil dieser aus Sicht des Zeugen zu spät zur Arbeit erschienen war, insbesondere nicht am 01.06.2015 um 5:00 Uhr früh die Arbeit aufgenommen hatte. Dass die Parteien, insbesondere der Zeuge B… und der Kläger unterschiedlicher Ansicht darüber sind, ab wann der Kläger zu arbeiten hatte, ist ebenfalls aus den Akten ersichtlich.
So führt die Beklagte unter Hinweis auf den vorgelegten Schichtplan aus, der Kläger habe am 01.06.2015 um 5:00 Uhr die Arbeit aufnehmen müssen. Der Kläger hält dem entgegen, dass er von Überstunden laut einem Schichtplan keine Kenntnis gehabt habe.
Der Kläger selbst trägt vor, der Zeuge B… habe ihn zur Weißglut gebracht. Die Beklagte bestreitet zwar, dass der Zeuge B… den Kläger zur Weißglut gebracht habe. Dies schließt indes nicht aus, dass der Kläger infolge der Vorhaltungen des Zeugen B… in Rage geraten ist. Der Kläger empfand die Vorwürfe als ungerecht. Es hängt von der subjektiven Befindlichkeit des einzelnen Mitarbeiters ab, wie er auf von ihm als solches empfundenes Unrecht reagiert. Die Beklagte hat die Einlassung des Klägers im Übrigen nicht widerlegt. Vielmehr ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen B…, dass der Kläger immer aufgebrachter wurde, so sehr, dass der Zeuge das Gespräch schließlich abbrach.
In der Gesamtbetrachtung steht daher die Aussage des Zeugen B…, der Kläger habe gesagt „Polen und Polacken können sich ja alles erlauben“ und „Ihre Maschinen halten sie auch nicht sauber“ in einem plausiblen Kontext und ist glaubwürdig.
Die Bezeichnung der polnischen Kollegen als „Polacken“ stellt eine diskriminierende und herabwürdigende Äußerung mit rassistischem Bezug dar. Daran besteht kein Zweifel und ergibt sich zudem aus dem Duden.
An dieser Einschätzung ändert weder der Umstand, dass der Kläger wütend war, etwas, noch wiegt das Verhalten des Klägers weniger schwer, weil er, wie er vorträgt, mit den beiden Herren M… ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Dass sich ein Arbeitnehmer über seinen Vorgesetzten ärgert, weil er sich ungerecht behandelt fühlt, rechtfertigt es nicht, sich so über andere Kollegen zu äußern. Der Kläger hat auch nicht vorgebracht, dass zwischen ihm und den Brüdern M… ein rauer, aber herzlicher Ton herrschte und das Wort „Polacke“ in beiderseitigem Einverständnis als Zeichen der Zuneigung verwendet wurde.
Die Äußerung stellt sich vielmehr als Verletzung der vertraglichen Pflichten des Klägers dar. Sie ist geeignet, den Nährboden für Fremdenfeindlichkeit zu bereiten und so den Betriebsfrieden zu gefährden.
Dies folgt bereits aus der Regelung in § 7 Absatz 3 AGG, wonach eine Benachteiligung nach § 7 Absatz 1 AGG durch Beschäftigte eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt. Darüber hinaus hat der Kläger in Ziffer 7 des Arbeitsvertrags erklärt, er nehme die Verpflichtungen nach dem AGG zur Kenntnis und werde die entsprechenden Vorschriften beachten.
Rassistisch motivierte diskriminierende Äußerungen eines Mitarbeiters über Kollegen können einen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB darstellen.
Gleichwohl führt nicht jede derartige Äußerung eines Mitarbeiters zwingend zu dessen (außerordentlichen) Kündigung. Vielmehr gilt auch hier, dass eine Interessenabwägung stattzufinden hat, in der vor allem auch zu prüfen ist, ob es eine andere, weniger einschneidende Maßnahme gibt, die dazu führt, dass das Arbeitsverhältnis störungsfrei fortgesetzt werden kann.
Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem AGG. Im Gegenteil sieht § 12 Absatz 3 AGG unterschiedlich gewichtete Maßnahmen vor, die der Arbeitgeber einsetzen kann, um Benachteiligungen wirksam zu unterbinden.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts hätte hierzu eine Abmahnung ausgereicht.
Wie bereits ausgeführt, ist der Arbeitgeber vor Ausspruch auch einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich gehalten, dem Arbeitnehmer durch Erteilung einer Abmahnung die Gelegenheit zur Einsicht zu gewähren und das beanstandete Verhalten abzustellen.
Dies gilt auch vorliegend.
Bei der Äußerung des Klägers handelt es sich nicht um eine so schwere Pflichtverletzung, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich ‒ auch für den Arbeitnehmer erkennbar ‒ ausgeschlossen ist. Insbesondere ist die Äußerung des Klägers mit dem Sachverhalt, der der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin zugrunde lag, nicht zu vergleichen. Zum einen hatte der dortige Kläger zusammen mit einem Kollegen seinen polnischen Kollegen wiederholt beschimpft, zum anderen war der Inhalt der dort gemachten Äußerungen von einer unerträglich menschenverachtenden Qualität (beispielsweise „Polenschwein“, „wenn es Hitler noch geben würde wärst du überhaupt nicht hier“).
Im Gegensatz dazu äußerte sich der Kläger in einer einmaligen, aufgebrachten Situation, die Wortwahl war zwar nicht hinnehmbar, zeugt aber dennoch nicht von einer verwurzelten Menschenverachtung. Dazu kommt, dass der Kläger keine persönlichen Angriffe gegen die Herren M… richtete.
Dass beim Kläger eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, hat die Beklagte nicht dargelegt.
Insbesondere ist der Kläger noch nicht abgemahnt worden.
Allerdings macht die Beklagte geltend, der Kläger habe einen afroamerikanischen Leiharbeitnehmer der Firma R… als „Baumwollzupfer„bezeichnet und sei deshalb im Juni 2013 abgemahnt worden.
Der Kläger bestreitet das.
Das erkennende Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Juni 2013 eine Abmahnung im Rechtssinne erhalten hat.
Entsprechend ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt eine Abmahnung voraus, dass der Arbeitgeber in einer dem Arbeitnehmer hinreichend erkennbaren Art und Weise bestimmte Leistungs- oder Verhaltensmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass der Arbeitnehmer bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen den Inhalt oder den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.
Der ebenfalls zum Thema Abmahnung befragte Zeuge B… hat nach Überzeugung des Gerichts zwar bestätigt, dass der Kläger über den Leiharbeitnehmer von der Firma R… als „Baumwollzupfer“ redete. Die Kammer ist aber nicht davon überzeugt, dass dem Kläger ausreichend deutlich gemacht wurde, er gefährde seinen Arbeitsplatz, wenn er weiterhin derartige Äußerungen mache. Der Zeuge bekundete zwar zunächst, er habe dem Kläger gesagt, wenn so etwas noch mal vorkomme, dass man ihm dann kündigen werde. Der Zeuge musste indes einräumen, dass er sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern könne. Für ihn besteht auch nach seinem Bekunden kein großer Unterschied zwischen einer Abmahnung und einer Verwarnung. Dazu kommt, dass die Situation, in der der Zeuge den Kläger verwarnte, im Gegensatz zu der schriftlich erteilten Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Rauchverbot einen wenig „offiziellen“ Charakter hatte. Das Ganze spielte sich nach dem Bekunden des Zeugen in der Frühstückspause ab. Eine Abmahnung bedarf zwar nicht einer bestimmten Form. Die Nachdrücklichkeit und Ernsthaftigkeit eines Hinweises hängt indes auch von den Umständen ab, unter denen er erteilt wird.
Da der Kläger daher nicht wirksam abgemahnt worden ist, ist die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt.
Aus diesem Grund kann auch die ordentliche Kündigung keinen Bestand haben.
Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger weiterzubeschäftigen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Erstgerichts Bezug genommen, § 69 Absatz 2 ArbGG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Absatz 2 ArbGG.