Aktenzeichen 14 ZB 18.2584
SVG § 43 Abs. 1, § 55c Abs. 1 S. 2
VersAusglG § 37, § 38
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4
Leitsatz
Es ist davon auszugehen, dass sich die Frage, inwieweit von dem dem Versorgungsausgleich zugrunde liegenden Prinzip der sofortigen und endgültigen Teilung der Anrechte auch für Hinterbliebene der versorgungsausgleichsverpflichteten Person eine Ausnahme dergestalt möglich sein kann, dass von einer Kürzung der Versorgung abgesehen wird, ausschließlich nach den speziell für diese Frage geschaffenen §§ 37, 38 VersAusglG beurteilt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 21 K 16.5754 2018-11-12 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.139,98 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klage richtet sich gegen eine von der Beklagten gemäß § 55c SVG vorgenommen Kürzung des Unterhaltsbeitrags der Klägerin. Diese erhält im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung einen Unterhaltsbeitrag gemäß § 43 Abs. 1 SVG i.V.m. § 22 BeamtVG, nachdem ihr Ehemann – ein versorgungsberechtigter, mit Ablauf des 30. September 1984 in den Ruhestand versetzter, früherer Soldat (Versorgungsberechtigter) – am 2. Oktober 2016 verstorben ist. Eine frühere erste Ehe des Versorgungsberechtigten war im Jahr 1987 geschieden und im Rahmen des Versorgungsausgleichs eine Rentenanwartschaft von 428,80 DM auf die geschiedene erste Ehefrau übertragen worden. Der Versorgungsberechtigte ging im Jahr 1988 eine zweite Ehe ein. Die geschiedene erste Ehefrau erhielt ab dem 1. Mai 2003 eine Rente, woraufhin die Beklagte ab dem 1. Mai 2003 das Ruhegehalt des Versorgungsberechtigten um monatlich 318,19 € kürzte. Nachdem dessen zweite Ehefrau am 12. Januar 2005 und die erste (geschiedene) Ehefrau am 25. Februar 2005 verstorben waren, heiratete der Versorgungsberechtigte die Klägerin in dritter Ehe am 6. September 2008. Ab dem 1. August 2014 setzte die Beklagte die Kürzung auf entsprechenden Antrag des Versorgungsberechtigten hin gemäß § 37 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) aus. Nach dem Tod des Versorgungsberechtigten bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. November 2016 einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von monatlich 1.791,63 € (brutto), auf den eine eigene Rente der Klägerin angerechnet wurde. Diesen Unterhaltsbeitrag kürzte sie mit Bescheid vom 7. November 2016 ab dem 1. November 2016 um monatlich 214,21 €. Die Klage richtet sich gegen diesen Kürzungsbescheid vom 7. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2016.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2018 (im Anschluss an BSG, U.v. 20.3.2013 – B 5 2/12 R – juris Rn. 16 und BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 31 ff.) für unbegründet gehalten und vollumfänglich abgewiesen, woraufhin die Klägerin die Zulassung der Berufung beantragt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zwar zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
2. Zur Begründung ihrer Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils führt die Antragsbegründung unter anderem aus, das Verwaltungsgericht habe sich der Auffassung des Bundessozialgerichts angeschlossen, wonach den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes nicht entnommen werden könne, dass das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner wahrgenommene Antragsrecht zugunsten der Hinterbliebenen weiter wirke. Dies begründe das Bundessozialgericht mit der Auffassung, dass sich ein Anpassungsantrag immer nur auf seine eigenen Hinterbliebenenleistungen beziehe, und bekräftige dies mit dem Hinweis darauf, dass sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableite, es aber keinesfalls kraft Rechtsnachfolge übergehe, sondern dem Hinterbliebenen lediglich ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistung vermittle. Insofern könne also der Auffassung des Bundessozialgerichts entnommen werden, dass der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung strikt von dem Anspruch ihres verstorbenen Ehemanns auf Versorgungsbezüge zu trennen sei. Infolge dessen sei vorliegend auf die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin aber sodann der § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG entsprechend anzuwenden, wonach eine Kürzung erst dann stattfinde, wenn die berechtigte Person tatsächlich einen Versorgungsausgleich erhalte. Daraus sei der gesetzgeberische Wille ableitbar, dass auch bei Hinterbliebenen eine Kürzung um den Versorgungsausgleich nur dann stattfinden könne, wenn zum Zeitpunkt des Erhalts der Hinterbliebenenversorgung auch eine Kürzung um den Versorgungsausgleich stattgefunden habe. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall, da zum Zeitpunkt der Auszahlung der Hinterbliebenenversorgung die geschiedene Ehefrau des Versorgungsberechtigten bereits verstorben gewesen sei. Daher sei die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin von Anfang an gemäß § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG nicht zu kürzen gewesen, weshalb es ohne Belang sei, ob der Klägerin das Antragsrecht auf Anpassung der Kürzung der Versorgungsbezüge aus den §§ 37 und 38 VersAusglG ebenfalls zustehe.
3. Mit diesem Vortrag werden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils begründet.
3.1. Anders als das Verwaltungsgericht und die von diesem in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stellt die Antragsbegründung nunmehr nicht §§ 37, 38 VersAusglG – die (in bewusster Abweichung vom früheren Recht) nach dem Tod der versorgungsausgleichsberechtigten Person allein der versorgungsausgleichspflichtigen Person selbst, nicht aber deren Hinterbliebenen, das Recht einräumen, ein Absehen von weiterer Kürzung ihrer Versorgung zu beantragen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG) – in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Vielmehr argumentiert sie vor allem mit dem sog. Pensionistenprivileg des § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG, das sie auch auf die Klägerin als Hinterbliebene des Versorgungsberechtigten angewendet sehen will. Nach dieser Bestimmung wird das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst dann gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist (§ 55c Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 SVG), was allerdings nur noch dann gilt, wenn der Anspruch auf Ruhegehalt vor dem 1. September 2009 entstanden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich zu diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (§ 55c Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SVG).
3.2. Mit dieser Erwägung wird die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil im vorliegenden Fall die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG nicht erfüllt sind, und zwar selbst dann, wenn es auch hier nach § 55c Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 SVG auf den Zeitpunkt des Versorgungseintritts des Versorgungsempfängers ankommen sollte. Es ist nämlich zu sehen, dass der verstorbenen ersten Ehefrau des Versorgungsberechtigten noch zu deren Lebzeiten eine Rente gewährt worden war, nämlich ab dem 1. Mai 2003 bis zu deren Tod am 25. Februar 2005. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgehen wollte, dass § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG auch auf Hinterbliebene von versorgungsausgleichspflichtigen Versorgungsberechtigten anwendbar sei – wofür die systematische Stellung des § 55c SVG in dem „hinter die Klammer gezogenen“ Abschnitt 4 (§§ 45-61) des zweiten Teils des Soldatenversorgungsgesetzes sprechen könnte, wohingegen der Umstand, dass der Gesetzgeber sich mit der Stellung von Hinterbliebenen einer versorgungsausgleichspflichtigen Person in §§ 37, 38 VersAusglG explizit befasst hat, eher dagegen spräche -, würde diese Norm, die in der Sache einen Aufschub der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person bis zur Zahlung einer Rente an die ausgleichsberechtigte Person bewirkt, einen Aufschub der Kürzung schon von ihrem Wortlaut her nicht rechtfertigen.
3.3. Unabhängig davon genügt der klägerische Vortrag mit seiner These, § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG sei die streitentscheidende Vorschrift, auch nicht den Darlegungsanforderungen i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Die Antragsbegründung geht nicht mit hinreichender Deutlichkeit auf die Frage ein, in welchem Spezialitätsverhältnis die §§ 37, 38 VersAusglG einerseits und § 55c Abs. 1 Satz 2 SVG andererseits zueinander stehen. Es ist zu sehen, dass durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) nicht nur das Versorgungsausgleichsgesetz selbst (Art. 1 VAStrRefG), sondern abgestimmt darauf gerade auch § 55c Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SVG (Art. 8 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb VAStrRefG) sowie der korrespondierende § 57 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BeamtVG (Art. 6 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb VAStrRefG) eingeführt wurden, wobei der Gesetzgeber hinsichtlich der Anpassung wegen des Todes der versorgungsausgleichsberechtigten Person nur die versorgungsausgleichspflichtige Person selbst, nicht aber deren Hinterbliebene für schutzwürdig erachtete und dies nach dem Regelungskonzept des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs zusammenfassend in §§ 37, 38 VersAusglG regelte (vgl. den Regierungsentwurf vom 20.8.2008, BT-Drs. 16/10144 S. 75 f. sowie S. 100, 105 f.).
Dieser Ansatz des Gesetzgebers spricht dafür, die Frage, inwieweit von dem dem Versorgungsausgleich zugrunde liegenden, verfassungskonformen Prinzip der sofortigen und endgültigen Teilung der Anrechte (vgl. BVerfG, B.v. 11.12.2014 – 1 BvR 1485/12 – NJW 2015, 686 Rn. 15 f.) auch für Hinterbliebene der versorgungsausgleichsverpflichteten Person eine Ausnahme dergestalt möglich sein kann, dass von einer Kürzung der Versorgung (ausgleichspflichtiger Personen und ihrer Hinterbliebenen) abgesehen wird, ausschließlich nach den speziell für diese Frage geschaffenen §§ 37, 38 VersAusglG zu beurteilen.
4. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin, die dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens bestimmt sich nach §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG (mangels anderer Anhaltspunkte wie Vorinstanz). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.