Aktenzeichen AN 16 K 17.0765
Leitsatz
1. Die Kürzung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG tritt unabhängig davon ein, ob der ausgleichsberechtigte Ehegatte schon eine Rente bezieht oder nicht. Dies entspricht dem sog. Grundsatz des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs und ist letztlich darauf zurückzuführen, dass nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs zwei selbstständige Versicherungs- bzw. Versorgungsverhältnisse bestehen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruch auf amtsangemessene Alimentation führt nicht dazu, dem Beamten jedes Lebensrisiko, wie die finanziellen Auswirkungen der Ehescheidung, und jegliche belastende Folge einer eigenen Entscheidung, wie der Entschluss zur Wiederheirat, abzunehmen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Gegenstand der Klage bildet nach sachdienlicher Auslegung des klägerischen Begehrens durch das Gericht (§ 88 VwGO) die Frage, ob die Beklagte ab Oktober 2016 eine Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers auf Grundlage des § 57 BeamtVG, wie mit Bescheid vom 22. September 2016 und Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017 erfolgt, vornehmen durfte.
Nicht streitgegenständlich ist dagegen die Frage der Höhe des Aussetzungsbetrages gem. § 33 VersAusglG, nachdem die Beklagte die ursprünglich mit Bescheid vom 22. September 2016 vorgenommene Reduzierung eben jenes Betrages von bisher 925,00 EUR auf 800,00 EUR mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017 aufgehoben hat, die streitgegenständlichen Bescheide mithin keine Regelung mehr hinsichtlich § 33 VersAusglG treffen. Hinsichtlich des Aussetzungsbetrages nach § 33 VersAusglG bleibt es damit bei der Entscheidung, wie sie sich aus dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts … vom 12. Juli 2011 ergibt und dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 15. September 2011 zugrunde liegt. Dies ergibt sich zwar nicht allein aus dem Tenor des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2017, nachdem dort ausgeführt wird, dass der Bescheid vom 22. September 2016 für die Zeit ab Oktober 2016 bestehen bleibt, wohl aber ohne weiteres aus dessen weiterer Begründung, als es dort mitunter heißt: „Der angegriffene Bescheid vom 22. September 2016, […], verletzt den Widerspruchsführer insoweit in seinen Rechten, als er die Verminderung der Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleiches gem. § 33 VersAusglG von 925 EUR auf 800 EUR […] betrifft.“ Maßgeblich ist insoweit nämlich stets der objektive Erklärungsinhalt einer Regelung, wie ihn der Adressat nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, wobei zur Ermittlung nicht allein auf den Tenor, sondern eben auch auf die Begründung abzustellen ist (von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG § 35 Rn. 46; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl. 2016, § 37 Rn. 12). Die im gerichtlichen Verfahren durch den Klägerbevollmächtigten abgegebene Erledigungserklärung, der sich die Beklagte nicht angeschlossen hat, geht damit letztlich ins Leere, zumal ohnehin kein erledigendes Ereignis vorliegt und der Klägerbevollmächtigte auch keinen entsprechenden Feststellungsantrag (vgl. insoweit Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 22. Aufl. 2016, § 161 Rn. 20 ff.) gestellt hat.
Die so verstandene zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist abzuweisen, weil sie unbegründet ist.
1. Die Zulässigkeit der Klage, soweit sich diese auch auf die Frage der Kürzung dem Grunde nach gemäß § 57 BeamtVG bezieht, scheitert vorliegend insbesondere nicht an einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers aufgrund der Existenz des bestandskräftigen Bescheids der Beklagten vom 15. September 2011. Denn die hier streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten, mit denen die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers geregelt wird, erweisen sich zur Überzeugung der Kammer als neue Sachentscheidung der Beklagten (sog. Zweitbescheid), so dass die Bestandskraft des Bescheids vom 15. September 2011 einer gerichtlichen Überprüfung vorliegend nicht entgegensteht (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl. 2016, § 35 Rn. 98a). Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 22. September 2016 ausgeführt, dass die Versorgungsbezüge des Klägers der Kürzung gem. § 57 BeamtVG unterliegen, den sich hieraus ergebenden Kürzungsbetrag entsprechend der dem Bescheid beigefügten Anlage neu berechnet und die Versorgungsbezüge ab 1. November 2011 ausdrücklich neu festgesetzt. Hierdurch hat die Beklagte dem objektiven Erklärungsinhalt nach auch die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 57 BeamtVG neu geregelt und hierdurch eine neue Klagemöglichkeit geschaffen.
2. In der Sache bleibt die Klage jedoch ohne Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger schon deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers ab Oktober 2016 bildet vorliegend ausschließlich § 57 BeamtVG. Nicht erforderlich ist dagegen, dass (zusätzlich) die Voraussetzungen des § 48 VwVfG gegeben sind, wie es die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 6. April 2017 und im sich anschließenden gerichtlichen Verfahren vertreten hat und dem sich auch der Kläger mit seinen Ausführungen angeschlossen hat. Hierbei wird nämlich übersehen, dass § 48 VwVfG, der die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts regelt, in jedem Fall zunächst das Vorliegen eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes voraussetzt. Ein solcher rechtswidriger Verwaltungsakt existiert vorliegend jedoch ersichtlich eindeutig nicht. Denn auch die ursprüngliche Entscheidung mit Bescheid vom 15. September 2011 war rechtmäßig. Fehlerhaft war letztlich erst die sich anschließende Umsetzung, die nach den Ausführungen der Beklagten auf die fälschliche Eingabe in das computergesteuerte Bezügesystem zurückzuführen war. Die in der Höhe nach unzutreffenden Auszahlungen der Versorgungsbezüge stellen jedoch ebenso wie die Bezügemitteilungen mangels Regelungswirkung keine Verwaltungsakte i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG dar (vgl. BVerwG B. v. 23.2.2017 – 1 WB 1/16 – juris Rn. 34), die einer Rücknahme nach § 48 VwVfG zugänglich wären.
b) Der Entscheidung über die Kürzung der Versorgung gemäß § 57 BeamtVG lasten keine formellen Mängel an. Soweit die Beklagte den Kläger vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2017 nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG angehört hat, ist von einer Heilung dieses Verfahrensmangels nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG auszugehen. Denn die Beklagte hat sich jedenfalls im gerichtlichen Verfahren kritisch mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt (vgl. auch BVerwG U.v. 17.12.2015 – 7 C 5/14 – juris).
c) Die Kürzung nach § 57 BeamtVG begegnet auch in materieller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken.
aa) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG werden die Versorgungsbezüge der ausgleichspflichtigen Person nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- oder Anrechnungsvorschriften um den nach Absatz 2 oder Absatz 3 der Vorschrift berechneten Betrag gekürzt, wenn durch die Entscheidung des Familiengerichts Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung oder Anrechte nach dem Versorgungsausgleichsgesetz vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) übertragen oder begründet worden sind. Die Kürzung erfolgt nach Eintritt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts.
Hinsichtlich der Höhe des Kürzungsbetrages bestimmt § 57 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG, dass sich dieser aus dem Monatsbetrag der durch die Entscheidung des Familiengerichts begründeten Anwartschaften oder Anrechte bestimmt. Dieser Monatsbetrag erhöht oder vermindert sich bei einem Beamten um die Vomhundertsätze der nach dem Ende der Ehezeit bis zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand eingetretenen Erhöhungen oder Verminderungen der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge, die in festen Beträgen festgesetzt sind, § 57 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG. Vom Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand an, bei einem Ruhestandsbeamten vom Tag nach dem Ende der Ehezeit an, erhöht oder vermindert sich der Kürzungsbetrag in dem Verhältnis, in dem sich das Ruhegehalt vor Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften durch Anpassung der Versorgungsbezüge erhöht oder vermindert, § 57 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG.
bb) Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Entscheidung der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken. Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichtes … vom 10. Mai 2011 wurde im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von monatlich 1.083,09 EUR, bezogen auf den 31. August 2010, übertragen, so dass die Voraussetzung für die Kürzung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dem Grunde nach gegeben ist. Hinsichtlich der Höhe der Kürzung ist beim Kläger, der sich seit *. Juli 2010 im Ruhestand befindet, auf § 57 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG abzustellen. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Kürzungsbetrages, die das Gericht anhand der vorgelegten Unterlagen einer eingehenden Prüfung unterzogen hat, weist keine Rechtsfehler auf und entspricht den Anforderungen des § 57 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang wiederholt auf nicht nachvollziehbare Beträge in seinen Bezügemitteilungen hingewiesen hat, ist dies vorliegend nicht streitgegenständlich. Denn weder die Bezügemitteilungen, noch die konkret an den Kläger erfolgten Auszahlungen, stellen sich als im Rahmen einer Anfechtungsklage überprüfbare Verwaltungsakte i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG dar (vgl. bereits zuvor) und sind auch nicht von dem hier ausschließlich zu überprüfenden Regelungsgehalt des Bescheids vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2017 erfasst. Etwaige Fehler in der Auszahlung betreffen allenfalls die Umsetzung der streitgegenständlichen Bescheide, nicht jedoch diese selbst, und wären dementsprechend im Wege einer allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen.
Der Einwand des Klägers, dass seine geschiedene Ehefrau den Ausgleichsbetrag aus dem Versorgungsausgleich erst seit dem 1. Oktober 2017 beziehe, verfängt nicht. Denn die Kürzung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG tritt unabhängig davon ein, ob der ausgleichsberechtigte Ehegatte schon eine Rente bezieht oder nicht. Dies entspricht dem sog. Grundsatz des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs und ist letztlich darauf zurückzuführen, dass nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs zwei selbstständige Versicherungs- bzw. Versorgungsverhältnisse bestehen (vgl. BVerfG B.v. 9.11.1995 – 2 BvR 1762/92 – NVwZ 1996, 584). Die in § 57 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BeamtVG geregelte Ausnahme, wonach das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst gekürzt wird, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist (sog. „Pensionistenprivileg“), greift vorliegend nicht ein. Denn § 57 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BeamtVG bestimmt insofern weiter, dass dies nur gilt, wenn der Anspruch auf Ruhegehalt vor dem 1. September 2009 entstanden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich zu diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist. Dies ist vorliegend jedoch ersichtlich nicht der Fall.
Auch der Einwand der Wiederheirat führt vorliegend nicht zur Rechtswidrigkeit der Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers. Zwar ist es in besonderen Härtefällen auf Antrag hin möglich von einer Kürzung abzusehen, um verfassungswidrige Zustände zu vermeiden. Derartige Härtefälle sind jedoch abschließend in den §§ 33 ff. VersAusglG geregelt. Die Wiederheirat des Klägers stellt keinen derartigen gesetzlich geregelten Härtefall dar, sodass unter diesem Gesichtspunkt weder ein teilweiser noch vollständiger Ausschluss der Kürzung in Betracht kommt. Eine darüberhinausgehende Härteregelung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht geboten (BVerfG B.v. 9.11.1995 – 2 BvR 1762/92 – NVwZ 1996, 584). Insoweit weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass es, unter dem Blickwinkel des Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation, nicht Aufgabe des Art. 33 Abs. 5 GG sein kann, dem Beamten jedes Lebensrisiko (hier: die finanziellen Auswirkungen der Ehescheidung) und jegliche belastende Folge einer eigenen Entscheidung (hier: des Entschlusses zur Wiederheirat) abzunehmen (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 57 BeamtVG, Rn. 23 unter Hinweis auf BGH B.v. 21.3.1979 – IV ZB 136/78 – NJW 1979, 1300). Zudem ist vorliegend schon nicht ansatzweise erkennbar, dass mit der hier vorgenommenen Kürzung und den insoweit verbleibenden Versorgungsbezügen die untere Grenze eines noch angemessenen Lebensunterhaltes unterschritten wäre.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit trifft das Gericht nicht, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor der Rechtskraft der Entscheidung nicht vollstreckt.