Arbeitsrecht

Leistungen aus einer Direktversicherung

Aktenzeichen  S 10 KR 289/14

Datum:
27.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134414
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 237 S. 1 Nr. 2, S. 2
BetrAVG § 1b Abs. 2

 

Leitsatz

1 Gegen die Heranziehung von Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung im Sinne der betrieblichen Altersversorgung bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken.  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Unerheblich ist auch, ob die Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung auf Beitragszahlungen des Versicherten selbst beruhen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Kapitalleistungen auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1. Die beim zuständigen Sozialgericht erhobene Anfechtungsklage, § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig.
2. Die Klage ist unbegründet.
Die Beklagte Ziff. 1 hat den von der Klägerin vereinnahmten Kapitalbetrag zu Recht in Höhe von € 82.548,64 zur Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen (hierzu unter a). Vor diesem Hintergrund war auch die Festsetzung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen (hierzu unter b) zulässig, sowie die Feststellung der Beklagten Ziff. 1 zum Ruhen der Leistungsansprüche bei fehlender Beitragszahlung (hierzu unter c).
a) Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) werden bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Gleiches gilt gemäß § 237 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB V für versicherungspflichtige Rentner. Als der Rente vergleichbare Einnahmen im Sinne dieser Vorschriften gehören nach Maßgabe von § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu den beitragspflichtigen Einnahmen auch die „Renten der betrieblichen Altersversorgung“ im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.
aa) Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch Renten gehören, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) gezahlt werden (BSG, Urteil v. 30.03.2011 – B 12 KR 24/09 R). Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Diese Leistung ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt (vgl. BSG aaO).
Am Charakter der hier zugrundeliegenden Versicherung als (teilweise) Direktversicherung bestehen auch keine Bedenken. Ausweislich des vorgelegten Versicherungsvertrages wurde die Versicherung für den Erblasser über dessen Arbeitgeber als Kapitalversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall abgeschlossen. Hierbei handelt es sich um den typischen Fall einer Direktversicherung.
bb) Gegen die Heranziehung von Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung im Sinne der betrieblichen Altersversorgung bestehen grundsätzlich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu ausführlich Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Nichtannahmebeschluss vom 07.04.2008 – 1 BvR 1924/07; vom 06.09.2010 – 1 BvR 739/08, BSG, Urteil vom 12.11.2008 – B 12 KR 6/08 R).
cc) Unerheblich ist auch, ob die Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung auf Beitragszahlungen des Versicherten selbst beruhen (BSG, Urteil vom 12.11.2008, aaO). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Kapitalleistungen auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (BVerfG, Beschluss vom 28.09.2010 – 1 BvR 1660/08; BSG, Urteil vom 30.03.2011 – B 12 KR 16/10 R). Diese Besonderheit hatte die Beklagte Ziff. 1 vorliegend aber bereits berücksichtigt. Ausweislich der Auskunft der S. L2. AG beruhte nur ein Teil des Auszahlbetrages auf einer Direktversicherung, ein anderer Teil war vom Erblasser seit dessen Ruhestand privat getragen worden. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte Ziff. 1 zutreffend nicht den gesamten Auszahlbetrag zur Beitragspflicht herangezogen, sondern ausschließlich den über die Direktversicherung tangierten Anteil.
dd) Zwischen den Beteiligten steht vorwiegend im Streit, ob die Klägerin als Hinterbliebene ebenfalls der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterfällt, oder der Charakter des Versorgungsbezuges der Kapitalleistung bei ihr nicht wirken kann.
Die Klägerin begründet den Ausschluss der Versicherungspflicht mit dem fehlenden Unterhaltscharakter der Leistung. Auch hätte sie zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine gesetzliche Hinterbliebenenrente gehabt. Eine Vergleichbarkeit sei vor diesem Hintergrund nicht gegeben.
Die Argumente der Klägerin sind indes nicht tragfähig.
Zum anspruchsberechtigten Personenkreis der Hinterbliebenen auf eine Rente wegen Todes nach den §§ 46 und 48 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zählen die Ehegatten (bzw. Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft) und Kinder des Verstorbenen (einschließlich Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder) sowie gegebenenfalls Geschwister und Enkel des Verstorbenen. Steht die Versorgungsleistung hingegen nach individuellen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen anderen begünstigten Personen zu, wie z. B. dem geschiedenen Ehegatten, liegt keine beitragspflichtige Hinterbliebenenversorgung vor.
Als Tochter des Erblassers ist sie dessen Hinterbliebene im Sinne des SGB VI.
Die Lebensversicherung diente auch dem Zweck der Hinterbliebenenversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG und legte ein eigenes Bezugsrecht der Klägerin fest. Dies begründet einen Versorgungszweck, insbesondere auch eine mit der Versicherungsleistung für den Todesfall des Versicherten zugedachte unterhaltssichernde Funktion, indem ihr unabhängig vom Erbgang ein Anspruch auf die volle Versicherungsleistung eingeräumt wird (vgl. BSG aaO). Dass die Klägerin bereits volljährig, verheiratet und arbeitstätig ist, kann in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen.
Schließlich wurde der maßgebliche Vertrag bereits mit dessen Beginn zum 01.07.1989 abgeschlossen, mithin also zu einer Zeit, als die 1978 geborene Klägerin noch minderjährig war und die Begünstigung innerhalb des Vertrages keinen anderen Zweck verfolgen konnte, als im Eintritt des Versicherungsfalles deren Unterhalt zu sichern. Abzustellen ist nach Ansicht der erkennenden Kammer auch alleine auf die Intention bei Abschluss des Vertrages, eine spätere Änderung, etwa der Entfall von gesetzlichen Rentenansprüchen im Zeitpunkt des Leistungsanspruchs ist mit dem Gesetz nicht vereinbar.
Eine Ausnahme von der Beitragspflicht des Hinterbliebenen würde im Übrigen eine Umgehung der gesetzlichen Regelungen bedeuten. So wäre der Erblasser im Erlebensfall bei Auszahlung der Leistung an ihn, zur Beitragspflicht heranzuziehen gewesen. Durch ggf. eine spätere Änderung des Auszahlungsberechtigten könnten willkürlich Beitragspflichten umgangen werden.
Eine Lebensversicherungssumme, die ein überlebender Ehegatte bzw. ein Kind als Bezugsberechtigter aus der Versicherung des Verstorbenen erhält, gehört zu keinem Zeitpunkt zum vererbbaren Vermögen des Verstorbenen; sie fällt dem überlebenden Ehegatten bzw. Kind vielmehr aufgrund seiner vertraglichen Bezugsberechtigung kraft eigenen Rechts unmittelbar aus dem Vermögen des Versicherers zu (vgl. BGH vom 20.09.1995 – XII ZR 16/94). Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung verstößt in diesen Fällen weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch gegen Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (vgl. BSG, Urteil v. 05.03.2014 – B 12 KR 22/12 R).
ee) Der Umfang der von der Beklagten Ziff. 1 festgesetzten Verbeitragung der einmalig ausgezahlten Kapitalleistung ist im Übrigen nicht zu beanstanden.
Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB ? ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) diese Regelungen durch Verweisung auf §§ 237 und 229 SGB V entsprechend (vgl. BSG, Urteil vom 30.03.2011 – B 12 KR 24/09 R).
Vorliegend beläuft sich die zu verbeitragende Kapitalleistung auf einen Betrag in Höhe von € 82.548,64. Ein Einhundertzwanzigstel hiervon sind € 687,90. Dieser Betrag ist der monatlichen Beitragsbemessung zugrunde zu legen, weshalb bei Annahme eines Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 15,5% ein monatlicher Beitrag in Höhe von € 106,63 resultiert. Bei Einnahme eines Beitragssatzes von 2,05% zur Pflegeversicherung resultiert hieraus ein Betrag in Höhe von monatlich € 14,10.
Die Höhe der monatlichen Beitragsfestsetzung ist folglich nicht zu beanstanden.
b) Die Klägerin war – unabhängig davon, ob der Beitragsbescheid vom 13.06.2013 rechtmäßig war oder nicht – selbst während der Durchführung des Widerspruchs- und Klageverfahrens zur Zahlung der Beiträge verpflichtet, § 86a Abs. 2 Nr. ? SGG, da es sich um Beitragspflichten handelt, für die ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
Die Beiträge hat die Klägerin unstreitig zunächst nicht weiterbezahlt.
Gemäß § 19 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) werden für Amtshandlungen nach dem VwVG Kosten (Gebühren und Auslagen) gemäß §§ 337 Abs. 1, 338 bis 346 der Abgabenordnung erhoben. Nach § 19 Abs. 2 VwVG (in der Fassung bis 25.11.2014) ist für eine Mahnung nach § 3 Abs. 3 VwVG mindestens eine Mahngebühr in Höhe von DM 1,50 aufgerundet auf 10 volle Pfennige, d. h. umgerechnet 0,80 €, festzusetzen. Die Festsetzung der Säumniszuschläge resultiert aus § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV i. V. m. § 10 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler.
Die Höhe der festgesetzten Mahngebühren und Säumniszuschläge ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.
c) Nach § 16 Abs. 3a Satz 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) Versicherte, die mit einem Beitrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate im Rückstand sind und trotz Mahnung nicht zahlen, nach näherer Bestimmung des § 16 Abs. 2 KSVG. Diese Regelung gilt entsprechend für Versicherte nach dem SGB V, § 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V. Ausgenommen sind lediglich Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn Versicherte hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch werden.
Diesen Vorgaben hat die Beklagte vorliegend entsprochen.
d) Die Klage war hiernach vollumfänglich abzuweisen.
3. Die Kostenfolge basiert auf § 193 SGG.

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