Arbeitsrecht

Leistungen, Gemeinde, Vergleich, Bewilligung, Zahlung, Wirksamkeit, Genehmigung, Vertragsschluss, Mangel, Grundbuchamt, Gemarkung, Zustimmung, Anfechtung, Widerklage, Sinn und Zweck, culpa in contrahendo, wirtschaftliche Bedeutung

Aktenzeichen  11 O 1524/18

Datum:
5.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 58596
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der vor dem Landgericht München II zum Aktenzeichen 11 O 1524/ 18 am 19.12.2018 geschlossene Vergleich im Hinblick auf die Beklagten zu 1), 2), und 3) wirksam ist.
Im übrigen werden die Klage und die Widerklagen abgewiesen.
2. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1 bis 3 tragen der Kläger 11% und die Beklagten zu 1) bis 3) 89%.
Die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der Beklagten zu 4) trägt der Kläger zu 80%, die Beklagte zu 4 zu 20%.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 27.200,00 € festgesetzt bis zum 19.12.2018, danach auf € 21.650 im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1 bis 3 und auf € 27.200 im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 4) bis zum 27.06.2018, danach auf € 19.200.

Gründe

A.
(Klageanträge)
I. (Anspruch auf Rückübertragung/Löschung des Nießbrauchs des Beklagten zu 4))
1. Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger einen Anspruch auf Übertragung des Nießbrauchsrechts auf den Kläger und die Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung ins Grundbuch gegenüber der Beklagten zu 4 begehrt.
1.1. Das Landgericht München II ist aufgrund des Streitwertes sachlich und aufgrund des Wohnsitzes der Beklagten sowie des belegenen Objekts örtlich zuständig.
1.2. Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit des Klägers liegen nicht vor. Die beklagte Partei hat zunächst eingewandt, es bestünden Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers, da dieser starke Psychopharmaka verschrieben bekomme und hierzu auch Blutdruckmittel einnehme. Diesen Einwand hat die beklagte Partei nicht aufrechterhalten. Zwar hat das Gericht die Prozessfähigkeit von Amts wegen zu prüfen, jedoch ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, insbesondere nicht zur Erholung eines entsprechenden Gutachtens. Das Gericht hat mit dem Kläger mehrfach persönlich verhandelt. Es hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass der Kläger dem Prozessgeschehen nicht folgen kann. Auch aus dem Attest Dr. S3., Anlage K 13, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit.
1.3. Eine entgegenstehende Rechtskraft besteht bezüglich der Beklagten zu 4 nicht. Am 19.12.2018 wurde im gegenständlichen Verfahren ein Vergleich zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1-4 geschlossen. Dieser Stand bezüglich der minderjährigen Beklagten zu 4 jedoch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts. Das Vormundschaftsgericht hat diese Zustimmung nicht erteilt. Damit besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 4 kein Vergleich, weder auf materieller Basis, noch insoweit, als der Rechtsstreit hierdurch beendet ist. Die Zulässigkeit der ursprünglichen Klage ist durch den Vergleich nicht entfallen.
Die Klagepartei hat in soweit anerkannt, dass der Vergleich hinsichtlich der Beklagten zu 4 nicht wirksam geworden ist und deshalb eine Vollstreckung hinsichtlich der Beklagten zu 4 aus diesem Vergleich nicht möglich ist. Die Klagepartei hat ausgeführt, dass zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen sei, dass die Beklagte zu 4 aus dem gerichtlichen Vergleich vom 19.12.2018 nicht in Anspruch genommen werden könne.
2. Der Kläger hat jedoch gegen die Beklagte zu 4 keinen Anspruch auf Übertragung des Nießbrauchs der Beklagten zu 4 bzw. die entsprechende Bewilligung.
Zwischen dem Kläger als Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens und den Beklagten zu 1-4 war ursprünglich am 17.11.2015 ein notarieller Vertrag dahingehend geschlossen worden, das den Beklagten zu 1-4 ein Nießbrauch eingeräumt wurde. Dies wurde mit Urkunde des Notars Dr. W. O1. vom 17.11.2015 beurkundet. In diesem Vertrag wurden „rein schuldrechtlich“ (Zitat) eine Vereinbarung, durch die den Beklagten verschiedene Verpflichtungen auferlegt wurden, getroffen. Das Amtsgericht Familiengericht hat hinsichtlich der Beklagten zu 4 die Genehmigung des Vertrages vom 17.11.2015 versagt. Daraufhin wurde am 03.12.2016 ein „Nachtrag zum Nießbrauchsvertrag“ beurkundet. Dieser „Nachtrag zum Nießbrauchsvertrag“ wurde zwischen dem Kläger und allen 4 Beklagten geschlossen und in diesem Vertrag die Beklagte zu 4 von allen schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Nießbrauchsrechtsvertrag bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres freigestellt. Die Beklagte zu 4 erhielt die Möglichkeit mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres das unwiderrufliche Kündigungsrecht auszuüben, um ab diesem Zeitpunkt entscheiden zu können, ob sie als Volljährige diesen Vertrag zu denselben Bedingungen fortführen oder beenden möchte. Im Übrigen verblieb es bei den Bedingungen der Vorurkunde.
Bei verständiger Auslegung dieses Nachtragsvertrages sowohl im Hinblick auf dessen Wortlaut und auch auf dessen Sinn und Zweck, wurde hier der Beklagten zu 4 ein Nießbrauchsrecht – bis zu dem 18. Lebensjahr – ohne jegliche schuldrechtliche Verpflichtung eingeräumt. Der Nachtrag basiert nämlich gerade darauf, dass das Vormundschaftsgericht einer entsprechenden schuldrechtlichen Verpflichtung der Minderjährigen nicht zugestimmt hatte.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Nießbrauch der Beklagten zu 4 ohne weiteres an die Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtungen der Beklagten zu 1-3 geknüpft sein sollte. Dies wäre eine für die Minderjährige nachteilige Auslegung, die sich nicht aus dem Sinn und Zweck und auch nicht aus dem Wortlaut ergibt. Die Minderjährige wäre dann, bei dieser Auslegung, darauf angewiesen, dass die Erwachsenen ihre Verpflichtung erfüllen würden, ansonsten würde auch sie den ihr eingeräumten Nießbrauch ohne jegliche Möglichkeit einer Einflussnahme verlieren. Es ist nicht ersichtlich, dass dies gewollt war.
Es hätte dem Kläger auch jederzeit frei gestanden, nach der Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht, der Beklagten zu 4 keinerlei Nießbrauch einzuräumen. Ihr Wohnrecht hätte sie auch ohne dingliche Regelung im Zweifel auch von der Beklagten zu 3 oder den Beklagten zu 1-2 unschwer ableiten können. Vielmehr hat sich der Kläger dafür entschieden, der Beklagten zu 4 einen selbstständigen Nießbrauch ohne schuldrechtliche Verpflichtung einzuräumen. Dies sollte entsprechend der vertraglichen Verpflichtung jedenfalls bis zu deren 18. Lebensjahr gelten.
Damit kommt es auf die Frage, ob die Beklagten zu 1-3 ihrer schuldrechtlichen Verpflichtung nachgekommen sind, im Verhältnis zu der Beklagten zu 4 nicht an, da diese, jedenfalls keinerlei schuldrechtliche Verpflichtung hatte und damit eine solche auch nicht verletzen konnte.
Aus diesem Grunde kam es auf die Einvernahme der Zeugen L2., insbesondere zur konkreten Ausgestaltung der schuldrechtlichen Verpflichtung und die Notwendigkeit der Errichtung eines Instandhaltungskontos und der Verrechnung des bereits eingezahlten Betrages nicht an. Der Nachtragsvertrag mit der Beklagten zu 4 war bei Ladung des Zeugen L2. dem Gericht gerade nicht bekannt.
Es ist auch nicht ersichtlich das insoweit jegliche Art des Irrtums, der zu einer Anfechtung des Vertrages führen könnte, vorlag. Dem Kläger waren alle Umstände bekannt, er hat sich in einem notariellen Vertrag bewusst für diese Regelung entschieden. Ob hier im Vorfeld bereits Verpflichtungen nicht erfüllt wurden, ist insoweit ebenfalls unerheblich.
Dass er diese Regelung, egal und aus welchen Erwägungen, nunmehr bereut, führt nicht zu einer Unwirksamkeit des Nachtragsvertrages.
Damit kam es auf die Hilfsanträge hinsichtlich der Beklagten zu 4 seitens der Klagepartei nicht an.
II. (Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs vom 19.12.2018 bzgl. der Beklagten 1) bis 3))
1. Die Klage ist zulässig, soweit die Klagepartei nunmehr die Feststellung begehrt, dass der Vergleich vom 19.12.2018 bezüglich der Beklagten zu 1-3 wirksam ist.
1.1. Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen der Zulässigkeit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
1.2. Es besteht insoweit auch ein Feststellungsinteresse der Klagepartei. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben bereits nach unstreitigen Vortrag nach Vergleichsschluss schriftsätzlich die Unwirksamkeit des Vergleiches geltend gemacht. Sie haben zwar keinen, an sich prozessual vorgesehenen Antrag auf Fortführung des Rechtsstreits gestellt, jedoch durch die als Widerklage erhobene „Vollstreckungsgegenklage“ klar zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vergleich als unwirksam erachten und sich gegen diesen zur Wehr setzen wollen. Andererseits ist durch die „Vollstreckungsgegenklage“ das Rechtsschutzbedürfnis der Klagepartei an einer Feststellung der Wirksamkeit des Vergleiches bezüglich der Beklagten zu 1-3 nicht entfallen. Die Anträge aus der Vollstreckungsgegenklage gehen nicht so weit, dass sie zum entfallen des Feststellungsinteresses führen würden, da die Rechtskraft aus der Vollstreckungsgegenklage nicht zwangsläufig zu einer Feststellung der Wirksamkeit des Vergleiches führt.
1.3. Der Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Vergleiches ist auch in diesem (Ausgangs-) Verfahren festzustellen.
Die Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits ist dann geboten, wenn – aus prozessualen oder sachlich-rechtlichen Gründen – die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Vergleichs geltend gemacht wird und damit seine den Prozess beendende Wirkung infrage gestellt wird (BGH NJW 1977,583; BGHZ 79,74 m.w.N.). Im alten Verfahren auszutragen ist danach der Streit über die ursprüngliche Nichtigkeit zum Beispiel nach §§ 134,138,779 BGB (BGHZ 28,171; 51,141 ff; BGH NJW 1971,467). Grundsätzlich sind also neben den prozessualen auch alle materiellrechtlichen Mängel im alten Prozessstreit geltend zu machen (vergleiche Staudinger/Marburger (2015), BGB § 779, Rdnr.116).
So liegt es hier.
Insbesondere ist auch, wie bereits dargelegt, der Rechtsstreit hinsichtlich der Beklagten zu 4 noch nicht abgeschlossen, sodass die Geltendmachung in einem gesonderten Rechtsstreit zu einer willkürlichen Aufspaltung desselben Prozessstoffes und der Gefahr widerstreitenden Entscheidungen führen würde.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass hier nicht diejenige Partei die Fortführung des Rechtsstreites begehrt, die sich auf die Unwirksamkeit des Vergleiches beruft (hier die Beklagten zu 1-3) sondern die Klagepartei, die die Feststellung der Wirksamkeit des Vergleiches begehrt.
Die oben genannten Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn hier die Partei, die sich auf die Wirksamkeit des Vergleiches beruft insoweit die Feststellung begehrt. Sie begehrt damit das kontradiktatorische Gegenteil dessen, was, bei Geltendmachung durch die sich hierauf berufende Partei zur Fortsetzung des Rechtsstreits führen würde.
2. Eine Wirksamkeit des Vergleiches ist auch hinsichtlich der Beklagten zu 1-3 festzustellen.
2.1. Ob es im Vorfeld des Vergleiches zu körperlichen Übergriffen gekommen ist, ist insoweit nicht entscheidungserheblich. Jedenfalls war im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses keine Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung gegeben.
2.2. Auch eine Unwirksamkeit des Vergleichs nach § 138 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich.
Weder lag ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, noch eine Zwangslage vor.
Unbeschadet der Frage, ob die Sach- und Rechtslage im Rahmen der vorläufigen Beurteilung zutreffend bewertet wurde, stellt der Vergleich regelmäßig das Ergebnis der Bemühungen beider Parteien um eine sachgerechte Lösung dar.
Ein Vergleich kann gerade nicht mit der Argumentation angegriffen werden, die Sach- und Rechtslage sei falsch eingeschätzt worden. Dies würde im Nachhinein faktisch zur Angreifbarkeit jeglichen Vergleichs führen, sobald die Parteien auf ihre ursprünglich geäußerten Rechtsauffassung (wieder) beharren.
Im Übrigen liegt auch eine völlige Fehlbewertung der Sach- und Rechtslage nicht vor. In den Vergleichsabschluss wurden mannigfaltige Überlegungen, wie zum Beispiel, dass die Errichtung eines Instandhaltungsrücklagenkontos entsprechend dem Wortlaut des Vergleiches vereinbart war, und somit die beklagte Partei für einen anderweitigen Vortrag beweisbelastet war, einbezogen. Hierauf kommt es jedoch unter obigen Gesichtspunkten nicht an.
Auch inhaltlich wurde ein Ausgleich angestrebt und gefunden.
So wurde im Vergleich, der am 19.12.2018 geschlossen wurde, eine langfristige Räumungsfrist vereinbart und insbesondere unter Ziffer 6 und 14 des Vergleichs weitere Ausgleichsregelungen getroffen. Hierauf kam es jedoch im Ergebnis nicht an, da in jedem Fall ein offensichtliches Missverhältnis nicht festzustellen ist.
Auch die Ausnutzung einer Zwangslage ist nicht ersichtlich. Sämtliche Parteien waren anwaltlich vertreten. Konkrete Umstände, inwieweit – gerade angesichts der anwaltlichen Vertretung – eine Unerfahrenheit, ein mangelndes Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche vorgelegen haben sollen, wurden weder vorgetragen noch sind aus sonstigen Umständen ersichtlich.
2.3. Der Vergleich wurde auch formwirksam geschlossen.
2.4. Eine Unwirksamkeit gemäß § 779 BGB ist ebenfalls nicht gegeben.
Der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt entsprach der Wirklichkeit. Soweit die Parteien in diesem Zeitpunkt dem Gericht den Nachtragsvertrag bzgl. der Beklagten zu 4) nicht zur Kenntnis gebracht hatten, ist dies unerheblich. Die Parteien kannten als Vertragspartner den Sachverhalt. Insoweit liegt auch keine Täuschung des Klägers gegenüber den Beklagten vor, da diese, als Vertragspartner den Vertrag und den Nachtrag selbst kannten. Eine überlegende Kenntnis ist hier nicht ersichtlich.
2.5. Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist nicht ersichtlich. Ein Rechtsgeschäft ist dann sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Auch der Inhalt oder der Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts kann die Sittenwidrigkeit begründen. Hierfür fehlt es an jeglichen konkreten Anknüpfungstatsachen. Durch den Vergleich sollte sowohl eine materielle Regelung erzielt werden, als auch eine Beendigung des Rechtsstreites herbeigeführt werden. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt nicht vor.
2.6. Auch eine Unwirksamkeit des Vergleiches gemäß § 139 BGB ist nicht gegeben.
2.6.1. Eine solche ergibt sich nicht daraus, dass der Vergleich letztlich hinsichtlich der Beklagten zu 4 aufgrund der Verweigerung der Zustimmung durch das Vormundschaftsgericht nicht wirksam wurde.
Gerade für diesen Fall wurde unter Ziffer 17 des Vergleichs ausdrücklich geregelt, dass der Vergleich bezüglich der Beklagten zu 1-3 auch dann Bestand haben sollte, wenn hinsichtlich der minderjährigen Beklagten zu 4 keine vormundschaftsgerichtlliche Genehmigung erteilt werden sollte.
Die Parteien haben damit ausdrücklich geregelt, was passieren sollte, wenn der Vergleich hinsichtlich der Beklagten zu 4 nicht wirksam werden sollte. Diese Frage wurde erkannt und ausdrücklich beantwortet.
§ 139 BGB stellt nur eine Vermutung der Gesamtnichtigkeit bei Teilnichtigkeit auf, wenn nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre.
Diese Vermutung greift hier gerade nicht, da eine ausdrückliche Regelung der Parteien erfolgt ist.
2.6.2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass damit der Nießbrauch zugunsten der Beklagten zu 1-3 aufgehoben ist und gegenüber der Beklagten zu 4 damit noch keine Regelung getroffen wurde.
Das Gericht verkennt nicht, dass dies, bei Fortbestand des Nießbrauchs der Beklagten zu 4 entsprechend der vertraglichen Regelung zumindest bis zu deren 18. Lebensjahr, zu einer problembehafteten Lage führt. Genau aus diesem Grunde wurde auch mehrfach eine voll umfassende gütliche Einigung angestrebt.
Dies war den Parteien jedoch bei Vergleichsschluss bewusst und stellt letztlich ein Risiko des Klägers dar, welches sich nunmehr verwirklicht hat.
Der Kläger hat jedoch bewusst, wie bereits dargelegt, durch den Nachtrag zur ursprünglichen Nießbrauchseinräumung der Beklagten zu 4 einen Nießbrauch eingeräumt, der an keinerlei schuldrechtliche Voraussetzungen geknüpft war. Insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
Er hat sich mit dem ursprünglichen Regelungswerk bewusst hierfür entschieden und hat diesen Weg letztendlich durch die Eingehung des Vergleiches konsequent fortgesetzt.
Die Möglichkeit des Auseinanderfallens des Nießbrauchs der Beklagten zu 1-3 und des Nießbrauchs der Beklagten zu 4 war bereits in dem ursprünglichen vertraglichen Regelungswerk beinhaltet. Dies führt damit keinesfalls zu einer Perplexität des Vergleiches.
Im Übrigen ist auch zu sehen, dass das Innehaben eines Nießbrauchs nicht automatisch damit verbunden ist, dass der Nießbrauchsberechtigte sein Wohn- und Nutzungsrecht auch selbst ausübt.
Auch ist zu sehen, dass in dem Vergleich zugleich Druck und Anreiz für die Räumung durch die Beklagte zu 1-3 geschaffen wurde, insbesondere durch die Eingehung der Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Kläger. Auch wenn ich hier tatsächlich die Zahlungspflicht an den Kläger im Vergleichstext, versehentlich, nicht aufgenommen wurde, so kann der Vergleich nicht anders ausgelegt werden. Dies entsprach dem klaren Willen der Parteien bei Vertragsschluss. Zusehen ist, dass mit der Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 1 bis 3 aus dem Vergleich sowohl deren ursprüngliche Zahlungsverpflichtungen aus dem ursprünglichen Vertrag als auch deren Verpflichtung zu Hausmeisterdiensten u.a. entfallen.
Damit war dem entsprechenden Feststellungsantrag des Klägers zu entsprechen. Der Vergleich ist hinsichtlich der Beklagten zu 1-3 sowohl materiellrechtlich als auch prozessual wirksam geschlossen worden.
Damit kam es nicht darauf an, ob die Beklagten zu 1) bis 3) ihre schuldrechtliche Verpflichtung aus der notariellen Regelung erfüllt haben. Der Zeuge L2. war daher, da das ursprüngliche Prozessrechtsverhältnis zwischen diesen Parteien beendet ist, insoweit nicht mehr zu hören. Auch auf die weiteren Ausführungen zur Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Verpflichtung kam es daher nicht an, ebensowenig auf die Frage, ob entsprechend dem Argument aus § 9 IV ErbbauRG ein Mindestrückstand von zwei Jahresbeiträgen erforderlich ist.
Ebensowenig kam es darauf an, ob der Kläger vom ursprünglichen Vertrag zurücktreten oder diesen anfechten konnte. Insoweit wurde eine wirksame Regelung getroffen.
Auf die Hilfsanträge der Klagepartei auf Rückübertragung bzw. Löschung des Nießbrauchs gegenüber den Beklagten zu 1-3 kam es damit nicht an.
Diese wäre im übrigen auch bereits deshalb unbegründet, als der Nießbrauch zwischenzeitlich tatsächlich gelöscht wurde, sodass ein entsprechender Antrag ins Leere geht.
III. (Herausgabe diverser Unterlagen)
Soweit die Klagepartei die Herausgabe von verschiedenen Unterlagen begehrt, und ihr Begehren auf Ziffer 8 des Vergleichs vom 29.12.2018 stützt, bestehen bereits Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage in diesem Punkt, jedenfalls ist die Klage aber unbegründet.
In dem Vergleich vom 19.12.2018 wurde eine entsprechende Regelung getroffen. Der Vergleich ist, wie bereits dargelegt, hinsichtlich der Beklagten zu 1-3, die von dieser Ziffer betroffen sind wirksam, damit besteht ein Titel und eine, dem klägerischen Begehren entgegenstehende Rechtskraft.
Soweit die Herausgabe der von der Klagepartei nunmehr begehrten Unterlagen nicht erfolgt ist, wurde hier ein dem Grunde nach eine Regelung getroffen, aus der jedoch nicht ersichtlich ist, ob auch die konkreten Unterlagen hiervon umfasst sind. Die Frage der Verpflichtung zur Herausgabe wäre im Rahmen der Vollstreckung zu klären, gegebenenfalls im Rahmen eines gesonderten Rechtsstreits über die Auslegung des Vergleichs, jedenfalls nicht durch Fortführung des „alten“ Rechtsstreits.
Eine materielle Verpflichtung zur Herausgabe der Unterlagen besteht im Übrigen aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis nicht. Eine solche wurde vertraglich nicht geregelt. Sie kann auch als Nebenpflicht nicht ohne weiteres unterstellt werden.
B.
(Widerklageanträge)
I. (Widerklage vom 27.06.2018)
Über die ursprüngliche Widerklage der Beklagten zu 1) bis 4) war nicht zu entscheiden, da diese mit Zustimmung des Klägers zurückgenommen wurde. Die Rücknahme der Beklagten zu 1 bis 3 geht insoweit ins Leere, da sie erst nach Vergleichsschluss erfolgte, der den Rechtsstreit zischen diesen Beteiligten insoweit bereits beendet hat.
Die Rücknahme der Beklagten zu 4) ist wirksam, mit Zustimmung des Klägers, erfolgt.
II. Soweit die Beklagten zu 1-3 beantragt haben, den Rechtsstreit hinsichtlich der Ziffer 1 der Klage vom 23.04.2018 unter Verwahrung gegen die Kosten hinsichtlich der Beklagten zu 1-3 für erledigt zu erklären, ist hierin jedenfalls kein Antrag zu sehen, der zu verbescheiden wäre, jedenfalls wäre er unzulässig.
Die Erledigterklärung eines klägerischen Anspruchs durch die Beklagten ist prozessual nicht vorgesehen. Wäre es möglich, dass der Beklagte (!) einen klägerischen Anspruch für erledigt erklären könnte, enthält dies zwar einen kreativen Ansatz, der jedoch jegliche Zivilrechtsstreitigkeiten aushebeln würde.
Der Antrag ist daher auf als Antrag auf Klageabweisung auszulegen, eine gesonderte Entscheidung ist nicht geboten.
III. (Widerklage auf (Rück -) Übertragung des Nießbrauchs bezüglich der Beklagten zu 1-3)
Soweit die Beklagten einen Anspruch auf Rückübertragung des Nießbrauchs auf die Beklagten zu 1-3 begehren, besteht ein entsprechender Anspruch nicht.
Unbeschadet der Frage, ob die Widerklage in diesem Punkt zulässig ist, da sie über die Frage der Wirksamkeit des Vergleiches hinausgeht und hier bereits eine Rückabwicklung begehrt wird, was regelmäßig in einem gesonderten Prozess durchgesetzt werden müsste, ist jedenfalls materiellrechtlich ein solcher Anspruch nicht gegeben.
Der Nießbrauch wurde aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung im Vergleich vom 19.12.2018 bezüglich der Beklagten zu 1-3 gelöscht. Der Vergleich ist wirksam. Insoweit wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.
IV. (Vollstreckungsgegenklage als Widerklage)
Die als Widerklage erhobene Vollstreckungsgegenklage ist, soweit sie sich auf die Unwirksamkeit des Vergleiches stützt, bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im vorliegenden Fall ist die Fortführung des früheren Rechtsstreites möglich, in diesem Fall ist das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig zu verneinen (vergleiche BGH NJW 1971,467).
Im vorliegenden Fall wird der Ausgangsrechtsstreit fortgeführt, sodass für die Vollstreckungsgegenklage kein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Konkrete Einwände, die, über die Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleiches hinaus, einer Vollstreckung entgegenstehen würden, sind nicht geltend gemacht. Die bloße Tatsache, dass die Beklagte zu 4 weiterhin Nießbrauchsberechtigte ist, steht einer Vollstreckung gegen die Beklagten zu 1-3 primär nicht entgegen. Es kann hier nicht pauschal von einem der Vollstreckung entgegenstehenden Wohnrecht der Beklagten zu 1-3 ausgegangen werden. Ein entsprechender Vortrag liegt nicht vor, wäre aber auch mit der Zielrichtung der Beklagten zu 1-3, die sich auf ein Fortbestehen des eigenen Nießbrauchs berufen, nicht schlüssig vereinbar.
C.
(Kosten)
I. (Beklagte 1 bis 3)
Im Vergleich vom 19.12.2018 wurde zwischen die den Parteien eine Kostenregelung getroffen, die, insoweit, aufgrund der festgestellten Wirksamkeit des Vergleichs zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1-3 in deren Verhältnis auch wirksam ist.
Im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1 bis 3 war daher nur noch über die weiteren Kosten zu entscheiden, im übrigen verbleibt es bei der Kostenregelung aus dem Vergleich.
Die Kosten, welche im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten 1 bis 3 aufgrund der Widerklage vom 27.06.2018 entstanden sind, sind in der Kostenregelung des Vergleichs vom 19.12.2018 beinhaltet.
Soweit weitere Kosten dadurch entstanden sind, dass der Kläger die Feststellung der Wirksamkeit des Vergleiches gegenüber den Beklagten zu 1-3 begehrt hat und diese durch die Widerklageanträge ihrerseits die Rückübertragung des Nießbrauchs zugunsten der Beklagten zu 1-3 begehrt haben und sich im Wege der Widerklage in Form der Vollstreckungsgegenklage gegen die Wirksamkeit des Vergleiches gewandt haben, waren die Kosten den Beklagten zu 1-3 aufzuerlegen.
Soweit weitere Kosten durch die Klageerweiterung, die sich insoweit nur gegen die Beklagten zu 1 bis 3 richtet, hinsichtlich der Herausgabe von Belegen entstanden sind, sind diese vom Kläger zu tragen.
II. (Beklagte zu 4))
Soweit der Kläger gegenüber der Beklagten zu 4 die Rückübertragung bzw. Löschung des Nießbrauchs begehrt, hat der Kläger die Kosten zu tragen, da er insoweit voll umfänglich unterlegen ist.
Nicht vom Vergleich erfasst ist die Widerklage der Beklagten der Beklagten zu 4, die insoweit jedoch mit Zustimmung des Klägers wirksam zurückgenommen wurde, da in diesem Streitverhältnis der Vergleich, wie bereits festgestellt nicht wirksam ist. Insoweit hat die Beklagte zu 4 gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten zu tragen.
Der Streitwert hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages war bereits mit Beschluss vom 19.12.2018 auf 19.200 € festgesetzt worden, für die ursprüngliche Widerklage auf Euro 8000.
Auch für die Fortführung des Verfahrens gegen die Beklagte zu 4 ist von diesem Streitwert in Höhe von 19.200 € auszugehen.
Für den Antrag auf Herausgabe der Unterlagen, wie von der Klagepartei begehrt, war ein Streitwert von 2450 € anzusetzen. Das Gericht folgt insoweit dem Vortrag der Klagepartei das für 49 Belege je Euro 50 anzusetzen sind.
Hinsichtlich der von der den Beklagten zu 1-3 begehrten Rückübertragung des Nießbrauchs liegt das kontradiktatorische Gegenteil zum ursprünglichen Klageantrages des Klägers vor, sodass auch hier ein Streitwert von Euro 19.200 anzusetzen ist. Hinsichtlich der Widerklage als Vollstreckungsgegenklage liegt kein inhaltlich abweichender Streitgegenstand vor, sodass hierfür kein eigenständiger Streitwert festzusetzen ist.
Entsprechend der Quote des Unterliegens und Obsiegs ergibt sich daher die Kostenregelung wie tenoriert.
D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 I S. ZPO.
E.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung wird auf die Ausführungen bei der Kostenentscheidung Bezug genommen.

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