Arbeitsrecht

Liege-Dreirad ist nicht beihilfefähig

Aktenzeichen  B 5 K 18.222

Datum:
23.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41842
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96
BayBhV § 21 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann mit Einverständnis der Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom … in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfeleistungen in Höhe von 3.505,66 EUR für die Anschaffung eines Liege-Dreirads für seine Tochter durch den Beklagten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Grundsätzlich sind Aufwendungen der Tochter des Klägers gemäß Art. 96 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG beihilfefähig mit einem Bemessungssatz in Höhe von 80 v. H.
b) Das vom Kläger begehrte Liege-Dreirad ist nicht beihilfefähig. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV (vom 2. Januar 2007, GVBl. S. 15, zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung der Bayerischen Beihilfeverordnung vom 24. Juli 2017, GVBl. S. 418) sind die Aufwendungen für Anschaffung oder Miete der in der Anlage 4 genannten oder vergleichbarer Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände beihilfefähig, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet sind; dies gilt nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
Vor dem Hintergrund dieser Systematik ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe – insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung dienen – von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (VG Regensburg U. v. 12.2.2019, Az.: 12 K 17.2008, BeckRS 2019, 10673; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, U. v. 10.10.2011, Az.: 2 S 1369/11, Rn. 27).
Der allgemeinen Lebenshaltung dienen diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen werden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild haben. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Gegenstand ohne die Erkrankung nicht angeschafft würde oder worden wäre. Maßgebend ist vielmehr, ob das Hilfsmittel – von einer krankheitsentsprechenden Ausstattung abgesehen – auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise genutzt werden kann (VG Freiburg, U. v. 31.03.2011, Az.: 6 K 303/09 Rn. 22 m.w.N.). Für die Eigenschaft eines beihilferechtlich relevanten Hilfsmittels kommt es also wesentlich auf dessen objektive Beschaffenheit an und nicht auf die subjektive Verwendungsmöglichkeit (vgl. BayVGH, Urt. v. 26.11.1992, Az.: 3 B 91.23399 – juris Rn. 23).
Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem begehrten Liege-Dreirad Trix der Firma H. Bikes (Hilfsmittelnummer: 22.51.02.0059) nicht um ein grundsätzlich beihilfefähiges „Behinderten-Dreirad“ im Sinne der Anlage 4 zur BayBhV. Stattdessen liegt ein Hilfsmittel in Form eines Gegenstandes vor, der gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BayBhV der allgemeinen Lebenshaltung dient (vgl. auch VG Stuttgart, U. v. 21.04.2015, Az.: 12 K 5471/14 Rn. 18 ff. – zum Liegedreirad „Scorpion fs FX Pedelec 20“).
Bei dem Rad handelt es sich ungeachtet dessen, dass es als behindertengerecht beschrieben wird (https://hasebikes.com/110-0-Reha-Dreirad-TRIX.html: „dass man sogar mit schweren Handicaps ganz vorne mitmischen kann“) und je nach Art und Ausmaß der Behinderungen auch von einem behinderten Menschen genutzt werden kann, nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten ist. So führt der Hersteller in seinem Internetauftritt zum streitgegenständlichen Liegedreirad auch selbst aus: „Fun-Faktor (…). Als supersportliches Liege-Dreirad ist das Trix eigentlich zu abgefahren für eine Hilfsmittelnummer. Aber zum Glück nur eigentlich (…). Kein Handicap, kein Trix? Quatsch. (…) Grundsätzlich gilt: Das Trix kann jeder fahren, der nicht kleiner als 1 Meter 25 und nicht größer als 1 Meter 90 ist.“
Da nach der Rechtsprechung auch behindertengerechte Umbaumaßnahmen zu keiner anderen rechtlichen Einordnung führen, ist hier der Ausschlusstatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BayBhV erfüllt. Auf die Tatsache, dass das begehrte Liege-Dreirad ärztlich verordnet wurde, kommt es somit nicht mehr an.
c) Die fehlende Beihilfefähigkeit der Kosten für das in Rede stehende Liege-Dreirad verstößt auch nicht gegen die Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherrn. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht verlangt, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien lebenslang auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sicherstellt. Er muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können. Grundlage dieses Anspruchs und der entsprechenden Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn ist die mit der Berufung in das Beamtenverhältnis verbundene Pflicht des Beamten, unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit diesem – grundsätzlich auf Lebenszeit – seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Die entsprechende Alimentation in Form von Dienstbezügen sowie einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung ist Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in wirtschaftlicher und rechtlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann. Er ist nicht gezwungen, durch zusätzliche Arbeit oder Aufwendungen seinen Unterhalt und die Versorgung seiner Familie, insbesondere nach seinem Tod, sicherstellen zu müssen (vgl. BayVerfGH, E.v. 10.2.2015 – Vf. 1-VII-13 -, juris m.w.N.).
Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle oder vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren, besteht aber nicht. Dem Dienstherrn wird durch Art. 33 Abs. 5 GG die Entscheidung überlassen, ob er der Fürsorgepflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge oder über Sachleistungen, Zuschüsse oder in anderer geeigneter Weise genügt. Entscheidet sich der Dienstherr für ein Beihilfesystem, muss dieses allerdings den Anforderungen genügen, die dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten erwachsen. Die Fürsorgepflicht gebietet, für das Wohl und Wehe des Beamten und seiner Familienangehörigen zu sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Hat sich der Dienstherr entschieden, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, muss er mithin dafür Sorge tragen, dass der Beamte aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die für ihn unabwendbar sind und denen er sich nicht entziehen kann (vgl. BVerfG, B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 – juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40/12 – juris; U.v. 20.3.2008 – 2 C 49/07 – juris, U.v. 31.1.2002 – 2 C 1.01 – juris).
Dem Dienstherrn steht bei der Konkretisierung des Fürsorgeprinzips durch die Beihilfevorschriften ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Hierdurch wird der Dienstherr von Verfassungswegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet aber nicht, dass die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall und in voller Höhe zu erstatten sind (vgl. BVerfG, B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 – juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 20.3.2008 – 2 C 49/07 – juris m.w.N., U.v. 31.1.2002 – 2 C 1.01 – juris; BayVGH, U.v. 14.7.2015 – 14 B 13.654 – juris; OVG NRW, U.v. 18.8.2005 – 1 A 801/04 – juris; VG Oldenburg, U.v. 2.4.2014 – 6 A 6199/13 – juris). Daher ist eine Fürsorgepflichtverletzung mit der fehlenden Beihilfefähigkeit der streitigen Aufwendungen nicht verbunden.
2. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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