Aktenzeichen M 21 K 16.3839
BwAttraktStG Art. 10 Nr. 12 Abs. 2
VermG § 1
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Sie wäre (mit ihrem ursprünglichen Rechtsschutzziel) unzulässig geworden, wenn die Beklagte hätte nachweisen können, dass sie dem Kläger den mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Bescheid vom 30. November 2016 alsbald nach seinem Erlass zugestellt hat. Hätte der Kläger dann nicht nachweisen können, dass er Beschwerde dagegen eingelegt hat, wäre zugunsten der Beklagten anzunehmen gewesen, dass sie den angefochtenen Bescheid vom 29. März 2016 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 9. August 2016 erfolgreich durch den Bescheid vom 30. November 2016 konkludent aufgehoben (ersetzt) hat. Damit hätte es für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr gegeben. Diesen Nachweis ist die Beklagte, welche vor der mündlichen Verhandlung aufgefordert wurde, die Postzustellungsurkunde über die Zustellung des Bescheides vom 30. November 2016 vorzulegen, in der mündlichen Verhandlung aber schuldig geblieben. Nach § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Da sie diesen Nachweis nicht erbringen kann, ist davon auszugehen, dass die Frist des § 58 Abs. 1 VwGO entweder noch gar nicht angelaufen oder zwar an-, aber im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen ist. Denn wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt wurde, ist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Einlegung des Rechtsbehelfs (nur) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Nach der allgemeinen Beweislastregel, dass derjenige Beteiligte die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache zu tragen hat, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG vom 01.11.1993 – 7 B 190.93 – NJW 1994, 468 = Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 11 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 11), ist demnach für das Verfahren zulasten der Beklagten davon auszugehen, dass der Bescheid vom 30. November 2016 dem Kläger nicht wirksam bekanntgegeben worden und jedenfalls bislang nicht in Bestandskraft erwachsen ist.
Die aus diesem Grund also doch noch zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung über die Festsetzung seines Förderungsanspruches unter Berücksichtigung einer Minderung von höchstens 24 Monaten. Der diesem Anspruch entgegenstehende Bescheid des Karrierecenters der Bundeswehr Berufsförderungsdienst – Standortteam … vom 29. März 2016 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 9. August 2016 ist auch insoweit, als er eine Minderung des Freistellungs- und Gesamtanspruchs im Umfang von 51 Monaten und 23 Tagen vorsieht, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 5 Abs. 10 SVG in der hier nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SVG noch anzuwendenden, bis zum 25. Juli 2012 geltenden Fassung werden bei Teilnahme an Hochschulstudiengängen im Sinne des § 1 des Hochschulrahmengesetzes im Rahmen der militärischen Ausbildung der Offiziere und der Unteroffiziere des Militärmusikdienstes die Förderungszeiten nach § 5 Abs. 4 SVG auch dann im Umfang der Dauer der tatsächlichen Teilnahme vermindert, wenn der vorgesehene Abschluss nicht erreicht wurde, es sei denn, die Teilnahme musste aus dienstlichen Gründen vor Erreichen des Abschlusses beendet werden. Diese Vorschrift ist als Teil der in § 5 SVG enthaltenen Regelungen des Umfangs der Berufsförderung im Rahmen der Neuordnung des Berufsförderungswesens der Bundeswehr mit dem Ziel einer Vereinfachung und Vereinheitlichung durch das am 1. Juni 2005 in Kraft getretene Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz (BfFEntwG) vom 4. Mai 2005 (BGBl. I S. 1234) in das Soldatenversorgungsgesetz aufgenommen worden. Gesetzestechnisch handelt es sich, wie sich aus § 5 Abs. 5 Satz 1 SVG ergibt, bei den Minderungsbestimmungen des § 5 Abs. 6 bis 8 und 10 SVG um Teil-Erlöschenstatbestände, die im Grundfall der erfolgreichen Teilnahme an unterschiedlichen Berufsausbildungsmaßnahmen während der Dienstzeit den in § 5 Abs. 4 SVG geregelten Förderungsanspruch wegen (Teil-)Erfüllung des Förderungsanspruchs des Soldaten zum Wegfall bringen.
Die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der soldatenversorgungsrechtlichen Berufsförderung (Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz – BfFEntwG) enthält zum Gesetzeszweck des hier einschlägigen § 5 Abs. 10 SVG, welcher der Minderung aufgrund erfolgreicher Teilnahme an einer Maßnahme der Berufsausbildung den Fall einer nicht abgeschlossenen Ausbildung gleichstellt, unmittelbar keine eigenständige Erläuterung, sondern gibt lediglich den Regelungsinhalt wieder (vgl. BT-Drucks 15/4639 vom 13.01.2005, S. 7). Besseren Aufschluss gibt aber die Begründung zu dem eine vergleichbare Formulierung wie Abs. 10 enthaltenden § 5 Abs. 7 SVG (ebenda). Dort heißt es: „Dabei tritt die Minderung nunmehr auch dann ein, wenn der Abschluss nicht erreicht wird, es sei denn, der Abbruch erfolgte aus dienstlichen Gründen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Soldatinnen und Soldaten an der Fortbildung teilnehmen, sich der Prüfung jedoch nicht unterziehen, sondern diese nach Abschluss der Maßnahme nachholen, um so die Minderung zu unterlaufen.“
Damit steht fest, dass der Gesetzgeber mit den Minderungsvorschriften, also auch in den Fällen des § 5 Abs. 10 SVG, weder an die körperliche Anwesenheit oder etwa die krankheitsbedingt entschuldigte Abwesenheit eines in (Fach-)Ausbildung oder Studium stehenden Soldaten, sondern ausschließlich daran anknüpfen wollte, ob und für welche Zeitspanne der Dienstherr dem Soldaten finanzielle und zeitliche Ausbildungsressourcen zur Verfügung stellte ohne Rücksicht darauf, ob der Berechtigte diese Ressourcen erfolgreich dazu nutzte, den mit ihrer Inanspruchnahme planmäßig verbundenen Bildungsabschluss zu erreichen. Der Gesetzgeber sieht den Förderungsanspruch also immer schon dann als vom Dienstherrn vollständig erfüllt an, wenn dem Soldaten die bloße Möglichkeit eingeräumt war, durch zweckentsprechende Inanspruchnahme der Ausbildungsressourcen den erstrebten Bildungsabschluss zu erwerben. Durch die Anknüpfung der Minderung an die Dauer der tatsächlichen Teilnahme trägt jedoch stets der Berechtigte das Risiko einer krankheitsbedingten Verzögerung und, wie § 5 Abs. 10 SVG unmissverständlich klarstellt, des endgültigen Nichtbestehens der Abschlussprüfung.
Daraus folgt, dass dieses ohne Rücksicht auf den Grund des Scheiterns auf jeden Fall zu Lasten des Klägers gehen muss. Es kommt also gar nicht mehr darauf an, ob der Kläger zwischen dem Beginn seiner Ausbildung und deren endgültigem Nichtbestehen an der Ausbildung tatsächlich „Anteil“ genommen hat. Für die Erfüllung des Begriffs der tatsächlichen Teilnahme und damit der entsprechenden Minderung reicht es vielmehr aus, dass er während der fraglichen Zeit in der Ausbildung „stand“ und die Möglichkeit der Ablegung der abschließenden Prüfung nutzte.
Davon abgesehen hat die mündliche Verhandlung den im vorbereitenden Verfahren entstandenen Eindruck, der Kläger habe aufgrund der äußeren Umstände seiner Krankschreibungen längerfristig überhaupt nicht mehr am Studienbetrieb teilnehmen können, nicht bestätigt. Der Kläger hat dazu vielmehr angegeben, soweit seine Krankschreibungen (zeitweise) dazu geführt hätten, dass er den nach dem Studienaufbauschema der Universität vorgeschriebenen Studienfortschritt nicht mehr habe halten können, habe die erfolgte Rückstufung in den nächsten Studienjahrgang die Wirkung gehabt, dass er bereits bestandene Prüfungen nicht noch einmal habe ablegen müssen, sondern sich erst wieder zu dem Zeitpunkt in den Prüfungsablauf habe einklinken müssen, ab dem neue Prüfungen angestanden hätten. Im Übrigen sei er jedoch während dieser Zeit nicht untätig gewesen, sondern habe am Studienbetrieb – schon aus Gründen der Aufrechterhaltung seines Wissensstandes – teilgenommen. Während der (ablaufbedingten) Leerlaufzeiten habe er natürlich auch im regulären Umfang an der militärischen Dienstausübung und Ausbildung teilgenommen, außerdem sei er zum damaligen Zeitpunkt in der Lage gewesen, noch zusätzliche Aufträge sowohl im Studien- als auch im militärischen Bereich annehmen und ausführen zu können. Auch hat er zu keinem Zeitpunkt behauptet noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass zwischen dem Nichtbestehen der Prüfung und den Zeiten der Krankschreibung eine Kausalität bestand. Diese Umstände stehen der Annahme entgegen, er habe im Sinne des § 5 Abs. 10 SVG nach seiner zweimaligen Rückstufung zum einen krankheitsbedingt, zum andern studienablaufbedingt viele Monate lang am Studium nicht „tatsächlich teilgenommen“.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.