Arbeitsrecht

Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei Gewährung einer Funktionsstufe

Aktenzeichen  M 14 PE 17.1086

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 162868
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPersVG § 69 Abs. 2 S. 5, § 75 Abs. 1 S. 2, § 77 Abs. 2
ArbGG § 85 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die in § 83 Abs. 2 BPersVG erfolgte Verweisung auf die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Zusammensetzung des Gerichts. Die Besetzung der Fachkammern richtet sich vielmehr, soweit das Personalvertretungsrecht keine speziellen Regelungen trifft, allein nach den gesetzlichen Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Begründung des Personalrats, die offensichtlich auf keinen der Versagungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG gestützt ist, ist unbeachtlich und vermag nicht die Verpflichtung der Dienststelle auszulösen, das Beteiligungsverfahren durch Einleitung des Stufenverfahrens bzw. des Einigungsstellenverfahrens fortzusetzen. Die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats kann, wenn sich daraus ersichtlich keiner der gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgründe ergeben kann, nicht anders behandelt werden als das Fehlen einer Begründung. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gewährung einer Funktionsstufe stellt keine Dienstpostenvergabe im Sinne der Besetzung von Dienstposten dar. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist der örtliche Personalrat des Jobcenters … … …, der Beteiligte ist der Dienststellenleiter des Jobcenters.
Unter dem Datum des 16. November 2016 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, dass vorgesehen sei, Frau J. G. in der Zeit vom 1. September 2016 bis 28. Februar 2017 als „Abwesenheitsvertretung Teamleiter“ einzusetzen, wodurch eine tätigkeitsunabhängige Funktionsstufe anfalle.
In seiner Sitzung vom 23. November 2016 lehnte der Antragsteller diese Maßnahme wegen der verspäteten Anhörung einstimmig ab. Mit Schreiben vom selben Tag teilte er dem Beteiligten mit, dass er der Maßnahme „Besetzung Stellvertretung Teamleitung“ nicht zustimme, und verwies auf seine Anhörung erst nach Beginn der geplanten Maßnahme und die unterbliebene interne Interessensausschreibung.
Am 28. Februar 2017 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage erheben mit dem Antrag festzustellen, dass die auch nur vorübergehende Berufung der Verwaltungsangestellten Julia G. zur stellvertretenden Teamleiterin der Mitbestimmung des Antragstellers unterlag und der Beteiligte verpflichtet ist, in künftigen Fällen, in denen die vertraglich vereinbarte Tätigkeitszuordnung für die Dauer von mehr als zwei Monaten erheblich verändert werden soll, vor Durchführung der beabsichtigten Maßnahme ein Mitbestimmungsverfahren einzuleiten. Gleichzeitig beantragte er, aufgrund der Dringlichkeit der Sache im Wege der einstweiligen Anordnung vorab zur Sicherung der gefährdeten Rechte des Antragstellers zu entscheiden.
Er trug vor, seine Zustimmung zur Einsetzung von Frau G. als stellvertretende Teamleiterin sei nicht rechtzeitig beantragt worden. Der Beteiligte habe Frau G. bereits ab 1. September 2016 als Teamleiterin eingesetzt und ihr entsprechende Zeichnungs- und Anordnungskompetenzen übertragen. Der Beteiligte meine offensichtlich, die nur befristete Einsetzung stelle keine personelle Maßnahme i.S.d. § 75 Abs. 1 Nr. 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) dar. Es zeichne sich ab, dass er auch zukünftig bereit sei, sich über die Mitwirkungsrechte hinwegzusetzen.
Das Verwaltungsgericht Augsburg verwies die Streitsachen mit Beschluss vom 2. März 2017 an das Verwaltungsgericht München.
Der Beteiligte beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Er trug vor, Ausgangspunkt des Rechtsstreits sei die mitbestimmungspflichtige Übertragung einer tätigkeitsunabhängigen Funktionsstelle. Anders als vom Antragsteller geltend gemacht liege keine ständige Vertretung, sondern eine reine Abwesenheitsvertretung vor. Frau G. habe die streitige Funktion bis zum Zeitpunkt der Personalratsbeteiligung tatsächlich nicht wahrgenommen. Weder sei sie ihr übertragen worden noch habe sie eine entsprechende Vergütung erhalten. Eine Übertragung einzelner Aufgaben sei lediglich in den Zeiten der urlaubsbedingten Abwesenheit des Teamleiters durch Einzeldelegationen des Beteiligten erfolgt. Auch bislang sei über die Übertragung der Abwesenheitsvertretung nicht entschieden worden; vor einer Entscheidung solle jedenfalls ein Beteiligungsverfahren neu eingeleitet werden. Ein Beteiligungsrecht des Antragstellers werde nicht bestritten. Im Übrigen sei die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich, weil die genannten Gründe unzutreffend seien; das Handbuch Personalrecht sehe lediglich die interne Ausschreibung von Dienstposten, nicht aber von Funktionsstellen vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Personalakte von Frau G. und die Gerichtsakten, auch im Klageverfahren M 14 P 17.1085, verwiesen.
II.
Der Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung vorab zur Sicherung der gefährdeten Rechte des Antragstellers zu entscheiden, ist dahin auszulegen, dass der Antragsteller im Wege der einstweiligen Verfügung festgestellt wissen will, dass der Beteiligte durch die auch nur vorübergehende Berufung der Verwaltungsangestellten Julia G. zur stellvertretenden Teamleiterin gegen sein Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG verstoßen habe.
Der so ausgelegte Antrag hat keinen Erfolg.
Für die Entscheidung ist allein die Vorsitzende der Fachkammer (ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter) berufen. Dies ergibt sich mangels Dringlichkeit der Angelegenheit nicht aus § 944 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 83 Abs. 2 BPersVG und § 85 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Im vorliegenden Fall steht der Dringlichkeit entgegen, dass der Einsetzungszeitraum vom 1. September 2016 bis 28. Februar 2017 bei Antragstellung am 28. Februar 2017 bereits abgelaufen war. Die Entscheidungszuständigkeit der Vorsitzenden allein ergibt sich vielmehr aus § 5 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die in § 83 Abs. 2 BPersVG erfolgte Verweisung auf die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Zusammensetzung des Gerichts. Die Besetzung der Fachkammern richtet sich vielmehr, soweit das Personalvertretungsrecht keine speziellen Regelungen trifft, allein nach den gesetzlichen Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung und damit hier nach § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO, der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nicht vorsieht (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 19.5.2016 – 5 B 10334/16 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Die Vorsitzende entscheidet über den Antrag infolge seiner Erfolglosigkeit nach § 937 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 83 Abs. 2 BPersVG und § 85 Abs. 2 ArbGG ohne mündliche Anhörung.
Nach den gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozessordnung kann eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), oder wenn die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 940 ZPO). Die Gefährdung des Rechts bzw. die Notwendigkeit einer Regelung, d.h. der Verfügungsgrund, und der Verfügungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Darüber hinaus darf die einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht mehr zusprechen, als im Hauptsacheverfahren möglich ist und die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Allerdings kann es die Effektivität des Rechtsschutzes ausnahmsweise erfordern, durch eine einstweilige Verfügung der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, sofern wirksamer Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren nicht erreichbar ist und dies für den Antragsteller zu schlechthin unzumutbaren Folgen führen würde, insbesondere wenn die Versagung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu einem endgültigen Rechtsverlust oder einem sonstigen irreparablen Zustand führt. Dabei sind strenge Anforderungen an die materiellen Voraussetzungen der einstweiligen Verfügung zu stellen; der Antrag kann – auch wenn wie hier nur zeitweilig die Hauptsache vorweggenommen würde – grundsätzlich nur dann Erfolg haben, wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich erfolgreich wäre (BayVGH, B.v. 19.2.2013 – 18 PC 13.24 – juris Rn. 14).
Der Antragsteller begehrt – wie auch im Hauptsacheverfahren – die Feststellung, dass der Beteiligte durch die auch nur vorübergehende Berufung der Verwaltungsangestellten G. zur stellvertretenden Teamleiterin gegen sein Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG verstoßen habe. Unabhängig davon, dass bei der Maßnahme nicht eine Berufung zur stellvertretenden Teamleiterin, sondern lediglich zur Abwesenheitsvertretung inmitten steht, ist der Antrag bereits aus prozessualen Gründen unzulässig. Zum einen fehlt ein Anordnungsgrund (1.), zum anderen ist die Vorwegnahme der Hauptsache nicht gerechtfertigt (2.).
1. Der Antrag ist nicht von einem Anordnungsgrund getragen. Die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses erscheint hier nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller erforderlich.
Der Zeitraum der Einsetzung von Frau G. als Abwesenheitsvertretung war bei Antragstellung bereits abgelaufen. Daneben wurde Frau G. die Abwesenheitsvertretung ohnehin nie übertragen und sie erhielt auch keine entsprechende Vergütung (FS 1). Die Übertragung einzelner Aufgabe erfolgte lediglich im Wege der Einzeldelegation. Dies hat der Beteiligte durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Diese Angaben erscheinen auch nachvollziehbar und glaubhaft. Der Beteiligte führt daneben aus, dass ihm die Mitbestimmungspflichtigkeit der Gewährung einer Funktionsstufe durchaus bewusst sei. Weiter trägt er vor, dass über die Übertragung der Abwesenheitsvertretung noch nicht entschieden worden sei, vorher aber jedenfalls ein Beteiligungsverfahren neu eingeleitet werden soll. Bei dieser Sachlage ist eine Verletzung des Beteiligungsrechts des Antragsgegners weder durch die Einsetzung von Frau G. noch durch die unmittelbar bevorstehende Einsetzung einer anderen Mitarbeiterin ersichtlich.
2. Weiter ist die Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Die Klage wäre in der Hauptsache nicht offensichtlich erfolgreich. Dem Antragsteller ist daher zuzumuten, den geltend gemachten Anspruch im Hauptsacheverfahren prüfen zu lassen.
Zwar stellt die Gewährung einer Funktionsstufe die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 2 BPersVG und damit eine mitbestimmungspflichtige Personalangelegenheit dar. Hier wird die erforderliche Zustimmung des Antragstellers jedoch nach § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG fingiert. Nach dieser Vorschrift gilt eine Maßnahme als gebilligt, wenn der Personalrat die erforderliche Zustimmung nicht innerhalb einer bestimmten Frist unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der Versagungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG gestützt ist, ist dabei unbeachtlich und vermag nicht die Verpflichtung der Dienststelle auszulösen, das Beteiligungsverfahren durch Einleitung des Stufenverfahrens bzw. des Einigungsstellenverfahrens fortzusetzen. Die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats kann, wenn sich daraus ersichtlich keiner der gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgründe ergeben kann, deren Vorliegen also nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise als möglich erscheint, nicht anders behandelt werden als das Fehlen einer Begründung (BVerwG, B.v. 31.1.2017 – 5 P 10/15 – juris Rn. 32). So verhält es sich hier. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 23. November 2016 keinen der Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG ausdrücklich in Bezug genommen. Deren Vorliegen ist auch nicht ersichtlich. Die lediglich verspätet vorgenommene Anhörung des Antragsgegners erfüllt keinen der Gründe dieser Vorschrift. Auch die fehlende Durchführung eines Interessenbekundungsverfahrens lässt sich weder § 77 Abs. 2 Nr. 1 noch Nr. 2 BPersVG zuordnen. Nach dem Handbuch Personalrecht des Jobcenters … a.d. Donau ist eine Ausschreibung vielmehr nur im Fall einer Besetzung von Dienstposten durchzuführen. Die Gewährung einer Funktionsstufe stellt jedoch keine solche Dienstpostenvergabe dar (vgl. OVG NRW, B.v. 23.5.2012 – 20 A 1333/11.PVB – juris Rn. 35 ff.).
Der Antrag war somit abzulehnen.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.
Der Gegenstandswert für das vorliegende Verfahren war auf Antrag des Antragstellers festzusetzen. Er richtet sich hier mangels einschlägiger spezieller Bewertungsvorschriften und sonstiger Anhaltspunkte nach billigem Ermessen und liegt zwischen 5.000,– und 500.000,– € (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG). Billigem Ermessen entspricht es, den Gegenstandswert in Hauptsachen unter Rückgriff auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5.000,– € festzusetzen, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Gegenstandswerts keine weiteren Anhaltspunkte enthält. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist der jeweilige Betrag um die Hälfte zu kürzen.

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