Aktenzeichen 6 Ca 498/16
Leitsatz
Ein ehemaliger Arbeitnehmer verstößt mit der Geltendmachung einer vereinbarten Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB), wenn er zuvor nach einer Nichtleistung des Arbeitgebers diesem gegenüber erklärt hatte, er fühle sich an das Wettbewerbsverbot nicht mehr gebunden. (Rn. 18) (red. LS Alke Kayser)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.120,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.373,60 € seit 01.03.2016, aus weiteren 3.373,60 € seit 01.04.2016 sowie aus weiteren 3.373,60 € seit dem 02.05.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 10.120,80 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet, da die Parteien über Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis streiten, § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG.
2. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – folgt ergibt sich aus dem Sitz der Beklagten, § 17 Abs. 1 ZPO i.v.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
II.
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf die Karenzentschädigung in der geltend gemachten Höhe gem. Ziff. IX (Karenzentschädigung) des Arbeitsvertrages zu.
1. Die Beklagte ist zunächst der ihr nach den allgemeinen Grundsätzen obliegenden Darlegungs- und Beweislast schuldig geblieben, dass der Kläger auf Grund einer Wettbewerbstätigkeit im Zeitraum Februar bis April 2016 keinen Anspruch auf die Karenzentschädigung hat (BeckOK ArbR/Hagen HGB § 74 b Rn. 12). Das Bestreiten mit Nichtwissen ist insoweit daher nicht erheblich.
2. Das Gericht vermag außerdem der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, dass dem Kläger vorliegend auf Grund der Email vom 08. März 2016 der Anspruch auf die Karenzentschädigung – zumindest ab diesem Zeitpunkt – wegen eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) nicht mehr zustehen soll.
a) Ein Verhalten wird unter anderem dann als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sich der Anspruchsteller mit der Geltendmachung einer Forderung in Widerspruch zu eigenem vorausgegangenem Verhalten setzt und dadurch beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt hat oder anderweitige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Die gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wird wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen. Wann dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BAG, Urt. v. 12.3.2009, Az: 2 AZR 894/07, juris).
b) Unter Beachtung dieser Grundsätze sieht das Gericht schon kein widersprüchliches Verhalten des Klägers als gegeben an. Die wörtliche Äußerung, dass er sich nicht mehr „an da Wettbewerbsverbot gebunden fülle“, geschah im Zusammenhang mit einer nicht erfolgten Auszahlung der für Februar fälligen Karenzentschädigung, sprich eines vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten ihrerseits. Dass diese ihn zuvor zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert hatte – vgl. Ziff. IX (Karenzentschädigung (d) des Arbeitsvertrages – und deshalb die Leistung zu Recht hätte verweigern können, trägt die Beklagte insoweit schon selbst nicht vor. Von sich aus musste der Kläger hingegen keine Auskunft erteilen. Dies kann aber letztendlich aber auch dahinstehen. Die Aussage, sich nicht mehr an etwas „gebunden zu fühlen“, bedeutet schlicht, dass der Kläger eine vertragliche Verpflichtung nicht mehr für verbindlich ansieht, sprich er als Schuldner – sicherlich rechtsirrig – der Auffassung ist, entgegen der vertraglichen Bestimmungen Wettbewerb ausüben zu können. Keineswegs damit verbunden und insoweit auch nicht widersprüchlich ist es aber, wenn der Kläger sich dennoch – aus welchen Gründen auch immer – tatsächlich weiterhin an das Wettbewerbsverbot hält und anschließend die ihm hierfür zustehende Karenzentschädigung geltend macht.
c) Auch eine einvernehmliche Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes scheidet vorliegend aus, da eine entsprechende Einigung – ggfs. konkludent – nicht ersichtlich ist.
3. Die Höhe der Karenzentschädigung von 3.373,60 € ist dem Grund nach unstreitig. Ausgehend von dem einzig vorhandenen Arbeitslosengeldbezug hat eine Anrechnung gem. Ziff. IX. (Karenzentschädigung) (c) des Arbeitsvertrages nicht zu erfolgen. Soweit die Beklagte insoweit anführt, dass der Kläger nicht dargelegt habe, dass er keine anderweitigen Einkünfte durch die Verwertung seiner Arbeitskraft hatte bzw. hätte erzielen können, ist dies nicht erheblich. Unabhängig davon, dass der Kläger über seine Einkünfte Auskunft erteilt und sogar den Arbeitslosengeldbescheid in Vorlage gebracht hat, obliegt es der Beklagten bereits schon nach den allgemeinen Grundsätzen, die Einwendungen darzulegen und ggfs. zu beweisen, dass der Kläger anderweitigen anrechenbaren Verdienst gehabt bzw. einen solchen zu erzielen böswillig unterlassen hat (vgl. nur BAG, Urt. v. 03.07.1990, Az: 3 AZR 96/89, juris). Den der Beklagten hierzu flankierend zustehenden Auskunftsanspruch gem. Ziff. IX. (Karenzentschädigung) (d) bzw. § 74 c Abs. 2 HGB hat der Kläger vorliegend erfüllt. Dieser bezieht sich nach zutreffender h.M. auch nicht auf Angaben zu einem böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes (vgl. NK-ArbR/Barbara Reinhard HGB § 74 c Rn. 21, m.w.N.). Unabhängig davon würde vorliegend wohl angesichts der vertraglichen Regelung insoweit ohnehin § 305 c Abs. 2 BGB zu Gunsten des Klägers eingreifen. Dies kann aus den oben genannten Gründen allerdings letztendlich dahingestellt bleiben.
4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 193, 286, 288 BGB i.V.m. Ziff. IX (Karenzentschädigung) (b) des Arbeitsvertrages.
5. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung in Anbetracht des nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten bzw. des nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatzes des Klägers war nach Ansicht des Gerichts nicht veranlasst, § 138 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 4 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
IV.
Der Streitwert war gem. §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO mit den Nennbetrag der Forderung festzusetzen.
V.
Soweit die Berufung nicht schon von Gesetzes wegen statthaft ist, war diese nicht gesondert zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, § 64 Abs. 3 ArbGG.