Arbeitsrecht

Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung

Aktenzeichen  1 AZR 275/12

Datum:
9.7.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 77 BetrVG
§ 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG
§ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Ludwigshafen, 27. Januar 2011, Az: 5 Ca 596/10, 5 Ca 476/10, 5 Ca 590/10, 5 Ca 270/10, Urteilvorgehend ArbG Ludwigshafen, 27. Januar 2011, Az: 5 Ca 596/10, Urteilvorgehend ArbG Ludwigshafen, 27. Januar 2011, Az: 5 Ca 476/10, Urteilvorgehend ArbG Ludwigshafen, 27. Januar 2011, Az: 5 Ca 590/10, Urteilvorgehend ArbG Ludwigshafen, 27. Januar 2011, Az: 5 Ca 270/10, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 9. Januar 2012, Az: 5 Sa 168/11, Urteil

Tenor

1. Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Januar 2012 – 5 Sa 168/11 – aufgehoben.
2. Die Berufungen der Beklagten gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 27. Januar 2011 – 5 Ca 270/10, 5 Ca 476/10, 5 Ca 590/10 – und – 5 Ca 596/10 – werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Berufungen und der Revisionen hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Zahlung einer außertariflichen Zulage.
2
Die Beklagte betreibt einen holzverarbeitenden Betrieb, für den ein Betriebsrat gewählt ist. Sie ist kraft Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz gebunden. Dieser sieht eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden bei einer Fünftagewoche vor, lässt aber Betriebsvereinbarungen über die Einführung von Schichtarbeit zu.
3
Die Kläger zu 1. und 4. sind bei der Beklagten im Bereich Fünf-Schicht-Contibetrieb, die Kläger zu 2. und 3. im Bereich Endfertigung beschäftigt. Für diese Arbeitsbereiche haben die Betriebsparteien in gesonderten Betriebsvereinbarungen Schichtplanregelungen getroffen. Diese sehen für den Bereich Endfertigung eine Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Arbeitstage und im Bereich Fünf-Schicht-Contibetrieb eine Verteilung auf alle Wochentage vor. In der am 11. Februar 2005 abgeschlossenen „Betriebsvereinbarung 5-Schicht-Contibetrieb“ (BV-Contibetrieb) ist bestimmt:
        
„…    
        
6.    
Außertarifliche Zulage im 5-Schicht-Contibetrieb
        
        
Es wird eine außertarifliche Zulage von 130 EUR monatlich gezahlt (tarifliche Zuschläge für Spät- und Nachtschicht bleiben unberührt). Diese kann in einer noch zu vereinbarenden Prämienregelung aufgehen.
        
…       
        
        
8.    
Laufzeit und Kündigungsfrist
        
        
Diese Betriebsvereinbarung gilt ab dem Tag der Unterzeichnung und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31.12.2006 gekündigt werden. Die Bestimmungen hinsichtlich der Zusatzstunden gelten bis zum 31.12.2008, ohne Nachwirkung.“
4
In der am 20. Dezember 2006 abgeschlossenen „Betriebsvereinbarung Endfertigung (Holzma 1 – Holzma 2 – Verladung)“ (BV-Endfertigung) heißt es:
        
„…    
        
        
3.    
Außertarifliche Zulage
        
        
Es wird eine außertarifliche Zulage von EUR 74,- monatlich gezahlt (tarifliche Zuschläge für Spät- und Nachtschicht bleiben unberührt). Diese kann in einer noch zu vereinbarenden Prämienregelung aufgehen.
        
…       
        
        
5.    
Laufzeit und Kündigungsfrist
        
        
Diese Betriebsvereinbarung gilt ab dem Tag der Unterzeichnung und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende, erstmals zum 31.12.2007 gekündigt werden. Die Bestimmungen hinsichtlich der Zusatzstunden enden ohne Nachwirkung am 31.12.2008.“
5
Die Beklagte kündigte beide Betriebsvereinbarungen zum 31. Dezember 2009 und stellte die Zahlung der darin vereinbarten Zulagen zum Jahresende 2009 ein. Hierüber informierte sie die betroffenen Arbeitnehmer Ende Januar 2010. Eine in zwei weiteren Betriebsvereinbarungen vom 26. August 1996 und vom 17. Juli 1997 für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte geregelte sog. „Arbeitsplatzzulage“ gewährt sie unverändert weiter. Zum 1. August 2011 trat bei ihr durch Spruch der Einigungsstelle eine neue Betriebsvereinbarung zur Schichtplanregelung in Kraft, in der keine Zulagen vorgesehen sind.
6
Mit ihren Klagen haben die Kläger zu 1. und 3. die Fortzahlung der Zulage für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 und die Kläger zu 2. und 4. für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2010 verlangt. Sie haben geltend gemacht, die gekündigten Betriebsvereinbarungen wirkten nach, weil sie teilmitbestimmt seien.
7
Der Kläger zu 1. hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 780,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
8
Der Kläger zu 2. hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2010 eine Zulage in Höhe von 888,00 Euro brutto zu zahlen.
9
Der Kläger zu 3. hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 444,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10
Der Kläger zu 4. hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Monate Januar 2010 bis einschließlich Dezember 2010 eine Schichtzulage in Höhe von 1.560,00 Euro brutto zu zahlen.
11
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, einer Nachwirkung der Betriebsvereinbarungen stehe bereits entgegen, dass sie die Zahlung der in den Betriebsvereinbarungen vorgesehenen Zulagen vollständig eingestellt habe.
12
Das Arbeitsgericht hat den Klagen entsprochen, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihren Revisionen begehren die Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

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