Arbeitsrecht

Nichtabführung der Vergütung aus Nebentätigkeit

Aktenzeichen  AN 13b D 18.01662

Datum:
22.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20666
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 12
BeamtStG § 47 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Verstoß gegen die Verpflichtungen aus §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 BayNV ist ein Dienstvergehen. (Rn. 134) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Beurteilung, ob ein Dienstvergehen vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurde, können sowohl besondere private Umstände (hier: schwere Erkrankung der Ehefrau) als auch vorhandene Rechtskenntnisse (hier: Grundkenntnisse im Bereich des Nebentätigkeitsrechts) von Bedeutung sein. (Rn. 138 und 139) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einer Verletzung der nebentätigkeitsrechtlichen Anzeige-, Abrechnungs- und Ablieferungspflichten steht grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. (Rn. 141) (redaktioneller Leitsatz)
4 Verstöße gegen die Abrechnungs- und Ablieferungspflicht wiegen schwerer als ein Verstoß gegen die allgemeine Pflicht, Nebentätigkeiten dem Dienstherrn anzuzeigen. (Rn. 143) (redaktioneller Leitsatz)
5 Die Pflicht des Dienstvorgesetzten, Beamtinnen und Beamte ihres bzw. seines Bereichs zur fristgerechten Abgabe der Nebentätigkeitsabrechnung aufzufordern (Abschnitt 10, Ziff. 9.6.1 VV-BeamtR), greift erst dann, wenn der Dienstvorgesetzte davon Kenntnis erlangt hat, dass der Beamte eine Nebentätigkeitsvergütung erhalten hat, die eine Ablieferungspflicht unterliegen könnte. (Rn. 152) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/10 auf die Dauer von drei Jahren erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 13 Abs. 1 BayDG zu einer Kürzung des Ruhegehalts des Beklagten um 1/10 auf die Dauer von drei Jahren.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche werden auch nicht geltend gemacht. Der Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Er konnte sich gemäß Art. 32 BayDG abschließend äußern.
Die Disziplinarkammer stützt seine Entscheidung auf den der Disziplinarklage zu Grunde gelegten Sachverhalt, der unter Ziffer III. des Tatbestandes wörtlich wiedergegeben ist.
Der Beklagte hat den Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt und die nicht an seinen früheren Dienstherrn abgeführte Nebentätigkeitsvergütung in Höhe von 57.679.- EUR am 21. September 2015 vollständig erstattet.
II.
Der Beklagte hat durch die Nichtanzeige und Nichtabführung der Nebentätigkeitsvergütung, die er in den Jahren 2005 bis einschließlich 2013 für seine Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse … erhalten hat, und die in ihrer Höhe den jeweiligen Ablieferungsfreibetrag nach §§ 9, 10 BayNV bzw. §§ 2, 3 KBW-NV überschritten hat, ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 KWBG in der bis zum 31. Juli 2012 gültigen Fassung bzw. (für den Zeitraum ab dem 1. August 2012) nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
Gemäß § 12 Abs. 1 BayNV (ab dem 1.8.2012 i.V.m. § 2 KWB-NV) haben Beamte, denen Vergütungen zugeflossen sind, auf die § 10 BayNV anzuwenden ist, ihrem Dienstvorgesetzten bis spätestens 31. Januar eines jeden Jahres eine Abrechnung über die im abgelaufenen Kalenderjahr zugeflossenen Vergütungen vorzulegen. Von dem Beamten kann verlangt werden, dass er Aufzeichnungen über die zugeflossenen Vergütungen führt.
Nach § 10 Abs. 1 BayNV sind Vergütungen für eine oder mehrere Nebentätigkeiten, die im öffentlichen oder in dem ihm gleichstehenden Dienst (§ 4) oder auf Vorschlag oder Veranlassung seines Dienstherrn ausgeübt werden, von dem Beamten insoweit an den Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, als sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten den Höchstbetrag nach § 9 Abs. 3 Satz 1 BayNV übersteigen.
Der Beklagte war nach der zum 1. Januar 2005 erfolgten Fusion der Vereinigten …Sparkassen mit der Kreissparkasse … zur Sparkasse … weiterhin als gewähltes einfaches Mitglied des Verwaltungsrates der genannten Sparkasse tätig.
Die als Mitglied des Verwaltungsrates einer Sparkasse gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 SparkassenO gewährte Entschädigung unterfällt der Ablieferungspflicht nach § 10 BayNV i.V.m. § 9 Abs. 3 BayNV bzw. (ab 1.9.2012) i.V.m. Art. 3 Abs. 2 KWB-NV.
Dies folgt bereits aus der Regelung in § 11 Abs. 2 Nr. 1 BayNV bzw. § 3 Abs. 4 KWB-NV, wonach für kommunale Wahlbeamte, die Vorsitzender oder stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat einer Sparkasse sind, abweichend von § 9 Abs. 3 BayNV bzw. (ab 1.8.2012) Art. 3 Abs. 2 KWB-NV der drei- bzw. zweifache ablieferungsfreie Höchstbetrag gilt.
Für kommunale Wahlbeamte, die lediglich einfaches Mitglied des Verwaltungsrates einer Sparkasse sind, verbleibt es bei den Grenzen des § 9 Abs. 3 BayNV bzw. (ab dem 1.8.2012) § 3 Abs. 2 KWB-NV. Die jährliche Entschädigung, die der Beklagte ab dem 1. Januar 2005 aus seiner Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats der damals neu fusionierten Sparkasse … erhalten hatte, hat den in § 9 Abs. 3 BayNV bzw. (ab dem 1.8.2012) § 3 Abs. 2 KWB-NV bestimmten Ablieferungsfreibetrag unstreitig (erstmals ab dem 1.1.2005) überschritten.
Der Beklagte ist seinen Verpflichtungen aus §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 BayNV nicht nachgekommen und damit ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (VGH BW, U.v. 24.2.2011 – DL 13 S 2817/09, juris Rn. 100). Er hat gegen seine Verpflichtung, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bzw. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 KWBG a.F.), die Pflicht zur uneigennützigen Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben (§ 34 Satz 2 BeamtStG bzw. Art. 35 Abs. 1 Satz 2 KWBG a.F.) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG bzw. Art. 35 Abs. 1 Satz 3 KWBG a.F.) verstoßen.
Der Beklagte hat sein Fehlverhalten eingeräumt und den nicht abgeführten Betrag in Höhe von insgesamt 57.679.- EUR am 21. September 2019 vollständig an die Stadt … überwiesen.
Entgegen der Auffassung der Disziplinarbehörde ist die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass der Beklagte das innerdienstliche Dienstvergehen nicht bedingt vorsätzlich, sondern grob fahrlässig begangen hat.
Bedingt vorsätzlich handelt, wer die Verwirklichung der Dienstpflichtverletzung für möglich hält, aber dennoch in Kauf nimmt (Hermann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht, Beamtenstrafrecht, 1. Auflage 2014, Rn. 238). Dem Beamten fällt Fahrlässigkeit zur Last, wenn er die Pflichtwidrigkeit zwar aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten erkennen muss, aber darauf vertraut, nicht gegen die beamtenrechtliche Dienstpflicht zu verstoßen. Der Fahrlässigkeitsvorwurf knüpft an die Außerachtlassung der Sorgfalt an, die von dem einzelnen Beamten objektiv nach den Umständen des Einzelfalls gefordert wurde und die zu leisten er subjektiv nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten im Stande war. Die Grenzen bei den Schuldformen liegen im Einzelfall beieinander: Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich nur im Wollenselement: Der bewusst fahrlässig Handelnde ist mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden und vertraut deshalb auf ihren Nichteintritt. Demgegenüber ist der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolges in der Weise einverstanden, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Hermann/Sandkuhl, a.a.O., Rn. 240, 241).
Hiervon ausgehend ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass dem Beklagten nur (grobe) Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Es erscheint glaubhaft, dass der Beklagte sich keine Gedanken über die Folgen der deutlichen Anhebung der Entschädigung für seine Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrates von 4.908,40 EUR auf zunächst 11.092.- EUR nach der Bildung der Sparkasse … gemacht hat. In diesem Zusammenhang sind auch die aktenkundig dokumentierten Erkrankungen seiner Ehefrau (u.a. wurde bei ihr im Jahr 2001 ein Mammakarzinom diagnostiziert, im September 2005 erlitt sie einen Schlaganfall, der mehrwöchige stationäre Reha- und Nachbehandlungsmaßnahmen erforderte) in den Blick zu nehmen, die möglicherweise dazu beigetragen haben, dass der Beklagte sich nicht in dem rechtlich gebotenen Maße mit den möglichen Auswirkungen der deutlichen Anhebung der Entschädigung für seine Nebentätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse … auseinandergesetzt hat. Es ist für die Kammer nicht nachweisbar, dass der Beklagte mit dem Eintreten des schädlichen Erfolges (hier der Nichtmeldung und der Nichtabführung der den Freibetrag übersteigenden Entschädigung) in der Weise einverstanden war, dass er ihn billigend in Kauf nahm oder dass er sich mit der Tatbestandsverwirklichung abgefunden hat.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte während seiner Tätigkeit als Erster Bürgermeister der Gemeinde … gemäß Art. 43 Abs. 3 GO auch Dienstvorgesetzter der Gemeindebeamten war. Da Dienstvorgesetzten von Beamten auch Aufgaben im Vollzug des Nebentätigkeitsrechts übertragen sind, beispielsweise die Entgegennahme der Abrechnung über Nebentätigkeitsvergütungen (Art. 81 Abs. 3 Satz 6 BayBG, § 12 Abs. 1 BayNV), ist zu erwarten, dass der Beklagte, der vor seiner Wahl zum Ersten Bürgermeister in der Verwaltung der Stadt … tätig war, zumindest über Grundkenntnisse im Bereich des Nebentätigkeitsrechts verfügt. Dem Beklagten hätte sich deshalb aufdrängen müssen, die deutliche Anhebung der Höhe der Entschädigung, die er als Mitglied des Verwaltungsrats erhalten hat, zumindest zum Anlass zu nehmen, sich über die möglichen rechtlichen Folgen der Anhebung zu erkundigen. Dem Beklagten ist deshalb jedenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen.
Die allgemeinen Grundsätze, denen eine disziplinare Maßnahmebemessung genügen muss, sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt: Nach den im Wesentlichen inhaltsgleichen gesetzlichen Vorschriften des Bundes (§ 13 BDG) und der Länder (hier: Art. 14 BayDG) ist eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen nach der Schwere des Dienstvergehens, unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beamten und danach zu bemessen, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat. Der Inhalt dieser Begriffe ist, soweit er einer rechtsgrundsätzlichen Maßstabbildung zugänglich ist, vom Bundesverwaltungsgericht weiter konkretisiert worden (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252 , v. 3.5.2007 – 2 C 9.06, Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 13 ff. und v. 25.7.2013 – 2 C 63.11, BVerwGE 147, 229 Rn. 13 ff.).
Mit Blick auf die Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten hat das Bundesverwaltungsgericht weiter entschieden, dass wegen der Vielzahl der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung steht (BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 4/18, juris Rn. 20; B.v. 17.7.2013 – 2 B 27/12, juris Rn. 7; OVG LSA U.v. 5.6.2012 – 10 L 2/12, juris Rn. 69). Die Kammer teilt die Auffassung der Disziplinarbehörde, dass diese Rechtsprechung auf die Verletzung der nebentätigkeitsrechtlichen Anzeige-, Abrechnungs- und Ablieferungspflichten übertragbar ist (vgl. VG Magdeburg, B.v. 27.4.2016 – 15 B 9/16, juris Rn. 35).
Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beklagten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) und nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.2483, juris Rn. 81).
Im Hinblick auf Verstöße gegen die Abrechnungs- und Ablieferungspflicht geht die Disziplinarbehörde zutreffend davon aus, dass diese schwerer wiegen als ein Verstoß gegen die allgemeine Pflicht, Nebentätigkeiten dem Dienstherrn anzuzeigen (§ 40 BeamtStG, § 7 Abs. 2 Satz 1 BayNV; vgl. VG Magdeburg, B.v. 27.4.2016 – 15 B 9/16, juris Rn. 31). Des Weiteren wiegt erschwerend, wenn nicht nur gegen die Ablieferungspflicht, sondern auch gegen die Abrechnungspflicht verstoßen wurde, weil dadurch dem Dienstherrn bereits die Möglichkeit abgeschnitten wird, die abzuliefernden Beträge festzusetzen (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, MatR/II, Rn. 377).
Für die Ahndung von Verstößen gegen die Abrechnungs- und Abführungspflicht kommt es auf die Dauer, Häufigkeit und den Umfang der nicht abgelieferten Beträge an. Der Beklagte hat es in dem ihm in der Disziplinarklage zur Last gelegten Zeitraum unterlassen, seiner gemäß § 12 Abs. 1 BayNV jedes Jahr neu entstehenden Verpflichtung zur Abrechnung und ggf. Ablieferung der aus der Nebentätigkeit enthaltenen Vergütungen (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.2001 – 2 C 61/00, juris Rn. 13) nachzukommen. Es liegt somit eine dauerhafte und immer wieder kehrende Pflichtverletzung vor, die als schwerwiegend anzusehen ist und sich im Schweregehalt deutlich von einer einmaligen Verfehlung abhebt. Insgesamt hat der Beklagte durch sein Verhalten seinem Dienstherrn im Zeitraum von 2005 bis einschließlich 2013 einen Ablieferungsbetrag in Höhe von 57.679.- Euro vorenthalten. Was Dauer, Häufigkeit und Umfang der Pflichtverstöße betrifft, ist somit von einem schweren Dienstvergehen auszugehen, welches den Orientierungsrahmen bis hin zur Aberkennung des Ruhegehalts eröffnet (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 24.2.2011 – DL 13 S 2817/09, juris; VG Magdeburg, B.v. 27.4.2016 – 15 B 9/16, juris).
Wie die Disziplinarbehörde weiter zutreffend ausführt, kommt hinzu, dass der Beklagte als Erster Bürgermeister der Stadt … in einer besonderen Pflichtenstellung gestanden hat. Als Erster Bürgermeister hatte der Beklagte eine im besonderen Maße herausgehobene Position inne. Der Erste Bürgermeister genießt eine besondere Vertrauensstellung und weitreichende Befugnisse. Er führt den Vorsitz im Stadtrat, bereitet die Beratungsgegenstände vor (Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO) und vollzieht dessen Beschlüsse (Art. 36 Satz 1 GO), er besorgt kraft eigener Zuständigkeit die in Art. 37 Abs. 1 GO genannten Geschäfte, leitet die Verwaltung (Art. 37 Abs. 4 GO) und vertritt die Stadt nach außen (Art. 38 Abs. 1 GO).
Seine Stellung erhält zudem noch dadurch besonderes Gewicht, dass er unmittelbar durch die Bürger gewählt wird (Art. 17 GO) und eine vorzeitige Abwahl nicht möglich ist. Dem stehen hohe Anforderungen an seine Führungsfähigkeiten und seiner persönliche Integrität gegenüber. In der Stadtverwaltung hat er Vorbildfunktion für nachgeordnete Bedienstete und ist Dienstvorgesetzter der Beamten (Art. 43 Abs. 3 GO). Außerdem steht er als gewählter Repräsentant der Stadt unter besonderer Beobachtung der Bürger. Sein Fehlverhalten ist daher im besonderen Maße geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Stadtverwaltung zu beschädigen.
An das Pflichtgefühl und das Verantwortungsbewusstsein eines Ersten Bürgermeisters sind deshalb hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, U.v. 10.9.2013 – 16 a D 13.2335, juris Rn. 108).
Durch den dargelegten Verstoß gegen seine Dienstpflichten ist das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Integrität des Beklagten sowie das Ansehen des Berufsbeamtentums deutlich beeinträchtigt worden. Sowohl der Dienstherr als auch die Öffentlichkeit dürfen davon ausgehen, dass ein Erster Bürgermeister sich gesetzestreu verhält und nicht zuletzt, aber vor allem auch in finanziellen Angelegenheiten, die erforderliche Sorgfalt walten lässt und sich nicht zu Unrecht persönlich bereichert. Wenn ein Erster Bürgermeister – so wie vorliegend der Beklagte – die Gesetzestreue der Verwaltung nicht verkörpert, führt dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens des öffentlichen Dienstes und tangiert das Vertrauen in relevanter Weise.
In der Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist zu Gunsten des Beklagten jedoch zu berücksichtigen, dass diesem nicht zur Last gelegt wird, er habe eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit ohne Vorliegen der erforderlichen Genehmigung ausgeübt. Die Kammer teilt deshalb die Auffassung der Disziplinarbehörde, dass eine Ausschöpfung des Orientierungsrahmens bis zur Höchstmaßnahme nicht angezeigt und von einer Kürzung des Ruhegehalts (Art. 12 BayDG) als Orientierungsrahmen auszugehen ist.
Im Rahmen der nach Art. 12 BayDG zu treffenden Entscheidung über die hier erforderliche und verhältnismäßige Disziplinarmaßnahme ist zunächst festzuhalten, dass Anhaltspunkte für „klassische“ Milderungsgründe, die zugunsten des Beklagten sprechen könnten, wie ein Handeln in einer schockartig ausgelösten psychischen Zwangssituation oder eine einmalige und persönlichkeitsfremde Augenblickstat nicht vorliegen.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, zu seinen Gunsten sei ein Mitverschulden seines Dienstherrn an der Nichtmeldung und -abführung der Nebentätigkeitsvergütung zu berücksichtigen (vgl. zur Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Dienstherrn: BayVGH, U.v. 24.9.2014 – 16a D 13.118, juris Rn. 103).
Der Beklagte beruft sich darauf, dass die oder der Dienstvorgesetzte Beamtinnen und Beamte ihres bzw. seines Bereichs zur fristgerechten Abgabe der Nebentätigkeitsabrechnung aufzufordern habe (Abschnitt 10, Ziff. 9.6.1 VV-BeamtR). Die genannte Verwaltungsvorschrift des Freistaats Bayern, deren Anwendung den Kommunen lediglich empfohlen wird (vgl. Abschnitt 18, Ziffer 1.1 VV-BeamtR) greift jedoch erst dann, wenn der Dienstvorgesetzte davon Kenntnis erlangt hat, dass der Beamte eine Nebentätigkeitsvergütung erhalten hat, die eine Ablieferungspflicht unterliegen könnte. Der Beklagte ist seiner entsprechenden Verpflichtung aus § 12 Abs. 1 BayNV jedoch nicht nachgekommen. Eine entsprechende, zu ahndende Dienstpflichtverletzung liegt deshalb bereits in der Nichtabgabe der Erklärungen über die erhaltenen Einkünfte aus der Nebentätigkeit (vgl. VGH BW, U.v. 24.2.2011 – DL 13 S 2817/09, juris Rn. 100).
Es ist nicht entscheidungserheblich, ob der Stadtrat der Stadt … oder ein Mitglied der Verwaltung davon Kenntnis erlangt hatten, dass der Beklagte zum einfachen Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse … gewählt worden war. Denn dies ändert nichts an der aufgezeigten Verpflichtung des Beklagten. Es konnte nicht festgestellt werden, dass maßgebliche Organe der Stadt … auch ohne entsprechende Anzeige des Beklagten davon Kenntnis gehabt hatten, dass der Beklagte als Mitglied des Verwaltungsrates eine Entschädigung erhielt, die den Ablieferungsfreibetrag nach § 9 Abs. 3 BayNV bzw. § 3 Abs. 2 KWB-NV überschreitet. Aus den seitens der Bevollmächtigten des Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlagen B1 bis B3 zur Klagerwiderung vom 26. Oktober 2018) lässt sich nicht einmal eine Kenntnis des Stadtrats von der Tätigkeit des Beklagten als Mitglied des Verwaltungsrates herleiten.
Ebenso bestand keine Verpflichtung des früheren Dienstherrn, den Kläger auf eine eventuelle Ablieferungspflicht hinzuweisen. Denn aus der in § 45 BeamtStG normierten allgemeinen Fürsorgepflicht kann keine allgemeine Belehrungs- und Beratungspflicht des Dienstherrn über den Inhalt sämtlicher Vorschriften, die für die Rechte und Pflichten und für das Wohl des Beamten von Bedeutung sind, abgeleitet werden (BVerwG, U.v. 30.1.1997 – 2 C 10.96, ES/B III 1 Nr. 25; NRW OVG, B.v. 7.1.2015 – 6 B 1303/14, juris Rn 7). Vielmehr obliegt es dem Beamten, sich selbst um diejenigen Angelegenheiten zu kümmern, die seinem eigenen Interesse dienen und sich die entsprechenden (rechtlichen) Kenntnisse durch angemessene Mühegabe selbst zu verschaffen (vgl. BVerwG, U.v.11.2.1977 – VI C 105.74, BVerwGE 52, 70 = Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 9; NRW OVG, B.v. 6.8.2012 – 6 A 3015/11, juris Rn 9; VGH BW, B.v. 3.12.2013 – 4 S 221/13, juris Rn 24).
Dies gilt insbesondere für den Beklagten, der – wie bereits ausgeführt – selbst Dienstvorgesetzter der Beamten der Stadt … und in dieser Funktion rechtlich auch in den Vollzug des Nebentätigkeitsrechts eingebunden war. Insoweit ist von einer gesteigerten Verpflichtung des Beklagten, sich in Zweifelsfällen selbst kundig zu machen, auszugehen.
Ebensowenig bestand eine Beratungspflicht der Sparkasse … Ein etwaiges Verschulden der genannten Sparkasse gegenüber dem Beklagten müsste sich der frühere Dienstherr des Beklagten ohnehin nicht zurechnen lassen.
Ebenso wenig kann sich der Beklagte entlastend darauf berufen, dass nach § 11 Abs. 1 Nr. 11 BayNV die Möglichkeit bestanden hätte, die von ihm erlangte Nebentätigkeitsvergütung von der Ablieferungspflicht auszunehmen. Nach der genannten Vorschrift sind Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs oder im öffentlichen Interesse notwendig sind, von der Ablieferungspflicht auszunehmen, soweit die oberste Dienstbehörde eine Ausnahme von der Ablieferungspflicht für erforderlich hält.
Der Stadtrat der Stadt … als oberste Dienstbehörde hat in seiner Sitzung am 18. August 2015 beschlossen, keine derartige Befreiung zu gewähren. Der Beklagte hat diese Entscheidung nicht angegriffen.
Zudem folgt aus der in § 11 Abs. 2 BayNV bzw. § 3 Abs. 2 KWB-NV für kommunale Wahlbeamte auf Zeit, die Vorsitzende des Verwaltungsrats einer Sparkasse oder Stellvertreter des Vorsitzenden sind, getroffenen Sonderregelung, dass der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass Vergütungen, die aus dieser Tätigkeit erzielt werden, an den Dienstherrn abzuführen sind, soweit sie den jeweiligen (ggf. für Vorsitzende des Verwaltungsrats und deren Stellvertreter erhöhten) Freibetrag überschreiten. Für diesen Personenkreis ist deshalb kein Raum für eine Anwendung des § 11 Abs. 1 Nr. 11 BayNV, wodurch eine vom Verordnungsgeber nicht gewollte Erhöhung des Ablieferungsfreibetrags für Mitglieder des Verwaltungsrates einer Sparkasse erreicht würde.
Baßlsperger (in: Beamtenrecht in Bayern, Rn. 28 zu Art. 85 BayBG) geht zudem davon aus, dass die Ausnahmemöglichkeit des § 11 Abs. 1 Nr. 11 BayNV bei sachgerechtem Vollzug generell lediglich zur Folge haben könne, dass ausnahmsweise die Höchstgrenzen für die Ablieferungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BayNV i.V.m. § 9 Abs. 3 BayNV bzw. § 3 Abs. 2 KWB-NV zugrunde zu legen wären, da es bei einer völligen Freistellung von der Ablieferungspflicht im Vollzug des § 10 Abs. 1 Satz 1 BayNV zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des von der Entscheidung begünstigten Personenkreises käme.
Soweit sich die Bevollmächtigten des Beklagten unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Baßlsperger (in: Beamtenrecht in Bayern, Rn. 46 zu § 40 BeamtStG) darauf berufen, Voraussetzung einer Ablieferungspflicht sei ein Freizeitausgleich im Hauptamt, die dem Beklagten nicht gewährt worden sei, wird übersehen, dass die genannte Kommentierung lediglich die Fallgestaltung einer vollen Ablieferungspflicht für Nebeneinkünfte aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst betrifft. Vorliegend ist eine derartige Fallgestaltung jedoch nicht betroffen.
Neben der Sache liegen die Ausführungen des Beklagten, seine Tätigkeit als Erster Bürgermeister habe zu erheblichen, nicht abgegoltenen Überstunden geführt. Der im letzten Dienstjahr verbliebene Jahresurlaub (27 Tage) und 128 Mehrarbeitsstunden seien durch seinen früheren Dienstherrn nicht ausgeglichen worden. Selbst wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, kann er hieraus nicht das Recht herleiten, durch anteilige Nichtabführung der erhaltenen Nebentätigkeitsvergütung bereits seit dem Jahr 2005 (!) selbst einen Ausgleich für ein angeblich rechtswidriges Verhalten seines Dienstherrn herbeizuführen.
Erheblich zu Lasten des Beklagten fällt die straf- und disziplinarrechtliche Vorbelastung ins Gewicht. Der Beklagte ist mehrfach bereits mit den Strafgesetzen in Konflikt geraten und in der Folge auch durch entsprechende Disziplinarmaßnahmen an seine Pflichten ermahnt worden.
Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Beklagten besteht insoweit auch kein Verwertungsverbot gemäß Art. 17 Abs. 1 BayDG. Dieses sieht im Falle einer Kürzung der Dienstbezüge und einer Kürzung des Ruhegehaltes ein Verwertungsverbot nach fünf Jahren vor. Dieses beginnt, sobald die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme unanfechtbar ist. Sie endet nicht, solange ein gegen den Beamten eingeleitetes Straf- oder Disziplinarverfahren nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, eine andere Disziplinarmaßnahme berücksichtigt werden darf, eine Entscheidung über die Kürzung der Dienstbezüge noch nicht vollstreckt ist oder ein gerichtliches Verfahren über die Beendigung des Beamtenverhältnisses oder über die Geltendmachung von Schadenersatz gegen den Beamten anhängig ist.
Vorliegend wurde vor Eintritt des Verwertungsverbotes hinsichtlich der mit Beschluss vom 5. Oktober 2007 – AN 12b D. 01089 verfügten Disziplinarmaßnahme ein weiteres Strafverfahren gegen den Kläger wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eingeleitet.
Zugunsten des Beklagten ist zu werten, dass er zweimal eine Verzichtserklärung im Hinblick auf die Verjährungseinrede mit Blick auf mögliche Ansprüche seines ehemaligen Dienstherrn abgegeben und dadurch eine Aufklärung des Sachverhalts ohne erheblichen Zeitdruck ermöglicht bzw. seinen ehemaligen Dienstherrn nicht in eine Situation gebracht hat, in der mögliche Ansprüche wegen drohender Verjährung entweder ohne ausreichende juristische Prüfung gerichtlich geltend zu machen oder niederzuschlagen gewesen wären.
Weiterhin ist zu seinen Gunsten zu werten, dass er den abzuliefernden Betrag freiwillig und – ohne die Einrede der Verjährung zu erheben – vollständig an seinen vormaligen Dienstherrn geleistet und sich dadurch kooperativ im Sinne einer Schadenswiedergutmachung verhalten hat.
Die Kammer teilt die Auffassung der Disziplinarbehörde, dass die in den Akten dokumentierte Erkrankung er Ehefrau des Beklagten, die am 23. Januar 2018 verstorben ist, den Beklagten zwar sicherlich stark belastet hat, sich aber bei der Bemessungsentscheidung nicht durchgreifend zu seinen Gunsten auswirkt.
Denn der Beklagte sah sich trotz der für ihn belastenden Situation durchaus in der Lage, im Jahr 2014 erneut als Kandidat für das Bürgermeisteramt anzutreten. Zudem war der Beklagte offenichtlich auch in der Lage, in dem hier relevanten Zeitraum seine Verpflichtungen als Erster Bürgermeister trotz der Erkrankung seiner Ehefrau im vollen Umfang und ordnungsgemäß zu erfüllen.
Bei einer Gegenüberstellung der Erschwernisgründe einerseits und der Milderungsgründe andererseits gelangt die Kammer in der gebotenen einzelfallspezifischen Abwägung zu der Einschätzung, dass insbesondere aufgrund des wiederholten straf- und disziplinarrechtlich relevanten Verhaltens des Beklagten und der damit einhergehenden Schädigung von Ansehen und Vertrauen in den öffentlichen Dienst eine deutliche disziplinarische Reaktion erforderlich ist.
Im Hinblick darauf, dass die Kammer nur von einer grob fahrlässigen Dienstpflichtverletzung durch den Beklagten ausgeht und Disziplinarmaßnahmen unterhalb der Höchstmaßnahme gegen Ruhestandsbeamte im Vergleich zu Maßnahmen gegen Beamte im aktiven Dienst wegen eines verminderten Pflichtenmahnungsbedürfnisses eine geminderte Funktion haben und demgemäß geringer ausfallen können (vgl. Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, Rn. 6 zu § 11 m.w.N.), ist die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass als Disziplinarmaßnahme eine Kürzung des Ruhegehalts gem. Art. 12 BayDG um (nur) drei Jahre mit einem Kürzungsbruchteil von 1/10 (zu diesem: Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 5 zu Art. 12 BayDG i.V.m. Rn. 8 zu Art. 9 BayDG m.w.N.) geboten und auch verhältnismäßig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m § 154 Abs. 1 VwGO.

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